Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.05.2003, Az.: 1 K 201/00
Einheitsbewertung von bebauten Grundstücken im Ertragswertverfahren; Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens der Einheitsbewertung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.05.2003
- Aktenzeichen
- 1 K 201/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 12833
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0519.1K201.00.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 02.02.2005 - AZ: II R 36/03
Rechtsgrundlagen
- § 76 ff. BewG
- Art. 3 GG
Fundstellen
- EFG 2003, 1459
- GK/BW 2004, 174
- ZKF 2004, 82
Amtlicher Leitsatz
Einheitsbewertung auf den 01.01.1995 für das Grundstück Beverbäkstr. 40 a, 26123 Oldenburg.
Einheitsbewertung des Grundvermögens ist nicht verfassungswidrig.
Tatbestand
Streitig ist die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens der Einheitsbewertung.
Die Kläger sind Eigentümer eines im Jahre 1994 errichteten Einfamilienhauses in der B.straße a in O., das sie selbst bewohnen. Mit Einheitswertbescheid auf den 01.01.1995 vom 21. Februar 1995 stellte der Beklagte für dieses Gebäude im Ertragswertverfahren den Einheitswert auf zunächst 79.800,00 DM fest. Dabei wurde die Jahresrohmiete auf der Grundlage der Mietspiegelmiete für Gebäude der Ausstattungsgruppe V ermittelt. Wegen weiterer Details zur Gebäudeausstattung wird auf den Vorbogen zur Einheitsbewertung (Bl. 108 Einheitswertakte), den Vermerk des Bausachverständigen (Bl. 110 Einheitswertakte) und das Protokoll über die Augenscheinseinnahme (Bl. 19 Gerichtsakte) verwiesen. Auf den Einspruch der Kläger setzte der Beklagte den Einheitswert auf 78.600,00 DM herab. ImÜbrigen wurde der Einspruch zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die Klage. Die Kläger sind der Auffassung, dass das Verfahren der Einheitsbewertung mit der Verfassung, insbesondere Art. 3 Grundgesetz, nicht vereinbar sei. Das Einheitswertverfahren sei seinerzeit als Massenverfahren eingeführt worden. Eine neue Hauptfeststellung sei alle 6 Jahre vorgesehen gewesen. Da bis heute bei der Bewertung des Grundbesitzes die Wertverhältnisse auf den 01.01.1964 zu Grunde gelegt würden, sei aus einem vereinfachten Massenverfahren mit zumindest grober Unterscheidung der Häuser faktisch ein Einheitsverfahren geworden. Die Ausstattungsgruppen "einfachste", "einfache" und "mittlere" Ausstattung gebe es für Neubauten praktisch nicht mehr, es werde allein zwischen den Kategorien "gute" und "sehr gute" Ausstattung unterschieden. Für diese Unterscheidung seien letztlich unerhebliche Merkmale wie die Anzahl der Waschbecken in den Bädern ausschlaggebend. Die Höhe der Baukosten, die Ausstattung der Räume, die Bauweise und Ähnliches spielten bei der Wertfindung hingegen keine Rolle. Ältere Gebäude würden trotz Renovierung und Anpassung an aktuelle Wohnstandards demgegenüber deutlich niedriger bewertet. Seit dem 01.01.1964 hätten sich auch die Wertrelationen geändert. So beruhe beispielsweise die Grenze des § 82 Abs. 2 Nr. 1 BewG von 1.500 qm, unterhalb deren kein Zuschlag wegen übergroßer Grundstücksfläche festgesetzt werde, noch auf der Annahme wesentlich höherer Durchschnittsgrößen von Grundstücken, als sie heutzutage üblich seien. Eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung liege darin, dass das Differenzierungskriterium der Grundstücksgröße nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend angewandt werde.
Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des § 10 Vermögensteuergesetz (VStG) und § 12 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) keine Aussage zur Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung treffen können, weil es dort lediglich um die Ungleichbehandlung von Grundbesitz und anderen Vermögensarten gegangen sei. Indiz für die Verfassungswidrigkeit sei jedoch, dass die Einheitsbewertung auf den 01.01.1964 nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr in das Gefüge der Steuergesetzgebung hineinpasse.
Hilfsweise beantragen die Kläger,
das Gebäude in eine niedrigere Ausstattungsgruppe einzuordnen. Es sei zu berücksichtigen, dass das Gebäude über keine Außenrollläden verfüge.
Die Kläger beantragen,
den Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1995 vom 21. Februar 1995 und die Einspruchsentscheidung vom 13. April 2000 aufzuheben,
hilfsweise den Einheitswert auf den Betrag herabzusetzen, der sich unter Zugrundelegung einer Quadratmeter-Miete von 4,70 DM ergibt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte weist darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht nur § 10 Nr. 1 VStG und § 12 Abs. 1 und 2 ErbStG, nicht aber die Vorschriftenüber die Einheitsbewertung des Grundbesitzes für verfassungswidrig erklärt habe. Im Übrigen würden die Ausstattungsgruppen in einem Umfange beschrieben, der den Anforderungen an eine Typisierung unter Berücksichtigung der möglichen Bewertungsgenauigkeit einer Massenbewertung wie der Einheitsbewertung gerecht werde.
Auch wenn keine Rollläden, Fensterläden oder Jalousien vorhanden seien, sei das Grundstück auf Grund der vorhandenen Ausstattungsmerkmale dennoch in die Ausstattungsgruppe V einzuordnen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme des Augenscheins. Dabei wurde festgestellt, dass das Gäste-WC im Erdgeschoss mit einem Waschbecken und einer Dusche mit abgerundeter Wanne ausgestattet ist.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Vorschriften über die Einheitsbewertung von bebauten Grundstücken im Ertragswertverfahren (§§ 76, 78 ff BewG) verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG.
Der Senat stimmt den Klägern darin zu, dass der Verzicht auf die Durchführung einer Hauptfeststellung in regelmäßigen Zeitabständen, wie sie nach § 21 BewG an sich vorgesehen ist, und der zunehmende zeitliche Abstand zur letzten Hauptfeststellung allmählich zu einem Zustand führen wird, der die tatsächlichen Wertverhältnisse der Bewertungsobjekte nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zueinander so wenig realitätsgerecht widerspiegelt, dass die Einheitsbewertung als willkürlich erscheint und nicht mehr den Anforderungen des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG entspricht. Die Kläger haben Recht, wenn sie beispielsweise darauf hinweisen, dass sich Grundstücks- und Gebäudepreise im Zeitablauf nicht notwendig parallel zueinander entwickeln müssen und so Verwerfungen im Gefüge der Einheitsbewertung entstehen. Ebenso ist den Klägern beizupflichten, dass eine Ungleichbehandlung in der Bewertung dadurch entsteht, dass die Finanzämter bei Gebäuden älteren Baujahrs in der Praxis keinerleiÜberprüfung vornehmen, ob diese durch grundlegende Renovierung in ihrer Ertragsfähigkeit so gesteigert wurden, dass ihr Ertragswert einem entsprechenden Neubau gleichzustellen wäre. Durch dieses Vollzugsdefizit entstehen ebenfalls erhebliche Ungleichgewichte. Auch der Senat ist der Auffassung, dass eine neue Hauptfeststellung dringend geboten ist.
Dennoch kann die Klage keinen Erfolg haben. Das Ertragswertverfahren ist seiner Struktur nach ein grob pauschalierendes Wertermittlungsverfahren, das sämtliche individuellen Wertunterschiede zwischen den einzelnen Bewertungsobjekten ohnehin nicht ansatzweise erfassen kann. Dieses vereinfachende Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht gebilligt (Bundesverfassungsgericht, Urteil des Ersten Senats -1 BvL 18/81, 1 BvL 20/82 - vom 10. Februar 1987, BStBl. II 1987, 240). Die durch den zeitlichen Abstand zur letzten Hauptfeststellung entstandenen weiteren Unstimmigkeiten stellen lediglich weitere Unschärfen im System der Einheitsbewertung dar. Sie haben für sich noch nicht ein solches Maß und Gewicht gewonnen, dass sie aus dem Rahmen der ohnehin vorhandenen Ungenauigkeit herausfallen.
Auch der Hilfsantrag hat keinen Erfolg.
Der Ansatz einer üblichen Miete auf der Grundlage des Mietspiegels des Beklagten, Ausstattungsgruppe V, ist nicht zu beanstanden.
Der Grundstückswert von bebauten Grundstücken wird im Ertragswertverfahren auf der Grundlage der Jahresrohmiete ermittelt (§ 78 BewG). Wird ein Grundstück - wie das der Kläger - eigengenutzt, so gilt die übliche Miete als Jahresrohmiete (§ 79 Abs. 2 Nr. 1 BewG). Sie ist in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Bei der Schätzung darf das Finanzamt auf einen für seinenörtlichen Zuständigkeitsbereich erarbeiteten Mietspiegel zurückgreifen, sofern dieser in seiner Aufgliederung nach Mietpreisregelungen und den anderen gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG maßgebenden Kriterien den vom Gesetz gestellten Anforderungen für die Schätzung der üblichen Miete entspricht. Diesen Kriterien genügt der Mietspiegel des Beklagten.
Der Beklagte differenziert zwischen den Ausstattungsgruppen IV und V, die hier einzig ernsthaft in Betracht kommen, weil das Haus der Kläger über Bad und Sammelheizung verfügt und die niedrigeren Ausstattungsgruppen voraussetzen, dass zumindest eines dieser Ausstattungsmerkmale nicht vorhanden ist, nach der Qualität des Bades. Folgt man dem, ist die Bewertung des Hauses B.str. auf der Grundlage einer Spiegelmiete für die Ausstattungsgruppe V zutreffend. Das nichtübergroße Haus verfügt auf Grund des Vorhandenseins einer Dusche im Erdgeschoss-WC über zwei Bäder. Das ist aber mehr als Standard. Auch eine Halbrunddusche gehört selbst bei Neubauten nicht zur Standardausstattung.
Aber auch, wenn man für die Differenzierung zwischen den Ausstattungsgruppen IV und V nicht nur auf die Qualität des Bades abstellen, sondern den gesamten baulichen Zustand des Gebäudes zu Grunde legen würde, könnte sich im Streitfall nichts anderes ergeben. Das Haus der Kläger weist guten aktuellen Ausstattungsstandard auf. Damit liegt seine Ausstattung, bezogen auf die Verhältnisse des Hauptfeststellungsstichtages 01.01.1964, weit über dem, was damals üblich war. Insbesondere was Gebäudeisolierung, Fensterausstattung, Elektroinstallationen oder Qualität des Bodenmaterials anbelangt, hat es seither einen erheblichen technischen Fortschritt gegeben. Von daher kommt nur eine Einstufung in eine Ausstattungsgruppe in Betracht, die deutlich oberhalb jener liegt, die für ein Durchschnittseinfamilienhaus des Baujahres 1964 angemessen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.