Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.07.2008, Az.: 15 MF 6/08
Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens; Anforderungen an die behördliche Aufklärungspflicht das geplante Verfahren sowie die zu erwartenden Kosten i.S.d. § 5 Abs. 1 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG) bereffend; Anforderungen an die Begründungspflicht der Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.07.2008
- Aktenzeichen
- 15 MF 6/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 20637
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0704.15MF6.08.0A
Rechtsgrundlage
- § 86 Abs. 1 FlurbG
Fundstelle
- AUR 2008, 385-387 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zu den Anforderungen, die an die Anordnung eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens nach § 86 Abs. 1 FlurbG zu stellen sind (hier für das Flurbereinigungsverfahren Aller-Weser-Dreieck bejaht).
Gründe
Der nach § 138 Abs. 1 Satz 2 des Flurbereinigungsgesetzes - FlurbG - in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässige Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens Aller-Weser-Dreieck vom 16. Juli 2007 wiederherzustellen, hat keinen Erfolg.
Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung der Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens besonders angeordnet (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und das besondere Interesse an der Vollziehung in einem ausreichenden Maße und in nachvollziehbarer Weise schriftlich begründet (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Sie hat u.a. ausgeführt, im Hinblick auf die zeitlich befristeten Förderprogramme der Europäischen Union müssten die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Wirtschaftswegebaumaßnahmen im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens jetzt geschaffen werden, um einen Ausbaubeginn in 2009 erreichen zu können. Die mit dem vereinfachten Flurbereinigungsverfahren verfolgten Wegebaumaßnahmen seien auf Grund ihres Volumens nur unter Einsatz von Mitteln der Europäischen Union realisierbar. Ferner ließen der Zustand des vorhandenen Wegenetzes und die damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile für die Teilnehmer weitere Verzögerungen nicht zu. Zusammenfassend überwiege daher das öffentliche Interesse sowie das Interesse der Teilnehmer an der sofortigen Vollziehung des Flurbereinigungsbeschlusses das Interesse der Rechtsmittelführer an der aufschiebenden Wirkung ihrer Rechtsmittel. Diese Begründung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil sie - wenn auch nicht in allen Einzelheiten - die maßgeblichen Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Einleitungsbeschlusses angibt und damit der Antragstellerin ermöglicht, ihre Rechte wahrzunehmen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
Im Rahmen eines Antrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann der Senat die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Dabei ist zu prüfen, ob neben der Einhaltung der formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung sich ergibt, dass das Interesse des Antragstellers, von einer Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit in einem Verfahren zur Hauptsache verschont zu bleiben, das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Durchsetzung überwiegt. Bei der in diesem Rahmen zu treffenden eigenen Ermessensentscheidung des Senats kommt es maßgeblich darauf an, ob der Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, voraussichtlich Erfolg haben wird. Bei angenommener Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ist dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattzugeben, weil der Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht im öffentlichen Interesse liegen kann. Ein überwiegendes öffentliches Interesse ist in der Regel dann gegeben, wenn bereits im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu erkennen ist, dass der Rechtsbehelf des Antragstellers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet; denn an der sofortigen Vollziehung eines offenbar zu Unrecht angefochtenen Verwaltungsaktes besteht regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 1988 - 2 BvR 1147/88 -, VBlBW 1989, 130; Beschluss vom 11. Februar 1982 - 2 BvR 77/82 -, NVwZ 1982, 241). Ist jedoch der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache bei der im Aussetzungsverfahren grundsätzlich nur gebotenen summarischen Überprüfung offen, kommt es auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen an (BVerwG, Beschluss vom 29. April 1974 - BVerwG 4 C 21.74 -, DVBl. 1974, 566; st. Rspr. d. Senats, vgl. Beschluss des Senats vom 29. Oktober 2003 - 15 MF 15/03 -; vom 18. März 2005 - 15 MF 4/05 -; vom 24. Juli 2006 - 15 MF 9/06 -). Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen, unter denen die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens wiederhergestellt werden kann, nicht gegeben.
Die von der Antragstellerin angefochtene Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens Aller-Weser-Dreieck im Landkreis Verden ist bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage formell- und materiellrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, der Beschluss über die Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens nur mit der Begründung angefochten werden, die sachlichen Voraussetzungen für die Anordnung des Verfahrens lägen nicht vor, die Anordnung sei fehlerhaft und die Abgrenzung des Verfahrensgebietes verstoße gegen die Ermessensrichtlinien, die sich aus § 7 FlurbG ergeben (Beschlüsse vom 26. März 1974 - BVerwG V B 14.72 -, BVerwGE 45, 112; vom 22. Februar 1980 - BVerwG 5 B 22.80 -, Buchholz 424.01 § 1 FlurbG Nr. 7 und vom 27. Mai 1986 - BVerwG 5 B 56.84 -, Buchholz 424.01 § 4 FlurbG Nr. 8). Solche Gründe ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Antragstellerin noch aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgängen.
Die formellen Voraussetzungen der Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens liegen vor. So ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin den Rechtsvorgänger der Antragstellerin in hinreichender Weise nach § 5 Abs. 1 FlurbG aufgeklärt hat. Nach dieser Bestimmung hat die Flurbereinigungsbehörde vor Anordnung der Flurbereinigung die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer in geeigneter Weise eingehend über das geplante Flurbereinigungsverfahren einschließlich der zu erwartenden Kosten aufzuklären. Die Aufklärung verfolgt einerseits den Zweck, der Flurbereinigungsbehörde zu ermöglichen, das Interesse der Betroffenen an der Flurbereinigung festzustellen. Andererseits dient sie der Information der betroffenen Grundstückseigentümer über das Flurbereinigungsverfahren im Allgemeinen aber auch über die speziellen Ziele der geplanten Flurbereinigung. Da die Information aber vor dem eigentlichen Flurbereinigungsverfahren zu erfolgen hat, kann von der Flurbereinigungsbehörde nicht verlangt werden, bereits in diesem Verfahrensstadium konkrete, ins Detail gehende Planungen zur Umsetzung der Planungsziele - etwa konkrete Vorstellungen über die künftige Bodenordnung - darzulegen (vgl. Wingerter, in: Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz - 8. Auflage, 2008 -, § 5 Rdnr. 4 mit weiteren Nachweisen). Diese Anforderungen hat die Antragsgegnerin beachtet. Sie hat am 11. Juli 2007 einen öffentlich bekannt gemachten Aufklärungstermin durchgeführt und ausweislich der Niederschrift über den Zweck des Verfahrens sowie die voraussichtlich entstehenden Kosten aufgeklärt. Es ist nicht erforderlich gewesen, bereits während des Aufklärungstermins eine Detailplanung über Wegebaumaßnahmen vorzustellen. Die Antragsgegnerin hat zudem in einer weiteren Anhörung am 11. Juli 2007 die betroffenen Behörden und Gemeinden sowie andere Körperschaften des öffentlichen Rechts einschließlich der landwirtschaftlichen Berufsvertretung über das geplante Flurbereinigungsverfahren, dessen Durchführung und die voraussichtlichen Kosten unterrichtet.
Die Anordnung des streitigen Flurbereinigungsverfahrens ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin durfte die Flurbereinigung für erforderlich und das Interesse der Beteiligten für gegeben halten (§ 4 FlurbG).
Ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren kann angeordnet werden, u.a. um Maßnahmen der Landentwicklung, insbesondere Maßnahmen der Agrarstrukturverbesserung, der Siedlung, der Dorferneuerung, städtebauliche Maßnahmen, Maßnahmen des Umweltschutzes, der naturnahen Entwicklung von Gewässern, des Naturschutzes und der Landschaftspflege oder der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes zu ermöglichen oder auszuführen (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG). Der Begriff "Maßnahmen der Landentwicklung" wird vom Gesetzgeber als Oberbegriff für eine Mehrzahl von Maßnahmen verwendet, wobei jede der in § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG aufgezählten Maßnahmen für sich allein oder mit anderen Maßnahmen zusammen die Anordnung eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens rechtfertigen kann (Senatsurteile vom 5. März 1998 - 15 K 2819/96 -, RdL 1999, 320 und vom 21. Juni 2007 - 15 KF 16/05 -, n.v.).
Voraussetzung für die Anordnung eines Verfahrens nach § 86 Abs. 1 FlurbG ist in jedem Fall, dass die Anordnung und Durchführung des Verfahrens in erster Linie privatnützigen Zwecken dient, hinter denen der fremdnützige Zweck im Konfliktfall zurücktritt, und dass ein objektives Interesse der Teilnehmer im Sinne des § 4 FlurbG gegeben ist. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Stelle eine Flurbereinigung anordnen und das Flurbereinigungsgebiet feststellen, wenn sie eine Flurbereinigung für erforderlich und das Interesse der Beteiligten für gegeben hält. Mithin ist für die Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens ein objektives Interesse der Beteiligten an einer Verbesserung der Agrarstruktur und der Arbeitsgrundlagen der Betriebe für die überwiegende Fläche des Gesamtgebiets erforderlich. Maßgeblich ist nicht die subjektive Meinung einzelner oder gar der Mehrheit der Grundstückseigentümer im Flurbereinigungsgebiet, sondern das wohlverstandene Interesse der Beteiligten. Dabei sind unter Interesse nicht die subjektiven Vorbehalte und Vorstellungen einer mehr oder weniger großen Teilnehmerzahl mit entsprechendem Flächenumfang für oder gegen die Flurneuordnung zu verstehen, sondern neben den betrieblich orientierten Erwartungen, die an eine Verbesserung der Agrarstruktur anknüpfen, die auf objektiven Erkenntnissen beruhenden Forderungen der Teilnehmer an eine zweckmäßige Flurbereinigung. Dabei darf die Flurbereinigungsbehörde auch prognostische Erwartungen mit einbeziehen (BVerwG, Urteil vom 26. März 1974 - BVerwG V B 14.72 -, BVerwGE, 45, 112 [115 f.] mit weiteren Nachweisen; Urteil vom 27. Mai 1986, a.a.O.). Aus dem Vorrang privatnütziger Zwecke, der aus dem erforderlichen Interesse der Beteiligten an der Flurbereinigung abgeleitet ist und hinter denen der fremdnützige Zweck im Konfliktfall deshalb zurücktritt, folgt, dass ein Flurbereinigungsverfahren nicht zu dem Zweck angeordnet werden kann, allein eine Maßnahme des Naturschutzes zu ermöglichen, wenn dafür privatnützige Interessen der betroffenen Grundstückseigentümer nicht in gleicher Weise erkennbar sind. Nicht entscheidend ist jedoch, welcher der Zwecke die Anordnung des Verfahrens auslöst. Die Maßnahmen, zu deren Zweck ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG angeordnet werden kann, stehen gleichrangig nebeneinander (vgl. Urteil des Senats vom 5. März 1998, a.a.O. und nachgehend BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 1998 - BVerwG 11 B 28.98 -, RdL 1998, 209; Urteil des Senats vom 26. August 2003 - 15 K 3533/00 -, n.v.).
Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens Aller-Weser-Dreieck in hinreichender Weise.
Zur Begründung der Anordnung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, das eingeleitete Verfahren solle eine leistungsfähige und damit wettbewerbsfähige Landwirtschaft durch die Schaffung und Sicherung nachhaltiger natürlicher Grundlagen, durch Stärkung des Naturhaushaltes und durch die Auflösung der Konflikte zwischen Naherholung und Landwirtschaft fördern. Des Weiteren solle das Verfahren der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen durch die Verbesserung der Erschließungsverhältnisse entsprechend den Erfordernissen des modernen landwirtschaftlichen Verkehrs und durch die Zusammenlegung des Grundbesitzes sowie der Schaffung größerer Bewirtschaftungseinheiten dienen. Zudem sollten Maßnahmen unterstützt werden, die im Rahmen der Dorferneuerung Stedebergen entwickelt worden seien, sowie die im Hinblick auf die laufenden Planungen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes und zum Neubau der Schleuse vorgesehen seien. Damit verfolgt die Antragsgegnerin Maßnahmen der Landentwicklung, nämlich vor allem agrarstrukturelle Verbesserungen, wie sie in § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG genannt werden.
Die dagegen von der Antragstellerin geltend gemachten Bedenken greifen nicht durch.
Der Einwand der Antragstellerin, das hier streitige Flurbereinigungsverfahren habe nur den Zweck, als Trägerverfahren für den Wegebau, der nur sehr wenigen Betrieben diene, Fördermittel einzuwerben, rechtfertigt nicht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Denn die Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens ist privatnützig, wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt.
Der Beurteilung, ob die vorhandenen Wirtschaftswege den Anforderungen einer modernen heutigen und auch zukünftigen Bewirtschaftung genügen und damit den privaten Interessen der Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren (noch) dienen können, liegt eine Einschätzung der Antragsgegnerin zugrunde, die sowohl den Ist-Zustand des Wegenetzes und der derzeit üblichen Bewirtschaftungsmethoden berücksichtigen muss als auch prognostisch die weitere Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktions- und Arbeitsweisen und deren äußere Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel das Wirtschaftswegenetz in Gebieten mit landwirtschaftlichen Nutzflächen, erfasst.
Zutreffend durfte die Antragsgegnerin unter diesen Voraussetzungen davon ausgehen, dass das vorhandene Wirtschaftswegenetz im derzeitigen Ausbauzustand nicht (mehr) den Anforderungen einer modernen landwirtschaftlichen Nutzung entspricht. Soweit die Antragsgegnerin angenommen hat, dass die Fahrbahnbreite und -befestigung großer Teile des Wegenetzes im Verfahrensgebiet nicht mehr einer Inanspruchnahme durch moderne, insbesondere schwerere und breitere Maschinen genügt, ist dies nicht zu beanstanden. Sie hat hierzu dargelegt, dass im Verfahrensgebiet nach dem bisherigen Planungsstand Wegebaumaßnahmen mit einer Länge von 18,8 km vorgesehen seien, davon wiesen Wege zur Länge von 10,2 km lediglich eine Breite von 2,5 m auf. Mit der Antragsgegnerin ist davon auszugehen, dass eine derart geringe Wegbreite den Anforderungen einer modernen landwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr gerecht wird. So bestätigt die Landwirtschaftskammer Niedersachsen als berufsständische Vertretung der Landwirte unter dem 4. Juni 2008, die Wirtschaftswege im Verfahrensgebiet seien in einem schlechten Zustand und sie seien nicht auf die Spurbreiten, Gewichte und Geschwindigkeiten moderner landwirtschaftlicher Maschinen ausgerichtet. Hiernach ist davon auszugehen, dass durch die Sanierung der vorhandenen Wege und den Ausbau des Wegenetzes und einer damit einhergehenden Verkürzung der Hof-Feld- und Feld-Feld-Entfernungen eine agrarstrukturelle Verbesserung erreicht wird, die für die Betriebe im Verfahrensgebiet günstigere Bewirtschaftungsbedingungen schafft (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. Juni 2007, a.a.O.). Dem entgegenstehende Gesichtspunkte hat weder die Antragstellerin näher dargelegt noch sind solche aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen ersichtlich.
Der Einwand der Antragstellerin, Profiteure der Wegebaumaßnahmen seien im Wesentlichen die Gemeinde, die bei einem Wegeausbau im Rahmen der Flurbereinigung erhebliche Eigenmittel erspare, und wenige Wegeanlieger, die durch die Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens von hohen Ausbaukosten verschont blieben, greift nicht durch. Insoweit ist ein Widerspruch zu § 39 FlurbG nicht anzunehmen (vgl. zu den Anforderungen Senatsbeschluss vom 5. Februar 2008 - 15 MF 6/07 -). Durch die Verbesserung der Tragfähigkeit der Wirtschaftswege, deren Ausbau sowie durch die Erweiterung des Wegenetzes werden die Bewirtschaftungsbedingungen zugunsten der wirtschaftenden Landwirte geändert. Denn die in der Karte der Neugestaltungsgrundsätze dargestellten Wege dienen in ihrer Eigenschaft als Wirtschaftswege im Wesentlichen der Erschließung der im Verfahrensgebiet belegenen landwirtschaftlich genutzten Flächen und dem zwischen den Hofstellen und den Feldern stattfindenden Verkehr mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Maschinen. Ihr Ausbau verbessert die Möglichkeiten, die landwirtschaftlichen Flächen zügig und leicht zu erreichen und die Wege mit größeren und schwereren Fahrzeugen zu befahren. Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht entscheidungserheblich, wenn zur Finanzierung der Wegebaumaßnahmen neben den Beiträgen der Teilnehmer Zuschüsse aus Mitteln der Europäischen Union oder andere Mittel herangezogen werden sollen, insbesondere um die Beitragslasten der Teilnehmer möglichst gering zu halten; denn an dem Zweck des Flurbereinigungsverfahrens, die wirtschaftlichen Interessen der Teilnehmer zu fördern, ändert das Finanzierungskonzept der Antragsgegnerin nichts (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Februar 2008, a.a.O.). Da sich die vorgesehenen Wegebaumaßnahmen entsprechend den von der Antragsgegnerin aufgestellten Neuge-staltungsgrundsätzen gemäß § 38 FlurbG über das gesamte Verfahrensgebiet verteilen, beschränken sich die damit verbundenen Vorteile entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht auf "sehr wenige Betriebe".
Des Weiteren durfte die Antragsgegnerin die Flurbereinigung im Hinblick auf die von ihr beabsichtigte Flächenzusammenlegung zur Verbesserung der Bewirtschaftungsmöglichkeiten für erforderlich und das Interesse der Beteiligten für gegeben halten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 18. Juni 1998 - BVerwG 11 B 28.98 -, RdL 1998, 209; Urteil vom 8. September 1988 - BVerwG 5 C 8.85 -, BVerwGE 80, 193; vgl. auch Beschluss des Senats vom 5. Februar 2008, a.a.O. mit weiteren Nachweisen) gehört zur Verbesserung der Agrarstruktur im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG namentlich die "Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft" (§ 1 FlurbG) durch Zusammenlegung zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten Grundbesitzes nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten (§ 37 Abs. 1 Satz 2 FlurbG). Die Voraussetzungen dafür liegen hier vor.
Die Antragstellerin macht im Hinblick hierauf geltend, eine Verbesserung der agrarstrukturellen Verhältnisse durch das Flurbereinigungsverfahren sei nicht zu erwarten, weil bereits die Verteilung der Flächen auf Grundlage des Rezesses aus dem 19. Jahrhundert zu optimalen Verhältnissen geführt habe. Damals seien die Flächen in die Klassen Bruchland, Heideland, Geestland, Marschland (unterteilt in guten Marschboden und nasser Marschboden) und Hochwasserschutzgebiet unterteilt und jeweils den Betrieben - entsprechend ihrer Hofgröße - zugeordnet worden. Dabei seien die Grundstücksgrenzen begradigt, ein neues Be- und Entwässerungssystem angelegt und die Wege begradigt worden. In der Folge habe sich eine Bewirtschaftungssituation ergeben, in der alle wirtschaftenden Betriebe sich durch Eigentum und Pacht ihre Flächen optimal zu den Hofstellen zugeordnet hätten. Die Betriebseinheiten seien groß und unter modernen agrarstrukturellen Gesichtspunkten nicht zu verbessern. Sie seien arrondiert und gut erreichbar. Vorteile seien insoweit nicht zu erreichen. Dies gelte auch für eine Zusammenlegung des Grundeigentums. Die Betriebsproduktivität lasse sich mit Mitteln der Flurbereinigung nicht steigern. Vielmehr drohten die vorhandenen stabilen Verhältnisse für Betrieb und Grundeigentümer durch die Flurbereinigung beeinträchtigt zu werden.
Diese Einwände greifen nicht durch. Aus der von der Antragsgegnerin mit ihrer Erwiderung vorgelegten Besitzstandskarte vom 4. Juni 2008 ist ohne weiteres eine erhebliche Besitzzersplitterung erkennbar, die die Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens rechtfertigt. Sehr viele Eigentumsflächen liegen nicht zusammenhängend und über ein großes Gebiet verteilt. Die Karte lässt zudem erkennen, dass nur ein geringer Teil der Flächen als bereits arrondiert anzusehen ist; die Flächenverteilung lässt es auch unter Berücksichtigung notwendiger Veränderungen der Grabenverläufe durch eine - weitere - Zusammenlegung zu, die Bewirtschaftung der Flächen zu verbessern. Zudem findet sich im gesamten Verfahrensgebiet eine Vielzahl von Flächen mit einem ungünstigen Zuschnitt, die eine Bewirtschaftung erschweren. Insbesondere rechtfertigen zahlreiche schmal geschnittene Flurstücke mit erheblicher Länge (sogen. "Handtuchgrundstücke") eine Flächenzusammenlegung. Deshalb kann entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht davon ausgegangen werden, dass eine Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen nicht erreichbar sei, weil die Grundstücke im Verfahrensgebiet günstig und groß geschnitten seien. So bestätigt die Landwirtschaftskammer Niedersachsen in ihrer Stellungnahme, dass sich in der betroffenen Region eine wirtschaftlich sehr leistungsfähige und wettbewerbsfähige Landwirtschaft gebildet habe, gleichwohl seien in einigen Bereichen noch Besitzzersplitterungen mit Flächengrößen von nur 1 bis 3 ha anzutreffen. Hiernach kann von optimalen agrarstrukturellen Verhältnissen im gesamten Verfahrensgebiet gerade nicht ausgegangen werden. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass einzelne oder mehrere Betriebe als gut arrondiert gelten. Denn es ist bei der Entscheidung über die Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens nicht auf die Verhältnisse einzelner Betroffener, sondern auf die Verhältnisse im gesamten Verfahrensgebiet abzustellen. Das Interesse der Beteiligten an der Flurbereinigung darf daher angenommen werden, wenn bei Berücksichtigung aller planungsrelevanten Umstände und objektiver Abwägung der sachlichen Gesichtspunkte der betriebswirtschaftliche Erfolg der Flurbereinigung nicht in Frage gestellt werden kann. Das ist hier zu bejahen.
Da hiernach Gründe für die Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens gegeben sind, bedarf es keine Erörterung, ob die weiteren in der angefochtenen Anordnung genannten Gründe die Anordnung ebenfalls rechtfertigen können.
Schließlich bestehen auch Bedenken gegen die Abgrenzung des Verfahrensgebietes nicht. Nach § 7 Abs. 1 FlurbG kann das Flurbereinigungsgebiet eine oder mehrere Gemeinden oder Teile von Gemeinden umfassen. Es ist so zu begrenzen, dass der Zweck der Flurbereinigung möglichst vollkommen erreicht werden kann. Die Begrenzung des Flurbereinigungsgebietes steht im Ermessen der Behörde; sie ist nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG in Verbindung mit § 114 Satz 1 VwGO nur in beschränktem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung zugänglich und kann nur daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Dafür bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.