Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.03.1999, Az.: VII (III) 101/97
Begriff des "Sale-lease-back"-Geschäftes; Begründung einer Grunderwerbsteuerpflicht; Steuerrechtliche Bewertung eines Kaufvertrages über zwei Lagerhallen auf fremdem Grund und Boden
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.03.1999
- Aktenzeichen
- VII (III) 101/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 19477
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0302.VII.III101.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
- § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG
Verfahrensgegenstand
Grunderwerbsteuer
Amtlicher Leitsatz
Sale-lease-back-Geschäft über Gebäude auf fremdem Boden begründen eine Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG.
Der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 2. März 1999...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein Kaufvertrag über zwei Lagerhallen auf fremdem Grund und Boden grunderwerbsteuerpflichtig ist.
Die Firma M AG hat im Jahre 1991 den Bauantrag für zwei Leichtbauhallen in H gestellt. Noch im Jahre 1991 wurde die Baugenehmigung erteilt.
Die Firma P GmbH E (in Zukunft Herstellerin) errichtete auf dem Grundstück der Firma M AG zwei Leichtbauhallen entsprechend der erteilten Baugenehmigung. Die Hallen wurden auf Betoneinzelfundamenten, die mit Frostschürzen verbunden waren, errichtet.
Mit Vertrag vom 1. Juli 1992 verkaufte die Herstellerin die beiden Hallen an die Kl zum Preise von DM. Gleichzeitig schlossen die Kl und die Herstellerin einen Leasingvertrag über die beiden Hallen. Die Herstellerin, die zugleich Leasingnehmerin war, vermietete dann die Hallen an die Firma M AG.
Das beklagte Finanzamt hat den Verkauf der Lagerhallen an die Kl als grunderwerbsteuerpflichtig behandelt und sich zur Begründung auf die Vorschriften des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG berufen.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage.
Zur Begründung trägt die Kl vor, es komme auf das wirtschaftliche Ergebnis an, das die Beteiligten gewollt haben. Die Kl sei hiernach nicht Eigentümerin der Lagerhallengeworden bzw. wie eine Eigentümerin zu behandeln. Denn aufgrund des Mietvertrags bzw. des Leasingvertrages sei sie nicht verfügungs- bzw. verwertungsbefugt. Da nach Ablauf des Leasingvertrages die Objekte an die Herstellerin zurückgehen, handelees sich wirtschaftlich betrachtet lediglich um eine Finanzierungsform der Anschaffungskosten für die Hallen. Die Besonderheit dieses Finanzierungsverfahrens bestehe darin, dass die Hallen zum Zwecke der Finanzierung der Kl als Sicherheit überlassen worden seien, sie aber keinerlei Einfluss darauf genommen habe, wie die Hallen letztlich genutzt und verwertet worden seien. Die Sachherrschaft über die Hallen sei trotz des Kaufvertrages bei der Herstellerin geblieben.
Die von den Beteiligten gewählte Form der Finanzierung sei daher nicht einem Verkauf gleichzusetzen, sondern vergleichbar einer Sicherungsübereignung bei einer Darlehensgewährung.
Darüber hinaus beruft sich die Kl auf den Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 29. April 1985. Hiernach sei bei Sicherungsübereignungen von Gebäuden auf fremdem Boden zwar Grunderwerbsteuer festzusetzen, aber nur auflösend bedingt. Falle das Eigentum wieder an den Sicherungsgeber zurück, trete die auflösende Bedingung ein, und es falle keine Grunderwerbsteuer an. In der Zwischenzeit sei die Grunderwerbsteuer zinslos zu stunden. Diese Grundsätze seien auch auf den vorliegenden Kaufvertrag anzuwenden, da wirtschaftlich betrachtet der Kaufvertrag einer Sicherungsübereignung bei einer Darlehensgewährung entspreche.
Die Kl beantragt,
die festgesetzte Grunderwerbsteuer ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte beruft sich zum einen auf den Gesetzeswortlaut der Vorschriften des § 2 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 GrEStG. Darüber hinaus weist der Beklagte darauf hin, dass es sich bei den Lagerhallen aufgrund der Konstruktion mit Fundamenten um ein Gebäude handele. Zwar seien die Lagerhallen als Provisoriumbezeichnet worden. Die Nutzungszeit der Hallen liege aber wesentlich über dem, was für eine auf Dauer angelegte Nutzung als Voraussetzung für die Gebäudeeigenschaft verlangt werde.
Darüber hinaus weist der Beklagte darauf hin, dass die Kl die Lagerhallen auch wirtschaftlich verwertet habe. So habe sie die Lagerhallen in ihren Bilanzen als Vermögen ausgewiesen und im Jahre 1996 die Lagerhallen der D B sicherungsübereignet. Schließlich könne sich die Kl nicht auf den Erlass vom 29. April 1985 berufen, da dieser sich nur auf Sicherungsübereignungen von Gebäuden beziehe.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat die Grunderwerbsteuerakten des Beklagten, die Einheitswertakte für das Grundstück M 9, geführt bei dem Beklagten unter der Steuernummer sowie die Akten des Bauordnungsamtes der unter dem Az. ... beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat der Beklagte den Erwerb der Leichtbauhallen in H durch die Kl der Grunderwerbsteuer unterworfen. Die Berechtigung hierzu ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG. Nach diesen Vorschriften unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, soweit es sich auf inländische Grundstücke bezieht und den Anspruch auf Übereignung begründet, der Grunderwerbsteuer, wobei nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden den Grundstücken gleichsteht.
Bei den zwei Leichtbauhallen handelt es sich um Gebäude auf fremdem Boden im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG. Gebäude in diesem Sinne ist ein Bauwerk, das
- a.
durch räumliche Umschließung Personen und Sachen Schutz gegen ... äußere Einflüsse gewährt,
- b.
den Eintritt von Menschen gestattet,
- c.
mit dem Grund und Boden fest verbunden ist und
- d.
auch von einiger Beständigkeit ist (Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 14. Aufl. § 2 Rdz. 178).
Unstreitig sind für die Leichtbauhallen die unter a), b) und d) genannten Voraussetzungen gegeben.
Auch sind die Hallen mit dem Grund und Boden fest verbunden. Denn ausweislich der beigezogenen Einheitswertakte des Beklagten und der Bauakte der ... waren die Hallen durch Einzelfundamente, die ihrerseits mit Frostschürzen verbunden waren, mit dem Grund und Boden verbunden.
Ob das Gebäude aufgrund dieser Verbindung wesentlicher Bestandteil des Grundstücks im Sinne des § 94 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geworden ist oder aufgrund der Vereinbarungen der Vertragspartner lediglich ein Scheinbestandteil des Grundstücks darstellt, kann bei der Anwendung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStGdahingestellt bleiben. Denn Erwerbsvorgänge, die Gebäude auf fremdem Boden betreffen, unterliegen unabhängig davon der Grunderwerbsteuer, ob das bürgerliche Recht sie als beweglich (§ 95 BGB) oder als unbeweglich (§ 94 BGB) behandelt (Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, § 2 Rdz. 180).
Die Hallen sind somit tatbestandsmäßig Gebäude auf fremdem Boden im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG. Diese Gebäude hat der Hersteller mit Vertrag vom 1. Juli 1992 an die Kl verkauft, womit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt sind. Der Senat sieht dabei die Hallen als sonderrechtsfähige Scheinbestandteile nach § 95 BGB und nicht als wesentliche Bestandteile im Sinne des § 94 BGB an, für die eine Grunderwerbsteuerbarkeit nur nach § 1 Abs. 2 GrEStG in Betracht kommt (Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, § 2 Rdz. 180). Denn ausweislich der Bauakte, des Mietvertrages und des Leasingvertrages stand zwischen den Vertragsbeteiligten fest, dass die Hallen nur zu einem vorübergehenden Zweck errichtet werden sollten und nach Ende der Nutzung wieder entfernt werden sollten.
Schließlich konnte es der Senat auch offenlassen, ob im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG allein der Kaufvertragabschluss die Grunderwerbsteuerpflicht begründet oder ob darüber hinaus auf das wirtschaftliche Ergebnis des Vertrags abzustellen ist. Denn selbst bei der von der Kl geforderten wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist der geschlossene Vertrag als Kaufvertrag im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG anzusehen. Zwar war die Kl durch den Leasing- und Mietvertrag in ihrer Verfügungs- und Verwertungsbefugnis über die Leichtbauhallen nicht mehr frei. Aber allein diese Bindung rechtfertigt es nicht, den geschossenen Vertrag nicht mehr als Kaufvertrag im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG anzusehen. Denn die Kl hat durch den Vertrag vom 1. Juli 1992 eine Position erlangt, die sie in die Lage versetzt, die Lagerhallen als Sicherungsmittel zu verwenden. Da die Kl im Jahre 1996 die Lagerhallen schließlich auch der D B zur Sicherheit übereignet hat - also auch von ihrem Eigentumsrecht Gebrauch gemacht hat - erfüllt der Abschluss des Vertrages vom 1. Juli 1992 die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Ergänzt wird dieses Ergebnis noch dadurch, dass die Kl in ihrer Bilanz die Hallen als ihr Vermögen ausgewiesen hat und keine Einwendungen dagegen erhoben hat, dass die Lagerhallen bewertungsrechtlich per 1. Januar 1995 ihr zugerechnet worden sind.
Schließlich kann sich die Kl auch nicht mit Erfolg auf den Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 29. April 1985 - S 4543 - 14 - 32 3 - Der Betrieb 1985 S. 1438) berufen. Denn dieser Erlass bezieht sich ausschließlich auf Sicherungsübereignungsverträge von Gebäuden auf fremdem Boden und nicht auf Kaufverträge von Scheinbestandteilen.
Da die Grunderwerbsteuerfestsetzung des Beklagten im angefochtenen Bescheid somit nicht zu beanstanden ist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung abzuweisen.
Die Revision ist nicht zugelassen worden.