Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 29.04.2014, Az.: L 2/12 R 113/12

Arbeitseinkommen; Betriebsaufgabe; Hinzuverdienst; Jahressteuerbescheid

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
29.04.2014
Aktenzeichen
L 2/12 R 113/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42395
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 06.03.2012 - AZ: S 5 R 106/10

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine sachgerechte Anwendung der Hinzuverdienstvorschriften nach §§ 96 a, 34 SGB VI bedingt eine zusätzliche sozialrechtliche Bewertung, bezogen auf welche Monate von einer Erzielung der im Steuerbescheid ausgewiesenen Jahreseinkünfte auszugehen ist, sofern von Seiten des Versicherten substantiiert eine unterjährige Gewinnerzielung aufgezeigt und belegt wird.

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg wird auf die Berufung der Klägerin geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2010 wird unter Abweisung der Klage im Übrigen aufgehoben, soweit der Rentenbewilligungsbescheid vom 28. Februar 2005 auch für die Monate Januar bis September 2007 aufgehoben worden ist und soweit der Klägerin die Erstattung eines höheren Betrages als 269,11 € aufgegeben worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 9/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1943 geborene Klägerin wendet sich gegen eine (Teil-)Rückforderung der ihr in den Monaten Januar bis Oktober 2007 gewährten Altersrente für Frauen.

Die Klägerin, die seinerzeit in Bad Z. eine Pension mit dem Namen „I. J.“ führte, bezog seit dem 1. August 2004 eine von der Beklagten zuletzt mit Bescheid vom 28. Februar 2005 berechnete Altersrente für Frauen. Bereits im ersten Rentenbescheid vom 13. Dezember 2004 hatte die Beklagte darauf hingewiesen, dass bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres der Rentenanspruch zu kürzen sei, wenn die gesetzlichen Hinzuverdienstgrenzen insbesondere in Höhe von monatlich 345 € für die Vollrente, 403,12 € für eine Teilrente in Höhe von zwei Dritteln und 913,24 € für eine solche in Höhe von einem Drittel der Vollrente überschritten würden.

Das Grundstück, auf dem sich die Pension befand, stand im Eigentum der Klägerin. Dieses Grundeigentum wurde zu 70 % für den Pensionsbetrieb und zu 30 % für private Zwecke genutzt, weshalb die Finanzbehörden bei den jährlichen Steuerfestsetzungen einen Anteil von 70 % des steuerrechtlich erfassten Grundstückswertes als Betriebsvermögen berücksichtigt hatten.

Die Einkünfte aus der Pension waren zunächst so gering, dass die Rente in ungekürzter Höhe gewährt wurde, und zwar im Jahr 2007 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 379,14 € für die Monate Januar bis März 2007, in Höhe von monatlich 380,39 € für die Monate April bis Juni 2007 und in Höhe von monatlich 382,42 € für die Monate Juli bis Oktober 2007.

Im Jahr 2006 erzielte die Klägerin mit dem Pensionsbetrieb ausweislich des Einkommensteuerbescheides des Finanzamtes K. vom 13. Dezember 2007 einen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigten Jahresgewinn von 1.013 €. Damit lag sie unter den Hinzuverdienstgrenzen.

Mit Schreiben vom 1. November 2007 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie die Pension „zum 31.10.2007 aufgegeben“ habe.

Im Hinblick auf eine damit verbundene Änderung in der Krankenversicherung nahm die Beklagte mit Bescheid vom 11. Januar 2008 eine Neuberechnung der der Klägerin gewährten Altersrente ab dem 1. November 2007 vor.

Im Zuge der Aufgabe der Pension wurde steuerrechtlich der bislang dem Betriebsvermögen zugeordnete Anteil von 70 % an dem Pensionsgrundstück, der in der Bilanz zum 31. Dezember 2007 einen Buchwert von 132.426,46 € aufwies, in das Privatvermögen der Klägerin überführt. In diesem Zuge wurde der Zeitwert des Gebäudes gutachterlich mit 257.500 € ermittelt. Hiervon ausgehend ergab sich für den zuvor dem Betriebsvermögen zugeordneten Anteil von 70 % ein anteiliger Zeitwert von 180.250 €. Die Differenz zwischen dem Buchwert von 132.426,46 € und dem anteiligen Zeitwert von 180.250 € versteuerte die Klägerin als Entnahme im Zuge der Betriebsaufgabe.

Hiervon ausgehend erzielte die Klägerin ausweislich des Jahreseinkommensteuerbescheides des Finanzamtes K. vom 27. August 2009 im Jahr 2007 Einkünfte aus Gewerbebetrieb zum einen in Form eines Verlustes in Höhe von 3.500 € aus dem (bis Oktober 2007 fortgeführten) laufenden Pensionsbetrieb sowie einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 57.823 €. Von letztem wurde steuerrechtlich in Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG ein Freibetrag in Höhe von 45.000 € in Abzug gebracht, so dass nach Verrechnung mit dem Verlust von 3.500 € zu versteuernde Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 9.323 € verblieben.

Diese steuerrechtlichen Feststellungen wertete die Beklagte in dem Sinne, dass die Klägerin in den ersten zehn Monaten des Jahres 2007, d.h. bis zur Aufgabe des Pensionsbetriebes zum 31. Oktober 2007, monatlich einen bei der Rentenberechnung zu berücksichtigenden Gewinn in Höhe jeweils eines Zehntels des genannten Jahresbetrages von 9.323 € erzielt habe, monatlich mithin 932,30 €. Unter dieser Annahme könne die Klägerin für die ersten beiden Monate des Jahres 2007, für die nach den gesetzlichen Vorgaben die doppelte Hinzuverdienstgrenze in Ansatz zu bringen sei, die ihr gewährte Altersrente nur in Höhe der Hälfte und in den folgenden acht Monaten aufgrund der Überschreitung der einfachen Hinzuverdienstgrenze auch nur für eine Teilrente von einem Drittel gar nicht mehr beanspruchen.

Dementsprechend hob die Beklagte nach vorausgegangener Anhörung mit Bescheid vom 11. Februar 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2010 gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X den Rentenbewilligungsbescheid vom 28. Februar 2005 für die Monate Januar bis Oktober 2007 auf und forderte die Klägerin zur Erstattung des überzahlten Betrages in Höhe von 3.429,13 € auf.

Mit der am 26. Mai 2010 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass der versteuerte Betrag von 57.823,54 € keinen realen Gewinn für sie bedeutet habe. Zivilrechtlich sei sie vor und nach der Betriebsaufgabe Eigentümerin des Pensionsgrundstücks gewesen. Der Betrag sei auch nicht nach „den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts“ im Sinne von § 15 SGB IV zu versteuern, sondern nach der Sondervorschrift des § 16 EStG.

Mit Urteil vom 6. März 2012, den Beteiligten jeweils am 29. März 2012 zugestellt, hat das Sozialgericht Oldenburg die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und unter Abweisung der Klage im Übrigen zu einer Neuberechnung des Rückforderungsbetrages mit der Maßgabe verurteilt, dass für die Monate Januar und Februar 2007 ein Anspruch auf eine Zweidrittelrente und für die Monate März bis Oktober 2007 ein Anspruch auf eine Drittelrente zugrunde zu legen sei, wobei der sich dabei ergebende Anspruch jeweils um den Betrag zu mindern sei, um den das von der Klägerin „erzielte monatliche Einkommen lt. Einkommensteuerbescheid vom 12.02.2008“ die jeweils maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen dieser Ansprüche überstiegen habe. Die Beklagte habe im Grundsatz zutreffend die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Rückforderung gestützt auf § 50 SGB X i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X dargetan, da auch der Aufgabegewinn zu dem nach § 15 SGB IV zu berücksichtigen Arbeitseinkommen zähle. Die Rentenbewilligung dürfe nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X rückwirkend jedoch nur in Höhe des Mehrverdienstes aufgehoben werden, um den die zulässige Hinzuverdienstgrenze überschritten worden sei.

Mit der am 24. April 2012 eingelegten Berufung strebt die Klägerin eine vollumfängliche Aufhebung der angefochtenen Bescheide an. Das BSG habe bislang noch nicht rechtsgrundsätzlich zur Einordnung von Veräußerungsgewinnen Stellung genommen. Richtigerweise seien entsprechende Gewinne ohnehin nicht als berücksichtigungsfähiges Arbeitseinkommen auf einen Altersrentenbezug anzurechnen. Jedenfalls dürfe der Veräußerungsgewinn aber nicht verteilt auf die ersten zehn Monate des Jahres 2007 zu Lasten der Klägerin berücksichtigt werden, er sei vielmehr nur einmalig zum Zeitpunkt der Aufgabe am 31. Oktober 2007 erzielt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 6. März 2012 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2010 insgesamt aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet. Bezogen auf die Rentenbezugsmonate Januar bis September 2007 ist der angefochtene Rückforderungsbescheid mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen insgesamt aufzuheben. Demgegenüber hat die Beklagte materiell-rechtlich zutreffend die Klägerin zur Erstattung der ihr für den Monat Oktober 2007 gewährten Rentenleistungen für verpflichtet erachtet. Diesbezüglich ist in prozessualer Hinsicht allerdings zu berücksichtigen, dass die Rückforderung der der Klägerin für diesen Monat in Höhe von 382,42 € gewährten Rentenleistungen in Höhe eines Teilbetrages von 113,31 € bereits vom Sozialgericht mit dem - von Seiten der Beklagten ausdrücklich nicht angefochtenen - Urteil vom 6. März 2012 aufgehoben worden ist (vgl. zu den Einzelheiten der Bestimmung der Reichweite der erstinstanzlich ausgesprochenen Teilaufhebung die - von den Beteiligten in der Sache, abgesehen von den von der Klägerin im Schriftsatz vom 23. April 2014 zutreffend angesprochenen Übertragungsfehler in Höhe von 0,09 €, ausdrücklich geteilte - in der Senatsverfügung vom 22. April 2014 dargelegte Bewertung); der Senat hat diese Rückforderung daher nur noch zu überprüfen, soweit diese den bereits von der Teilaufhebung im erstinstanzlichen Urteil betroffenen Teilbetrag von 113,31 € überstiegen hat, d.h. bezogen auf den Monat Oktober 2007 nur in Höhe noch eines Teilbetrages von 269,11 €.

Materiell-rechtlich war die Beklagte berechtigt, die der Klägerin für den Monat Oktober 2007 zuerkannte Altersrente für Frauen gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X aufzuheben und die Klägerin nach § 50 SGB X zur Erstattung des für diesen Monat gezahlten Rentenbetrages aufzufordern. Dementsprechend greift die Klägerin vergeblich die angefochtenen Bescheide hinsichtlich des für diesen Monat noch im Berufungsverfahren zu überprüfenden Rückforderungsbetrages von 269,11 € an.

Im Übrigen sind die angefochtenen Bescheide jedoch aufzuheben, da die Klägerin in den Monaten Januar bis September 2007 kein auf die Altersrente anzurechnendes Arbeitseinkommen bezogen hat, so dass ihr für diese Monate die Rente in ungekürzter Höhe zustand.

Nach § 34 Abs. 2 SGB VI besteht Anspruch auf eine Rente wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in § 34 Absatz 3 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 3 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die in Satz 2 genannten Einkünfte werden zusammengerechnet. Nicht als Arbeitsentgelt gilt das Entgelt, das (Nr. 1) eine Pflegeperson von dem Pflegebedürftigen erhält, wenn es das dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld im Sinne des § 37 des Elften Buches nicht übersteigt, oder (Nr. 2) ein behinderter Mensch von dem Träger einer in § 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Einrichtung erhält.

Die Hinzuverdienstgrenze beträgt nach § 34 Abs. 3 SGB VI bei einer Rente wegen Alters als Vollrente ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße, (Nr. 2) bei einer Rente wegen Alters als Teilrente von (a) einem Drittel der Vollrente das 23,3fache, (b) der Hälfte der Vollrente das 17,5fache und (c) zwei Dritteln der Vollrente das 11,7fache des aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI), vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) der letzten drei Kalenderjahre vor Beginn der ersten Rente wegen Alters, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten.

Dabei normiert § 15 Abs. 1 SGB IV ergänzend, dass Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit ist. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist.

Gewinn in diesem Sinne ist nach der - augenscheinlich zu den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts zählenden - grundlegenden Bestimmung in § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen, wobei (Satz 2) Entnahmen alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen) sind, die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat.

Bereits aus dieser grundlegenden Vorschrift ergibt sich, dass mit der Entnahme des betrieblich genutzten Anteils von 70 % an dem Pensionsgebäude zum 31. Oktober 2007 aus dem Betriebsvermögen der Wert dieser Entnahme gewinnerhöhend zu berücksichtigen ist (vgl. auch Wacker in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 33. Aufl. 2014, § 16, Rn. 6). § 16 EStG weist in diesem Zusammenhang lediglich eine klarstellende Funktion auf; ansonsten enthält diese Vorschrift insbesondere Sonderregelungen im Sinne einer Reduzierung der Steuerlasten (vgl. zu den Einzelheiten Wacker, aaO, Rn. 6 ff.).

Dementsprechend ist in der Rechtsprechung des BSG auch im Grundsatz geklärt, dass § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IV es ausschließt, dass der Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit für die Zwecke der Sozialversicherung anders ermittelt wird als im Einkommensteuerrecht (BSG, Urteil vom 22. September 1999 – B 5 RJ 54/98 R –, BSGE 84, 277). Dass die Ermittlung des Arbeitseinkommens nach den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts zu folgen hat, hat der Gesetzgeber insbesondere auch durch die Streichung des früheren Satzes 2 in § 15 SGB IV durch Art 3 Nr 2 Agrarsozialreformgesetz 1995 vom 29.7.1994 (BGBl I 1890) deutlich gemacht, nach dem bei der Ermittlung des Gewinns steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen und Veräußerungsgewinne abzuziehen waren. Wenn in der BSG-Rechtsprechung beispielsweise geklärt ist, dass eine steuerrechtlich berücksichtigungsfähige Ansparrücklage auch sozialrechtlich als Minderung des Arbeitseinkommens zu berücksichtigen ist (BSG, Urteil vom 06. November 2008 – B 1 KR 28/07 R –, SozR 4-2500 § 47 Nr 10), dann ist umgekehrt gleichermaßen eine steuerrechtlich gewinnsteigernd zu berücksichtigende Entnahme auch sozialrechtlich als Arbeitskommen in Ansatz zu bringen.

Die Höhe des Entnahmegewinns hat das Finanzamt K. im Einkommensteuerbescheid vom 27. August 2009 unter Heranziehung der entsprechenden Angaben der Klägerin in der Einkommensteuererklärung auf 57.823 € festgesetzt.

Ob darüber hinaus auch sozialrechtlich der Veräußerungsgewinn unter Heranziehung der Regelung in § 16 Abs. 4 EStG nur zu berücksichtigen ist, soweit er 45.000 Euro übersteigt, weil ihn das Finanzamt entsprechend dem Antrag der Klägerin nach dieser Vorschrift auch nur insoweit „zur Einkommensteuer herangezogen“ hat, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner abschließenden Entscheidung. Es kann letztlich offen bleiben, ob unter dem „nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn“ im Sinne des § 15 SGB IV der gesamte steuerrechtliche Gewinn als solcher oder nur derjenige Anteil an diesem Gewinn zu berücksichtigen ist, der zur Einkommensteuer auch „heranzuziehen“ ist. Selbst wenn zugunsten der Klägerin nur der im Ergebnis verbleibende und auch zur Einkommensteuer heranzuziehende Betrag von 9.323 € heranzuziehen ist, hat sie keinen Anspruch auf eine Rentengewährung für den Monat Oktober 2007.

Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung des Arbeitseinkommens ist nach dem letztlich klaren Wortlaut des § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB VI der jeweilige Kalendermonat.

Ein (teilweises) Entfallen von monatlichen Rentenansprüchen setzt voraus, dass das für denselben Zeitraum tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit die in § 34 Abs. 3 SGB VI bzw. § 96a Abs. 2 SGB VI genannten, auf einen Monat bezogenen Beträge übersteigt (BSG, Urteil vom 09. Oktober 2012 – B 5 R 8/12 R –, BSGE 112, 74). Auch unter Berücksichtigung des einkommensteuerrechtlichen Jährlichkeitsprinzips (§§ 4 Abs 1 S 1, 36 Abs 1 EStG) hat der Gesetzgeber im vorliegenden Zusammenhang für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit keine Ausnahmen von dem Grundsatz vorgesehen, dass die Höhe des monatlichen Rentenanspruchs danach zu bestimmen ist, ob das in demselben Zeitraum erzielte Arbeitseinkommen die gesetzlichen Grenzwerte nach § 34 Abs. 3 SGB VI überschritten hat.

Es ist damit keine Entscheidung des Gesetzgebers festzustellen, dass bei Einkünften insbesondere aus Gewerbebetrieb ausnahmslos bei der Anwendung des § 34 Abs. 2 SGB VI abweichend vom erläuterten gesetzlichen Wortlaut nicht auf den Monat des Zeitpunkts der Erzielung der entsprechenden Einkünfte, sondern auf das jeweilige Kalenderjahr abzustellen ist.

Dementsprechend schließt auch die Rechtsprechung des BSG nicht grundsätzlich die Möglichkeit aus, dass Selbstständige von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit des zweimaligen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze Gebrauch machen können, wenn sie ihre Einkünfte Monat für Monat nachweisen, so dass eine Gegenüberstellung dieser Einkünfte mit den monatlichen Hinzuverdienstgrenzen möglich ist (BSG, Urteil vom 03. Mai 2005 – B 13 RJ 8/04 R –, BSGE 94, 286).

Allerdings hat das BSG im Urteil vom 9. Oktober 2012 (– B 5 R 8/12 R –, BSGE 112, 74) dargelegt, dass bei einer Gewinnermittlung auf Jahresbasis ein konkreter Gewinn für einzelne Monate nicht jeweils parallel ermittelt und unterjährig laufend der jeweiligen monatlichen Hinzuverdienstgrenze gegenübergestellt werden könne, sondern dass erst im Nachhinein im Wege der Division des Jahreseinkommens durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, die Möglichkeit bestehe, ein durchschnittliches Monatseinkommen zu ermitteln. Insoweit geht es allerdings offenbar nicht von einem ohne Ausnahme anzuwenden Grundsatz aus. Es hat diesen Ansatz vielmehr ausdrücklich mit der Einschränkung versehen, dass dies „jedenfalls grundsätzlich und in aller Regel“ zu gelten habe, was die Zulässigkeit von Ausnahmen namentlich in atypisch gelagerten Ausnahmefällen wie dem vorliegenden jedenfalls nahelegt.

Im Übrigen machen gerade die vorstehenden Ausführungen des BSG deutlich, dass im Interesse einer sachgerechten Anwendung der Hinzuverdienstvorschriften nach §§ 96a, 34 SGB VI die steuerrechtlichen Feststellungen im Einkommensteuerbescheid nicht unbesehen in die Rentenberechnung übertragen werden können. Das BSG verlangt ausdrücklich eine „Division des Jahreseinkommens durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde“, also nicht einfach eine Teilung des Jahreseinkommens durch die insgesamt zwölf Kalendermonate, obwohl der Jahreseinkommensteuerbescheid regelmäßig (und auch im vorliegenden Fall) keine näheren Aussagen darüber enthält, in welchen Monaten die jeweiligen Einkünfte „erzielt“ worden sind. Insofern bedarf es einer zusätzlichen sozialrechtlichen Bewertung, bezogen auf welche Monate von einer „Erzielung“ der im Steuerbescheid ausgewiesenen Jahreseinkünfte auszugehen ist, sofern von Seiten des Versicherten - wie auch im vorliegenden Fall, substantiiert eine unterjährige Gewinnerzielung aufgezeigt und belegt wird.

Soweit das BSG im Urteil vom 22. September 1999 (– B 5 RJ 54/98 R –, BSGE 84, 277) darauf abgestellt hat, dass die Finanzverwaltung im Jahreseinkommensteuerbescheid „faktisch von einem Rumpfwirtschaftsjahr“ ausgegangen sei, erschließt sich anhand der Entscheidungsgründe nicht abschließend, auf welche konkreten in diesem Steuerbescheid getroffenen Feststellungen sich diese Wertung beziehen soll. Im vorliegenden Fall enthält der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 jedenfalls keine im Sinne der faktischen Zugrundelegung eines Rumpfwirtschaftsjahres zu interpretierenden Erläuterungen.

Hinsichtlich der maßgeblichen Kalendermonate, in denen die im Jahressteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte „erzielt“ worden sind, ist überdies zu berücksichtigen, dass steuerrechtlich unter einer Betriebsaufgabe ein komplexer sich mitunter auch über viele Monate hinweg erstreckender Vorgang zu verstehen ist. Eine solche Betriebsaufgabe liegt vor, wenn aufgrund eines Entschlusses des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, die bisher in diesem Betrieb entfaltete betriebliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang, d.h. innerhalb kurzer Zeit entweder insgesamt klar und eindeutig, äußerlich erkennbar in das Privatvermögen überführt bzw. anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt oder insgesamt einzeln an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt werden und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört, wobei in diesem Zusammenhang ein Abwicklungszeitraum von 36 Monaten unter keinen Umständen mehr als "kurzer" Betriebsaufgabezeitraum anerkannt werden kann (BFH, Urteil vom 26. April 2001 – IV R 14/00 –, BFHE 195, 290 mwN).

Bei der Konkretisierung der vorstehend erläuterten Grundsätze ist überdies auch zu berücksichtigen, dass sozialrechtlich kein anerkennenswerter Grund dafür ersichtlich ist, den Bezieher einer entsprechenden Rente dazu zu bewegen, die Aufgabe seines Betriebes mit der damit verbundenen steuerrechtlichen Auflösung von stillen Reserven auf den Beginn eines Kalenderjahres zu terminieren (weil dann ein für ihn unter Berücksichtigung der sozialrechtlichen Anrechnungsvorschriften günstiges Rumpfwirtschaftsjahr nur aus den ersten Kalendermonaten des Jahres, ggfs. sogar nur aus dem Monat Januar, zu bilden wäre), wohingegen er (nach entsprechender Beratung) von entsprechenden Maßnahmen gegen Ende eines Kalenderjahres besser absehen sollte (weil dann die aufzulösenden stillen Reserven auf bis zu zwölf Rentenbezugsmonate rentenmindernd anzurechnen wären). Es besteht kein Anlass, in diesem Sinne auf die grundrechtlich (Art. 12 Abs. 1 GG) geschützte Berufsausübungsfreiheit der Betroffenen einzuwirken.

Im Ergebnis ist damit der Senat der Auffassung, dass die Klägerin den Veräußerungsgewinn nur im Oktober 2007 im Sinne der erläuterten Rechtsprechung „erzielt“ hat. Bezogen auf diesen Monat hat dieser Gewinn, auch wenn er nur in Höhe von 9.323 € anzusetzen sein sollte, nicht nur die einfache, sondern auch die doppelte Höhe der Hinzuverdienstgrenzen des § 34 Abs. 2 SGB VI, und zwar auch die für den Bezug einer Teilrente von nur einem Drittel maßgebliche Grenze, überschritten.

Einen steuerrechtlichen Gewinn aus dem Betrieb der Pension hat die Klägerin nur in Form der Entnahme des Betriebsanteils an dem Pensionsgrundstück in Form seiner Überführung in ihr Privatvermögen erzielt. Diese Entnahme ist einmalig im Oktober 2007 erfolgt. In den vorausgegangenen Monaten gehörte dieser Betriebsanteil noch zu dem Betriebsvermögen des seinerzeit noch fortgeführten Pensionsbetriebes, der im Übrigen in den ersten neun Monaten des Jahres 2007 ausweislich insbesondere auch des Einkommensteuerbescheides mit Verlusten verbunden war.

Im Übrigen wären selbst unter Zugrundelegung der von der Beklagten befürworteten materiell-rechtlichen Bewertung für die Monate Januar bis September 2007 mangels eines Vermögenszuwachses auch nur im steuerrechtlichen Sinne die Voraussetzungen für einen atypischen Fall festzustellen, aufgrund dessen die Beklagte bei der Anwendung des § 48 SGB X zur Ausübung von Ermessen verpflichtet gewesen wäre.

Das Wort "soll" in Abs. 1 Satz 2 des § 48 SGB X bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann (vgl. BSG vom 5.10.2006 - B 10 EG 6/04 R - SozR 4-1300 § 48 Nr 8) . Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden (BSGE 69, 233, 237 [BSG 18.09.1991 - 10 RKg 5/91] = SozR 3-5870 § 20 Nr 3; SozR 3-1300 § 48 Nr 42; SozR 3-1300 § 48 Nr 37; jeweils mwN). Ob ein atypischer Fall vorliegt, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab (BSG SozR 1300 § 48 Nr 44). Es kommt darauf an, ob der Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach Abs. 1 Satz 2, die die Aufhebung des Verwaltungsakts für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht und die vorgesehene Rechtsfolge für den Betroffenen eine unverhältnismäßige Härte darstellen würde. Dabei ist die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt oder nicht, nicht losgelöst davon zu beurteilen, welcher der in den Nr 1 bis 4 vorausgesetzten Tatbestände erfüllt ist (BSG SozR 1300 § 48 Nr 53 S 149) . Zu berücksichtigen ist auch die Frage, ob die Rückerstattung nach Lage des Falls eine Härte bedeutet, die den Leistungsbezieher in untypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen (vgl BSGE 74, 287, 294 [BSG 29.06.1994 - 1 RK 45/93] = SozR 3-1300 § 48 Nr 33 mwN).

Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Erforderlich ist eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung, dass und welche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattgefunden hat und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen ist. Formelhafte Wendungen, etwa dass "keine Besonderheiten gegeben" seien oder "hinsichtlich der Umstände nichts Besonderes ersichtlich" sei, reichen für die vorgeschriebene Begründung von Ermessensentscheidungen nicht aus, weil bei derartigen "Leerformeln" nicht nachgeprüft werden kann, ob die Verwaltung von ihrem Ermessen überhaupt und ggfs. in einer dem Zweck der ihr erteilten Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BSG, U.v. 18. April 2000 - B 2 U 19/99 R - SozR 3-2700 § 76 Nr 2). Eine diesen Anforderungen genügende Begründung einer Ermessensausübung lässt sich dem angefochtenen Widerspruchsbescheid nicht entnehmen; dessen Begründung befasst sich gerade nicht mit der Besonderheit des Fehlens eines Arbeitseinkommens in den Monaten Januar bis September 2007.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.