Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 28.06.2018, Az.: 15 A 1089/17
Ipso facto-Flüchtling; staatenloser Palästinenser aus Syrien; UNRWA; Yarmouk
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 28.06.2018
- Aktenzeichen
- 15 A 1089/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74340
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 3 S 2 AsylVfG
- Art 1 Abschn D FlüAbk
- Art 12 Abs 1 EURL 95/2011
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Palästinensische Flüchtlinge aus Syrien haben Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylG, wenn sie in ihrer Heimat den Schutz oder Beistand der UNRWA - "United Nations Relief and Works Agency for the Palestine Refugees in the Near East" - genossen haben, ihnen dieser Schutz aber nicht länger gewährt wird.
2. Die UNRWA war bereits ab Ende des Jahres 2012 nicht mehr dazu in der Lage, ihrer als Versorgungsauftrag ausgestalteten Aufgabe im Lager Yarmouk gerecht zu werden. Das Lager war seit den Kampfhandlungen im Dezember 2012 immer wieder - teilweise für einen Zeitraum von mehreren Monaten - von den Versorgungsleistungen der UNRWA vollständig abgeschnitten. Spätestens ab Mitte 2015 war die UNRWA bedingt durch die Machtübernahme des IS und die weitgehende Zerstörung der Infrastruktur des Lagers dauerhaft daran gehindert, ihre Tätigkeiten in Yarmouk auszuüben.
3. Die Zustände in Yarmouk waren ab Dezember 2012 so prekär, dass palästinensische Flüchtlinge faktisch dazu gezwungen waren, das Lager zu verlassen.
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Januar 2017 wird hinsichtlich Ziffer 2 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Die minderjährige Klägerin, der bereits der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde, begehrt zusätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Die am G. geborene Klägerin ist nach eigenen Angaben und den Feststellungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) staatenlose Palästinenserin mit gewöhnlichem Aufenthalt in Syrien. Diesbezüglich legte sie einen Reisepass und einen Auszug aus dem Zivilregister der Arabischen Republik Syrien vor, die sie als palästinensischen Flüchtling ausweisen. Die Klägerin verließ Syrien nach eigenen Angaben am 3. August 2015 und reiste am 25. August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 11. März 2016 stellte sie einen Asylantrag.
Ihre Anhörung vor dem Bundesamt erfolgte am 3. November 2016. Hierbei gab sie an, dass ihr persönlich nichts passiert sei. Es seien nirgendwo Bomben oder Explosionen gewesen.
Mit Bescheid vom 6. Januar 2017 erkannte die Beklagte der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zu (Ziffer 1) und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab (Ziffer 2).
Daraufhin hat die Klägerin am 31. Januar 2017 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, dass sie als Palästinenserin gefährdet sei, bei einer Rückkehr nach Syrien Opfer von Vergeltungsmaßnahmen und Misshandlungen zu werden. Die Palästinenser seien in den Bürgerkriegs-Konflikt hineingezogen worden. Zurückkehrende Palästinenser würden bereits bei der Ankunft am Flughafen in Damaskus von syrischen Sicherheitskräften festgenommen und verhört werden. Unabhängig davon sei sie in Syrien bei der UNRWA registriert gewesen, weshalb ihr auch gemäß § 3 Abs. 3 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sei. Zum Nachweis ihrer Registrierung bei der UNRWA hat die Klägerin im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens eine Bescheinigung der Organisation („Family Record, Report No. D.“) vom 19. März 2015 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheides vom 6. Januar 2017 zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung. Zudem sei noch nicht höchstrichterlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen sei, dass Schutz oder Beistand einer Organisation oder Einrichtung der Vereinten Nationen nicht länger gewährt werde. Auch nach Auffassung der Bundesregierung greife die Regelung über eine ipso facto geltende Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erst, wenn der Schutz umfassend weggefallen sei (BT-Drs. 18/8201 vom 20.04.2016).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der ebenfalls beigezogenen Ausländerakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Sie ist zulässig und begründet. Soweit in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes vom 6. Januar 2017 die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt wurde, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Klägerin hat als palästinensischer Flüchtling aus Syrien zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 Asylgesetz (AsylG)) einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Sie hat in ihrer Heimat den Schutz bzw. Beistand der UNRWA genossen; dieser Schutz wird ihr jedoch nicht länger gewährt.
Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (Anerkennungsrichtline)). Flüchtling ist nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG ein Ausländer, der den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genossen hat, dem aber ein solcher Schutz oder Beistand nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen endgültig geklärt worden ist. Die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention sind in diesem Fall nach Art. 1 D Abs. 2 GFK „ipso facto“ anwendbar, d.h. unmittelbar, ohne dass es einer Einzelfallprüfung der Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft bedürfte, mithin unabhängig davon, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG vorliegen, da es sich bei § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG um eine Rechtsfolgenverweisung handelt (vgl. hierzu insgesamt: OVG Saarland, Urteile vom 26.4.2018 – 1 A 593/17 –, juris, Rn. 19 und vom 21.9.2017 – 2 A 447/17–, juris, Rn. 20; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.6.2017 – A 11 S 664/17 –, juris, Rn. 22; VG Lüneburg, Urteil vom 13.11.2017 – 4 A 355/17 –, juris, Rn. 15; VG Bremen, Gerichtsbescheid vom 17.5.2017 – 5 K 1174/16 –, juris, Rn. 14; vgl. zu Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Richtlinie 2004/83/EG: EuGH, Urteil vom 19.12.2012 – C-364/11 –, juris).
Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 AsylG ist die Flüchtlingseigenschaft zwar auch in diesem Fall vom Bundesamt in einem Asylverfahren zu prüfen. Die Prüfungsbefugnis des Bundesamtes ist dann jedoch darauf beschränkt festzustellen, ob der Antragsteller tatsächlich den Schutz und Beistand von einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen gemäß Art. 1 Abschnitt D GFK genossen hat und ob dieser aus von seinem Willen unabhängigen Gründen entfallen ist und keine Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 AsylG vorliegen (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 21.9.2017 – 2 A 447/17–, juris, Rn. 21; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.6.2017 – A 11 S 664/17 –, juris, Rn. 22).
Diese Voraussetzungen liegen in der Person der Klägerin als staatenlose palästinensische Volkszugehörige vor. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Klägerin den Schutz der UNWRA genossen hat. Die UNRWA – „United Nations Relief and Works Agency for the Palestine Refugees in the Near East“ – ist eine Organisation beziehungsweise Institution im Sinne der § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG, Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Anerkennungsrichtlinie (vgl. nur EuGH, Urteil vom 19.12.2012 – C-364/11 –, juris, Rn. 48). Als Nachweis einer Inanspruchnahme des Schutzes oder Beistandes der UNRWA genügt es, wenn die Betroffenen dort förmlich registriert wurden (vgl. EuGH, Urteile vom 19.12.2012 – C-364/11 –, juris, Rn. 76 und vom 17.6.2010 – C-31/09 –, juris, Rn. 52; OVG Saarland, Urteil vom 21.9.2017 – 2 A 447/17 –, juris, Rn. 22; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.6.2017 – A 11 S 664/17 –, juris, Rn. 22). Dabei ist die Flüchtlingseigenschaft nicht auf den 1948/49 betroffenen und in der Folge registrierten Personenkreis beschränkt, sondern bezieht insbesondere alle Abkömmlinge mit ein (vgl. UNHCR, Note zur Interpretation von Artikel 1 D des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Artikel 12 Abs. 1 Buchstabe a) der EU-Qualifikations- bzw. Statusrichtlinie durch UNHCR im Zusammenhang mit palästinensischen Flüchtlingen, die um internationalen Schutz ersuchen, S. 2 f.; EuGH, Urteil vom 17.6.2010 – C-364/11 –, Rn. 47 f.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.6.2017 – A 11 S 664/17 –, juris, Rn. 22).
Die Klägerin ist ausweislich des von ihr vorgelegten englischsprachigen „Family Record, Report No. E.“ der UNWRA vom 19. März 2015 als Tochter des F. als palästinensischer Flüchtling registriert und wurde im Camp Yarmouk (Schreibweise entsprechend BT-Drucksache 19/848 vom 21.2.2018 unter Ziffer 13) in Damaskus betreut. Sie hat vorgetragen, den medizinischen Dienst der UNRWA in Anspruch genommen zu haben, vierteljährliche Geldleistungen und monatliche Lebensmittelrationen durch die Organisation bezogen sowie eine Schule der UNRWA besucht zu haben.
Nach Auffassung des Gerichts wird der Klägerin nicht länger Schutz durch die UNRWA gewährt. Zwar kann die bloße Abwesenheit vom Schutzgebiet der Organisation oder die freiwillige Entscheidung, es zu verlassen, nicht als Wegfall des Beistands eingestuft werden. Ist diese Entscheidung jedoch durch Zwänge begründet, die vom Willen des Betroffenen unabhängig sind, kann eine solche Situation zu der Feststellung führen, dass der Beistand, den diese Personen genossen hat, nicht länger gewährt wird. Angesichts des Ziels von Art. 1 Abschnitt D GFK, die Fortdauer des Schutzes der palästinensischen Flüchtlinge als solche zu gewährleisten, bis ihre Lage gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, ist ein palästinensischer Flüchtling dann als gezwungen anzusehen, das Einsatzgebiet der UNRWA zu verlassen, wenn er sich in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es der Organisation unmöglich ist, ihm in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe im Einklang stehen. Zur Klärung dieser Frage ist eine individuelle Prüfung aller maßgeblichen Umstände vorzunehmen, in deren Rahmen Art. 4 Abs. 3 der Anerkennungsrichtlinie entsprechend angewandt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 19.12.2012 – C-364/11 –, juris, Rn. 59 ff.). Demgemäß sind entsprechend den Buchstaben a bis c der letztgenannten Vorschrift alle für die Fragestellung relevanten mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen, die maßgeblichen Angaben der Klägerin sowie ihre individuelle Lage und persönlichen Umstände zu ermitteln und zu berücksichtigen (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 26.4.2018 – 1 A 593/17 –, juris, Rn. 28).
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Januar 1992 – 1 C 21/87 –, juris), nach der nicht von einem Wegfall des Schutzes ausgegangen werden könne, wenn die UNRWA durch eine bürgerkriegsartige Situation an der erforderlichen Schutzgewährung gehindert werde, ist dagegen angesichts der demgegenüber jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom 19. Dezember 2012 als überholt anzusehen (so auch OVG Saarland, Urteil vom 21.9.2017, – 2 A 447/17 –, juris, Rn. 23).
Gemessen an den vorstehenden Maßstäben und ausgehend von den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Schutz der Klägerin durch die UNRWA im hier maßgeblichen Gebiet ihres gewöhnlichen Aufenthalts (vgl. EuGH, Urteil vom 19.12.2012 – C-364/11 –, juris, Rn. 77) aus Umständen weggefallen ist, die von ihrem Willen unabhängig waren. Die Entscheidung der Klägerin, das UNRWA-Einsatzgebiet zu verlassen, war vielmehr durch von ihr nicht zu kontrollierende Zwänge begründet.
Die Klägerin war seit ihrer Geburt im UNRWA-Lager in Yarmouk wohnhaft. Das Lager in Yarmouk gehört zu den sogenannten inoffiziellen Lagern der UNWRA in Syrien. Yarmouk wies lange Zeit die größte Dichte an palästinensischen Flüchtlingen auf. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln waren dort bis zum Jahr 2012 rund 150.000 - 160.000 Personen ansässig. Mitte des Jahres 2012 kam es in Yarmouk zu ersten Kampfhandlungen, bei denen 20 Personen starben und weitere verwundet wurden (vgl. USA for UNHCR, Syrians fleeing by the hundreds daily vom 3.8.2012). Ab Dezember 2012 wurde das Lager Schauplatz intensiver Kämpfe zwischen diversen Parteien, so unter anderem der syrischen Oppositionskräfte, der Syrischen Armee und ihren Verbündeten im Generalkommando der Volksfront für die Befreiung Palästinas sowie dem Islamischen Staat. Am 16. Dezember 2012 wurde Yarmouk von Fliegern der Syrischen Armee bombardiert; hierbei sollen mindestens 25 Zivilisten zu Tode gekommen sein, als die Bomben eine Moschee, in der Flüchtlinge Zuflucht gefunden hatten, trafen (vgl. Reuters, Syrian fighter jets bomb Palestinian camp in Damascus-activists vom 16.12.2012; Euronews, Syrian planes hit Yarmouk mosque killing dozens vom 16.12.2012). Die Einrichtungen der UNWRA wurden aufgrund dieser Ereignisse am 19. Dezember 2012 geschlossen. Die Mitarbeiter der Organisation wurden angewiesen, das Lager unter keinen Umständen zu betreten (vgl. UNRWA, Syria Crisis Situation Update (Issue 23) vom 19.12.2012). Anfang Januar 2013 kam es erneut zu Luftschlägen und kriegerischen Auseinandersetzungen, bei denen weitere zwölf Personen getötet wurden. Fortan wurde das Camp über mehrere Wochen belagert (vgl. UNRWA, Statement on killing of 12 Palestine Refugees in Syria vom 10.2.2013; UNRWA, Syria Crisis Situation Update (Issue 29) vom 2.1.2013; The Daily Star, UN: 12 killed in fighting in Damascus refugee camp vom 18.1.2013). Alle Einrichtungen der UNRWA blieben geschlossen (vgl. UNRWA, Syria Crisis Situation Update (Issue 30) vom 11.1.2013).
In den folgenden Monaten flohen rund 140.000 Palästinenser aus Yarmouk (vgl. UNRWA, The Crisis in Yarmouk Camp). Im Februar 2013 hatten bereits 100.000 Personen das Lager verlassen (vgl. HSS, Jordanien, Libanon, Syrien, Arabische Republik, Quartalsbericht zu jüngsten Entwicklungen (Oktober bis Dezember 2012) vom 6.2.2013, S. 16).
Ab Mitte Juli 2013 wurde Yarmouk erneut belagert und von der Syrischen Armee zur Sperrzone erklärt (vgl. Rosa Luxemburg Stiftung, Studien, Flucht und Vertreibung im Syrien-Konflikt, Stand Juli 2014, S. 20 f.); die dort noch verbliebenden Flüchtlinge waren in dem Gebiet eingeschlossen. Die UNRWA hatte von diesem Zeitpunkt an für rund sechs Monate keinen Zugang mehr zu dem Lager. Die Einfuhr von Lebensmitteln und Gütern zur medizinischen Versorgung wurde durch das syrische Regime untersagt, die zivile Bevölkerung daran gehindert, das Lager zu verlassen (vgl. Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse zu Syrien: Yarmouk vom 15.10.2015). Erst Anfang 2014 erlangte die UNRWA wieder teilweise Zutritt zu dem Camp und konnte eine limitierte Menge an Essen, Hygieneartikeln und medizinischer Grundversorgung zur Verfügung stellen (vgl. Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse zu Syrien: Yarmouk vom 15.10.2015). Im Jahr 2014 konnten allerdings nur 20% des Nahrungsbedarfes der zivilen Bevölkerung in Yarmouk gedeckt werden (vgl. UNRWA, The Crisis in Yarmouk Camp), die Hilfeleistungen blieben hinter den grundlegendsten Bedürfnissen zurück (vgl. Amnesty International, Syrien: Die Belagerung von Yarmouk - Kriegsverbrechen, Hunger und Tod vom 7.3.2014). Die Rosa Luxemburg Stiftung führt in ihrer Studie vom Juli 2014 (S. 31) zu der damaligen Situation in den Flüchtlingslagern in Damaskus, unter anderem Yarmouk, aus:
„In den Flüchtlingslagern in Damaskus (Yarmouk, Khan al-Sheikh, al-Husseiniyyeh und Khan Danun), Homs, Aleppo und in Daraa könnten die Herausforderungen für zivilgesellschaftliche Hilfsorganisationen kaum größer sein. Denn [um] allein um ein Mindestmaß an humanitärer Unterstützung in diesen Lagern zu gewährleisten, bedarf es einer enormen Anstrengung, umfangreicher finanzieller Ressourcen sowie gut vorbereiteter MitarbeiterInnen und Arbeitsteams. Das Flüchtlingslager Yarmouk zum Beispiel wird seit vielen Monaten durchgehend belagert. Wer im Lager zurückgeblieben ist, muss sich von Katzen- und Hundefleisch sowie Abfällen ernähren. Auch andere Flüchtlingslager stehen unter Belagerung, selbst wenn die Situation hier vielleicht weniger schlimm ist als in Yarmouk. Aber auch hier fehlt es der Bevölkerung am Notwendigsten. Es gibt keinen Strom, kein sauberes Trinkwasser und keine funktionierenden Verwaltungsstrukturen mehr.“
Im April 2015, mithin wenige Monate vor der Ausreise der Klägerin aus Syrien, wurde Yarmouk von IS-Extremisten eingeschlossen und erneut von der Außenwelt abgeschnitten. Der IS kontrollierte im April 2015 ca. 90 % des Camps. Am 10. April 2015 appellierte der UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon an die Weltöffentlichkeit, dass Yarmouk einem Todeslager gleiche und sich hier eine Katastrophe von epischem Ausmaß zutrage. Im Mai 2015 wurde das Flüchtlingslager erneut bombardiert. Zum Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin am 3. August 2015 hatte die UNRWA keinen humanitären Zugang zu dem Flüchtlingscamp in Yarmouk. Nach Angaben des UNHCR in seinen „Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen“ vom November 2015 lebten auch in den folgenden Monaten tausende Zivilpersonen in Yarmouk unter katastrophalen Bedingungen und ohne Zugang zu humanitärer Hilfe. Nach eigenen Angaben der UNRWA war die Hilfsorganisation erst im Februar 2016 wieder in der Lage, dringend benötigte Hilfsgüter an Familien in Yarmouk zu überbringen (vgl. UNRWA, Yarmouk Situation Updates 1.4.2015 – 22.9.2015; UNRWA, UNRWA expresses concern over situation in Yarmouk vom 14.2.2016; Zeit Online, In der tödlichen Falle von Jarmuk vom 10.4.2015).
Angesichts der geschilderten Umstände ist nicht zu erkennen, dass es der UNRWA zu dem Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin aus Syrien im August 2015 noch möglich gewesen wäre, den von ihr betreuten staatenlosen Palästinensern im Allgemeinen und der Klägerin im Besonderen in Yarmouk Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe im Einklang stehen. Wenngleich die UNRWA weder die Aufgabe noch die Möglichkeit hat, den von ihr betreuten palästinensischen Flüchtlingen einen allgemeinen Schutz zu gewähren und sie weder legitimiert noch dafür gerüstet ist, politische Verfolgung oder nicht politisch motivierte Zwangsmaßnahmen des Aufnahmestaates oder von dritter Seite, Einwirkungen infolge eines Krieges oder sonstige Gefahren abzuwehren, wird die Organisation ihrer als Versorgungsauftrag ausgestalteten Aufgabe nur gerecht, wenn sie gewährleisten kann, dass Ausbildungsmöglichkeiten, medizinische Versorgung sowie gegebenenfalls die Grundversorgung mit Nahrung und Unterkunft in einem Umfang zur Verfügung stehen, der den Grundbedarf der diese Unterstützung in Anspruch nehmenden Menschen abdeckt. Diesbezüglich schließt sich die Kammer den überzeugenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes in seinem Urteil vom 26. April 2018 (– 1 A 593/17 –, juris, Rn. 31 f.) an, das zum Umfang des Versorgungsauftrages der UNRWA dargelegt hat:
„Nach der Konzeption der Genfer Flüchtlingskonvention rechtfertigt sich der Ausschluss der staatenlosen Palästinenser vom allgemeinen Flüchtlingsschutz dadurch, dass diese den Schutz der (hier) UNRWA genießen. Entfällt dieser Schutz, ohne dass das Schicksal der palästinensischen Volkszugehörigen endgültig durch die Vereinten Nationen geregelt ist, so fallen diese Personen ipso facto unter den Flüchtlingsschutz, d.h. ihnen wird kraft der Konvention ohne Einzelfallbetrachtung als Ersatz für den zuvor von der UNRWA gewährten Schutz ein umfassender Flüchtlingsschutz durch die Vertragsstaaten zuerkannt. Diese Konzeption ist nur in sich schlüssig, wenn auch dem entfallenden Schutz durch die UNRWA, der ersetzt wird, eine gewisse Qualität bzw. ein Mindeststandard in Bezug auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse der schutzberechtigten Personen innegewohnt hat.
Die der UNRWA übertragene Aufgabe umfasst die Tätigkeitsfelder Ausbildung, medizinische Versorgung, Fürsorge und Sozialdienste, Kleinkredite, Lagerinfrastruktur und -verbesserung sowie humanitäre Hilfe, im Fürsorge- und Sozialsektor auch die Unterstützung der ärmsten Flüchtlinge. Deren Unterstützung schließt die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln, finanzielle Unterstützung sowie - wenn nötig - die Unterbringung mit ein.
Die zentralen, allen Flüchtlingen zugute kommenden Betätigungsfelder liegen hiernach im Bildungs- und Gesundheitssektor, während die Versorgung mit Lebensmitteln und gegebenenfalls mit Wohnraum eine entsprechende Bedürftigkeit voraussetzt.“
An diesen Maßstäben gemessen war die UNRWA nach der aufgezeigten Auskunftslage bereits ab Ende des Jahres 2012 nicht mehr dazu in der Lage, ihrer als Versorgungsauftrag ausgestalteten Aufgabe in Yarmouk gerecht zu werden. Das Lager war seit den Kampfhandlungen im Dezember 2012 immer wieder – teilweise für einen Zeitraum von mehreren Monaten – von den Versorgungsleistungen der UNRWA vollständig abgeschnitten. Selbst die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln und einem Mindestgrad an medizinischer Versorgung konnte nicht zuverlässig gewährleistet werden. Spätestens ab Mitte 2015 war die UNRWA bedingt durch die Machtübernahme des IS und die weitgehende Zerstörung der Infrastruktur des Lagers dauerhaft daran gehindert, ihre Tätigkeiten in Yarmouk auszuüben. Eine Erfüllung der ihr im oben genannten Sinn obliegenden Aufgaben war somit im August 2015, als die Klägerin aus Syrien ausgereist ist, unmöglich.
Dies zugrunde gelegt führt auch der Umstand, dass die Klägerin das Lager in Yarmouk nicht erst im August 2015 verlassen hat, sondern bereits im Jahr 2012 mit der Familie ihres Vormunds aus Yarmouk in den benachbarten Stadtteil Al Mezzeh geflohen ist, zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Wie die Zahlen der zivilen Todesopfer durch die Angriffe auf Yarmouk im Dezember 2012 und Januar 2013 belegen, befand sich die Klägerin in dem Flüchtlingslager zu diesem Zeitpunkt in einer hochgradig unsicheren persönlichen Lage. Die Zustände in Yarmouk waren ab Dezember 2012 so prekär, dass palästinensische Flüchtlinge faktisch dazu gezwungen waren, das Lager zu verlassen (a. A. wohl Nds. OVG, Beschluss vom 7.5.2018 – 2 LA 331/18 –, V. n. b.). Dies wird bereits dadurch offenbar, dass zwischen Dezember 2012 und Februar 2013 über 100.000 Menschen aus Yarmouk geflohen sind. Auch die Klägerin persönlich war durch die andauernden Kampfhandlungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens und ihrer körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt. Nachdem es zu den ersten Bombardierungen des Lagers am 16. Dezember 2012 gekommen war, hat sie das Lager mit ihrer Familie am 17. Dezember 2012 verlassen. Von einer freiwilligen Entscheidung, sich dem Schutz der Organisation zu begeben, kann insoweit keine Rede sein. Im Übrigen hat die Klägerin bis zu ihrer Ausreise aus Syrien im Sommer 2015 den Schutz der Organisation noch so weit wie möglich in Anspruch genommen. So hat sie in dem Stadtteil Al Mezzeh in einer von der UNRWA als Notunterkunft bereit gestellten Schule Zuflucht gefunden, den Schulunterricht besucht, monatliche Lebensmittelrationen bezogen und den medizinischen Dienst in Anspruch genommen. Der Vormund der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass das Leben in Al Mezzeh „sehr schwer“ und „ohne Würde“ war. Dennoch ist die Klägerin dort geblieben, bis der militärische Flughafen Al Mezzeh, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft der notdürftig als Unterkunft genutzten Schule befand, bombardiert wurde und die Familie ihres Onkels sich gezwungen sah, Syrien mit der Klägerin zu verlassen.
Die Kammer geht weiterhin davon aus, dass der Klägerin die Möglichkeit, in anderen Teilen des Mandatsgebietes den Schutz der UNRWA in Anspruch zu nehmen, nicht offenstand. Innerhalb Syriens wurde ab dem Jahr 2012 neben Yarmouk eine Reihe weiterer UNRWA-Einrichtungen durch Belagerungen und Bombardierungen durch die syrische Armee und die bewaffnete Opposition zerstört, so dass deren Mitarbeiter dort kaum mehr etwas für die Menschen tun konnten (vgl. Rosa Luxemburg Stiftung, Studien, Flucht und Vertreibung im Syrien-Konflikt, Stand Juli 2014, S. 21 f.). Andere Flüchtlingslager wurden verlassen, waren und sind für die UNRWA unzugänglich oder es sind in ihnen Palästinenser eingeschlossen, wodurch ihr Zugang zu humanitärer Hilfe stark eingeschränkt ist (vgl. auch OVG Saarland, Urteil vom 26.4.2018 – 1 A 593/17 –, juris, Rn. 41; VG Wiesbaden, Urteil vom 26.1.2018 – 6 K 1351/17.WI.A –, juris, Rn. 22). Insbesondere die UNRWA-Lager im Umland von Damaskus wurden größtenteils vollständig aufgegeben, so auch Sbeineh und Qabr Essit (vgl. BFA, Fact Finding Mission Report Syrien, August 2017, S. 26 f.). Hinsichtlich der noch existenten Lager in anderen Teilen des Landes ist angesichts der Bürgerkriegslage auszuschließen, dass es der minderjährigen Klägerin möglich gewesen wäre, diese sicher zu erreichen, um dort den Schutz der UNRWA in Anspruch zu nehmen (vgl. auch VG Halle (Saale), Urteil vom 24.11.2017 – 6 A 44/17 –, juris, Rn. 20). Zudem ist es insbesondere für Palästinenser schwierig, sich durch Checkpoints zu bewegen, beispielsweise, wenn sie keine gültigen syrischen Dokumente vorweisen können. Ihre Bewegungsfreiheit innerhalb Syriens ist wegen der Notwendigkeit, die Genehmigung für Wohnortwechsel einzuholen, und wegen der Registrierungspflicht eingeschränkt (vgl. BFA, Fact Finding Mission Report Syrien, August 2017, S. 26 f.; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, Gesamtaktualisierung 25. Januar 2018, S. 66).
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin den Schutz der UNRWA in anderen Staaten hätte in Anspruch nehmen können. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass nach im Kern übereinstimmender Auskunftslage sowohl Jordanien als auch der Libanon – als zum Mandatsgebiet der UNRWA zählende Nachbarstaaten Syriens – bereits vor der im August 2015 erfolgten Ausreise der Klägerin aus Syrien ihre Grenzen für palästinensische Flüchtlinge aus Syrien geschlossen hatten (vgl. dazu BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, Gesamtaktualisierung 25.1.2018, S. 66 ff.); auch nach Angaben der UNRWA (www.unrwa.org/syria-crisis) ist die Grenzschließung für palästinensische Flüchtlinge im Falle von Jordanien bereits frühzeitig ("early in the conflict") und im Falle des Libanon im Mai 2015 erfolgt. Ebenso spricht der Fact Finding Mission Report Syrien der BFA vom August 2017 davon, dass Palästinensern die Einreise in den Libanon in der Praxis willkürlich verweigert werde (dort Seite 32; vgl. OVG Saarland, Urteil vom 18.1.2018 – 2 A 521/17 –, juris, m. w. N.). Hiermit übereinstimmend hat der Vormund der Klägerin in der mündlichen Verhandlung berichtet, dass deren Vater vergeblich nach einem Weg gesucht habe, die gesamte Familie in Sicherheit zu bringen. Hierzu habe dieser unter anderem versucht, in den Libanon zu gelangen, was jedoch gescheitert sei. Doch selbst wenn es der Klägerin und ihrer Familie gelungen wäre, auf andere Einsatzgebiete der Organisation auszuweichen, dürfte eine ausreichende Versorgung aufgrund der Vielzahl an Flüchtlingen mit UNRWA-Registrierung dort nicht gewährleistet sein (vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 26.1.2018 – 6 K 1351/17.WI.A –, juris, Rn. 22)
Dass eine freiwillige Aufgabe des gewährten Beistands der UNRWA durch die Klägerin nicht vorlag, belegt schließlich der Umstand, dass ihr – zu Recht – wegen der Bürgerkriegssituation in Syrien vom Bundesamt in dem Bescheid vom 26. Januar 2017 der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde (vgl. hierzu auch OVG Saarland, Urteil vom 21.9.2017 – 2 A 447/17 –, juris, Rn. 24; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.6.2017 – A 11 S 664/17 –, juris, Rn. 24; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 7.2.208 – 4a K 7799/16.A –, juris, Rn. 30 ff.; VG Lüneburg, Urteil vom 13.11.2017 – 4 A 355/17 –, juris, Rn. 30). Auch der UNHCR führt in seiner „Note zur Interpretation von Artikel 1 D des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Artikel 12 Abs. 1 Buchstabe a der EU-Qualifikations- bzw. Statusrichtlinie durch UNHCR im Zusammenhang mit palästinensischen Flüchtlingen, die um internationalen Schutz ersuchen“ auf Seite 4 f. aus, dass es für einen palästinensischen Flüchtling unter anderem dann objektiv nicht möglich ist, zurückzukehren und sich (erneut) unter den Schutz des UNRWA zu begeben, wenn damit Gefahren für das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder Freiheit oder sonstige schwerwiegende schutzbezogene Gründe verbunden sind, wie dies beispielsweise bei bewaffneten Konflikten oder vergleichbaren Gewaltsituation der Fall ist. Dass in Syrien derartige Gefahren drohen, steht aufgrund der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel außer Frage.
Die Situation in der Herkunftsregion der Klägerin hat sich bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch nicht wesentlich verbessert. Laut Meldungen vom 26. April 2018 dauerten die Kämpfe rivalisierender Gruppen mit dem IS um die Vormacht im Lager Yarmouk zu diesem Zeitpunkt noch an; das Flüchtlingslager wurde erneut bombardiert. Weitere 5.000 Personen sollen im April 2018 aus dem Lager geflohen sein (vgl. The Telegraph, Palestinian refugee camp in Syria turns 'unimaginably brutal' as Assad regime drives Isil out of Yarmouk vom 26.8.2018). Wie viele Menschen sich derzeit noch in dem Lager aufhalten, ist nicht bekannt. Nach aktuellsten Berichten soll Yarmouk seit dem 21. Mai 2018 zwar wieder in der Hand der syrischen Regierung (vgl. Tagesschau, Syrische Armee vertreibt letzte IS-Milizen vom 21.5.2018) und die UNRWA erstmals seit 2015 wieder in der Lage sein, humanitäre Hilfe in Yalda (nahe Yarmouk) zu gewähren, das Lager gilt jedoch als zerstört. Dies wurde auch in der mündlichen Verhandlung durch die Klägerin und ihren Vormund bestätigt. Die Notunterkunft in Al Mezzeh existiere zwar noch, es würden dort jedoch keine Menschen mehr aufgenommen. Auch der Familie der Klägerin werde der Zugang verwehrt. Unter diesen Gegebenheiten gibt es keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die UNRWA inzwischen wieder in die Lage versetzt wäre, ihrer vorbeschriebenen Schutzaufgabe in der Heimatregion der Klägerin gerecht zu werden.
Die Lage der Palästinenser ist bis heute nicht gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.6.2017 – A 11 S 664/17, juris, Rn. 24; OVG Saarland, Urteil vom 21.9.2017 – 2 A 447/17 –, juris, Rn. 25).
Ein Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 AsylG liegt nach den Erkenntnissen des Gerichts nicht vor.
Auf die Frage einzugehen, ob die Klägerin ungeachtet der ipso facto bestehenden Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG aufgrund ihres individuellen Vorbringens auch nach § 3 Abs. 1 AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beanspruchen kann, ist demnach nicht mehr erforderlich.
Die Kostenentscheidung in dem nach § 83 b AsylG gerichtskostenfreien Verfahren beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.