Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.02.1993, Az.: 2 Ta 391/92

Gewährung von Prozeßkostenhilfe

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
11.02.1993
Aktenzeichen
2 Ta 391/92
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1993, 10717
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1993:0211.2TA391.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend
Arbeitsgerichts Oldenburg - AZ: 4 Ha 3/92

Verfahrensgegenstand

Beschwerde gegen den Prozeßkostenhilfe versagenden Beschluß im Prozeßkostenhilfeverfahren

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

Amtlicher Leitsatz

1. Das Beschwerdegericht ist in einem Verfahren um die Gewährung von Prozeßkostenhilfe für eine bedingt erhobene Klage an die Einschätzung der fehlenden Erfolgsaussicht durch das Gericht des ersten Rechtszuges gebunden, wenn dieses seine Entscheidung allein auf seine fehlende örtliche Zuständigkeit stützt.

2. Verlangt die um Prozeßkostenhilfe nachsuchende Partei mit der Beschwerde zugleich auch nur hilfsweise die Verweisung an ein örtlich zuständiges Gericht, darf Prozeßkostenhilfe jedenfalls nicht mehr mit dem Hinweis auf die fehlende örtliche Zuständigkeit versagt werden. Auf den entsprechenden Antrag ist das Prozeßkostenhilfeverfahren unter Aufhebung des Prozeßkostenhilfe versagenden Beschlusses - auch noch im zweiten Rechtszug - zu verweisen, damit durch das für örtlich zuständig gehaltene Gericht der Prozeßkostenhilfeantrag erneut in der Sache beschieden werden kann.

In dem Rechtsstreit
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
am 11. Februar 1993
durch
den Richter am Arbeitsgericht Bill als Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 28./29. September 1992 wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Oldenburg - 4 Ha 3/92 - vom 22. September 1992 aufgehoben.

Das Verfahren um die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe für die beabsichtigte Klage wird an das Arbeitsgericht Hamburg verwiesen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller ist als Wachmann bei der Antragsgegnerin im sogenannten Separatwachdienst beschäftigt. Er ist seit dem 01.08.1988 für die Antragsgegnerin ausschließlich im Promohypermarkt in ... tätig. Gemäß Absatz 2 des Arbeitsvertrages vom 01.08.1988, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 73 bis 77 d. A. Bezug genommen wird, ist er auch zu Einsätzen an auswärtigen Einsatzorten verpflichtet. Die vom Sitz der Antragsgegnerin veranlaßte Lohnzahlung erfolgt auf ein Konto des Antragstellers bei der ... in ... Die Antragsgegnerin suchte durch eine Anzeige in der Nordwest-Zeitung, die in Oldenburg erscheint, vom 05.09.1992 einen Mitarbeiter. Als Ansprechpartner ist darin der Gebietsleiter der Antragsgegnerin ... ausgewiesen, der in ... wohnt. Die Antragsgegnerin unterhält im Bezirk des Arbeitsgerichts Oldenburg keine Niederlassung.

2

Mit seinem beim Arbeitsgericht Oldenburg am 25.06.1992 eingegangenen Antrag vom 01.06.1992 hat der Antragsteller um Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte, von deren Gewährung abhängige Klage mit folgenden Anträgen nachgesucht:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, daß der Antragsgegner verpflichtet ist, den Kläger mit dem Lohn der Tarifgruppe "Separatwachdienst im zivilen Bereich Ziffer 2 des Tarifvertrages für das Bewachungsgewerbe" zu entlohnen, einschließlich der geleisteten Überstunden.

  2. 2.

    Die Beklagte wird verurteilt, die vom Kläger seit dieser Zeit, d. h. vom 01.05.1990 bis 30.04.1991 und 01.05.1991 bis 30.04.1992 und für die Monate Mai und Juni 1992 abgeleisteten Stunden nachträglich zu den tarifvertraglichen Stundensätzen einschließlich der Überstunden abzurechnen und dabei einen Gesamtbruttobetrag von 11.567,43 DM an den Kläger zu zahlen.

3

Der Antragsteller hat sich auf den Rechtsstandpunkt gestellt, das angerufene Arbeitsgericht sei örtlich zur Entscheidung befugt, weil die Antragsgegnerin die Vergütungspflicht regelmäßig am Ort der Arbeitsleistung zu erbringen habe.

4

Die in § 21 des Arbeitsvertrages vom 01.08.1988 (Bl. 73 bis 77 d. A.) getroffene Gerichtsstandsvereinbarung (Hamburg) sei wegen § 29 Abs. 2 ZPO unbeachtlich.

5

Der Antragsteller hat beantragt,

ihm für die erste Instanz Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... zu bewilligen.

6

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag auf Prozeßkostenhilfe zurückzuweisen.

7

Demgegenüber hat die Antragsgegnerin aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung und unter Hinweis auf § 29 ZPO das Arbeitsgericht Hamburg für örtlich zuständig gehalten, weil der Antragsteller ausstehenden Lohn einzuklagen beabsichtige; die Pflicht zur Zahlung der Vergütung sei an ihrem - der Antragsgegnerin - Firmensitz zu erfüllen.

8

Das Arbeitsgericht Oldenburg hat durch Beschluß vom 22.09.1992 die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe versagt und dies mit der nicht hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung begründet. Es hat sich unter näherer Darlegung der Einzelheiten für örtlich unzuständig gehalten.

9

Gegen diesen Beschluß richtet sich die am 29.09.1992 zum Arbeitsgericht Oldenburg erhobene Beschwerde vom Vortag, mit der der Antragsteller unter näherer Darlegung von Tatsachen, weiterhin die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Oldenburg für gegeben hält.

10

Für den Fall, daß das angerufene Gericht den angegriffenen Beschluß nicht aufhebe, bittet der Antragsteller zugleich um Abgabe an das "dann zuständige Arbeitsgericht Hamburg".

11

Das Arbeitsgericht Oldenburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur weiteren Entscheidung vorgelegt.

12

Die an sich statthafte (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) Beschwerde ist zulässig (§ 78 Abs. 1 ArbGG, § 567 Abs. 1 ZPO).

13

Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Nur auf die Bitte des Antragstellers um Abgabe an das Arbeitsgericht Hamburg war der die Prozeßkostenhilfe versagende Beschluß aufzuheben, damit darüber in der Sache durch das Arbeitsgericht Hamburg entschieden werden kann.

14

1.

Die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts Oldenburg ist an sich nicht zu beanstanden.

15

a)

Mit im Verfahren um die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe bindender Wirkung für das Beschwerdegericht hat das Arbeitsgericht - im übrigen frei von Rechtsfehlern - seine fehlende örtliche Zuständigkeit festgestellt (ebenso bereits für das Erkenntnisverfahren LAG Hamm NZA 1992, 136 f. [LAG Hamm 05.09.1991 - 16 Sa 629/91]), ohne daß sich diese Bindungswirkung auch auf das nachfolgende Hauptsacheverfahren erstreckte (vgl. nur BAG Beschluß vom 27.10.1992 - 5 AS 5/92 - a. a. O.; BAG Beschluß vom 08.10.1991 - GmS-OGB 3/91 - 5 AR 141/81 -; BGH Beschluß vom 13.04.1991 - I ARZ 748/90 - LM Nr. 25 zu § 281 ZPO 1976 = AP Nr. 4 zu § 281 ZPO 1977; anders noch BAG AP Nr. 1 zu § 281 ZPO 1977 und AP Nr. 13 zu § 276 ZPO). § 48 Abs. 1 Ziff. 1 ArbGG ordnet im Geltungsbereich des § 17 a Abs. 2 und 3 GVG die Unanfechtbarkeit von Beschlüssen zur örtlichen Zuständigkeit an, die grundsätzlich und ausnahmslos im Geltungsbereich des ArbGG den Arbeitsgerichten als den allumfassend zuständigen Gerichten des ersten Rechtszuges obliegen. Auch Entscheidungen innerhalb des Rechtsweges im Rahmen des § 281 ZPO sind unanfechtbar (§ 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Das schließt die Befugnis des Rechtsmittelgerichts aus, im Rahmen anderweitiger eröffneter Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel diesen - unanfechtbaren - Teil der arbeitsgerichtlichen Entscheidung gleichwohl in der Sache zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Denn auf diese Weise würde auch für Entscheidungen, die der Gesetzgeber unzweideutig und ausnahmslos dem Spruchrichter des ersten Rechtszuges ohne die Möglichkeit der Überprüfung auf ihre sachliche Richtigkeit durch den übergeordneten Rechtszug überantwortet hat, die verbindliche Beurteilung des im Rechtszug übergeordneten Gerichts an die Stelle dessen treten, dem dieser Teil der Entscheidung unanfechtbar zugewiesen ist.

16

b)

Für das Verfahren um die Gewährung von Prozeßkostenhilfe folgt dies ferner aus einem weiteren Gesichtspunkt. Prozeßkostenhilfeentscheidungen sollen in ihrem materiell-rechtlichen Gehalt nur dort und in dem Umfang überprüfbar sein, wie eine solche in der Hauptsache stattfindet. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß im Prozeßkostenhilfeverfahren kein Rechtsmittel zu einer Instanz eröffnet werden soll, die nicht mit der Hauptsache befaßt werden kann (vgl. BGHZ 53, 369 ff. (372) [BGH 31.03.1970 - III ZB 23/68]; BFH BB 1982, 1535; Zöller-Schneider ZPO 17. Auflage zu § 127 Rdnr. 21; Baumbach-Hartmann ZPO 51. Auflage zu § 127 Rdnr. 37, 38, der die Beschwerde für unzulässig hält; Münchner-Kommentar-Wax ZPO zu § 127 Rdnr. 19, 20). Der Beschwerderechtsweg soll da enden, wo auch der Hauptsacherechtsweg enden muß (LAG Düsseldorf LAGE ZPO § 127 Nr. 19).

17

Dann aber kann sich die Überprüfung der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung in der Sache nicht auf Teilentscheidungen erstrecken, die dem ersten Rechtszug unanfechtbar und damit auch für das Beschwerdeverfahren bindend zur Entscheidung zugewiesen sind.

18

Da demnach die dem angefochtenen Beschluß zugrunde liegende Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts zur fehlenden örtlichen Zuständigkeit, mit dem allein es den die Prozeßkostenhilfe versagenden Beschluß begründet, das Beschwerdegericht bindet, ist ihr an sich der Erfolg zu versagen. Der Hinweis auf die davon unabhängig bestehende Pflicht zur Prüfung der Erfolgsaussicht geht fehl. Vor dem angerufenen Arbeitsgericht Oldenburg hat die beabsichtigte Klage keine Aussicht auf Erfolg. Prozeßkostenhilfe durfte demnach schon deshalb nicht bewilligt werden (§ 114 ZPO).

19

c)

Auch die Neuregelung in §§ 17 ff. GVG, 48 ArbGGändern daran nichts.

20

Für Klageverfahren gelten zwar gemäß § 48 Abs. 1 ArbGG auch im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit die §§ 17 bis 17 b GVG in gesetzlich näher ausgestalteten Modifikationen. § 17 a GVG n. F. ist aber im Prozeßkostenhilfeverfahren nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar (so wohl jetzt BAG Beschluß vom 27.10.1992 - 5 AS 5/92 - zu II 2 b der Gründe BB 1993, 76; vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 51. Auflage zu § 17 a GVG Rdnr. 5; Zöller/Gümmer a. a. O. zu §§ 17 bis 17 b GVG Rz. 12; vgl. zum alten Recht ebenso Kissel GVG zu § 17 Rdnr. 2; Lang MDR 1962, 781; a. A. aber VGH Mannheim, Beschluß vom 06.08.1991 - 5 S 885/91 - NJW 1992, 707 f.). Das folgt daraus, daß durch die Verfahrensbitte um Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte Klage noch nicht deren Rechtshängigkeit eingetreten ist.

21

2.

Gleichwohl wäre aber über den Antrag um Verweisung durch den Antragsteller gemäß § 281 ZPO zu entscheiden gewesen. Die Auslegung der in der Beschwerdeschrift enthaltenen Bitte um Abgabe an das Arbeitsgericht Hamburg ergibt, daß der Antragsteller für den Fall der Erfolglosigkeit seines Rechtsbehelfs die Verweisung des Prozeßkostenhilfeverfahrens an das dann örtlich zuständige Arbeitsgericht beantragt. Das folgt aus dem zutage getretenen Bestreben des Antragstellers um eine Aussage im Prozeßkostenhilfeverfahren zur Sache. Diesem Begehren hätte das Arbeitsgericht nachgehen müssen, denn es ist auf die Beschwerde zur Abänderung der den Antragsteller belasteten Entscheidung im angefochtenen Beschluß befugt (§ 571 ZPO).

22

§ 281 ZPO ist im Prozeßkostenhilfeverfahren entsprechend anwendbar (BAG NJW 1960, 310; BGH NJW RR 1991, 1342;  1992, 59und 383; OLG Hamburg NJW 1973, 812 [OLG Hamburg 20.11.1972 - 5 Lw 4/72]; OLG Celle NJW 1964, 2068; OLG Frankfurt NJW 1962, 449; Dunz NJW 1962, 815; Münchner-Kommentar-Prütting, ZPO zu § 281 Rdnr. 6; Zöller/Stephan a. a. O. zu § 281 Rdnr. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann a. a. O. zu § 281 Rdnr. 3; a. A. LG Münster NJW 1957, 1565 [LG Münster 23.07.1957 - 3 O 106/57]).

23

Auf die Beschwerde hätte demnach das Arbeitsgericht Oldenburg wegen des Verweisungsantrages des Antragstellers den ihn beschwerenden Beschluß vom 28./29.09.1992 aufheben und das Verfahren um die Gewährung von Prozeßkostenhilfe an das Arbeitsgericht Hamburg verweisen müssen.

24

Das war auf die Beschwerde hin anzuordnen, weil eine die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe vollends versagende, den Antragsteller belastende Entscheidung nicht mehr möglich war, da sich das angerufene Gericht damit über die vorrangig zu entscheidende Bitte um Verweisung hinwegsetzte. Unter Hinweis auf die fehlende örtliche Zuständigkeit durfte die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage jedenfalls dann nicht mehr verneint werden, wenn der Antragsteller wie vorliegend - und sei es auch nur hilfsweise - die als Verweisungsantrag auszulegende Abgabe an das vom angerufenen Gericht für örtlich zuständig gehaltene Gericht der gleichen Fachgerichtsbarkeit erbeten hatte. Jede andere Entscheidung liefe auf eine mit rechts- und sozialstaatlichen Grundsätzen (Art. 20 GG) unvereinbare Verweigerung einer Entscheidung über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe in der Sache hinaus.

25

Anders stellt sich das Ergebnis auch nicht deshalb dar, weil es dem Antragsteller weder verwehrt ist, einen Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe jederzeit erneut anzubringen oder die beabsichtigte Klage unbedingt zu erheben. Damit ist der Antragsteller nicht in allen Fällen so gestellt, wie er zu behandeln sein würde, wenn sein Prozeßkostenhilfeantrag in der Sache beschieden worden wäre. Wie etwa die gesetzlichen Vorschriften über die Verjährung (§§ 194 ff. BGB) oder die Existenz etwa tariflicher Verfallfristen, die neben der Geltendmachung in einer weiteren, zweiten Stufe die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen innerhalb bestimmter Fristen anordnen, deutlich macht, steht weder die unabhängig von der Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe mögliche Klageerhebung noch die erneute Beantragung von Prozeßkostenhilfe der vom Antragsteller erstrebten günstigen Entscheidung über den zunächst beim Arbeitsgericht Oldenburg anhängig gemachten Prozeßkostenhilfeantrag gleich.

26

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 78 ArbGG).