Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.03.1999, Az.: VII 668/94

Aufgabe eines verpachteten Gewerbebetriebes; Ruhen des Gewerbebetriebs; Verpachtung zur Aufgabe eines Betriebs; Überlassung zur Nutzung; Anpassung an wirtschaftlich veränderte Gegebenheiten; Umstellung von Großhandel auf Einzelhandelsbetrieb; Verstoß gegen Treu und Glauben

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
02.03.1999
Aktenzeichen
VII 668/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 19466
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:0302.VII668.94.0A

Fundstelle

  • SteuerBriefe 2000, 1095-1096

Verfahrensgegenstand

Zum Zeitpunkt der Aufgabe eines (ruhenden) Gewerbebetriebs.

Einkommensteuer 1993

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Erforderlich zur Annahme lediglicher Betriebsunterbrechung bei Verpachtung ist, dass der Steuerpflichtige seinen Gewerbebetrieb zur Nutzung überläßt und der Pächter diesen im wesentlichen fortsetzt. Dem kann auch genügt sein, wenn zwar nicht ein Betrieb als geschlossener Organismus, wohl aber alle wesentlichen Grundlagen des Betriebes verpachtet werden. Dem Verpächter muss jedoch objektiv die Möglichkeit verbleiben, den vorübergehend eingestellten Betrieb wieder aufzunehmen und fortzuführen.

  2. 2.

    Solange diese objektive Möglichkeit der Fortführung des alten Betriebs trotz Vornahme von Umbauarbeiten weiter besteht, wird die subjektive Betriebsunterbrechungsabsicht unwiderleglich vermutet. Die Umstellung von einem Großhandels- auf einen Einzelhandelsbetrieb steht der Annahme eines ruhenden Gewerbebetriebs nicht entgegen.

In dem Rechtsstreit
hat der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 2. März 1999,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...Bürokauffrau
ehrenamtliche Richterin ...Landwirtin
für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Änderung des Bescheids vom 21. Juli 1997 wird die Einkommensteuer auf 3.228.291 DM herabgesetzt.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu 92 v.H. und das beklagte Finanzamt zu 8 v.H. zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Finanzamt darf die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Betrieb bereits 1980 oder ein verpachteter Gewerbebetrieb zum 30. Juni 1993 aufgegeben wurde.

2

Die Kläger sind die an der Erbengemeinschaft nach dem am 16. Oktober 1993 verstorbenen W H beteiligten Kinder des Erblassers sowie dessen Ehefrau. Im Eigentum des Erblassers, der zum Zeitpunkt seines Todes in der Schweiz ansässig war, befand sich u.a. ein an der Bundesstraße in J gelegenes Grundstück mit aufstehenden Gebäuden. Der Erblasser unterhielt in diesen Gebäuden betrieb bis 1980 einen Gewerbebetrieb. Der Erblasser führte seit 1968 die Geschäfte dieses Betriebes nicht mehr selbst, sondern er ließ sich vertreten anfangs durch Herrn A H und später (ab 1978) durch seinen Sohn, den Kläger D H. Der Gewerbebetrieb umfaßte einen C + C (cash and carry)-Großhandel mit Lebensmitteln und sog. nonfood-Artikeln sowie einen Zustellgroßhandel mit Schwerpunkt Lebensmittel. Daneben wurden Wohn- und Küchenmöbel an Gewerbetreibende veräußert, die diese im wesentlichen für ihren eigenen Bedarf erwarben. Infolge der veränderten Konkurrenzsituation im Großhandelsbereich erwies sich die entgeltliche Überlassung an eine SB-Warenhauskette als wesentlich rentabler, als der Betrieb des Groß- und Zustellgroßhandels in bisheriger Form. Am 30. Januar 1980 schloß deshalb der Erblasser mit der N AG einen Vertrag. Darin heißt es u.a.:

"Präambel

Der Vermieter betreibt u.a. als funktional und organisatorisch selbständigen Betrieb im Rahmen seines Unternehmens einen Groß- und Einzelhandel mit Lebensmitteln und nonfood-Artikeln in J, an der Bundesstraße .

Die Mieterin betreibt ebenfalls den Handel mit Lebensmitteln und nonfood-Artikeln.

Vermieter überträgt und Mieter übernimmt den Betrieb und pachtetbetrieblich genutztes Anlagevermögen nach Maßgabe nachfolgender Bestimmungen ...Mieterin ist verpflichtet, den Betrieb stets in einem derartigen Zustand zu erhalten, daß auf dem gemieteten Grundstück das Betreiben eines Einzelhandelsunternehmens für Lebensmittel und nonfood-Artikel möglich und zulässig ist...

Mietgegenstand

1.
Vermietet wird das an der Bundesstraße in J belegene, in der Anlage 1 zu diesem Vertrag rot umrandete und mit (1) und (2) bezeichnete Betriebsgrundstück mit allen seinen Bestandteilen und allem Zubehör und das von der I i.L., M gemietete Grundstück einschließlich Halle.

Die Mieterin räumt dem jeweiligen Betreiber der Tankstelle ein Zu- und Abfahrtsrecht für den Tankstellenverkehr sowie dem jeweiligen Nutzer des mit (4) bezeichneten Grundstücks ein Überwegungsrecht ein. In beiden Fällen darf es zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung des Geschäftsverkehrs der Mieterin kommen.

2.
Gegenstand des Mietvertrages ist auch das gesamte in der Anlage 2 zu diesem Vertrag bezeichnete Inventar..."

3

Der Erblasser verkaufte bis zum 31. März 1980 sämtliche Waren. Das Unternehmen N baute drei Monate lang um; die Kosten des Umbaus betrugen etwa 5 Mio. DM. Die N betrieb sodann einen Einzelhandel in der Betriebsform eines SB-Warenhauses. Der Erblasser erklärte für 1980 sowie für die Folgejahre die Mietzinsen aus der Überlassung der Betriebsimmobilie als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (verpachteter bzw. ruhender Gewerbebetrieb an der B). Er ermittelte den Gewinn durch Bestandsvergleich. Bei einer im Jahre 1984 durchgeführten Außenprüfung, die die Jahre 1978 bis 1982 betraf, wurde diese Handhabung vom beklagten Finanzamt (FA) nicht beanstandet. Daneben befand sich auf dem Grundstück eine Tankstelle. Diese Tankstelle, die zuvor vom Erblasser selbst betrieben worden war, wurde bereits mit Tankstellenmietvertrag aus dem Juni 1968 nebst den Nachträgen 1 und 2 an die R Mineralöl GmbH vermietet. Am 19. Januar 1990 wurde die Tankstelle an Herrn K R vermietet. Die Tankstelle hatte der Erblasser seit 1967 seinem Betriebsvermögen des Groß- und Einzelhandelsbetriebes zugeordnet. Die Einkünfte daraus wurden im Rahmen der nach § 4 Abs. 1 EStG durchgeführten Gewinnermittlung des selbstbewirtschafteten bzw. später des verpachteten Betriebes erfaßt.

4

Mit Schreiben vom 8. Juli 1993 erklärte der Erblasser, er habe die ihm gehörenden in J an der B gelegenen Grundstücke, die verpachtet seien, seit 1980 steuerrechtlich als ruhender Gewerbebetrieb behandelt. Diesen ruhenden Gewerbebetrieb habe er mit Wirkung vom 30. Juni 1993 aufgegeben. Er behalte sich allerdings die Prüfung vor, ob die steuerliche Behandlung in der Vergangenheit zutreffend erfolgt sei. Mit Bescheid vom 11. August 1993 setzte das FA die Einkommensteuer-Vorauszahlungen für das III. und IV. Quartal 1993 fest. Mit Schriftsatz vom 7. September 1993 beantragte der Erblasser, die Vorauszahlungen auf 0 DM herabzusetzen, weil er zum 1. August 1993 seine gesamten deutschen Immobilien auf seine Kinder übertragen habe und dementsprechend geringere Einkünfte erzielen würde. Die vom FA angeforderte Ermittlung des Aufgabegewinnes für die Aufgabe des ruhenden Gewerbebetriebes reichte der Erblasser nicht ein. Die Kläger, vertreten durch den Kläger D H, meinten, es sei in 1993 kein Aufgabegewinn angefallen. Die Betriebsaufgabe sei bereits im Jahre 1980 durch die Verpachtung der Betriebsgebäude erfolgt. Der damals betriebene Selbstbedienungsgroßhandel sei eingestellt worden und ein für den Letztverbraucher bestimmtes Selbstbedienungswarenhaus neu eröffnet worden. Das FA teilte diese Auffassung nicht und ermittelte einen Aufgabegewinn für den Gewerbebetrieb zum 30. Juni 1993 inHöhe von 12.538.475 DM. Den Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen lehnte das FA unter Hinweis auf den zu versteuernden Aufgabegewinn ab und setzte zusätzlich mit Bescheid vom 17. Januar 1994 noch eine nachträgliche Vorauszahlung für 1993 in Höhe von 1.948.500 DM fest.

5

Gegen diese Bescheide wenden sich die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit ihrer Klage.

6

Im Verlaufe des Klageverfahrens erging am 3. April 1995 der Einkommensteuer-Jahresbescheid für 1993, der wegen Nichtabgabe der Steuererklärung auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhte. Aufgrund der nachfolgend eingereichten Steuererklärung und der vom FA erbetenen ergänzenden Angaben erließ das FA am 22. Januar 1996 einen erneut nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid. Ein weiterer Änderungsbescheid erging am 21. Juli 1997. Dieser weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 583.203 DM, einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 12.428.475 DM und negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 154.549 DM aus. Die Kläger machten die Änderungsbescheide gemäß § 68 FGO sämtlich zum Gegenstand des Verfahrens.

7

Die Kläger vertreten weiterhin die Auffassung, bereits in 1980 habe mit der Einstellung des Großhandelsbetriebes durch den Erblasser eine Betriebsaufgabe vorgelegen. Ein Veräußerungsgewinn sei im Streitjahr nicht anzusetzen. Die Einkünfte aus der Überlassung des Betriebsgrundstücks in J an der B stellten schon in 1980 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dar. Die Voraussetzungen, nach denen gemäß der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) von einem ruhenden Gewerbebetrieb auszugehen sei, hätten, so meinen die Kläger, seinerzeit nicht vorgelegen.

8

Denn es sei damals nicht ein Pachtvertrag über einen betrieblichen Organismus abgeschlossen worden, sondern nur ein Mietvertrag über ein Grundstück mit Gebäude und Restinventar, wobei das Grundstück nicht die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage dargestellt habe. Daneben sei ein "ewig" ruhender Betrieb nicht denkbar, hier sei aber der Vermieter durch den Mietvertrag für dreißig Jahre von einer eventuellen Betriebsfortführung ausgeschlossen gewesen. Eine tatsächliche Fortführung eines vom Vermieter betriebenen gewerblichen Unternehmens durch den Mieter habe nicht stattgefunden; eine Fortführung des Betriebes durch den Vermieter sei auch seit 1980 objektiv nicht mehr möglich gewesen. Im übrigen sei mit dem Wechsel des Erblassers zur beschränkten Steuerpflicht im Jahr 1981 eine Betriebsverpachtung bzw. die Annahme eines ruhenden Gewerbebetriebes nicht mehr zulässig gewesen. Hilfsweise wird geltend gemacht, daß der Veräußerungsgewinn niedriger als im Gutachten des Sachverständigen berechnet anzusetzen sei. Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Kläger vom 10. Dezember 1997, 20. März 1998 und vom 24. Februar 1999 hingewiesen. Als Anlage 1 zum Schreiben vom 10. Dezember 1997 haben die Kläger eine gutachterliche Stellungnahme "zur Möglichkeit der identitätswahrenden Fortführung des Betriebes des Vermieters nach Mietende, betreffend den ehemaligen Lebensmittel-Sortiments-Großhandel W H, J" der D GmbH vorgelegt.

9

Die Kläger beantragen,

den angefochtenen Bescheid in der Weise zu ändern, daß die Einkommensteuer 1993 nach einem zu versteuernden Einkommen von 283.166,41 DM festgesetzt wird.

10

Das FA beantragt,

soweit der Klageantrag über die tatsächliche Verständigung hinausgeht, die Klage abzuweisen.

11

Es hält an der Auffassung fest, die Aufgabe des verpachteten Gewerbebetriebes sei zum 30. Juni 1993 erfolgt. Allein die im Jahre 1980 erfolgte schwerpunktmäßige Umwandlung vom Groß- zum Einzelhandel führe nicht dazu, daß der bisherige Betrieb zerschlagen oder so umgestaltet worden sei, daß es dem Verpächter(oder dessen Rechtsnachfolger) die Möglichkeit nehme, nach Beendigung des Pachtverhältnisses seinen ursprünglichen Betrieb weiterzuführen. Die Pächterin habe ein branchengleiches Geschäft geführt. Außerdem habe sich die Pächterin in der Vertragspräambel verpflichtet, den Betrieb stets in einem derartigen Zustand zu erhalten, daß auf dem Grundstück das Betreiben eines Einzelhandelsunternehmens für Lebensmittel- und nonfood-Artikel möglich sei. Darüber hinaus habe der Pachtvertrag bestimmt, daß die Pächterin den Betrieb und das betriebliche Anlagevermögen übernehme. Zudem habe der Erblasser selbst den Betrieb auf den eingereichten Bilanzen der Jahre 1981 bis 1991 als "ruhenden Gewerbebetrieb" bezeichnet. Im übrigen: Als wesentliche Betriebsgrundlage sei lediglich das Betriebsgrundstück mit aufstehenden Gebäuden anzusehen. Die Handelsware und das Inventar seien jederzeit schnell neu zu beschaffen und insoweit nicht als wesentlichim Sinne der Rechtsprechung anzusehen. Ebenso verhalte es sich mit dem Kundenstamm. Dagegen spreche auch nicht die Aussage im Gutachten der Deutschen Handelsinstitut GmbH, daß bei einem Großhandel eine relativ starke Kundenbindung durch Lieferverträge und eine umsatzabhängige Rückvergütung bestehe. Denn zum einen sei ein Großteil potentieller Kunden nicht langfristig durch Lieferverträge an andere Unternehmen gebunden, zum anderen würde auch in einem Unternehmen der Kläger eine umsatzabhängige Rückvergütung gewährt. Bezüglich der Möglichkeit einer jederzeitigen Betriebsfortführung sei nicht darauf abzustellen, ob es heute noch wirtschaftlich sinnvoll sei, überhaupt einen Großhandel zu betreiben, sondern allein, ob die wesentlichen Betriebsgrundlagen noch so vorhanden seien, daß der Betrieb wieder aufgenommen werden könne. Dies sei der Fall. Denn in den vorhandenen Räumlichkeiten sei bereits ein Großhandel betrieben worden. Die ggf. erforderliche Änderung der Gestaltung der Innenräume (wie Fußböden, Beleuchtung, Beschallung oder Inventar) sei nicht so wesentlich, daß der Betrieb eines Großhandels auszuschließen sei. Auch der Klägervortrag zum Eintritt der beschränkten Steuerpflicht im Jahr 1981 könne das Klagebegehren nicht stützen. Denn es werde übersehen, daß einer der Kläger, Herr D H, bereits in einem Schreiben vom 27. Juli 1984 mitgeteilt habe, Herr W H habe schon seit 1968 die Geschäftsführung nicht mehr wahrgenommen; vielmehr sei Herr W H seit dieser Zeit durch Dritte, nämlich durch Herrn A H und anschließend durch ihn, den Kläger D H, vertreten worden. Daneben bestätige Herr A H mit Schreiben vom 20. Juli 1984, daß er bis zum Juni 1978 die Geschäftsführung inne gehabt habe und danach Herr D H damit beauftragt gewesen sei.

12

Die Rechtssache wurde schon einmal vor dem erkennenden Senat verhandelt mit dem Ergebnis des Beweisbeschlusses vom 18. Juni 1996. Wegen des Ergebnisses der Befragung des Sachverständigen zu seinem Verkehrswertgutachten vom 17. April 1997 und wegen des Erbebnisses der tatsächlichen Verständigung bezüglich des Verkehrswertes sowie wegen verschiedener Beweisantritte der Klägerseite wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 2. März 1999 verwiesen.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage hat - über das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung hinaus - keinen Erfolg.

14

Das beklagte FA ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Betriebsaufgabe gemäß der Erklärung des Erblassers W H vom 8. Juli 1993 zum 30. Juni 1993 erfolgt ist. Nach § 16 Abs. 1, 3 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn, der bei der Aufgabe eines Gewerbebetriebes erzielt wird. Für die Ermittlung dieses Gewinns ist der gemeine Wert der einzelnen dem Betrieb gewidmeten Wirtschaftsgüter anzusetzen, wenn, wie im Urteilsfall die Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen eingestellt werden (vgl. § 16 Abs. 3 EStG).

15

Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine Betriebsaufgabe des bis zum 31. März 1980 betriebenen Groß- und Einzelhandels mit Lebensmitteln und nonfood-Artikeln nicht bereits im Jahre 1980 erfolgt. Das beklagte FA hat zutreffend diesen zunächst an die N überlassenen Betrieb entsprechend der damaligen Erklärung des Erblassers W H als "ruhenden Gewerbebetrieb" behandelt. Der Senat macht sich die Argumentation des FA, soweit sie im Tatbestand aufgeführt ist, zueigen. Ergänzend und klarstellend wird folgendes ausgeführt.

16

Bei der Verpachtung des gesamten Gewerbebetriebs steht nach der Rechtsprechung des BFH dem Unternehmer ein Wahlrecht zu. Er kann erklären, daß er den Betrieb verpachtet hat, weil er ihn aufgeben wolle, "dann ist die Verpachtung eine Betriebsaufgabe". Gibt er jedoch keine derartige Erklärung ab oder erklärt er ausdrücklich, daß die Verpachtung keine Betriebsaufgabe sei, "sogilt der bisherige Betrieb in einkommensteuerrechtlicher Hinsichtals fortbestehend, er wird dann nur in anderer Form als bisher genutzt, solange nicht der Steuerpflichtige erklärt, den Betrieb aufgeben zu wollen (vgl. BFH BStBl II 1990, 497). Erforderlich ist, daß der Steuerpflichtige seinen Gewerbebetrieb zur Nutzung überläßt und der Pächter diesen im wesentlichen fortsetzt. Dem kann auch genügt sein, wenn zwar nicht ein Betrieb als geschlossener Organismus, wohl aber alle wesentlichen Grundlagen des Betriebes verpachtet werden (vgl. BFH/NV 1993, 233; BFH BStBl II 1998, 388). Dem Verpächter (bzw. seinem Rechtsnachfolger) muß jedoch objektiv die Möglichkeit verbleiben, den "vorübergehend eingestellten" Betrieb wieder aufzunehmen und fortzuführen (vgl. BFH BStBl II 1985, 456; II 1998, 373, 374)). Solange diese objektive Möglichkeit besteht, wird die subjektive "Betriebsunterbrechungsabsicht" unwiderleglich vermutet. Wenn sich allerdings aus den tatsächlichen Umständen eindeutig ergibt, daß der Betrieb nicht nur vorübergehend, sondern endgültig aufgegeben wird, können der Abschluß des Pachtvertrages und die mangelnde Erklärung des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, allein nicht die Aufrechterhaltung des Betriebes bewirken (so BFH BStBl II 1998, 373, 374). Wird nur das Betriebsgrundstück verpachtet, ist dies nur dann eine Betriebsverpachtung ohne Aufgabegewinn, wenn das Grundstück alleinige wesentliche Betriebsgrundlage ist (vom BFH bejaht für ein Einzelhandelsgeschäft vgl. BFH/NV 1993, 233). Bei Verpachtung eines vom Pächter unverändert fortgeführten Ladengeschäfts auf eigenem Grundstück steht die Veräußerung der Warenvorräte und/oder der Ladeneinrichtung der Annahme einer Betriebsverpachtung nicht entgegen (vgl. BFH BStBl II 1980, 181). Keine Verpachtung eines Gewerbebetriebs liegt dagegen vor, wenn bei einer Verpachtung wesentliche Betriebsgrundlagen so umgestaltet werden, daß sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden können (vgl. BFH BStBl II 1988, S. 260) oder der Verpächter seine Geschäftseinrichtung veräußert oder vernichtet und nur sein Betriebsgrundstück zur branchenfremden Nutzung verpachtet (vgl. BFH BStBl II 1990, S. 497). Eine Anpassung an wirtschaftlich veränderte Gegebenheiten, so die Umstellung von einem Einzelauf einen Großhandel ist aber in der Regel noch keine (schädliche) Umgestaltung (dazu Schmidt, Kommentar zum EStG, 18. Auflage 1999, § 16 Rz. 700 mit weiteren Nachweisen).

17

Nach diesen Rechtsgrundsätzen, denen der Senat folgt, sind im Streitfall die wesentlichen Betriebsgrundlagen nicht so umgestaltet worden, daß sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden können. In dem Überlassungsvertrag mit der N verpflichtete sich diese in der Vertragspräambel, den Betrieb stets in einem derartigen Zustand zu erhalten, daß auf dem Grundstückdas Betreiben eines Handelsunternehmens für Lebensmittel und nonfood-Artikel möglich ist. Weiter sieht der Vertrag vor, daß die N den Betrieb übernimmt. Auch die erfolgten Umbaumaßnahmen führen nicht dazu, daß das Betriebsgebäude als wesentliche Betriebsgrundlage nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden konnte. Die Umstellung von einem Großhandelsauf einen Einzelhandelsbetrieb (und umgekehrt) steht der Annahme eines "ruhenden Gewerbebetriebs" nicht entgegen. Bezüglich der vom Kläger bis zum Jahre 1968 selbst betriebenen und danach verpachteten Tankstelle ist nicht ersichtlich, daß vor dem Jahre 1993 eine Betriebsaufgabe stattgefunden haben könnte.

18

Daneben ist darauf abzustellen, welche Tatsachen dem FA im Verlaufe der Außenprüfung im Jahre 1984 bekannt waren. Schon aus diesem Grunde gehen die Beweisantritte u.a. vom 2. März 1999 ins Leere. Aus den Bp-Arbeitsakten ist zu entnehmen, daß seinerzeit der Vertrag zwischen dem Erblasser W H und der N vorgelegen hat. In der Vertragspräambel hat der Erblasser erklärt, einen Groß- und Einzelhandel mit Lebensmitteln und non- food-Artikeln in J an der Bundesstraße betrieben zu haben. Weiter heißt es, "die Mieterin (die N Warenhandelsgesellschaft) betreibt ebenfalls den Handel mit Lebensmitteln und nonfood-Artikeln". Aus diesem Vertragstext ergibt sich nicht "eindeutig" das Vorliegen einer Betriebsaufgabe für das Jahr 1980, sondern eher das Gegenteil. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil sich die N verpflichtete, den Betrieb in einemderartigen Zustand zu halten, daß mit der ihr überlassenen Immobilie das Betreiben eines Handelsunternehmens für Lebensmittel und nonfood-Artikel möglich und zulässig verbleibt. Selbst wenn sich aus anderen Umständen (etwa Warenverkauf) - isoliert betrachtet - Anhaltspunkte für die Annahme einer Betriebsaufgabe ergeben konnten, so verstellten zusätzlich die "eindeutigen" Angaben des Erblassers über eigene gewerbliche Einkünfte aus einem verpachteten Gewerbebetrieb dem FA die Möglichkeit der Annahme einer Betriebsaufgabe für das Jahr 1980.

19

Die Klägerseite muß sich einen Verstoß gegen Treu und Glauben entgegenhalten lassen, wenn sie sich jetzt auf eine angeblich bereits im Jahre 1980 erfolgte Betriebsaufgabe beruft und dafür sogar noch umfangreich Beweis antritt, obwohl der Erblasser und sein Sohn, der Kläger D H, damals alles dafür getan haben, eine Betriebsaufgabe für das Jahr 1980 auszuschließen.

20

Die Kläger können sich nicht mit Erfolg auf BFH/NV 1993, 358 berufen. Denn dort war das Grundstück an einen Branchenfremden verpachtet worden. Im übrigen hat der BFH im dort entschiedenen Fall darauf abgestellt, daß die Angaben in den Steuererklärungen keine Tatsachenerklärungen, sondern rechtliche Wertungen seien, deren Überprüfung der Finanzbehörde oblegen hätte. Dagegen ist in dem hier vorliegenden Fall schon der Vertragspräambel zu entnehmen, daß nicht nur das Grundstück mit Gebäude, sondern der Betrieb zur dauernden Nutzung entgeltlich übergeben worden ist. Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf BFH BStBl II 1998, 373, 375; 1998, 388, 393 f. stützen, da die dort entschiedenen Fälle mit dem hier zugrundeliegenden Streitfall nicht vergleichbar sind.

21

Der Senat hat die Einkommensteuer 1993 wie folgt berechnet:

a) Berechnung des AufgabegewinnsDM
Verkehrswert des Grundstücks nach der mündlichen Verhandlung11.910.000
abzgl. Buchwert wie bisher461.525
Aufgabegewinn neu11.448.475
Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bis 07/93 (ab 08/93 ist der Kläger D H Alleineigentümer)AfA auf den Gebäudewert in Höhe von11.150.000
11.150.000 / 20 J. Restnutzungsdauer =557.500
davon 1/1246.459
abzgl. AfA bisher49.438
ergibt eine Erhöhung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um2.979
auf- 151.570
b) Berechnung des zu versteuernden EinkommensDMDM
Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmen583.203
aus Veräußerungsgewinnen11.448.475
ab steuerfrei bleibende Veräußerungsgewinne0
Einkünfte12.031.67812.031.678
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung151.570
Summe der inländischen Einkünfte11.880.108
Gesamtbetrag der Einkünfte11.880.108
ab Sonderausgaben Sume der unbeschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben0
Einkommen11.880.108
ab Sonderfreibetrag864
zu versteuerndes Einkommen11.879.244
Berechnung der Einkommensteuer zu versteuern nach der Grundtabelle430.769205.459
§ 34 Abs. 2 EStG11.448.47526,4038 v.H.3.022.832
tarifliche Einkommensteuer3.228.291
festzusetzende Einkommensteuer3.228.291
22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Da die Beteiligten teils obsiegen, teils unterliegen, sind die Kosten verhältnismäßig zu teilen. Bei seiner Kostenverteilung hat der Senat u.a. folgendes berücksichtigt: Ausgehend von dem durch die Klage angefochtenen Bescheid vom 3. April 1995 (Steuer 3.633.024 DM), dem Klageantrag, die Steuer auf 127.212 DM herabzusetzen, und der tatsächlichen Herabsetzung der Steuer durch Urteil auf 3.228.291 DM haben die Kläger zu etwa 12 v.H. obsiegt.Da jedoch die im Klageverfahren vorgenommene Herabsetzung der Steuer von 3.633.024 DM auf 3.520.571 DM durch den Änderungsbescheid vom 22. Januar 1996 auf der verspäteten Abgabe der Steuererklärung mit Berechnung der (unstreitigen) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beruht, sind die insoweit entstandenen Kosten allein von der Klägerseite ausgelöst worden (vgl. § 137 FGO); dadurch tritt bei den Klägern eine höhere anteilsmäßige Kostenlast ein, die in der vom Senat festgestellten Kostentragungspflicht in Höhe von 92 v.H. mündet:

Streitwertbeschluss:

Streitwert3.505.812 DM(3.633.024 DM ./. 127.212 DM);
Kläger gewinnt404.733 DM
vorab ./.112.453 DM
verbleibt292.280 DM;gerundet 8 v.H.