Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 03.04.2014, Az.: L 7 AS 827/12

Aufhebung und Rückforderung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren bei vorsätzlich unvollständigen Angaben

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
03.04.2014
Aktenzeichen
L 7 AS 827/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 17345
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2014:0403.L7AS827.12.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BSG - 09.09.2014 - AZ: B 14 AS 170/14 B

Fundstellen

  • NZS 2014, 551
  • ZfF 2015, 186-188
  • ZfF 2016, 231
  • info also 2015, 280

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 4. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die mit Bescheid vom 12. Oktober 2007 erfolgte Aufhebung und Rückforderung von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum Juli 2005 bis Oktober 2006 in Höhe von EUR 5.738,29.

Die 1987 geborene Klägerin beantragte im Juli 2005 Leistungen nach dem SGB II. In dem dabei u. a. eingereichten Formblatt zur Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens verneinte die Klägerin die Fragen nach Sparbüchern oder sonstigen Sparanlagen. Im Folgeantrag vom Januar 2006 gab die Klägerin an, dass sich in den Vermögensverhältnissen keine Änderungen ergeben hätten.

Mit Bescheiden vom 27. Juli 2005 und vom 14. Februar 2006 bewilligte der Beklagte Leistungen in Höhe von monatlich EUR 393,74 für den Zeitraum Juli bis Dezember 2005 und Februar bis Juli 2006 sowie in Höhe von EUR 65,62 für den Zeitraum vom 27. bis zum 31. Januar 2006.

Im März 2006 erhielt der Beklagte durch einen Datenabgleich mit dem Bundesamt für Finanzen Kenntnis von Kapitalerträgen der Klägerin im Jahr 2004 in Höhe von EUR 111,00 aus einer Anlage bei der Sparkasse G ...

Mit Schreiben vom 20. Juni 2006 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass Kapitalanlagen mit Zinserträgen ggf. Auswirkungen auf Leistungen nach dem SGB II haben könnten, weshalb diese auf dem hierfür vorgesehenen Zusatzblatt vollständig zu erklären seien.

Am 25. Juli 2006 gab die Klägerin persönlich den Fortzahlungsantrag beim Beklagten ab mit der Angabe, dass sich in den Vermögensverhältnissen keine Änderungen ergeben hätten. Die Erklärung zu den im Jahr 2004 erzielten Zinseinnahmen aus dem Sparkassenbuch werde nachgereicht.

Mit Bescheid vom 27. Juli 2006 bewilligte der Beklagte Leistungen in Höhe von monatlich EUR 423,74 für den Zeitraum August 2006 bis Januar 2007.

In der Folgezeit erinnerte der Beklagte unter Androhung einer Leistungsversagung mit Schreiben vom 20. September 2006 an die zugesagte Vorlage des Sparkassenbuchs bis spätestens zum 7. Oktober 2006 und versagte dann nach fruchtlosem Fristablauf mit Bescheid vom 11. Oktober 2006 Leistungen mit Wirkung ab November. Ein hiergegen gerichteter Widerspruch ist weder vorgetragen noch aus der Leistungsakte ersichtlich.

Durch einen Datenabgleich mit dem Bundesamt für Finanzen erhielt der Beklagte im Dezember 2006 Kenntnis von Kapitalerträgen der Klägerin im Jahr 2005 in Höhe von EUR 512,00 aus einer Anlage bei der Deutschen Bank.

Nach einer mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 ohne Reaktion der Klägerin erfolgten Aufforderung des Beklagten zur vollständigen Erklärung der bekannt gewordenen Vermögenswerte teilten in der Folgezeit die Deutsche Bank unter dem 9. Februar 2007 und die Sparkasse G. unter dem 3. August 2007 auf Anfrage des Beklagten für die Klägerin geführte Sparkonten mit. Hieraus ergaben sich Salden zum 1. Juli 2005 von EUR 3,39 (Sparbuch Deutsche Bank), EUR 9.643,11 (Bonus Sparen Deutsche Bank) und EUR 3.452,00 (Sparbuch Sparkasse G.), zum 1. Januar 2006 von EUR 5.918,80 (Bonus Sparen Deutsche Bank) und EUR 45,00 (Sparbuch Sparkasse G.) und zum 1. Mai 2006 von EUR 5.918,80 (Bonus Sparen Deutsche Bank) und EUR 430,00 (Sparbuch Sparkasse G.).

Mit Schreiben vom 17. September 2007 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung der bewilligten Leistungen im Zeitraum Juli 2005 bis Oktober 2006 in Höhe von EUR 5.738,29 an. Die Klägerin habe über verwertbares Vermögen oberhalb der Vermögensfreigrenze von EUR 4.850,00 verfügt, welches trotz Unterrichtung über die Mitwirkungspflichten nicht angegeben worden sei.

Mit Schreiben vom 25. September 2007 teilte die Klägerin mit, den vom Vater und den Großeltern eingerichteten und eigentlich für ein Studium vorgesehenen Sparvertrag während des Leistungsbezugs nach dem SGB II vorzeitig und unter Verzicht auf die endfällige Sparprämie aufgelöst zu haben. Aufgrund fehlender Unterhaltszahlungen des Vaters und einer nicht erfolgreichen Selbstständigkeit der Mutter sei das Geld für den Lebensunterhalt verbraucht worden, auch für die Mutter und den Bruder. Wegen der schwierigen Lage seien auch Schulden gemacht worden, die mit dem Sparbetrag getilgt worden seien. Auch der für den Besuch der altersdementen Großmutter erforderliche Führerschein sei finanziert worden. Es sei der Klägerin nicht bewusst gewesen, dass der dringend benötigte und nicht sinnlos ausgegebene Sparbetrag habe angegeben werden müssen. Das Geld könne nicht zurückgezahlt werden.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2007 hob der Beklagte die Bescheide vom 25. Juli 2005, vom 14. Februar 2006 und vom 27. Juli 2006 ganz auf und forderte zur Erstattung auf in Höhe von EUR 5.738,29. Aufgrund verfügbarer Vermögenswerte von EUR 13.098,50 sei die Klägerin nicht hilfebedürftig gewesen. Die erfolgte Leistungsbewilligung sei aufgrund zumindest grob fahrlässig falsch gemachter Angaben im Antrag vom 1. Juli 2005 erfolgt.

Hiergegen legte die Klägerin mit am 12. November 2007 eingegangenen Schreiben vom 8. November 2007 Widerspruch ein unter Verweis auf die erfolgten Ausführungen im Rahmen der Anhörung. Der Vater zahle keinen Unterhalt. Die Mutter verdiene nur wenig. Die eigene Erwerbstätigkeit sei aufgrund der Schule reduziert worden. In Anbetracht der schwierigen finanziellen Situation werde um Aufhebung des Rücknahme- und Erstattungsbescheids gebeten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Das Vermögen der Klägerin habe im Juli 2005 mit EUR 13.098,50 den Vermögensfreibetrag von insgesamt EUR 4.850,00 überstiegen und habe zur Deckung des Lebensunterhalts eingesetzt werden müssen und weder zur Schuldentilgung noch für die Bedarfe der Mutter und des Bruders. Die daher rechtswidrige Bewilligungsentscheidung resultiere aus den grob fahrlässig unrichtigen Angaben im Leistungsantrag, weil Vermögenswerte trotz Abfrage im Antragsformular nicht angegeben wurden. Für Ermessenserwägungen sei bei der gebundenen Rücknahmeentscheidung kein Raum. Die zu Unrecht erbrachten Leistungen seien zu erstatten.

Am 7. November 2008 erhob die Klägerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Hannover (SG). Das bei erstmaliger Leistungsbeantragung vorhandene Sparvermögen sei in Höhe von EUR 7.000,00 nicht verwertbar gewesen, weil aufgrund fehlender Unterhaltszahlungen des Vaters in dieser Höhe Darlehen zum Bestreiten des Lebensunterhalts vom Großvater der Klägerin gewährt worden seien, die mangels anderer Sicherheiten durch Abtretung der Sparguthaben der Klägerin hätten abgesichert werden müssen. Verwiesen werde insoweit auf beigefügte Darlehensbescheinigungen aus dem Zeitraum Dezember 2000 bis Januar 2006 mit darin enthaltenen Sicherungsabtretungserklärungen hinsichtlich des Sparguthabens bei der Deutschen Bank. Die Sicherungsabtretungen seien wirksam und hätten zum Wechsel des Forderungsinhabers geführt. Die Klägerin habe alle Sicherungsabtretungen nach Vollendung des 18. Lebensjahres genehmigt. Die Unterhaltsansprüche gegen den Vater hätten wegen dessen finanzieller Verhältnisse mit einer im Januar 2006 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung nicht durchgesetzt werden können. Weiterhin sei die Klägerin erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ab dem 30. Mai 2005 rechtlich zur Verfügung über die Sparguthaben berechtigt gewesen. Die Klägerin sei bei der Leistungsbeantragung aber davon ausgegangen, zur Verfügung die Zustimmung ihres Vaters zu benötigen, die dieser als einer von zwei Erziehungsberechtigten verweigert habe. Erst nach einer Aufklärung habe die Klägerin dann die Sparkonten aufgelöst. Hieraus habe sie eine unterhalb der Freibetragsgrenze liegende Reserve gebildet und mit dem übrigen Geld die aufgelaufenen Verbindlichkeiten getilgt. Der Beklagte habe zudem fehlerhaft immer den Vermögensstand bei erstmaliger Leistungsbeantragung berücksichtigt und nicht die Vermögensbestände bei den jeweiligen Fortzahlungsanträgen. Von diesen jeweiligen Vermögensbeständen seien zudem die für die Vorzeiträume errechneten Erstattungsforderungen des Beklagten in Abzug zu bringen, da diese über den Beklagten beliehenen Summen jeweils nicht verwertbar gewesen seien. Insgesamt errechne sich daher unter Berücksichtigung einer beigefügten Berechnungsübersicht ein Erstattungsbetrag in Höhe von lediglich EUR 1.498,80.

Der Vater der Klägerin erklärte als Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung am 17. Dezember 2010, er habe den Unterhalt an die Klägerin wegen einer eigenen Insolvenz nicht zahlen können. Den Darlehensverträgen mit dem Großvater der Klägerin, dem Vater der Mutter der Klägerin, habe er jeweils zugestimmt. Er habe der Klägerin auch gesagt, dass sie vor dem 25. Lebensjahr über das bei der Deutschen Bank angelegte Geld ohne seine Zustimmung, die er nicht erteilen werde, nicht verfügen könne. Die Klägerin habe dann nach Vollendung des 18. Lebensjahrs durch eine anwaltliche Beratung vom Wegfall des Zustimmungserfordernisses erfahren, das Konto bei der Deutschen Bank aufgelöst und Rückzahlungen an den Großvater und weitere befreundete Darlehensschuldner geleistet.

Das SG hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 4. Juni 2012 als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin habe während des streitigen Bewilligungszeitraums die Voraussetzungen nach § 7 SGB II nicht erfüllt. Bei der erstmaligen Antragstellung habe das Vermögen von EUR 13.098,50 auch bei Abzug der vorgetragenen Abtretungssumme von EUR 7.000,00 den damals geltenden Freibetrag von EUR 4.850,00 überstiegen. Auch bei den beiden Folgeanträgen seien nach den vorgetragenen Darlehensrückzahlungen bei Vermögensbeträgen von EUR 5.963,80 bzw. EUR 6.348,90 die jeweils geltenden Vermögensfreibeträge von EUR 4.850,00 bzw. EUR 3.850,00 überschritten gewesen. Von einem fiktiven Vermögensverbrauch sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 25. August 2011 zum Aktenzeichen B 8 SO 19/10 R nicht auszugehen. Ein vorhandener Vermögensgegenstand sei unter Berücksichtigung des in § 3 Abs. 1 und 3 SGB II sowie in § 9 Abs. 1 SGB II statuierten Grundsatzes der Subsidiarität bei jeder weiteren Leistungsberechnung neu zu berücksichtigen. Die rechtswidrigen Leistungsbewilligungen seien daher nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II iVm § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) iVm § 45 Abse. 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ohne Ermessensspielraum aufzuheben gewesen. Die Klägerin könne sich aufgrund der jedenfalls grob fahrlässig nicht erfolgten Angabe des Vermögens nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die zu Unrecht erbrachten Leistungen seien gemäß § 50 SGB X zu erstatten.

Gegen das am 26. Juni 2012 zugestellte Urteil des SG richtet sich die am 23. Juli 2012 eingegangene Berufung. Die Klägerin sei geschäftsunerfahren gewesen, weshalb allenfalls von einer leichten Fahrlässigkeit auszugehen sei. Die erbrachten Leistungen seien für den Lebensunterhalt verbraucht worden. Diese Vermögensdisposition könne nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das Vermögen sei gemäß § 12 SGB II nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin habe hinsichtlich der abgetretenen Summe von EUR 7.000,00 eine Unverwertbarkeit unter Beweis gestellt. Bei der weiteren Beurteilung seien vom SG nicht die verschiedenen Antragszeitpunkte und der Vermögensverbrauch berücksichtigt worden. Die Rückforderungsberechnung sei auch fehlerhaft. Bei Zugrundelegung der vom SG herangezogenen Vermögens- und Freibetragswerte errechneten sich ausweislich einer beigefügten Übersicht lediglich die Freibeträge in den jeweiligen Bewilligungszeiträumen übersteigende Vermögenswerte in Höhe von insgesamt EUR 3.603,52. Die jeweiligen Erstattungsforderungen seien auch nicht erst durch Festsetzung, sondern kraft Gesetzes zum Antragszeitpunkt entstanden. Daher seien diese Erstattungsforderungen auch für die Folgezeiträume vom Vermögen abzuziehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 4. Juni 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 12. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2008 aufzuheben, soweit eine Aufhebung und Erstattung den Betrag von 3603,52 Euro übersteigt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es werde auf die überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die der gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegen haben.

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143 und 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der streitigen Bescheide. Das SG hat die maßgeblichen Rechtsgrundlagen fehlerfrei herangezogen und zur Anwendung gebracht und ist unter zutreffender Berücksichtigung der Rechtslage zu dem fehlerfreien Ergebnis gelangt, dass die von der Klägerin im Streitzeitraum nicht angegebenen Sparguthaben als die jeweiligen Vermögensfreibeträge übersteigendes verwertbares Vermögen iSv § 12 SGB II zu berücksichtigen sind, die gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X iVm § 330 Abs. 2 SGB III zur vollständigen rückwirkenden Aufhebung der Leistungsbewilligungen führen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf die vollständigen und zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Nur ergänzend führt der Senat zu den von der Klägerin im Berufungsverfahren angeführten Gesichtspunkten Folgendes aus:

Eine nur fahrlässig unterbliebene Angabe der Sparguthaben ist nicht nachvollziehbar, weil die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag die unstreitigen Sparguthaben bei allen drei Leistungsanträgen im Streitzeitraum bewusst und damit vorsätzlich nicht angegeben hat. Die Klägerin wusste nach ihren Angaben von den auf ihren Namen angelegten Summen. Dies ergibt sich bereits aus der vorgetragenen bewussten Verwendung der Guthaben als Sicherungsmittel für vorgetragene Kreditaufnahmen und aus der weiter vorgetragenen Erklärung des Vaters zur fehlenden Zustimmung zur Verwertung. Die Klägerin hat daher die unmissverständliche Frage nach dem Bestand von Sparguthaben im ersten Leistungsantrag falsch beantwortet und diese falsche Information durch die Angabe nicht erfolgter Änderungen in den Fortzahlungsanträgen trotz der zwischenzeitlich unstreitig erfolgten eigenen Verfügung über das Sparguthaben fortgeführt. Die vorgetragene Annahme einer ohne die Zustimmung des Vaters nicht möglichen Verwertung bezog sich gerade nicht auf den Bestand des Sparguthabens, sondern nur auf die im Leistungsantrag zunächst nicht abgefragte Verwertungsfähigkeit. Der weitere Vortrag, es sei der Klägerin nicht bewusst gewesen, dass der zur eigenen Verwendung benötigte Sparbetrag habe angegeben werden müssen, ist unter Berücksichtigung der eindeutigen und unmissverständlichen Abfrage im Formularantrag nicht nachvollziehbar. Irgendeine Erläuterung, wie die Klägerin zu dieser Annahme gelangt sein will, ist nicht ersichtlich. Die Klägerin kann sich daher gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen, weshalb auch der vorgetragene Verbrauch der erbrachten Leistungen unerheblich ist.

Die drei erfolgten streitigen Leistungsbewilligungen waren auch insgesamt rechtswidrig, weil die Klägerin unter Berücksichtigung der unstreitigen Vermögenssummen und der vom SG zutreffend angesetzten Vermögensfreibeträge zu allen drei Bewilligungszeitpunkten über die jeweils geltenden Vermögensfreibeträge überschreitende Vermögenssummen verfügte und daher jeweils nicht hilfebedürftig war iSv §§ 7 und 9 SGB II. Der Vortrag der Klägerin zur fehlenden Berücksichtigung der Teilabtretung, der verschiedenen Antragszeitpunkte und des Vermögensverbrauchs ist insoweit nicht nachvollziehbar. Das SG hat für den erstmaligen Antragszeitpunkt die vorgetragene Abtretungssumme ausdrücklich ausgeklammert und für die beiden Fortzahlungsanträge die jeweils zu diesen Zeitpunkten bestehenden Salden angesetzt. Zudem ergibt sich auch aus den von der Klägerin selbst eingereichten Berechnungen für alle drei Antragszeitpunkte ein jeweils die geltenden Vermögensfreibeträge übersteigender Vermögensbestand.

Die erfolgte Berücksichtigung der tatsächlich vorhandenen Vermögenssummen zu jedem Antragszeitpunkt entspricht auch der durchgehend geltenden Rechtslage im SGB II, weil nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl.: Urteil vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 14/08 B) die Berücksichtigung von Vermögen iSv § 12 SGB II nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen dem bisherigen Recht der Arbeitslosenhilfe folgt. Die dort ursprünglich vertretene Auffassung einer nur einmaligen Berücksichtigung des gleichen Vermögens wurde mit § 9 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) vom 7. August 1974 (vgl.: BGBl I 1929) begründet, der in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden AlhiV (BGBl I 2001, 3734) nicht mehr enthalten war. Hieraus ergab sich nach der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Arbeitslosenhilfe, dass keine Zurechnung des Vermögens mehr auf einen fiktiven Verbrauchszeitraum erfolgte, sondern Bedürftigkeit solange ausgeschlossen wurde, wie Vermögen tatsächlich vorhanden war. An diese Rechtslage hat § 12 SGB II nach der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angeknüpft, weshalb weder das SGB II noch die Verordnung nach § 13 SGB II eine Vorschrift enthält, die der wiederholten Berücksichtigung von Vermögen entgegensteht. Vielmehr spricht der in § 3 Abs. 1 und 3 sowie § 9 Abs. 1 SGB II statuierte Grundsatz der Subsidiarität - auch nach der einhelligen Meinung in der Kommentarliteratur zu § 12 SGB II (vgl. nur: Mecke in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 12 Rn 49) - dafür, dass tatsächlich vorhandenes Vermögen auch mehrfach mit leistungsausschließender Wirkung zu berücksichtigen ist. Hieran kann auch die Konstruktion von das Vermögen mindernden Erstattungsverpflichtungen nichts ändern. Unabhängig von der Frage des Entstehungszeitpunkts von Erstattungsansprüchen wegen rechtswidriger Leistungsbewilligung mindern derartige Verpflichtungen als Verbindlichkeiten weder den Vermögenswert noch die Möglichkeiten der Verwertbarkeit.

Die drei erfolgten streitigen Leistungsbewilligungen sind auch zu keinem Zeitpunkt während der streitigen Leistungszeiträume durch Eintritt einer Hilfebedürftigkeit der Klägerin rechtmäßig geworden, weil nicht ersichtlich ist, dass das Vermögen tatsächlich in einem zur Unterschreitung des jeweiligen Vermögensfreibetrags führenden Umfang verbraucht wurde. Der fingierte Eintritt der Hilfebedürftigkeit durch einen "fiktiv berechneten Vermögensverbrauch" kommt im Rahmen des SGB II nicht in Betracht. Ein Hilfebedürftiger ist nach dem in § 3 Abs. 1 und 3 sowie § 9 Abs. 1 SGB II statuierten Grundsatz der Subsidiarität solange auf sein tatsächlich verfügbares Vermögen zu verweisen, bis dieses in einem zur Unterschreitung des jeweiligen Vermögensfreibetrags führenden Umfang verbraucht ist (vgl.: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juli 2011 - L 12 AS 4994/10; Mecke in Eicher, SGB II, § 12 Rn 49). Die früher im Bereich der Sozialhilfe abweichend vertretene Auffassung der Gegenüberstellung von Vermögen und Bedarf eines Bedarfszeitraums und der Bewilligung etwaig ungedeckt bleibender Bedarfsanteile hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahr 1997 ausdrücklich aufgegeben (vgl.: Urteil vom 19. Dezember 1997 - 5 C 7/96 - BVerwGE 106, S. 105 ff.).

Die ausgeführten Grundsätze der anspruchsausschließenden Wirkung tatsächlich verfügbarer Vermögenswerte führen weiterhin dazu, dass im Rahmen der Aufhebung und Rückforderung alle rechtswidrigen Bewilligungen vollständig aufzuheben und zu erstatten sind (so auch: Landessozialgericht Baden-Württemberg, aaO. und Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. März 2010 - L 5 AS 2340/08). Für eine Beschränkung des Rückforderungsbetrags auf das (fiktiv) bei rechtzeitiger und vollständiger Angabe maximal zu verbrauchende Vermögen als gebotene Wiederherstellung der "materiell zutreffenden Rechtslage" (so im Ergebnis: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. Juli 2012 - L 5 AS 56/10 - und Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2011 - S 13 AS 1217/09) fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Die insoweit zur Begründung herangezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 1986 (Az.: 5 B 10/85) bezog sich auf den abweichenden Fall einer rechtswidrig überhöhten Bewilligung von BAföG-Leistungen wegen verschwiegenen Vermögens und der dabei für die Behörde gebotenen rückschauenden Überprüfung der rechtmäßigen Förderungsbemessung und damit wesentlich auf die im Rahmen von § 45 SGB X gesetzlich gebotene Ermessensausübung unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände. Demgegenüber beinhaltet der über § 40 Abs. 2 SGB II bei rechtswidrigen Leistungsbewilligungen nach dem SGB II anwendbare § 330 Abs. 2 SGB III für die Fälle nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X die gesetzliche Normierung einer gebundenen Entscheidung unter Ausschluss einer Ermessensausübung (vgl.: Brand, SGB III, 6. Aufl., § 330 Rn 22). Für allgemeine Angemessenheitserwägungen ist daher bei Erfüllung der gesetzlichen Aufhebungsvoraussetzungen hinsichtlich rechtswidriger Leistungsbewilligungen nach dem SGB II kein Raum mehr. Die ausdrücklich erfolgte Einbeziehung von § 330 Abs. 2 SGB III schließt mangels einer Regelungslücke auch jede einschränkende Auslegung aus. Hätte der Gesetzgeber im Rahmen des SGB II für Aufhebungen und Rückforderungen nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X Beschränkungen vorsehen oder jedenfalls in Einzelfällen möglich machen wollen, hätte in Ansehung der existierenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Aufhebungs- und Rückforderungsumfang überhöht bewilligter BAföG-Leistungen wegen verschwiegenen Vermögens eine entsprechende Normierung erfolgen oder jedenfalls die Einbeziehung von § 330 Abs. 2 SGB III unterbleiben müssen. Auch § 50 SGB X sieht für den Fall der Aufhebung einer Bewilligungsentscheidung eine gebundene Entscheidung ohne Ermessensspielraum vor (vgl.: Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 50 Rn 18).

Die Erstattungsforderung rechtfertigt sich vor diesem Hintergrund aus § 40 Abs. 3 SGB II iVm § 50 SGB X. Soweit die vom Beklagten insoweit berechneten EUR 5.738,29 die eigentlich unter Berücksichtigung der ergangenen Bewilligungen zu erstattenden EUR 6.061,72 unterschreiten, ist die Klägerin jedenfalls nicht beschwert. Eine Beschränkung der Aufhebungs- und Rückforderungssumme nach § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II kommt gemäß § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB II iVm § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung des § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).