Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.05.2003, Az.: 6 K 310/01
Unterbrechung einer Berufsausbildung durch die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit; Bewilligung von Kindergeld bei Ausübung einer Nebentätigkeit eines Kindes; Anspruch auf Rücknahme einer Ablehnung von Kindergeld bei Unterschreiten des Grenzbetrags durch das Einkommen eines Kindes; Ende einer Berufsausbildung vor der Bekanntgabe von schulischen Prüfungsergebnissen mit der Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit ; Maßgeblichkeit des Ende einer Berufsausbildung durch die Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit von dem Abschluss der letzten Prüfungsleistung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 15.05.2003
- Aktenzeichen
- 6 K 310/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 28530
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0515.6K310.01.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - AZ: VIII R 88/04
Rechtsgrundlage
- § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
Fundstellen
- DStR 2005, VIII Heft 13 (Kurzinformation)
- DStRE 2005, 445-446 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Unterbrechung der Berufsausbildung durch Aufnahme einer Vollzeittätigkeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum Januar bis Mai 2000.
Die Tochter K der Klägerin, geb. 20.12.1980, besuchte das Gymnasium in N. Der Schulbesuch endete für die Tochter mit Erlangung des Abiturs am 27.06.2000. Ab dem 17.05.2000 nahm die Tochter nach Ablegung der Prüfung eine Vollzeitbeschäftigung auf, die sie bis zum 11.11.2000 ausübte. Der monatliche Bruttolohn betrug hierfür 4000,00 DM, für den Monat Mai 1935,48 DM. Im Anschluss hieran trat sie einen Auslandsaufenthalt zur Erweiterung der Sprachkenntnisse an, da sie auf Grund ihrer Bewerbung um einen Studienplatz an der Universität Hildesheim mit Bescheid vom 28.08.2000 abgelehnt wurde.
Nachdem der Beklagte von den Einkünften der Tochter der Klägerin Kenntnis erlangte, hob er die bis zum 31.07.2000 ausgesprochene Kindergeldbewilligung für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 30.06.2000 durch Bescheid vom 14.12.2000 auf. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Einkünfte der Tochter den jährlichen Grenzbetrag von 13.500 DM überstiegen. Den Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid wies der Beklagte mit Entscheidung vom 14.03.2001 als unbegründet zurück, da die Einkünfte und Bezüge für das gesamte Jahr zu ermitteln seien.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrte die Klägerin zunächst die Zahlung von Kindergeld für die Monate Januar bis Juni und Dezember 2000. Sie schränkte ihr Begehren im Lauf des Klageverfahrens jedoch ein und begehrt nunmehr noch die Gewährung des Kindergeldes für die Monate Januar bis Mai 2000. Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass der Kindergeldanspruch mit der Aufnahme der Vollzeittätigkeit für die Monate entfallen sei, in denen die Tätigkeit den ganzen Monat ausgeübt werde. Demzufolge müsse auch lediglich der anteilige Jahresgrenzbetrag in Höhe von 5.625 DM mit den im Anspruchszeitraum erzielten Einkünften und Bezügen verglichen werden. Dabei blieben die Einkünfte unter dem Grenzbetrag, sodass Anspruch auf Kindergeld bestehe.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Bescheides über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 14.12.2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.03.2001 der Klägerin Kindergeld in gesetzlicher Höhe für die Monate Januar bis einschl. Mai 2000 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass grds. für das gesamte Jahr ein Kindergeldanspruch bestehe. Bis zum 31.07.2000 habe sich die Tochter in Schulausbildung befunden, für die Zeit vom 01.08.bis zum 30.11.2000 sei die Tochter als ausbildungswilliges Kind nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c EStG zu berücksichtigen und im Dezember sei der Tatbestand der Nr. 2a erfüllt, da die Tochter einen Sprachaufenthalt durchführe.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in dem noch anhängigen Umfang begründet.
Der Klägerin steht Kindergeld für ihre Tochter für die Monate Januar bis Mai 2000 zu (§ 63 Abs. 1 Satz 2, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a, § 32 Abs. 4 Sätze 2, 6 und 7 EStG). Die Tochter des Klägers befand sich (nur) in den Monaten Januar bis Mai 2000 in Berufsausbildung; ihre Einkünfte und Bezüge überstiegen in diesem Zeitraum nicht den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von 5.625 DM.
Entgegen der Ansicht der Familienkasse befand sich die Tochter in den Monaten Juni bis Dezember 2000 nicht in Berufsausbildung. Denn sie war in der Zeit von Juni bis Ende Oktober 2000 jeweils den gesamten Zeitraum erwerbstätig und hatte ihr beabsichtigtes Studium wegen der Nichtberücksichtigung bei der Studienplatzvergabe noch nicht begonnen.
Ein Kind befindet sich in Berufsausbildung, solange es sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber noch ernstlich darauf vorbereitet (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 24. Mai 2000 VI R 143/99, BFHE 191, 557, BStBl II 2000, 473). Die Berufsausbildung endet spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses. Vor der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses ist die Berufsausbildung jedoch bereits dann beendet, wenn das Kind nach Erbringung aller Prüfungsleistungen eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufnimmt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 191, 557, BStBl II 2000, 473; so auch FG Niedersachsen, Urteil vom 8. Februar 2000 1 K 310/99 Ki, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2000, 444; Urteil des FG Düsseldorf vom 22. Juli 1999 10 K 2136/98 Kg, EFG 1999, 1037). Nimmt das Kind nach der Erbringung aller Prüfungsleistungen bzw. nach der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses eine Vollzeiterwerbstätigkeit auf, ist es auch dann nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG berücksichtigungsfähig, wenn es sich zuvor für eine weitere Ausbildung beworben hat und diese nach Beendigung der Vollzeiterwerbstätigkeit antritt. In diesem Fall tritt mit der Aufnahme der Vollzeiterwerbstätigkeit eine Unterbrechung der Berufsausbildung ein. Die Berufsausbildung wird wieder aufgenommen, wenn das Kind nach Beendigung der Vollzeiterwerbstätigkeit eine weitere Ausbildung beginnt. Durch die Bewerbung für eine Ausbildungsstelle und die nachfolgende Zusage befindet sich das Kind noch nicht in einer Ausbildung.
Im Streitfall hat die Tochter der Klägerin zwar vor Bekanntgabe des Abiturzeugnisses Ende Juni 2000 eine Vollzeittätigkeit aufgenommen. Dies geschah aber nach Erbringung der letzten Prüfungsleistung Mitte Mai, sodass mit Aufnahme der Tätigkeit die Berufsausbildung beendet war. Für die Zeit nach Beendigung der Vollzeiterwerbstätigkeit hat die Tochter der Klägerin zwar im Ausland Sprachkurse zwecks Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse absolviert. Die Sprachkurse während des Auslandsaufenthalts wurden jedoch nach den im Klageverfahren vorgelegten Bescheinigungen nicht bereits im Jahr 2000, sondern erstmalig in 2001 aufgenommen. Ein Sprachunterricht während eines Auslandsaufenthalts kann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Unterricht hinreichend gründliche Sprachkenntnisse vermittelt und grundsätzlich wöchentlich mindestens zehn Unterrichtsstunden umfasst (Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701, und vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, zur Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2002, 979). Diese Voraussetzungen waren im Streitfall - wie ausgeführt - nicht erfüllt, sodass für die Zeit nach Beendigung der Vollerwerbstätigkeit im Jahr 2000 kein Kindergeldanspruch bestand.
Der Kindergeldanspruch ist nicht wegen der Einkünfte und Bezüge des Kindes zu versagen.
Voraussetzung für die Berücksichtigung von Einkünften und Bezügen ist, dass diese auf Kalendermonate entfallen, für die ein Kindergeldanspruch dem Grunde nach besteht. Der Kindergeldanspruch war im Streitfall - nach den vorstehenden Ausführungen - nur für die Monate Januar bis Mai 2000 gegeben, sodass die Einkünfte und Bezüge ab Juni 2000 zu den nicht zu berücksichtigenden Kürzungsmonaten gehören und bei der Berechnung des Grenzbetrages nicht einzubeziehen sind (vgl. BFH Urteil vom 01.03.2000 - VI R 19/99, BFHE 191, 62, BStBl. II 2000, 462). Soweit für den Monat Mai die Anspruchsvoraussetzungen nicht im ganzen Monat vorgelegen haben, entfällt hierdurch nicht der Kindergeldanspruch, da nach dem Monatsprinzip des § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG die Voraussetzungen nur an einem Tag vorgelegen haben müssen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der BFH, die Einkünfte und Bezüge des Kalendermonats, in dem das Kind von der Ausbildung in den Beruf wechselt, außer AnSatz 1ässt. Dies kann nur dann gelten, wenn durch eine Berücksichtigung derartiger Einkünfte und Bezüge, der Kindergeldanspruch auch für die Vergangenheit entfiele (vgl. BFH-Beschluss vom 08.03.2002 - VIII B 185/01, BFH/NV 2002, 1289). Im Streitfall betragen jedoch die Einkünfte und Bezüge für Januar bis Mai 2000 offensichtlich weniger als der anteilige Grenzbetrag von 5.625 DM.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs.1 FGO. Bei der Kostenquotelung war zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihr Begehren während des Klageverfahrens eingeschränkt hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und § i.V.m. §§ 708 Nr. 10. 711 ZPO.