Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 03.04.2014, Az.: L 7 AS 786/11
Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Angemessenheit der Leistungen für Unterkunft und Heizung; Schlüssiges Konzept zur Festsetzung einer angemessenen Mietobergrenze; Wohnflächengrenze für einen Vierpersonenhaushalt in Niedersachsen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 03.04.2014
- Aktenzeichen
- L 7 AS 786/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 17344
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2014:0403.L7AS786.11.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BSG - 29.12.2014 - AZ: B 4 AS 179/14 B
Rechtsgrundlage
- § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II
Fundstellen
- FStBW 2015, 688-694
- FStHe 2015, 537-543
- FStNds 2015, 280-286
- FuBW 2015, 688-694
- FuHe 2015, 537-543
- FuNds 2015, 280-286
- GV/RP 2015, 752-758
- Gemeindehaushalt 2014, 143-144
- KomVerw/B 2015, 340-346
- KomVerw/LSA 2015, 346-352
- KomVerw/MV 2015, 348-354
- KomVerw/S 2015, 350-356
Tenor:
Das Urteil des SG Lüneburg vom 5. Juli 2011 wird unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten geändert und der Tenor klarstellend wie folgt neu gefasst:
Der Bescheid des Beklagten vom 13. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2009 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 28. September 2011 zu ändern und den Klägern weitere Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1. März 2009 bis 30. Juni 2009 in Höhe von monatlich 33,98 EUR und für den Zeitraum 1. Juli 2009 bis 31. August 2009 in Höhe von monatlich 33,50 EUR zu bewilligen.
Der Beklagte hat den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung im Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2009 im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1956 geborene Klägerin zu 1., der 1959 geborene Kläger zu 2., der 1990 geborene Kläger zu 3. und der 1988 geborene Kläger zu 4. bewohnen ein 90 qm großes Einfamilienhaus in J., K ... Bei Erstantragstellung ab 1. Januar 2005 waren ausweislich des Mietvertrages 460,- EUR an Nettokaltmiete und 10,- EUR an Müllgebühren zu entrichten. Die Kläger bezogen Gas zu einem monatlichen Abschlag in Höhe von 120,00 EUR von den Stadtwerken J ...
Nachdem die Kläger bereits mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 auf die nach Auffassung des Beklagten unangemessenen Unterkunftskosten hingewiesen wurden, enthielt der Bescheid vom 11. Mai 2005 folgenden Hinweis:
"Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ihre Miete den Höchstbetrag für vier Personen überschreitet. Die tatsächliche Miete kann nur für einen Übergangszeitraum bis zum 30.06.2005 anerkannt werden. Danach wird nur der Miethöchstbetrag für vier Personen berücksichtigt, der nach heutigem Stand 466,- EUR für Miete einschließlich der Betriebskosten und 78,20 EUR für Heizkosten beträgt."
Entsprechend bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von KdU iHv 470,00 EUR und Heizkosten iHv 120,00 EUR abzüglich eines Warmwasseranteils iHv 24,20 EUR (95,80 EUR) für den Monat Juni 2005 und ab Juli 2005 in abgesenkter Höhe KdU iHv 466,00 EUR und Heizkosten iHv 78,20 EUR.
In den Folgejahren bewilligte der Beklagte den Klägern bis zum 28. Februar 2009 durchgehend Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von KdU iHv 466,00 EUR und Heizkosten iHv 80,00 EUR. Wegen der Einzelheiten der Leistungsbewilligungen wird auf die Bescheide vom 12. September 2005, 30. November 2005, 14. Februar 2006, 13. September 2006, 5. März 2007, 30. August 2007, 25. Februar 2008, 2. Mai 2008, 5. Mai 2008, 28. August 2008 und 12. Dezember 2008 Bezug genommen. Mit Änderungsbescheid vom 27. Januar 2009 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 28. Februar 2009 weitere monatliche Heizkosten und zwar für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis zum 31. August 2008 monatlich iHv 14,00 EUR, für die Monate September 2008 und Oktober 2008 iHv jeweils 10,00 EUR wegen eines Wegfalls des KdU-Anteils des Klägers zu 4. und für den Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. Januar 2009 iHv jeweils14,00 EUR.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2009 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2009 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von KdU iHv 466,00 EUR und Heizkosten iHv 93,50 EUR.
Die Kläger reichten erstmals im Januar 2009 Abrechnungen der Stadtwerke J. für das Jahr 2008 für Erdgas- und Stromzahlungen sowie für Wasser- und Abwasserzahlungen vom 9. Januar 2009 ein. Hieraus ergab sich eine Nachforderung in Höhe von 480,54 EUR auf die Strom- und Erdgasversorgung und iHv 142,87 EUR auf die Wasser- und Abwasserversorgung mit Zahlungsfrist zum 26. Januar 2009 sowie ein Gasabschlag ab dem 1. Februar 2009 bis zum 1. Dezember 2009 iHv monatlich 151,00 EUR und monatliche Abschläge für Wasser iHv 14,00 EUR und Abwasser iHv 29,00 EUR (43,00 EUR insgesamt). Aufgrund einer Vereinbarung mit den Stadtwerken J. leisteten die Kläger auf die Heizkosten eine Vorauszahlung iHv lediglich 125,00 EUR.
Am 24. Februar 2009 beantragte der Kläger zu 2. die Übernahme der Nachforderungen und die Anpassung der monatlichen Abschläge gemäß den Abrechnungen der Stadtwerke J. für das Jahr 2008.
Mit Bescheid vom 23. März 2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf Übernahme der Rückstände als Zuschuss ab, gewährte dafür jedoch ein Darlehen. Die angemessenen Mietkosten iHv 466,00 EUR seien bereits überschritten.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2009 zurück.
Hiergegen haben die anwaltlich vertretenen Kläger am 12. Mai 2009 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg zum Az. S 19 AS 727/09 erhoben.
Am 13. Mai 2009 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) der Bescheide vom 19. Februar 2009 und vom 23. Oktober 2008 für die Zeiträume 1. März 2009 bis 31. August 2009 bzw. 1. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009 mit dem Ziel der Bewilligung höherer Unterkunftskosten. Die Pauschalierung von Heizkosten sei rechtswidrig; im Übrigen seien die Unterkunftskosten nach Maßgabe der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Zuschlages von 10 % zu übernehmen (Bl. 313 f. VA).
Mit Bescheid vom 13. Mai 2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Heizkosten würden ab dem 1. Februar 2008 iHv 1,10 EUR je qm für die für 4 Personen angemessene Wohnfläche von 85 qm übernommen. Dies sei bereits mit Bescheid vom 27. Januar 2009 umgesetzt worden; darüber hinaus könnten keine Kosten übernommen werden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2009 zurück.
Hiergegen haben die Kläger am 12. November 2009 Klage vor dem SG Lüneburg zum Az. S 19 AS 1757/09 erhoben.
Am 13. Juli 2009 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Überprüfung nach § 44 SGB X der Bescheide vom 12. September 2005, 30. November 2005, 1. August 2006 "und etwaig dazwischen liegender Bescheide für den Zeitraum ab 1. August 2006 bis 31. August 2006", 13. September 2006, 5. März 2007, 25. Februar 2008, 27. August 2008, 28. August 2008, 23.Oktober 2008 und 27. Januar 2009 mit dem Ziel der Bewilligung höherer Unterkunftskosten. Die Unterkunftskosten seien angemessen; die tatsächlichen Heizkosten seien zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 11. August 2008 lehnte der Beklagte den Antrag unter Verweis auf die Angemessenheitsgrenzen ab.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Kläger wies der Beklagte nach Neuberechnung der Heizkosten mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2009 zurück. Er führt aus: Die angemessenen KdU iHv 466,00 EUR seien auf der Grundlage der Wohngeldtabelle in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung ermittelt worden. Die kontinuierliche Auswertung der Wohnungsangebote der örtlichen Presse bestätige, dass genügend Wohnraum zu diesem Preis vorhanden sei. Nach Hinweis auf die Unangemessenheit sei auch rechtmäßig eine Absenkung ab dem 1. Juli 2005 erfolgt. Für die Heizkosten bestehe ein Nachzahlungsanspruch iHv 1,60 EUR für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005; iHv 233,60 EUR für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 28. Februar 2006; für den Zeitraum vom 1. März 2006 bis zum 31. Juli 2006 iHv 112,40 EUR und für den Zeitraum vom 1. August 2006 bis zum 31. Januar 2008 iHv 509,98 EUR. Über diese Beträge hinaus seien keine weiteren Heizkosten zu übernehmen.
Hiergegen haben die Kläger am 13. November 2009 Klage vor dem SGLüneburg zum Az. S 19 AS 1767/09 erhoben.
Mit Beschluss vom 30. Juni 2011 hat das SG Lüneburg die Verfahren S 19 AS 727/09, S 19 AS 1757/09 und S 19 AS 1767/09 zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung unter dem führenden Az:. S 19 AS 727/09 verbunden.
Der Beklagte hat im laufenden Klageverfahren sein Konzept zur Ermittlung der regionalen Angemessenheitsrichtwerte für Unterkunftskosten im Landkreis L. zur Gerichtsakte gereicht. Für den so bezeichneten "Wohnungsmarkt 1", zu dem der Wohnort der Kläger, J., gehört, ermittelte er eine Angemessenheitsgrenze iHv 489,00 EUR auf der Grundlage von seit dem 1. Januar 2003 ausgewerteten Zeitungsangeboten. Zur Ermittlung der angemessen Heizkosten hat er sich auf das Programm "Heikos 2.0" bezogen.
Die Kläger sind der Auffassung gewesen, die Kostensenkungsaufforderung vom 11. Mai 2005 sei fehlerhaft, denn der Beklagte gehe nunmehr von angemessenen KdU iHv 489,00 EUR aus. Das Wohnungsmarktkonzept entspreche nicht den Vorgaben eines schlüssigen Konzeptes des Bundessozialgerichts (BSG), weshalb die tatsächlichen Unterkunftskosten zu übernehmen seien. Die tatsächlichen Heizkosten seien angemessen, denn sie lägen unter den Werten des bundesweiten Heizkostenspiegels.
Mit Urteil vom 5. Juli 2011 hat das SG Lüneburg die Leistungsbescheide für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 31. August 2009 und die Bescheide vom 11. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2009, vom 23. Oktober 2008, vom 19. Februar 2009, vom 13. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2009 und vom 23. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2009 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, KdU iHv 508,19 EUR monatlich für den Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2005, iHv 507,64 EUR monatlich für das Jahr 2006, iHv 504,38 EUR monatlich für das Jahr 2007, iHv 509,66 EUR monatlich für das Jahr 2008 und iHv 513 EUR monatlich für den Zeitraum Januar 2009 bis August 2009 und Heizkosten iHv 76,37 EUR monatlich für den Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2005, iHv 82,44 EUR monatlich für das Jahr 2006, iHv 81,71 EUR monatlich für das Jahr 2007, iHv 109,60 EUR monatlich für das Jahr 2008 und iHv 103,48 EUR monatlich für den Zeitraum Januar 2009 bis Juni 2009 und iHv 103,04 EUR monatlich für Juli 2009 bis August 2009 zu bewilligen. Das Konzept des Beklagten sei nicht schlüssig nach Maßgabe der durch das BSG aufgestellten Anforderungen, weshalb ein Rückgriff auf die Werte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle, bis 2008 zzgl. eines Zuschlags iHv 10%, erfolge. Zur Ermittlung der angemessenen Heizkosten sei auf den bundesweiten Heizkostenspiegel abzustellen. Die KdU und Heizkosten der Kläger überstiegen diese Werte nicht, sodass die tatsächlichen Kosten zu bewilligen seien.
Gegen das am 18. Juli 2011 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17. August 2011 Berufung eingelegt. Sein Konzept genüge den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept; ebenso sei auch das Konzept zur Ermittlung der angemessenen Heizkosten eine tragfähige Grundlage zur Ermittlung der angemessenen Heizkosten im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II.
Der Beklagte trägt weiter vor, dass im Rahmen des Verfahrens L 13 AS 197/10 vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, ein gerichtliches Gutachten in Auftrag gegeben worden sei, das zu dem Ergebnis gekommen sei, das Konzept biete keine ausreichende Grundlage für die Ermittlung der Angemessenheitswerte. Auf der Basis der Einwände dieses Gutachtens sei das Konzept nachgebessert worden; neue Daten seien aber nicht erhoben worden.
Auf gerichtliche Aufforderung hat der Beklagte seine erhobenen Daten für die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten übersandt. Bei den Daten handelt es sich um so bezeichnete Angebotsmieten, zusammengestellt aus Anzeigen örtlicher Zeitungen der Jahre 2005 bis 2009. Die Inserate sind nach Jahren, Wohnungsgrößenklassen und folgenden Kriterien unterteilt: "PLZ, Ort, Ansprechpartner, Tel, Beschreibung, Datum, Frei ab, Grundmiete, Qmeter, Zimmer, PreisQM". Zudem erfasste der Beklagte als so bezeichnete Bestandsmieten in einer Datenbank die Wohnkosten aller Bedarfsgemeinschaften im Landkreis L. zum Stichtag "27.01.2011". Er verwendete für die Bestandsmieten nur Datensätze, die vollständige Angaben über Kaltmieten, Nebenkosten und Heizkosten enthielten. Sowohl bei den Angebots- als auch Bestandsmieten schloss der Beklagte Wohnraum mit einer Wohnfläche unter 35 qm, weil dieser einen hohen Mietpreis pro qm aufweisen würde, und über 125 qm wegen der geringen Datenanzahl aus. Der Beklagte sortierte die Daten dann aufsteigend nach dem qm-Mietpreis und filterte so bezeichnete Extremwerte, die signifikant von anderen Werten abwichen, heraus. Zur Ermittlung der Angemessenheitswerte legte der Beklagte als Kappungsgrenze bei den Angebotsmieten den teuersten Quadratmeterpreis im unteren Drittel der Wohnungsangebote fest (33 %). Der Beklagte ging hierbei von der Überlegung aus, dass in Deutschland 10 % der Bevölkerung sog. Transferleistungen der sozialen Mindestsicherungssysteme erhalten und bei der Regelsatzermittlung die Verbrauchsausgaben der untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte (ohne Empfänger von Sozialleistungen) maßgeblich sind, mithin das soziokulturelle Existenzminimum bei 28 % der Bevölkerung festzulegen sei und sich daher die Kappung auf rund ein Drittel zur Ermittlung des einfachen Wohnstandards rechtfertige. Bei den Bestandsmieten legte der Beklagte als Kappungsgrenze den Median fest. Nebenkosten wurden ausschließlich aus der Bewertung der Bestandsmieten übernommen. Der Beklagte stellte dann für die von ihm festgelegten vier Vergleichsräume (Nordkreis, Südkreis, Stadt M., Stadt N.) die so ermittelten Werte der Angebots- und Bestandsmieten gegenüber und legte den jeweiligen Maximalwert je Wohnungsgrößenklasse als Mietobergrenze fest. Wegen der Inhalte der Daten und des Konzepts im Einzelnen wird auf die Anlage zur Gerichtsakte (1 Ordner) Bezug genommen.
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung weiter vorgetragen, dass eine Selektion der Wohnungen nach einfachem, mittlerem und gehobenem Standard nicht erfolgt sei, weil allein die Miethöhe das grundsicherungsrechtlich maßgebliche Wohnmarktsegment abbilde. Weder sei eine Auswahl anhand der von den Vermietern angegebenen Kriterien erfolgt, noch seien über den Zustand der Wohnung Daten erhoben worden. Als Kriterium für die Kappungsgrenze der Angebotsmieten sei zugrunde gelegt worden, dass SGB II - Bezieher unabhängig von der Beschaffenheit der Wohnung Anspruch auf eine Drittel des Wohnungsmarktes hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 3. April 2014 Bezug genommen.
Der Beklagte hat im Berufungsverfahren zudem eine CD-Rom mit einer Anleitung zu der Berechnung der Heizkosten mit dem von der Stadt O. entwickelten Berechnungsprogramm "Heikos 2.0" eingereicht. Die nach Auffassung des Beklagten angemessenen Heizkosten werden hiernach über die Parameter "Unterkunftsart, spezifischer Wärmverbrauch, tatsächliche Größe der Unterkunft, angemessene Größe der Unterkunft, Anzahl der Tage im Abrechnungszeitraum, Gradtagszahlen für diesen Zeitraum, Klimabereinigung nach VDI 3807, korrigierter spezifischer Wärmverbrauch, Wärmeverbrauch für tatsächliche Wohnfläche, Heizungsart, Heizkosten des Gebäudes, verbrauchter Brennstoff für Heizung in kWh, Energiepreis brutto Ct/kWh" bestimmt.
Der Beklagte hat im Berufungsverfahren den Bescheid vom 28. September 2011 zur Gerichtsakte gereicht, mit dem er die Leistungen der Kläger für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 31. August 2009 neu berechnet und die maßgeblichen Bewilligungsentscheidungen aufgehoben hatte. Für den Zeitraum 1. März 2009 bis 31. August 2009 bewilligte er KdU iHv 489,00 EUR und Heizkosten iHv 93,50 EUR.
Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 3. April 2014 einen Unterwerfungsvergleich gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 28. Februar 2009 geschlossen und den Streitgegenstand auf die Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2009 beschränkt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 5. Juli 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte nebst Beiakten und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidungsfindung geworden sind.
Entscheidungsgründe
Die nach §§ 143 und 144 Abs. 1 S. 2 SGG statthafte und im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Verpflichtung des Beklagten ausgesprochen, den Klägern unter Heranziehung der rechten Spalte der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zzgl. eines Sicherheitszuschlages von 10 % und nach Maßgabe des bundesweiten Heizkostenspiegels weitere KdU und Heizkosten gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu gewähren.
A. Der Tenor des Urteils des SG für die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage mit verbundener Leistungsklage ist allerdings klarstellend dahingehend zu ändern, dass neben der Aufhebung des Bescheides nach § 44 SGB X lediglich die Verpflichtung des Beklagten ausgesprochen werden kann, den Leistungsbescheid für den streitigen Zeitraum zu ändern (vgl. Steinwedel in: KassKomm, SGB X, § 44, Rn. 16). Zudem sind klarstellend die Beträge zu nennen, zu dessen Zahlung der Beklagte nach Maßgabe des § 54 Abs. 4 SGG verpflichtet ist.
B. Streitgegenstand sind nur die Kosten der Unterkunft und Heizung (vgl. zur Möglichkeit dieser prozessualen Beschränkung: BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 87/12 R, Rn. 17) und nach der Regelung durch den zwischen den Beteiligten geschlossenen Unterwerfungsvergleich gemäß § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO nur noch der Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2009.
Der Bescheid vom 28. September 2011 ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens im Rahmen des von den Klägern angefochtenen Bescheides vom 13. Mai 2009 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2009) auf ihren Antrag nach § 44 SGB X geworden, denn er ändert den Regelungsgehalt für den streitigen Zeitraum ab, soweit höhere KdU bewilligt werden. Streitgegenstand ist dagegen nicht mehr der ursprünglich für den Zeitraum 1. März 2009 bis 31. August 2009 ergangene Bescheid vom 19. Februar 2009, der durch Bescheid vom 28. September 2011 gemäß § 44 SGB X aufgehoben worden ist.
C. Der Bescheid vom 13. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten; § 54 Abs. 2 SGG. Sie haben auch nach Erlass des Bescheides vom 28. September 2011 noch einen Anspruch auf die Bewilligung höherer KdU und Heizkosten gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II und zwar iHv monatlich 33,98 EUR insgesamt für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 30. Juni 2009 und iHv monatlich 33,50 EUR für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 31. August 2009.
Die Voraussetzungen von § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X liegen im tenorierten Umfang vor. Nach § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Beklagte hat bei Erlass des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 19. Februar 2009 das Recht unrichtig angewandt und den Klägern zu Unrecht geringere KdU und Heizkosten bewilligt und auch nach Erlass des Bescheides vom 28. September 2011 nicht die den Klägern nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zustehenden Leistungen zuerkannt.
I. Die Kläger haben gemäß § 19 S. 1 SGB II (in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 20.07.2006, BGBl. I S. 1706, in Kraft ab 01.08.2006) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (Arbeitslosengeld II). Sie sind leistungsberechtigt im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II, denn jeder der Kläger hat das 15. Lebensjahr vollendet, ist erwerbsfähig, hilfebedürftig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
II. Die Kläger haben nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Unterkunftskosten. Hiernach werden KdU und Heizkosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind.
1. Der Beklagte war nicht bereits nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II (in der ab 01.08.2006 gültigen Fassung) gehalten, ohne dass es auf die Frage der Angemessenheit ankommt, die tatsächlichen KdU und Heizkosten zu übernehmen. Hiernach sind Aufwendungen für die Unterkunft, die den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Der Beklagte hat die Kläger mit Bescheid vom 11. Mai 2005 über die nach seiner Auffassung unangemessenen KdU und Heizkosten sowie seine Höchstgrenzen für Unterkunft und Heizung informiert (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011, Az. B 4 AS 119/10 R), sodass die Kläger im Streitzeitraum nicht aus dieser Vorschrift ihren Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Kosten herleiten können.
2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es ihm allerdings nicht gelungen, dem Senat nachvollziehbar darzulegen, wie hoch die örtlich abstrakt angemessene Wohnungsmiete ist. Zu Unrecht geht der Beklagte davon aus, dass der angemessene Höchstbetrag für die Kaltmiete und der kalten Betriebs- und Nebenkosten (sog. Bruttokaltmiete) im Fall der Kläger 489,00 EUR betragen soll.
Die Prüfung der Angemessenheit begrenzt die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az. B 4 AS 18/09 R). Es handelt sich bei der "Angemessenheit" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az. B 7b AS 10/06 R).
Die Bestimmung der Angemessenheit hat nach ständiger Rechtsprechung des BSG in mehreren Stufen zu erfolgen. Zunächst sind die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche Vergleichsraum festzulegen. In einem weiteren Schritt ist die abstrakt angemessene Mietpreisspanne zu ermitteln, die besagt, wieviel auf dem Wohnungsmarkt des Vergleichsraums für eine Wohnung unter Berücksichtigung der in der Referenzgruppe unterer Einkommensschichten herrschenden (wohnraumbezogenen) Lebensgewohnheiten aufzuwenden ist. Dabei ist auszugehen von den im maßgeblichen örtlichen Vergleichszeitraum herrschenden Verhältnissen hinsichtlich Ausstattung, Lage und Bausubstanz von Wohnungen, die einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und keinen gehobenen Wohnstandard ausweisen. Ziel der Ermittlungen ist der Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards, der nach Maßgabe der Produkttheorie mit der angemessenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren ist. Das Ergebnis ist die regional angemessene Miete (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R). Die konkrete Angemessenheit hingegen stellt auf die konkrete Verfügbarkeit und Zugänglichkeit einer Wohnung, die diesen Kriterien entspricht, ab.
a) Der Nordkreis, zu dem der Wohnort der Kläger (J.) gehört, bildet einen örtlichen Vergleichsraum. Voraussetzung für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ist es, ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden, wobei es im ländlichen Raum geboten sein kann, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, Az. B 4 AS 87/12 R). So verhält es sich hier. Der ländlich geprägte Nordkreis mit Bezug zur Stadt M., die einen auch wohngeldrechtlich durch eine andere Mietpreisstufe gerechtfertigten, eigenständigen Vergleichsraum bildet, ist als ehemaliger eigenständiger Landkreis M. ein homogener Lebens- und Wohnbereich. Das zeigt sich vornehmlich im Angebot im Bildungsbereich. So werden (eigenständige) Gymnasien im Nordkreis nur in P., ansonsten in M., eine berufsbildende Schule und eine Volkshochschule nur in M. vorgehalten, was die zusammengehörige Struktur abbildet. Dass darüber hinaus z.B. Grundschulen und weiterführende Schulen auch in anderen Gemeinden vorhanden sind, ändert an dieser Einschätzung nichts, weil diese Schulen wegen des höheren Bedarfs generell enge Einzugsbereiche haben. Im Nordkreis sind die Städte J. und M. sowie M. und P. durch eine Bahnanbindung miteinander verbunden sowie die übrigen Gemeinden über eine Busverbindung zu erreichen, sodass sich auch vor dem maßgeblichen verkehrstechnischen Hintergrund eine weitere Unterteilung des Nordkreises nicht rechtfertigt.
b) Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für einen Vier-Personen-Haushalt beträgt 85 qm. Das entspricht der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße für Vier-Personen-Haushalte der nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 87/12 R, m.w.N.) anwendbaren Richtlinie über die Soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen (Wohnraumförderungsbestimmungen -WFB-; vgl. Punkt B.11. Angemessene Wohnflächen).
c) Die Ermittlung des nach Auffassung des Beklagten angemessenen Quadratmetermietzinses für den grundsicherungsrechtlich geschützten Wohnstandard der Wohnungsgrößenklasse "bis zu 85 qm" basiert allerdings nicht auf einem schlüssigen Konzept.
Nach der Rechtsprechung des BSG muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines überprüfbaren schlüssigen Konzepts erfolgen, das die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R sowie Urteil vom 10.9.2013, B 4 AS 77/12 R). Die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" muss hinreichend nachvollziehbar sein. Das BSG definiert ein schlüssiges Konzept als "ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall" (BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R, Rz. 19). Dies deckt sich mit den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen, dass zur Festsetzung des soziokulturellen Existenzminimums, zu dem eine angemessene Unterkunft gehört, eine realitätsgerechte Ermittlung des Bedarfs in einen transparenten und sachgerechten Verfahren erforderlich ist (BVerfG 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 u.a.)
Das BSG hat zu den Mindestvoraussetzungen eines schlüssigen Konzeptes folgende Vorgaben gemacht (aaO.):
= Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), = es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße, = Angaben über den Beobachtungszeitraum, = Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel), = Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten, = Validität der Datenerhebung, = Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und = Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Unschädlich ist, dass der Beklagte sein Konzept im laufenden Klageverfahren nachgebessert hat, indem er u.a. nach Maßgabe des von dem 13. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen eingeholten Gutachtens im Januar 2011 Bestandsmieten von Bedarfsgemeinschaften erfasst hat. Denn der Beklagte ist gehalten - sofern zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide ohne hinreichende Datengrundlage entschieden worden ist - dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R, Rn. 26).
Die durch den Landkreis Q. erhobenen Daten erfüllen allerdings in wesentlichen Punkten nicht die vom BSG genannten Mindestanforderungen an ein schlüssiges Konzept. Die Mietdatenerhebung ist deswegen kein schlüssiges Konzept, weil bereits keine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung zugrunde liegt (aa), die Kappungsgrenze willkürlich gezogen wurde (bb) und im Ergebnis nicht nachvollzuziehen ist, dass die Kosten für Wohnraum einfachen Standards zutreffend abgebildet werden (cc).
aa) Der Beklagte hat es unterlassen, den Gegenstand der Beobachtung zu definieren. Der Beklagte geht davon aus, den gesamten Wohnungsmarkt erfasst zu haben, weshalb eine Differenzierung nach dem Standard der erfassten Wohnung anhand von Ausstattungs- und Beschaffungsmerkmalen unterblieben ist. Der Beklagte kann aber mit einer undifferenzierten Sammlung von Wohnungsanzeigen aus Zeitungen vom Ansatz her schon nicht sicherstellen, dass alle Segmente des Wohnungsmarktes ("gehoben, mittel, einfach" nach Beschaffenheit, Lage und Bausubstanz) in seine Datensammlung eingeflossen sind. Er konnte nicht darlegen, weil er es nicht erhoben hat, welchen Standard überhaupt die erhobenen Wohnungen hatten. Alle Faktoren, die das Produkt Mietpreis bestimmen, müssen aber in die Auswertung einfließen, weil nur auf diese Weise die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist (BSG, Urteil 20.08.2009, B 14 AS 41/08 R; Rz 17; Urteil 18.02.2010, B 14 AS 73/08 R, Rz 26).
Es genügt daher nicht, indirekt den einfachen Wohnungsstandard erst im Ergebnis über den Quadratmeterpreis bestimmen zu wollen. Das ist zwar das Ziel der Ermittlungen, kann aber nicht gleichzeitig das methodische Vorgehen dahin ersetzen. Denn Wohnungen in sog. begehrten Wohngegenden können trotz eines geringen Standards deutlich teurer sein, als gut ausgestattete Wohnungen in wenig nachgefragten Gebieten. Nur wenn sichergestellt ist, dass die erhobenen Daten den Wohnungsmarkt dergestalt abbilden, dass repräsentativ Wohnungen aller Standards vorhanden sind, kann von der Erfassung des gesamten Wohnungsmarktes gesprochen werden. Der Beklagte verkennt, dass der "gesamte Wohnungsmarkt" sich nicht lediglich über eine ungefilterte Sammlung einer bestimmten Anzahl von Wohnungen definiert, sondern gerade in Abgrenzung zur Erhebung von Daten zu Wohnungen ausschließlich einfachen Standards erfolgt. Untersuchungsgegenstand ist nämlich nicht, wie viele Wohnungen im unteren Preisniveau im Vergleich zur Zahl der Leistungsbezieher vorhanden sind.
Der Senat weist als Hilfsüberlegung darauf hin, dass der Beklagte den gesamten Wohnungsmarkt auch deswegen nicht erfasst hat, weil er u.a. Wohnungen mit einer Wohnfläche unter 35 qm unter ausdrücklichem Hinweis auf den regelmäßig hohen Quadratmeterpreis ausgenommen hat. Das betrifft zwar nicht die Preisbildung für die hier vorliegende Wohnungsgrößenklasse, verdeutlicht aber den Ansatz des Beklagten, den einfachen Standard rein rechnerisch über eine Kappung zu definieren und dabei bereits den Durchschnittswert niedrig zu halten. Obwohl nicht alle verfügbaren Wohnungen über Zeitungsinserate oder (vom Beklagten ebenfalls nicht ausgewertete) Internetportale angeboten werden, hat der Beklagte ferner die Mietangebote der Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften nicht erfasst, die gerade für den Personenkreis der SGB II-Bezieher von großer Bedeutung sind. Schließlich hat der Beklagte den sog. "Mehrfachinserate-Faktor" nicht berücksichtigt, insbesondere wenn ein anderer Makler beauftragt oder in den Folgemonaten dieselbe Wohnung zu einem reduzierten Preis angeboten wurde.
bb) Die fehlende Differenzierung der erhobenen Mietdaten führt zu Folgeproblemen bei der Festlegung der Kappungsgrenze.
Die zugrundeliegende Annahme, dass Wohnungen einfachen Standards tatsächlich zutreffend abgebildet werden, setzt voraus, dass tatsächlich der gesamte Wohnungsmarkt erfasst wurde, was - wie oben dargelegt - der Senat nicht nachvollziehen kann. Es setzt weiter voraus, dass eine gleichmäßige Durchmischung der Datensätze mit Wohnungen des einfachen, mittleren und gehobenen Standards vorliegt. Hierauf können keine Rückschlüsse gezogen werden, weil eine Definition des einfachen Standards gerade unterblieben ist. In Abhängigkeit der jeweiligen - nicht zu identifizierenden - Anteile verschiebt sich dann nämlich der so ermittelte Quadratmeterpreis. Dass die hier gezogene Kappungsgrenze bei 33% der pro Wohnungsgrößenklasse aus den Angebotsmieten ermittelten Werte liegt, setzt voraus, dass eine Verteilung der Wohnungen einfachen, mittleren und gehobenen Standards vorliegt, die genau diese Grenze rechtfertigt. Das kann der Beklagte aber nicht nachvollziehbar darlegen, denn weder hat er diese Parameter erhoben, noch erlauben die von den Vermietern in den jeweiligen Anzeigen mitgeteilten Ausstattungsmerkmale hierauf Rückschlüsse.
Der Beklagte hat dargelegt, dass er sich bei der Kappungsgrenze von der Anzahl der Haushalte mit niedrigem Einkommen sowie der Anzahl von Sozialleistungsempfängern hat leiten lassen, was den Ansatz des Beklagten offenbart, den Standard allein ausgehend von einem Bedarf definieren und anpassen zu wollen. Anders als möglicherweise früher zum Bundessozialhilfegesetz kommt es für die abstrakte Angemessenheitsprüfung nicht darauf an, wie viele Wohnungen unterhalb einer Mietobergrenze vorhanden sind. Insbesondere scheiden Wohnungen mit nur ganz einfachem Standard von vorn herein aus der Bewertung aus (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 B 14 AS 65/09 R, Rz 31). Es ist der unbestreitbare Verdienst des vom BSG zu § 22 SGB II entwickelten "schlüssigen Konzeptes", dass nicht der nackte Marktpreis sondern eine qualitative Selektion der Mietdaten darüber bestimmt, welche angemessene Wohnung einem SGB II-Bezieher zuzubilligen ist. Sonst bestünde die Gefahr, dass Grundsicherungsträger die Angemessenheitsgrenze allein nach eigenen fiskalischen Interessen bilden könnten, was nicht zwingend das Grundbedürfnis Wohnen als menschenwürdiges Existenzminimum abbilden muss.
Entscheidend ist nunmehr die Beschaffenheit der Wohnung, die auch oberhalb des Quantils von 33% noch einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen kann, falls im Vergleichsraum derartige Unterkünfte in einem größeren Umfang vorhanden sind. So legte der Beklagte die Annahme zugrunde, dass drei Wohnungssegmente (einfach, mittel, gehoben) existieren und über die Kappungsgrenze das Drittel "einfach" abgebildet werden kann. Unterstellt, was im ländlich geprägten Nordkreis gerade im Hinblick auf das Segment "gehoben" zu bezweifeln ist und vom Beklagten nicht durch weitere Daten belegt werden konnte, die Wohnungssegmente finden sich in gleicher Verteilung am Wohnungsmarkt, ergibt sich daraus nicht, dass auch seine Sammlung ein Drittel Wohnungen einfachen Standards (und nicht vielleicht 50%, 60% oder 80%) beinhaltet bzw. seine Kappungsgrenze genau dieses Drittel wiedergibt.
Mangels valider Mietdatenbanken kann der Senat nicht überprüfen, ob die Referenzmiete mit einem Quantil von 33 % auf einem schlüssigen Konzept basiert. Auch das BSG hat zur Bildung eines arithmetischen Mittelwertes entschieden, dass dieses für sich genommen nicht die Gewähr bietet, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird, sondern mit einem hohen Maß an Zufälligkeit belastet ist, wenn nicht eine gleichmäßige Verteilung der Mietpreise vorliegt (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R, Rz. 29/30). Es muss vielmehr gewährleistet sein, dass jeder einzelne Tabellenwert entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem konkreten Wohnungsmarkt in den grundsicherungsrechtlich relevanten Mietzins einfließt und damit gleichermaßen schlecht ausgestattete Wohnungen in bevorzugter Lage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen erfasst werden (BSG, Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 85/09 R, Rz. 26; Urteil 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rz 31).
Diese Schwächen in der Erhebung und Kappung bei den Angebotsmieten finden sich in gleicher Weise bei der Erhebung der Bestandsmieten von Beziehern von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe. Der Beklagte hat keine Definition des Standards anhand der Ausstattung vorgenommen und hat eine Zuordnung nur über die von ihm gewählte Kappungsgrenze - hier den Median - vorgenommen. Spätestens nach der in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten mitgeteilten Erkenntnis, dass nach den eigenen Mietobergrenzen 29,9 % der SGB II-Leistungsbezieher in unangemessenen Wohnungen leben, hätten sich dem Beklagten Zweifel über diese Vorgehensweise eines Grundsicherungsträgers aufdrängen müssen.
cc) Die dann gewählte Höchstgrenze - der nach Gegenüberstellung des 33%-Quantils bei den Angebotsmieten und des Median bei den Bestandsmieten jeweils höhere Wert - trägt nicht die Gewähr für die Abbildung des einfachen Standards, sondern ist allein ein nach beliebigen und veränderlichen Parametern errechneter Wert. Der vom Beklagten ermittelte Mietpreis ermöglicht keine nachvollziehbare Aussage über die Beschaffenheit der Wohnung, also welchen Lebensstandard dieses Produkt befriedigen soll (vgl. BSG, Urteil 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rz 36). Bis zu welcher Mietobergrenze Unterkünfte als nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessen beansprucht werden können, hängt nicht vom Mietpreis ab, sondern von der Ausstattung, vom Charakter und von der Lage der Unterkunft.
Der Senat weist darauf hin, dass das schlüssige Konzept auch nicht durch eine "Gegenprobe" ersetzt werden kann. D.h., allein der Umstand, dass es möglich war, Wohnraum zu den von dem Beklagten für angemessen erachteten Wert anzumieten, bedeutet nicht, dass ein Wert zutreffend ermittelt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R, Rz. 22).
d) Die strukturellen Schwächen des Konzepts sind nach Überzeugung des Senates nicht durch eine Nachbesserung zu beheben, weil schon die hierfür erforderliche Datenbasis fehlt und diese auch nicht - etwa durch Nutzung der angegebenen Kontakt-Telefonnummern - für die vor 9 bis 5 Jahren angebotenen Wohnungen nachgeholt werden kann. Die dem Senat vorliegenden Daten zu den Angebots- und Bestandsmieten ermöglichen keine Bestimmung eines Standards und die Ermittlung eines Spannoberwerts für die Angemessenheit. Denn die Zuordnung zu einem Standard setzt voraus, dass überhaupt Daten erhoben werden - ähnlich der Erstellung von Mietspiegeln -, die das ermöglichen. Allein anhand der Nettokaltmiete und der Wohnungsgröße ist es nicht möglich zu bestimmen, wie viele und welche Wohnungen einfachen, mittleren und gehobenen Standards in der Sammlung für die hier maßgebliche Wohnungsgrößenklasse enthalten sind. Die vom Beklagten anhand von Zeitungsanzeigen zusammengestellten Daten unterliegen einer Zufälligkeit im Hinblick auf die vom Vermieter mitgeteilten Informationen, begrenzt auch durch die zulässigen Zeichen eines Anzeigentextes. Die Angaben sind auf der Basis der in den Jahren 2005 bis 2009 gesammelten Anzeigen auch nicht mehr zuverlässig nachholbar. Für die Ausräumung dieser eklatanten Schwächen wäre eine Neuerhebung auf der Grundlage eines neuen Konzepts notwendig, das der Senat in Anbetracht des 5 Jahre zurückliegenden Streitzeitraums nicht gehalten ist, selbst zu erstellen. Auch nach Maßgabe der BSG-Rechtsprechung trifft den Senat bei solchen Fallgestaltungen keine weitere Ermittlungspflicht (vgl. ua BSG, Urteil vom 20. August 2009, B 14 AS 65/08 R; Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 87/12 R).
e) Der vorliegende Erkenntnisausfall führt bei der Bemessung der angemessenen Bruttokaltmiete zur Anwendung der rechten Spalte der Tabelle zu § 12 WoGG zzgl. eines Sicherheitsaufschlages in Höhe in 10 % (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 87/12 R, Rn. 27). Im Fall der Kläger liegt der Höchstbetrag bei 575,30 EUR (Mietstufe 2, 4 Personen: 523,00 EUR, 10%: 52,30 EUR).
3. Die Kläger haben Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Heizkosten, denn sie bewegen sich innerhalb der Höchstbeträge des bundesweiten Heizkostenspiegels, dessen Grenzwerte hier in Ermangelung einer aktuellen, differenzierten Datenermittlung für den Vergleichsraum "Nordkreis" heranzuziehen sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12. Juni 2013, Az. B 14 AS 60/12 R).
Das Programm "Heikos 2.0" ist nicht geeignet, die Höhe der angemessenen Heizkosten im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II zu ermitteln. Denn hierüber erfolgt keine an den Verhältnissen des Einzelfalles orientierte Prüfung der angemessenen Heizkosten, da keine differenzierte Datenermittlung zugrunde liegt, sondern lediglich ein Wert, der mithilfe von Daten, die nur teilweise den Einzelfall betreffen (z.B. Gradtagszahlen für die Region, tatsächliche Energiepreise, Unterkunftsart), errechnet wird. Der Verzicht auf die Heranziehung der Werte des bundesweiten Heizkostenspiegels setzt aber voraus, dass der örtlich zuständige Träger der Grundsicherung eine differenzierte Ermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchführt, die zuverlässige Schlüsse auf die im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angemessenen Heizkosten in seinem Zuständigkeitsbereich zulässt (BSG, aaO., Rn. 22). Die vom Beklagten in die Berechnung eingepflegten Parameter sind dabei nicht das Ergebnis einer konkreten Heizdatenermittlung vor Ort, sondern pauschaler Vorgaben. Der Senat nimmt Bezug auf seinen Beschluss vom 9. Juli 2011 zum Az. L 7 AS 883/11 in einem früheren Berufungsverfahren gegen den Beklagten. Dort heißt es:
"6.) Das von der Stadt Heilbronn entworfene Berechnungsprogramm Heikos 2.0 stellt keinen kommunalen Heizspiegel für die Stadt N. dar und ist zur Bestimmung der angemessenen Heizkosten im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGG untauglich.
a) Es ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn ein kommunaler Träger eine konkret-individuelle Angemessenheitsgrenze anhand eines schlüssigen Konzepts ermittelt, in welches vor Ort repräsentativ erhobene Daten zum Heizwärmebedarf nach Gebäudealter, Gebäudetyp und Nutzungsgrade einzelner Heizungssysteme einbezieht, klimatische Bedingungen, Energiequellen und konkrete Preise des örtlichen Energieversorgers berücksichtigt. Diesen Anforderungen genügt jedoch das vom Beklagten angewandte Berechnungsprogramm Heikos 2.0 nicht. Es ist insbesondere nicht zulässig, eine Angemessenheitsobergrenze anhand von Durchschnittswerten für einzelne Berechnungsposten zu bilden. So legt die Berechnungsmethode der Stadt Heilbronn für einige Berechnungselemente (Baualter, Wärmedämmung, Wirkungsgrade der Heizungsanlage) einen von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V. ermittelten durchschnittlichen Heizwärmebedarf in Westdeutschland sowie durchschnittliche Jahresnutzungsgrade der Heizsysteme in deutschen Haushalten zugrunde. Dabei werden aber die konkreten Verhältnisse (Fläche der Fenster, Lage der Wohnung im Haus, Fläche der Außenwände, Dämmwert der Fenster usw., des zu beurteilenden Haushalts) in keinster Weise berücksichtigt.
b) Die Stadt Heilbronn hat ferner bei der Festsetzung der Gradtagszahlen eine durchschnittliche Raumtemperatur von 20 Grad Celsius und eine Nachtabsenkung von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr zugrunde gelegt. Dies impliziert die Schlussfolgerung, dass bei einer höheren Raumtemperatur das Berechnungsprogramm grundsätzlich von einem unangemessenen Heizverhalten ausgeht. Dieser Ansatz lässt vor allem unberücksichtigt, dass der konkrete Zustand der Wohnung bzw. individuelle Lebensverhältnisse der Leistungsempfänger höhere Temperaturen bedingen, ohne dass automatisch ein unangemessenes Heizverhalten angenommen werden darf. Überhaupt bestehen erhebliche Zweifel, ob Gradtagszahlen ein zuverlässiges Berechnungselement für die Angemessenheit von Heizkosten darstellen. Es handelt sich nämlich nur um die Bildung von Mittelwerten für die jeweiligen Jahrestage aus Erfahrungen der letzten 20 Jahre, die nach dem durchschnittlichen Heizverhalten je nach Temperatur unterscheiden. Als Durchschnittsberechnung werden die Gradtagszahlen herangezogen, um einen ungefähren Verbrauchswert bei Nutzung der Heizungsanlage nur für einige Monate im Jahr zu bestimmen (§ 9b Abs. 2 Heizkostenverordnung). Die Gradtagstabelle dient folglich bei Teilabrechnung als Hilfsmittel zur Bestimmung der Heizkosten, die nicht durch technische Geräte festgestellt werden (können). Für die Bestimmung eines individuell angemessenen Heizverhaltens in einer bestimmten Wohnung sind die Gradtagszahlen allein ungeeignet.
c) Das BSG hat in den oben zitierten Entscheidungen hervorgehoben, dass der Wohnraum von SGB II-Leistungsbeziehern typischerweise eher einen unterdurchschnittlichen Energiestandard aufweist. Würden folglich die als angemessen angesehenen Heizkosten auf Gradtagszahlen bzw. auf andere Durchschnittswerte begrenzt, würde dem Leistungsberechtigten ein überdurchschnittliches Energiesparverhalten abverlangt. Dieser normative Maßstab ist jedoch dem § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht zu entnehmen. Es gilt, was der Senat bereits zur Angemessenheitsgrenze bei Unterkunftskosten betont hat, dass der Ansatz mit Durchschnittswerten außer Acht lässt, dass auch die über dem Durchschnittswert liegenden Heizwärmebedarfswerte in die Ermittlung des Durchschnittswertes als repräsentative Daten einfließen. Genauso wie überteuerte Wohnungen bei der Angemessenheitsprüfung außer Acht bleiben müssen, ist auch in diesem Zusammenhang zu fordern, dass die Datenbank um Heizwärmebedarfswerte, die offensichtlich als untypisch und unangemessen ("Ausreißer") angesehen werden können, zu bereinigen ist.
7.) Der vom BSG eingeschlagene Lösungsweg wird nicht mit dem Argument erschüttert (worauf der Beklagte hinweist), dass der Herausgeber des bundesweiten Heizspiegels, die co2-online gemeinnützige GmbH, den bundesweiten Heizspiegel zur Beurteilung der Angemessenheit von Heizkosten von Arbeitslosengeld II-Empfängern als ungeeignet ansieht, weil der Heizspiegel nur deshalb entwickelt worden sei, um Hauseigentümer zu Energiesparinvestitionen zu motivieren. Wie aus der eingereichten Stellungnahme (Blatt 25 Gerichtsakte) unverkennbar ist, dürfte die Äußerung der co2-online gGmbH nicht unwesentlich dadurch beeinflusst worden sein, dass sie statt des kostenlos im Internet abrufbaren bundesweiten Heizspiegels lieber ihre kostenpflichtigen Heizgutachten vermarkten möchte. Der Beklagte und die co2-online gGmbH verkennen jedenfalls die prozessuale Bedeutung und die Tragweite der BSG-Rechtsprechung. Diese hat nicht bundesweit und pauschalierend die Angemessenheitsgrenzen für die Heizkosten festgestellt. Vielmehr hat das BSG mangels für den Einzelfall aussagekräftigerer anderer Datenbanken in Anlehnung an den bundesweiten Heizspiegel einen Grenzwert genannt, der unangemessenes Heizen indiziert. Dabei erfolgte die Orientierung an den "recht großzügigen Grenzwerten" (so ausdrücklich: Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II-Kommentar, Stand: September 2009, § 22 Rdz. 88) deshalb, um die zahlreichen vom Leistungsempfänger nicht beeinflussbaren Faktoren der Heizkosten in einer möglichst rechtsbefriedigenden Weise erfassen zu können. Es darf nicht übersehen werden, dass die hohen Verbrauchswerte des bundesweiten Heizspiegels nicht nur tendenziell unwirtschaftliches und unökologisches Heizverhalten fördern, sondern auch die Interessen der Grundsicherungsträger berücksichtigen, weil die Instanzrechtsprechung bis zu der Entscheidung des BSG im Jahre 2009 überwiegend die tatsächlichen Kosten als angemessen betrachtet hat, soweit die Behörde im konkreten Fall ein unwirtschaftliches Heizverhalten nachgewiesen hätte, was ihr jedoch kaum gelingen konnte (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, 4. Auflage, § 22 Rdn. 95 bis 98). Die Rechtspraxis hat sich danach am bundesweiten Heizspiegel orientiert und - bis auf große Ausnahmen - die Leistungsträger haben diese Rechtsprechung akzeptiert. Ausweislich der Homepage www.heizspiegel.de haben ferner diverse kommunale Träger eigene kommunale Heizspiegel auf der Basis des bundesweiten Heizspiegels beschlossen. Trotz gewisser Mängel des bundesweiten Heizspiegels hält es der Senat bei dieser Entwicklung nicht für geboten, die (möglicherweise unvollkommene) Berechnung nach dem bundesweiten Heizspiegel durch ein anderes Berechnungsprogramm (sei dies genauso gut oder genauso schlecht) zu ersetzen."
4. Unter Zugrundelegung der Mietobergrenzen der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitsaufschlages (573,50 EUR) haben die Kläger einen Anspruch auf Übernahme ihrer (niedrigeren) tatsächlichen Bruttokaltmiete iHv 513,- EUR (460,- Nettomiete; 10 EUR Müllabfuhr; 14,- EUR Wasser 29,- EUR Abwasser).
Nach Maßgabe der Werte des zum Zeitpunkt der ersten Behördenentscheidung für den Zeitraum vorliegenden bundesweiten Heizkostenspiegels 2008 für die Versorgungsart "Gas", für 4 Personen und die kleinste Wohneinheit (Fläche bis zu 250 qm) liegt der Verbrauch der Kläger innerhalb dieses monatlichen Wertes (121,83 EUR), sodass der Senat von angemessenen Heizkosten ausgeht. Die Kläger haben Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Kosten in Höhe von 103,48 EUR für die Monate März, April, Mai und Juni 2009 (125,00 EUR Abschlag abzüglich der Warmwasserpauschalen) und in Höhe von 103,04 EUR wegen der veränderten Höhe der Warmwasserpauschale in Abhängigkeit zur Regelleistung für die Monate Juli 2009 und August 2009.
Nicht maßgeblich ist, wovon der Beklagte ausgeht, welche Kosten rückblickend für den tatsächlichen Verbrauch angefallen sind; es ist allein auf die dem Energieversorgungsunternehmen für den jeweiligen Monat geschuldeten Beträge abzustellen. Aus dem Verbrauch resultierende Nachforderungen sind im Monat ihrer Fälligkeit nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigen, Guthaben entsprechend § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II in der Fassung vom 20. Juli 2006 (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 AS 154/10 R).
Die individuellen Ansprüche der Kläger errechnen sich wie folgt: Die Kläger zu 1. und 2. haben einen Anspruch iHv jeweils 8,17 EUR für die Monate März, April, Mai und Juni 2009 und iHv 8,05 EUR für die Monate Juli und August 2009. Dabei beträgt ihr jeweiliger KdU-Anteil 128,25 EUR und der Heizkosten-Anteil 31,25 EUR, der um die Warmwasserpauschalen iHv 5,70 EUR bzw. 5,82 EUR bereinigt wird. Dem Anspruch iHv 153,80 EUR bzw. 153, 80 EUR ist der bewilligte Betrag (insgesamt jeweils 145,63 EUR) gegenüberzustellen.
Unter Berücksichtigung der Warmwasserpauschalen für die Kläger zu 3. und 4. (5,06 EUR bzw. 5,18 EUR) haben diese jeweils einen Anspruch iHv 8,82 EUR für die Monate März, April, Mai und Juni 2009 und iHv 8,70 EUR für die Monate Juli und August 2009.
Der Gesamtanspruch der Bedarfsgemeinschaft beträgt entsprechend monatlich 33,98 EUR für die Monate März, April, Mai und Juni 2009 und 33,50 EUR für die Monate Juli und August 2009.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
E. Die Revision wird nicht zugelassen. Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.