Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.03.1999, Az.: IX 43/94
Voraussetzungen für die Aufnahme eines Feststellungsverfahrens; Erwerb eines zur Fremdvermietung gedachten Gebäudes durch Erwerbschaft von Mutter und Tochter; Vermietung des Grundstücks an den Miterben, der Aufwendungen zur Renovierung des Gebäudes macht; Steuerliche Anerkennung der Mietvereinbarung; Verwirklichung des Tatbestandes der Einkünfteerzielung in eigener Person
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 23.03.1999
- Aktenzeichen
- IX 43/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 19479
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0323.IX43.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 12 EStG
- § 180 Abs. 1 Nr. 2a EStG
Fundstelle
- NWB DokSt 2000, 1321
Verfahrensgegenstand
Angehörigen-Verträge
Feststellungsverfahren
einh./ges. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1992
In dem Rechtsstreit
hat der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 23. März 1999,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ... Dr. ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...Dr. ...
ehrenamtlicher Richter Kaufmann
ehrenamtlicher Richter Landwirt
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Feststellungsbescheid vom. Mai 1993 sowie die Einspruchsentscheidung vom. Januar 1994 werden ersatzlos aufgehoben
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig voll streckbar.
Dem Beklagten wird Vollstreckungsnachlaß durch Sicher heitsleistung oder Hinterlegung eingeräumt.
Tatbestand
Im Rahmen der Feststellung der Einkünfte für 1992 war ursprünglich nur deren Aufteilung auf die Klägerinnen (Mutter und Tochter) streitig. In erster Linie wird nunmehr geltend gemacht, daß ein Feststellungsverfahren gar nicht habe erfolgen dürfen.
Die Klägerinnen haben im Jahr 1991 zu gleichen Teilen ein mit einem älteren Zweifamilienhaus bebautes Grundstück in S geerbt. Da das zur Fremdvermietung bestimmte Gebäude renovierungsbedürftig war, die Klägerin zu 2. (Tochter) als Studentin nicht über die dafür erforderlichen (anteiligen) Mittel verfügte, schlossen die Klägerinnen am. Dezember 1991 einen formularmäßigen "Wohnungs-Mietvertrag" ab. Darin vermietete die Tochter ihrer Mutter (Klägerin zu 1. ab 1. Januar 1992 ihren "idealen Anteil von 50 %" an dem Haus für monaltich 600 DM. Die Mutter verpflichtete sich u.a. zu "Ausbau und Renovierung des Hauses im Laufe des Jahres 1992" auf ihre Kosten.
Die Mutter, die das Haus im Streitjahr für ca. 78.500 DM renovieren ließ, vermietete die Wohnungen (ab 1. Dezember 1991 bzw. ab 1. Dezember 1992) im eigenen Namen an zwei Mietparteien, zog die vereinbarten Mieten (im Streitjahr 11.760 DM) ein, trug die laufenden Aufwendungen (Grundsteuer usw.) und zahlte an ihre Tochter monatlich 600 DM.
In ihrer Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus dem Grundstück (insgesamt und von dem beklagten Finanzamt - FA - auch anerkannt = ./. 26.209 DM) rechneten sie der Mutter die gesamten Einnahmen abzüglich Werbungkosten (einschließlich der an die Tochter gezahlten 7.200 DM) = ./. 33.148 DM und der Tochter + 6.939 DM (7.200 DM abzüglich der Hälfte der von der Rechtsvorgängerin übernommenen AfA = 261 DM; die andere Hälfte war bei der Mutter berücksichtigt worden) zu. Das FA erkannte den "Mietvertrag" zwischen den Klägerinnen nicht an; es rechnete ihnen sowohl die Einnahmen als auch die Werbungskosten entsprechend ihren Miteigentumsanteilen jeweils hälftig zu und gab einen dementsprechenden Bescheid heraus.
Nach erfolglosem Einspruch haben die Klägerinnen Klage erhoben, mit der sie zunächst begehrten, ihnen die anteiligen Einkünfte erklärungsgemäß zuzurechnen: Das FA habe der zwischen den Klägerinnen getroffenen Vereinbarung zu Unrecht die steuerliche Anerkennung versagt. Der Vertrag sei zivilrechtlich wirksam und halte auch dem erforderlichen Fremdvergleich stand. Daß der der Mutter zustehende Aufwendungsersatzanspruch nicht besonders angesprochen worden sei, sei unschädlich, da sich dieser nach Maßgabe der §§ 951, 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -ohne weiteres aus dem Gesetz ableiten lasse.
In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen ihren Antrag umgestellt. Sie machen nunmehr geltend, daß eine einheitliche und gesonderte Feststellung nicht habe durchgeführt werden dürfen, da die Klägerin zu 1. den Tatbestand der Einkünfteerzielung in ihrer Person allein verwirklicht habe.
Die Klägerinnen beantragen,
den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte vom. Mai 1993 sowie den Einspruchsbescheid vom. Januar 1994 (ersatzlos) aufzuheben,
hilfsweise:
die der Gesamthöhe nach unstreitigen Einkünfte unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und Änderung des Bescheids erklärungsgemäß aufzuteilen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte sei zu Recht erfolgt.
Der Fremdvergleich scheitere im übrigen bereits daran, daß sich kein fremder Dritter bereit erklärt haben würde, bei einem - wie vorliegend - auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen und damit auch kurzfristig kündbaren "Mietvertrag"
Renovierungskosten von ca. 78.500 DM zu übernehmen, weil unter diesen Umständen unsicher war, ob die Aufwendungen jemals durch Mieteinnahmen gedeckt werden würden.
Auch der Hinweis auf den gesetzlichen Aufwendungsersatzanspruch sei unbefriedigend. Im Streitfall sei auch der Umfang der Ausbau- und Renovierungsaufwendungen nicht festgelegt worden, so daß fraglich bleibe, welcher Vermögenszuwachs dadurch erzielt worden sei. Um diesbezügliche spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden, hätten einander Fremde auch insoweit eindeutige Abmachungen getroffen.
Die Vereinbarungen zwischen den Klägerinnen seien danach im wesentlichen auf ihre familiären Beziehungen zurückzuführen; sie trügen Unterhaltscharakter i.S. von § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
Die Klage hat im Hauptantrag Erfolg. Das FA durfte vorliegend die Einkünfte nicht einheitlich und gesondert feststellen.
Nach Maßgabe der §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung 1977 (AO) werden Besteuerungsgrundlagen gesondert und einheitlich festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere beteiligt und die Einkünfte diesen Personen zuzurechnen sind. In Fällen von geringer Bedeutung, insbesondere weil die Höhe des festgestellten Betrags und deren Aufteilung feststeht, ist ein Feststellungsverfahren entbehrlich (§ 180 Abs. 3 Nr. 2 AO).
Im Streitfall sind an den eigentlichen Einkünften aus dem geerbten und vermieteten Grundstück in S nicht beide Klägerinnen i.S. von § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO beteiligt; diese erzielt vielmehr allein die Klägerin zu 1.
Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, verwirklicht den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung allein derjenige, derdie rechtliche oder tatsächliche Macht hat, eines der in § 21 Abs. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen. Er muß Vermieter/Verpächter und damit Träger der Rechte und Pflichten aus dem Pachtvertrag sein (vgl. u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Dezember 1991 IX R 155/89, BStBl II 1992, 459).
Vorliegend ist allein die Mutter Trägerin der Rechte und Pflichten der von ihr mit den beiden Mietparteien abgeschlossenen Verträge. Das war auch der Sinn des zwischen den Klägerinnen abgeschlossenen "Mietvertrages" über den idealen Anteil der Tochter. Diese wollte und hat die Vermietung einschließlich sämtlicher dafür erforderlichen Voraussetzungen (Renovierungsmaßnahmen usw.) allein ihrer Mutter überlassen. Ob der "Mietvertrag" zwischen den Klägerinnen zivilrechtlich und auch mit steuerlicher Wirkung anzuerkennen oder ihm insoweit die Anerkennung zu versagen ist, hat auf die Verwirklichung des Einkünfteerzielungstatbestandes allein in der Person der Klägerin zu 1. keine Auswirkung. Denn dafür reicht, wie der BFH zutreffend festgestellt hat, auch die tatsächliche Macht aus. Dies war vorliegend der Fall. Danach scheidet jedenfalls hinsichtlich der Einkünfte aus den vermietenten Wohnungen ein Feststellungsverfahren aus. Die steuerliche Frage, ob der "Mietvertrag" zwischen den Klägerinnen anzuerkennen ist und ob demzufolge die monatlichen Zahlungen von 600 DM als Werbungskosten oder Leistungen i.S. von § 12 EStG (Unterhalt) darstellen, ist im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Mutter zu entscheiden.
Ein Feststellunsverfahren kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil hinsichtlich der von der Rechtsvorgängerin übernommenen AfA beide Klägerinnen an dem Haus in S beteiligt sind. Denn dieser Betrag (522 DM) und seine hälftige Aufteilung zwischen den Klägerinnen steht fest. Insoweit liegt ein Fall von geringer Bedeutung i.S. von § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO vor.
Die Klage mußte damit im Hauptantrag Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Nebenkosten beruhen auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung (ZPO).
Die Revision ist nicht zugelassen worden. Hiergegen kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Niedersächsischen Finanzgericht in Hannover Beschwerde eingelegt werden. Auf Abs. 4 der Rechtsmittelbelehrung wird hingewiesen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.