Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.02.1993, Az.: 13 Sa 1275/92
Rückforderungsanspruch wegen doppelter Zahlung; Voraussetzungen einer ungerechtfertigten Bereicherung; Verweigerung der Rückzahlung als rechtsmissbräuchliches Verhalten
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 18.02.1993
- Aktenzeichen
- 13 Sa 1275/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 10727
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1993:0218.13SA1275.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 13.05.1992 - AZ: 5 Ca 436/91
Rechtsgrundlagen
- § 812 BGB
- § 242 BGB
- § 4 Abs. 1 TVG
- § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Tarifliche Ausschlußfristen erfassen nicht Ansprüche des Arbeitgebers aus ungerechtfertigter Bereicherung, die auf einer doppelten Erfüllung eines gerichtlichen Vergleichs beruhen.
- 2.
Ist das Arbeitsverhältnis beendet, haben sich die Rechtsbeziehungen der Arbeitsvertragsparteien auf die Abwicklung eines gerichtlichen Vergleichs reduziert, besteht für den Arbeitnehmer keine nachvertragliche Verpflichtung, eine Doppelzahlung anzuzeigen.
- 3.
Ein Verstoß gegen § 242 BGB liegt aber darin, daß der Arbeitnehmer trotz eindeutig vorliegender Doppelzahlung die Rückzahlung des überzahlten Betrags verweigert.
Die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen hat
auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 1993
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter und
die ehrenamtlichen Richter Brüggemann und Dicke
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 13.5.1992, 5 Ca 436/91, wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß der Zinsanspruch auf 4 % reduziert wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Rückzahlung von 35.000,00 DM, weil sie eine vergleichsweise festgelegte Zahlungspflicht in dieser Höhe zweimal erfüllt hat. Der Beklagte beruft sich auf Verfall gemäß tariflicher Ausschlußfrist.
Der Beklagte war vom 1.7.1981 bis zum 30.6.1988 als Oberbauleiter bei der Klägerin in der Niederlassung ... beschäftigt, und zwar als Leiter der Spezialtiefbauabteilung. Arbeitsvertraglich ist die Anwendung des Rahmentarifvertrages für technische und kaufmännische Angestellte des Baugewerbes (RTV) vereinbart. Im Verfahren Arbeitsgericht Hannover, 9 Ca 449/89 machte der Beklagte im Wege der Auskunfts- und Leistungsklage Gewinnbeteiligungsansprüche geltend. Das Verfahren endete mit folgendem gerichtlichen Vergleich vom 28.11.1990:
Zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung verpflichtet sich die Beklagte an den Kläger DM 35.000,00 DM zu zahlen.
Mit Schreiben vom 17.12.1990 an die Personalabteilung der Hauptverwaltung bat der Beklagte um Überweisung des Vergleichsbetrages. Mit Schreiben vom 14.12.1990 bat der damalige Prozeßbevollmächtigte des Beklagten den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, die Zahlung des Vergleichsbetrages an den Beklagten zu veranlassen. Die Hauptverwaltung überwies den Vergleichsbetrag am 29.12.1990. Die Niederlassung ... übersandte dem Beklagten einen Scheck vom 27.12.1990 (Bl. 41 d.A.) über den Betrag von 35.000,00 DM, mit dem das Konto der Klägerin am 7.1.1991 belastet wurde. Mit Schreiben vom 24.7.1991 begehrte die Klägerin erstmals Rückzahlung der überzahlten 35.000,00 DM.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte könne sich nicht auf die tarifliche Ausschlußfrist berufen. Bei dem Rückzahlungsanspruch aufgrund der Doppelzahlung des Vergleichsbetrages handele es sich nicht um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 35.000,00 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 2.8.1991 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, der Rückzahlungsanspruch stehe mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung und werde deshalb von § 13 RTV erfaßt. Die Klägerin sei auch bereits im Januar 1991 in der Lage gewesen, den Irrtum zu entdecken und innerhalb der Ausschlußfrist den Anspruch geltend zu machen.
Das Arbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt und zur Begründung ausgeführt, die Berufung auf die Ausschlußfrist sei rechtsmißbräuchlich. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung macht der Beklagte geltend, er habe nicht rechtsmißbräuchlich gehandelt, weil er nicht gegen eine ihm obliegende Rechtspflicht verstoßen habe. Das Arbeitsverhältnis sei lange beendet gewesen, der abgeschlossene Vergleich enthalte eine umfassende Erledigungsklausel. Eine nachvertragliche Treuepflicht, die Klägerin auf die Doppelzahlung hinzuweisen, habe nicht bestanden. Die Doppelzahlung sei für die Klägerin auch sofort erkennbar gewesen. Die zentrale Kontenführung der Hauptverwaltung erfasse alle Zahlungen, die die Niederlassung geleistet habe und die die Hauptverwaltung für die Niederlassung leiste. Für Zahlungen, die die Hauptverwaltung für die Niederlassung leiste, würden Tageskontenauszüge erstellt, die der Niederlassung übersandt würden. Schließlich finde eine monatliche Kontenabstimmung zwischen Hauptverwaltung und Niederlassung statt. Im übrigen erfolge bei der Klägerin eine Zahlung der Hauptverwaltung zu Lasten einer Niederlassung nur dann, wenn die Zahlung von der Niederlassung veranlaßt worden sei. Der Geschäftsleitung der Niederlassung müsse deshalb die Doppelzahlung bekannt gewesen sein. Der Zinsanspruch werde der Höhe nach bestritten.
Der Beklagte beantragt:
- 1.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 13. Mai 1992 Az. 5 Ca 436/91 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt weiterhin die Auffassung, der vorliegende Anspruch werde von § 13 RTV nicht erfaßt. Zumindest sei Rechtsmißbrauch anzunehmen. Richtig sei, daß die Niederlassung Tageskontenauszüge erhalte, eine monatliche Kontenabstimmung finde nicht statt. Die Doppelzahlung sei wie folgt entdeckt worden. Der zuständige Spartensachbearbeiter ... habe durch das Journal am 17.2.1991 Kenntnis von der Einlösung des Schecks (Zahlung der Niederlassung) erhalten. Durch Buchungstagesauszug vom 17.2.1991 habe die Kostenstellenbeauftragte für die Verwaltungskostenstelle der Niederlassung von der Zahlung der Hauptverwaltung erfahren und eine Umbuchung auf die Sparte Spezialtiefbau am 11.3.1991 vorgenommen, welche im Journal der Sparte am 10.4.1991 ausgewiesen worden sei. Am 15.4.1991 habe der Sachbearbeiter ... festgestellt, daß eine Doppelbuchung vorlag. Er habe daraufhin die Hauptverwaltung angeschrieben, die am 11.7.1991 der Niederlassung mitgeteilt habe, es handele sich um eine Doppelzahlung. Auf die mit Schriftsatz vom 12.1.1993 vorgelegten Buchungsunterlagen (Bl. 112 ff. d.A.) wird Bezug genommen.
Ergänzend wird wegen des zweitinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen auf die eingereichten Schriftsätze.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO. Die Berufung ist nicht begründet, das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Da die Klägerin auf den Vergleichsanspruch doppelt gezahlt hat, nämlich durch Überweisung der Hauptverwaltung und durch Scheckhingabe durch die Niederlassung, steht ihr aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 BGB, ein Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 35.000,00 DM zu. Der Anspruch ist nicht gemäß § 13 RTV verfallen, weil er von der Ausschlußfrist nicht erfaßt wird. Im übrigen, selbst bei Anwendung der tariflichen Ausschlußfrist, wäre der Beklagte zur Rückzahlung verpflichtet, weil ihm die Verweigerung der Rückzahlung als rechtsmißbräuchliches Verhalten (§ 242 BGB) vorzuhalten ist.
Von der Ausschlußfrist des § 13 RTV werden erfaßt alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen. Diese Voraussetzungen liegen für den vorliegenden Anspruch, Anspruch auf Rückzahlung aufgrund doppelter Erfüllung der Vergleichsverpflichtung, nicht vor.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfassen Ausschlußfristen der vorliegenden Art auch Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlten Arbeitsentgelts, und zwar unabhängig davon, ob die Rückzahlungsansprüche aus Überzahlung während oder aus solchen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses herrühren (BAG vom 24.6.1992, 5 AZR 463/91; BAG DB 1992, S. 1095; BAG AP Nr. 7 zu § 70 BAT). Zur Begründung führt das BAG (Urteil vom 24.6.1992) aus, es sei nicht ungewöhnlich, daß die Parteien des Arbeitsvertrages nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch vertragliche Ansprüche erfüllten. Aus Leistungen, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erbracht würden, könne nicht gefolgert werden, daß diese nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stünden. Entscheidend sei, ob das Arbeitsverhältnis Anlaß und Sachgrund für die Leistung sei, dies sei bei Gehaltsüberzahlung zu bejahen. Von tariflichen Ausschlußfristen würden auch gesetzliche Ansprüche, etwa aus ungerechtfertigter Bereicherung, erfaßt.
In den entschiedenen Fällen hatte sich das BAG mit Sachverhalten zu befassen, in denen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die laufende Vergütungszahlung nicht gestoppt wurde, sondern weiter erfolgte. Nicht entschieden ist ein dem vorliegenden Fall vergleichbarer Sachverhalt, Doppelzahlung auf einen Vollstreckungstitel nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Für die Bewertung dieser Fallkonstellation ist nach Auffassung des Gerichts weitere Rechtsprechung des BAG heranzuziehen. In den Urteilen AP Nr. 67 und Nr. 76 zu § 4 TVG Ausschlußfrist hat das BAG ausgeführt, Entgeltansprüche, die in einer nach § 141 h AFG erteilten Verdienstbescheinigung anerkannt seien oder die in einer arbeitgeberseitigen Lohnabrechnung unstreitig gestellt seien, unterfielen nicht mehr tariflichen Ausschlußfristen, für diese Ansprüche sei eine Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlußfristen nicht erforderlich. Begründet hat das BAG seine Auffassung mit Sinn und Zweck von Ausschlußfristen, der darin bestehe, kurzfristig Klarheit darüber zu schaffen, welche Ansprüche etwa der Arbeitnehmer auf Lohn noch habe. Von dieser Zielsetzung gesehen seien aber Ausschlußfristen gegenstandslos, wenn Ansprüche anerkannt seien oder durch arbeitgeberseitige Abrechnung unstreitig gestellt seien. Ebenso hat das BAG in der Entscheidung AP Nr. 7 zu § 9 KSchG 1969 entschieden, daß tarifliche Ausschlußfristen auf eine in einem gerichtlichen Vergleich begründete Forderung nicht anwendbar sind. Auch hier hat es zur Begründung darauf verwiesen, Ausschlußfristen sollten alsbald Klarheit darüber schaffen, welche Ansprüche der Gläubiger gegen den Schuldner noch geltend machen will, der Schuldner solle wissen, mit welchen Ansprüchen er noch zu rechnen habe. Diesen Zweck müßten Ausschlußfristen nicht mehr erfüllen, wenn Grund und Höhe der Forderung feststünden, der Schuldner seine Verpflichtung anerkannt habe.
Die Rechtsgrundsätze der letztgenannten Entscheidungen sind für den vorliegenden Fall maßgebend. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien war im Zeitpunkt der Zahlung bereits 2 1/2 Jahre beendet, durch den gerichtlichen Vergleich mit umfassender Erledigungsklausel war die Abwicklung des beendeten Arbeitsverhältnisses reduziert auf den Vollstreckungstitel. Es bestand eindeutige Klarheit darüber, daß zwischen den Parteien nur noch der Anspruch aus dem Vergleich offen war. Unklarheit, welche Ansprüche noch bestanden, war nicht gegeben. Es war lediglich noch die Vergleichsforderung zu erfüllen, die Rechtsbeziehungen der Parteien wären reduziert auf einen Vollstreckungstitel.
Der Zweck tariflicher Ausschlußfristen, Klarheit zu schaffen, zwingt deshalb nicht zur Anwendung der Ausschlußfrist. Ebenso wie der Erfüllungsanspruch des Gläubigers aus einem Vollstreckungstitel der tariflichen Ausschlußfrist nicht unterliegt, muß auch der Rückforderungsanspruch des Schuldners bei Doppelzahlung aus der tariflichen Ausschlußfrist ausgenommen werden. Die Klägerin macht weder einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis noch einen Anspruch, der mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung steht, geltend, sondern einen davon losgelösten Anspruch aus doppelter Erfüllung eines Vollstreckungstitels. Dieser Anspruch unterfällt nicht der tariflichen Ausschlußfrist.
Wendet man entgegen der vorstehenden Auslegung die tarifliche Ausschlußfrist an, so ist dem Beklagten jedenfalls rechtsmißbräuchliches Verhalten vorzuhalten, er ist trotzdem zur Rückzahlung verpflichtet.
Die Klägerin hat den Rückforderungsanspruch erstmals mit Schreiben vom 24.7.1991 geltend gemacht, sie hat damit die Frist für die Geltendmachung innerhalb von zwei Monaten gemäß § 13 Abs. 1 RTV nicht eingehalten. Die Ausschlußfrist begann mit Fälligkeit des Anspruchs aus § 812 BGB. Nach der Rechtsprechung des BAG (BAG AP Nr. 8 zu § 29 BAT) tritt die Fälligkeit einer Rückzahlungsforderung nicht ohne weiteres mit der Entstehung des Anspruchs ein, wenn es Umstände gibt, die auf einen anderen Fälligkeitszeitpunkt hinweisen. Ein derartiger Umstand sei aber darin zu sehen, daß es dem Gläubiger praktisch möglich sein müsse, seinen Anspruch geltend zu machen. Bei Zahlungsansprüchen müsse er in der Lage sein, wenigstens annähernd zu beziffern, bei Rückforderung wegen Überzahlung müßten ihm die Tatsachen des Überzahlungstatbestandes bekannt sein.
Im vorliegenden Fall bedeutet dies, daß spätestens am 15.4., als der Spartensachbearbeiter ... die Doppelbuchung erkannt hat, die Tatsachen des Überzahlungstatbestandes bekannt waren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, möglicherweise bereits mit Übersendung des Buchungstagesauszuges vom 17.2.1991, hatte die Klägerin Kenntnis aller Tatsachen, um die Überzahlung festzustellen. Es ergibt sich dann aber, daß die Ausschlußfrist mit Schreiben vom 24.7.1991 nicht eingehalten ist.
Auf den Ablauf der tariflichen Ausschlußfrist kann sich der Beklagte aber nicht berufen, weil ihm rechtsmißbräuchliches Verhalten, § 242 BGB, entgegenzuhalten ist.
Im allgemeinen begründet das BAG (Urteil vom 24.6.1992, 5 AZR 463/91; AP Nr. 8 zu § 29 BAT) Rechtsmißbrauch in den Überzahlungsfällen damit, daß es den Arbeitnehmer, der die Überzahlung erkennt, kraft nachvertraglicher Treuepflicht für verpflichtet hält, den Arbeitgeber auf die Überzahlung hinzuweisen. Das BAG nimmt an, daß in der Regel eine solche Hinweispflicht besteht.
Ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist, ob damit nicht die nachvertraglichen Treuepflichten eines Arbeitnehmers überspannt werden, muß nicht abschließend entschieden werden. Den Beklagten traf jedenfalls im vorliegenden Fall, insoweit ist von einem Ausnahmetatbestand auszugehen, keine nachvertragliche Treuepflicht, die Klägerin auf die Überzahlung hinzuweisen.
Das Arbeitsverhältnis war im Überzahlungszeitpunkt bereits 2 1/2 Jahre beendet, nach Rechtsstreit über restliche Zahlungsansprüche hatten die Parteien einen Vergleich mit umfassender Erledigungsklausel geschlossen. Die Rechtsbeziehungen der Parteien hatten sich reduziert auf die Abwicklung des Vergleichs. In diesem Stadium kann nach Auffassung der Kammer nicht mehr von einer nachwirkenden Treuepflicht ausgegangen werden.
Im übrigen kannte der Beklagte die Buchhaltung der Klägerin. Er wußte, daß die Niederlassung von Zahlungen der Hauptverwaltung unterrichtet wurde über Buchungstagesauszüge. Er wußte auch, daß die Sparte Spezialtiefbau mit der Zahlung belastet wurde. Er konnte und durfte deshalb davon ausgehen, daß die Doppelzahlung zeitnah entdeckt wurde. Daß die Klägerin (so ihr Vortrag) tatsächlich die Zeit bis zum 11.7.1991 für die Aufklärung benötigte, damit mußte er nicht rechnen. Warum die Aufklärung so lange gedauert hat, hat im übrigen auch die Kammer nicht nachvollziehen können. Auch aufgrund der Kenntnis der Buchhaltung hatte der Beklagte deshalb keine Veranlassung, die Klägerin auf den Irrtum hinzuweisen.
Rechtsmißbräuchlich ist allerdings das Verhalten des Beklagten nach Aufforderung zur Rückzahlung. Er wußte aufgrund des abgeschlossenen Vergleichs, daß er nur noch Anspruch auf Zahlung von 35.000,- DM hatte und daß darüber hinaus weitere Zahlungsverpflichtungen der Klägerin nicht bestanden. Er hat auch den Tatbestand der Doppelzahlung sofort erkannt. Ihm mußte deshalb auch bewußt sein, daß ein Irrtum vorlag und er zur Rückzahlung verpflichtet war. Rechtsmißbrauch ist dann aber anzunehmen, weil der Beklagte trotz eindeutiger Rechtslage und in Kenntnis der Doppelzahlung allein unter Berufung auf die Ausschlußfrist, also allein unter Ausnutzung einer formalen Rechtsposition die Rückzahlung verweigerte. Nicht das Schweigen nach Doppelzahlung ist ihm als Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, vorzuhalten, sondern das Behalten der Überzahlung nach Rückforderungsverlangen.
Da der Beklagte zweitinstanzlich den Zinsanspruch der Höhe nach bestritten hat, die Klägerin einen Zinsschaden in Höhe von 12 % nicht schlüssig dargelegt hat, war der Zinsanspruch auf den gesetzlichen Zinssatz von 4 % gemäß § 288 Abs. 1 BGB zu reduzieren. Die Berufung war deshalb mit der Maßgabe der Reduzierung des Zinsanspruchs zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Revisionszulassung ist gemäß § 72 a Abs. 2 Ziffer 2 ArbGG erfolgt wegen möglicher Abweichung von der Rechtsprechung des BAG.
ehrenamtlicher Richter Brüggemann
ehrenamtlicher Richter Dicke