Sozialgericht Hannover
Beschl. v. 30.07.2015, Az.: S 82 AS 2607/15 ER
Schlüssiges Konzept
Bibliographie
- Gericht
- SG Hannover
- Datum
- 30.07.2015
- Aktenzeichen
- S 82 AS 2607/15 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 44837
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 22 Abs 1 S 1 SGB 2
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die These, die "normativ das 33% Quantil festgelegt, welches das untere Drittel des Wohnungsmarktes als einfachen Wohnungsstandard festlegt", erweist sich nicht als wissenschaftlich fundiert.
Tenor:
Den Antragstellern werden vorläufig vom 19. Juli bis zum 31. Dezember 2015 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 88,60 Euro monatlich gewährt.
Diese Anordnung ist auflösend bedingt durch die bestands- oder rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache. Die vorläufig gewährten Leistungen unterliegen gegebenenfalls der Rückforderung durch den Antragsgegner.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller sind zu 1/4 vom Antragsgegner zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II, namentlich Leistungen für laufenden Unterhalt, Miete und Krankenversicherung.
Die Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller, bestehend aus der am 04. April 1966 geborenen Antragstellerin zu 1.), der am 24. Februar 1996 geborenen Antragstellerin zu 2.) und der am 22. Juni 2001 geborenen Antragstellerin zu 3.), bezog Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner.
Ausweislich des Weiterbewilligungsantrages vom 09. Juni 2015 und des beigefügten Mietvertrages über Wohnraum vom 28. Mai 2015 belaufen sich die Kosten der Unterkunft der 93 m² großen Vier-Zimmer Wohnung unter der Wohnanschrift G. seit dem 01. Juni 2015 auf 558,00 Euro (Grundmiete) und 102,00 Euro (Betriebskostenvorauszahlung) monatlich und die Kosten der Heizung auf 80,00 Euro (Heizkostenvorauszahlung) monatlich.
Ausweislich des Vermerks über ein persönliches Gespräch mit der Antragstellerin zu 1.) vom 26. Mai 2015 hatte diese kein Mietangebot dabei. Der Teamleiter H., habe der Antragstellerin zu 1.) bereits zuvor die Mietobergrenze erläutert. Die Notwendigkeit für den Umzug liege vor, da die derzeitige Wohnung zum 31. Mai 2015 zwangsgeräumt werde.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16. Juni 2015 beantragen die Antragsteller die Gewährung von Erstausstattung und Umzugskosten in Gesamthöhe von 2.068,00 Euro.
Mit dem am 19. Juli 2015 eingegangenen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verfolgen die Antragsteller ihr Begehren vorläufig gerichtlich fort.
Die Antragsteller sind der Ansicht, dass sie ein Anrecht auf ein Leben in menschenwürdigen Umständen hätten. Der Bewilligungsbescheid sei rechtwidriger Weise nicht an den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller bekannt gegeben worden. Der Mehrbedarf für Alleinerziehende sei nicht in richtiger Höhe gewährt. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso eine Erstausstattung nur als Darlehen gewährt worden sei. Der Antragsgegner habe von Amts wegen eine Übernahmeerklärung hinsichtlich der neuen Wohnungsmiete ausstellen müssen. Ferner sei von Amts wegen die Mietkaution darlehensweise zu übernehmen. Die örtliche Mietobergrenze erweise sich als rechtswidrig, da sie mit Hilfe fehlender Zahlen vom Statistikamt geschätzt worden und damit willkürlich festgesetzt worden sei.
Die Antragsteller beantragen daher,
die gesetzlichen Regelbedarfsleistungen zu überweisen seit Juni 2015 für die Antragsteller 1.) bis 3.),
die gesetzlich notwendigen Leistungen für Miete und Nebenkosten zu überweisen, fällig seit Juni 2015,
die gesetzlich notwendigen Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung zu überweisen seit Juni 2015 und
in beantragten Umfange Leistungen zur Einrichtung der neuen Wohnung zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen, soweit keine Teilerledigung eingetreten ist.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass sein Bescheid vom 15. Juli 2015 sich als rechtmäßig erweise.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte (vorgelegt im Stand seit dem 28. April 2015) Bezug genommen.
II.
Der gem. § 86b Abs. 2 SGG zulässige Antrag ist teilweise begründet. Die Antragsteller haben Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch insoweit glaubhaft gemacht, als ihnen ein höherer Anspruch auf Kosten der Unterkunft aus § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in tenoriertem Umfang zusteht. Im Übrigen steht ihnen nach derzeitigem Sach- und Rechtsstand kein weitergehender Anordnungsanspruch zu.
1. Soweit der Antrag sich auf die vorläufige Gewährung der Regelbedarfe und die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung richtet, hat er sich mit der Bekanntgabe des Bescheids vom 15. Juli 2015 an die Antragsteller am 25. Juli 2015 erledigt.
Nachdem die Antragsteller die Kenntnisnahme am 25. Juli 2015 einräumen, ist der Bescheid gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X bekanntgegeben.
Der Bescheid gilt nicht bereits gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X als am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Der Bescheid weist keinen Absendungsvermerk aus.
Eine Bekanntgabe gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller war nicht unbedingt geboten. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden, § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Die Vorschrift verdrängt nach herrschender Meinung als Spezialvorschrift den allgemeinen § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X, nach dem sich die Behörde in typischen Fällen an den Bevollmächtigten wenden muss. (BSG v. 21.02.1985 - 11 RA 6/84 - juris Rn. 13 - SozR 1300 § 37 Nr. 1; LSG Nordrhein-Westfalen v. 16.05.1994 - L 5 (6) S 37/93; BVerwG v. 30.10.1997 - 3 C 35/96 - juris Rn. 32-34 - BVerwGE 105, 288-302; Krasney in: KassKomm-SGB, SGB X, § 37 Rn. 5; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, § 37 Rn. 10; Recht in: Hauck/Noftz, SGB X, K § 37 Rn. 13; Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 41 Rn. 39 f.; Wahrendorf in: Giese/Krahmer, SGB X, § 37 Rn. 5; Rieker, RV 2011, 8, 9, Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 37 SGB X, Rn. 85)
2. Den Klägern steht ein Anspruch auf Kosten der Unterkunft in Höhe von 611,60 Euro monatlich aus § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zu. Den Antragstellern waren daher vorläufig weitere 88,60 Euro monatlich an Kosten der Unterkunft zu gewähren.
a. Die Mietwerterhebung des Antragsgegners, unter deren Anwendung der Antragsgegner den Antragstellern Kosten der Unterkunft in Höhe von 523,00 Euro monatlich gewährt hat, erweist sich als rechtswidrig.
aa. In statistischer Hinsicht ergeben sich bei vorläufiger Überprüfung des Konzepts keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit.
Der Vorwurf, dass die örtliche Mietobergrenze mit Hilfe fehlender Zahlen vom Statistikamt geschätzt und damit willkürlich festgesetzt worden sei, überrascht. Vielmehr dürften Bestandsmietwerte aus 4 Jahren zum Stichtag 1. April 2014, die auch in den Mietspiegel der I. 2015 eingeflossen sind, der Erhebung zu Grunde liegen (Bericht Festlegung der Angemessenheitsgrenzen gemäß SGB II und XII für die 21 Kommunen der I. 2015, S. 7).
Weiteren Zweifeln an der Einhaltung der statistischen Methode kann gegebenenfalls in einem Hauptsachverfahren nachgegangen werden. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mag sich zunächst einmal mit dem Konzept des Antragsgegners im Einzelnen auseinandersetzen.
bb. Das Sozialgericht Hannover ist mit der Entscheidung vom 10. April 2015, Az. S 70 AS 5052/11, von der Rechtswidrigkeit des SGB-II-Mietwertkonzepts 2011 der I. und den Entscheidungen der 45. Kammer vom 31. März 2014 (Az. S 45 AS 143/14 ER) und vom 07. Juli 2014 (Az. S 45 AS 2869/14 ER), der Vorsitzenden der 82. Kammer vom 04. August 2014 (Az. S 70 AS 3428/14 ER), der 31. Kammer vom 21. Januar 2015 (Az. S 31 AS 5651/14 ER) und der 70. Kammer vom 22. Januar 2015 (Az. S 70 AS 5581/14, S 70 AS 4804/14, S 70 AS 4258/13 und S 70 AS 2053/13) und 26. März 2015 (S 70 AS 3823/14, abrufbar unter www.juris.de) von der Rechtswidrigkeit des SGB-II-Mietwertkonzepts 2013 der I. ausgegangen.
Die dort aufgeworfenen Unwirksamkeitsgründe greifen für das SGB-II-Mietwertkonzept 2015 der I. jedenfalls insoweit, als die Kappungsgrenze zur Definition des einfachen Standards in Höhe von 33 % der Spanne der erhobenen Mietwerte bestimmt worden ist und keine Prüfung der Verfügbarkeit von Wohnungen auf dem Angebotsmietmarkt zum vom Antragsgegner errechneten Angemessenheitswert erfolgt ist.
(1.) Die Angaben über die gezogenen Schlüsse (Kappungsgrenze in Höhe von 33 % der Spanne sämtlicher Mietwerte aus dem Mietspiegel 2015) erweisen sich vor dem Tatbestandsmerkmal „Validität der Datenerhebung“ als unzureichend. Die These des Beklagten, dass der einfache Standard durch die Kappungsgrenze am 33%-Perzentil der Mietpreisspanne abgebildet werden könnte, erweist sich als nicht wissenschaftlich fundiert. (Sozialgericht Hannover, Urteil vom 22. Januar 2015, Az. S 70 AS 5581/14, S. 7 und Sozialgericht Hannover, Urteil vom 26. März 2015, Az. S 70 AS 3823/14, www.juris.de, Rn. 22).
(a.) Im Konzept der I. wurde „normativ das 33%-Quantil festgelegt, welches das untere Drittel des Wohnungsmarktes als einfachen Wohnungsstandard festlegt“ (Bericht Festlegung der Angemessenheitsgrenzen gemäß SGB II und XII für die 21 Kommunen der I. 2015, S. 16).
Die Schlüssigkeit des Konzepts scheitert bereits daran, als dem Bericht des Antragsgegners an einer Begründung für diese normative Definition fehlt. Der Antragsgegner stellt nicht dar, wieso das untere Drittel des Wohnungsmarktes den einfachen Wohnungsstandard ausmachen soll.
(b.) Soweit der Antragsgegner ausführt, dass das Quantil „empirisch zumindest im Ergebnis belegt“ werden könne, geht dies fehlt. Eine abstrakt gesehene oder geschätzte Bedarfslage anhand des mutmaßlichen Anteils der Grundsicherungsbedürftigen und Geringverdienern an der Regionsbevölkerung belegt nicht die These des Antragsgegners.
Der Antragsgegner führt aus, dass zum Beleg zunächst einmal die Gruppe der in der sozialen Mindestsicherung lebenden Menschen zu betrachten seien. In der I. betrage die SGB II-Quote 12,9 % und bewege sich damit etwas über dem Landesschnitt von Niedersachsen (9,5 %). Weiterhin gehe der Gesetzgeber selbst von 15 bis 20 % der unteren Einkommensgruppen aus (§ 4 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz, RBEG), die ebenfalls Berücksichtigung finden müssten. Zusammengenommen liege der Konzeptwert mit 33 % der I. damit über der relevanten Nachfragergruppe für den preiswerten Wohnraum. Die Annahme einer 33 %-Grenze stelle somit einen Gleichlauf zur Bestimmung existenzsichernder Leistungen im Bereich der Regelleistungen und der Kosten der Unterkunft dar. (Bericht Festlegung der Angemessenheitsgrenzen gemäß SGB II und XII für die 21 Kommunen der I. 2015, S. 17).
Der Antragsgegner unterliegt dabei bereits einem Zirkelschluss: Nur weil in der Region 33 % der Einwohner Grundsicherungsbedürftige und Geringverdiener sind, folgt daraus nicht, dass auch 33 % der Wohnungen in der I. dem einfachen Standard entsprechen. Nur weil ein Bedarf in Höhe von 33 % der Einwohner bestehen soll, folgt daraus nicht dass 33 % der Wohnungen diesen Bedarf auch decken. Es wäre schön, wenn immer alles da ist, was man braucht. Das ist aber nicht immer überall so. Vielmehr soll der Antragsgegner definieren, was der einfache Standard ist. Dann soll er sorgfältig prüfen, ob und wo dies verfügbar ist.
Die These, dass drei Wohnungssegmente (einfach, mittel, gehoben) existieren und über die Kappungsgrenze das Drittel „einfach“ abgebildet werden kann, ist nicht belastbar, da auch Wohnungen oberhalb des Quantils von 33% noch einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen können (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 03. April 2014 – L 7 AS 786/11 –, Rn. 64, juris).
(c.) Auch die Tatsachen des lokalen Wohnungsmarkts machen die These des Beklagten, dass der einfache Standard durch die unteren 33 % der Mietpreisspanne abgebildet werden könne, nicht belastbar (Sozialgericht Hannover, Urteil vom 22. Januar 2015, Az. S 70 AS 5581/14, S. 8 und Sozialgericht Hannover, Urteil vom 26. März 2015, Az. S 70 AS 3823/14, www.juris.de, Rn. 25). Es ist nicht feststellbar, zu welchen Anteilen jeweils Wohnungen des einfachen, mittleren und gehobenen Standards in die Datengrundlage eingeflossen sind (Sozialgericht Hannover, Beschluss vom 07. Juli 2014, Az. S 45 AS 2869/14 ER, und Sozialgericht Hannover, Urteil vom 26. März 2015, Az. S 70 AS 3823/14, www.juris.de, Rn. 25; vergleiche grundsätzlich: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 03. April 2014 – L 7 AS 786/11 –, insbesondere Rn. 64, juris).
Auch im Rahmen seiner Mietwerterhebung 2015 hat der Antragsgegner sich nicht mit der Zusammensetzung des lokalen Mietmarkts im jeweiligen Vergleichsraum (hier: J.) auseinandergesetzt. Welche Qualität (gut einschätzbar beispielsweise an Baualtersklassen oder Wohnwertmerkmalen) in welchem Umfang auf dem Gesamtwohnungsmarkt und - zwecks Vermeidung einer Ghettobildung - den Stadtteilen verfügbar ist, kann dem Konzept des Antragsgegners gerade nicht entnommen werden.
cc. Ferner hat der Antragsgegner nicht regelrecht überprüft, ob zu den als angemessen ermittelten Mietpreisen in ausreichendem Umfang Wohnungen auf dem Angebotsmietmarkt verfügbar sind.
Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R –, Rn. 32, kann der Nachweis abstrakter Verfügbarkeit durch Betrachtung von Wohnungen „um die 50 qm" geführt werden, da eine Beschränkung auf die Wohnungen, die exakt eine Größe von 50 m² aufweisen, zu einer zu starken Reduzierung der in die Betrachtung einzubeziehenden Wohnungen führe.
Die Mietwerterhebung 2015 genügt diesem Maßstab nicht. Weder ist die Betrachtung anhand der Spanne von 10 m² unter der maßgebenden Größe bis 10 m² über der maßgebenden Größe erfolgt (Sozialgericht Hannover, Urteil vom 22. Januar 2015, Az. S 70 AS 5581/14, S. 11 f.). Noch ist die Verfügbarkeitsprüfung in jeder Größenklasse gesondert erfolgt (Sozialgericht Hannover, Urteil vom 22. Januar 2015, Az. S 70 AS 5581/14, S. 12 f.).
Der Antragsgegner hat bloß geprüft, ob mit dem Betrag ein vom Antragsgegner festgelegter Anteil (80 %) am geförderten Wohnungsbestand theoretisch anmietbar wäre (Bericht Festlegung der Angemessenheitsgrenzen gemäß SGB II und XII für die 21 Kommunen der I. 2015, S. 18).
Es ist aber nicht die erforderliche Auseinandersetzung mit den Angebotsmietmarkt erfolgt. Der Nachweis (abstrakter) Verfügbarkeit soll bezogen auf einen halbjährigen Kostensenkungszeitraum (vgl. § 22 Abs 1 S 3 SGB 2) geführt werden (Fortführung von BVerwG vom 31.8.2004 - 5 C 8/04). (SG Hannover, Urteil vom 22. Januar 2015 – S 70 AS 5581/14 –, www.juris.de, Leitsatz 4 und Rn. 90)
cc. Hinsichtlich weiterer in Betracht kommender Unwirksamkeitsgründe und Problemkreise wird auf die Urteile des Sozialgerichts Hannover vom 22. Januar 2015, Az. S 70 AS 5581/14, www.juris.de, und 26. März 2015, Az. S 70 AS 3828/14, www.juris.de, verwiesen.
b. Als angemessen erweisen sich für die Antragsteller Kosten der Unterkunft in Höhe von 611,60 Euro entsprechend der Tabelle zu § 12 des Wohngeldgesetzes zuzüglich eines Sicherheitszuschlag in Höhe von 10% monatlich.
aa. Bei der Erstellung eines Schlüssigen Konzepts (zur Bestimmung der Angemessenheit i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB) ist die Kappungsgrenze regelmäßig in Höhe des ortsüblichen Marktpreises (z.B. Durchschnittswert des Mietspiegels) festzusetzen (Sozialgericht Hannover, Urteil vom 26. März 2015, S 70 AS 3823/14, abrufbar unter www.juris.de, Leitsatz 1). Unter dem Mietwertkonzepts 2013 ergäben sich für drei Person angemessene Kosten der Unterkunft in Höhe von 546,75 Euro monatlich (Sozialgericht Hannover, Urteil vom 26. März 2015, S 70 AS 3823/14, abrufbar unter www.juris.de, Leitsatz 1 und Rn. 35). Wird der Durchschnittswert des Mietspiegels angewandt, kann davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt (Fortführung von BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 46). (Sozialgericht Hannover, Urteil vom 26. März 2015, S 70 AS 3823/14, abrufbar unter www.juris.de, Leitsatz 3 und Rn. 48)
Dieser Ansatz erweist sich als valide. Die Höhe der Kappungsgrenze und das Zusammenspiel von Kappungsgrenze und Verfügbarkeitsprüfung entspricht der tragenden Grundannahme der (sozialen) Marktwirtschaft, dass sich aufgrund des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage auf einen Markt ein angemessener Preis für ein Gut bildet (Sozialgericht Aurich, Urteil vom 08. November 2012, Az. S 35 AS 89/12; Sozialgericht Hannover, Urteil vom 22. Januar 2015, Az. S 70 AS 5581/14, S. 19). Objektiv kann der regelmäßige Marktpreis mit dem Durchschnittswert abgebildet werden. Eine subjektiv höhere oder geringe Zahlungsbereitschaft ist bei der objektiven Markabbildung unbeachtlich, indem auf den homo oeconomicus abgestellt wird. Da nach der so erfolgten objektiven Marktabbildung davon auszugehen ist, dass ein Durchschnittsmensch zum (durchschnittlichen) Marktpreis unter regelmäßigen Umständen das Gut erhalten wird, erweist sich der Leitsatz des Urteils des Bundessozialgerichts vom 13. April 2011, Az. B 14 AS 106/10 R, juris, als wegweisend: Wird der Durchschnittswert des Mietspiegels angewandt, kann davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt. Die Verfügbarkeit zum Marktpreis ist daher indiziert. Die weitere (abstrakte) Verfügbarkeitsprüfung kann entfallen, soweit nicht Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht (Sozialgericht Aurich, Urteil vom 08. November 2012, Az. S 35 AS 89/12; Sozialgericht Aurich, Urteil vom 07. März 2013, 35 AS 86/10; Sozialgericht Hannover, Urteil vom 22. Januar 2015, Az. S 70 AS 5581/14, S. 19 f.). (Sozialgericht Hannover, Urteil vom 26. März 2015, S 70 AS 3823/14, abrufbar unter www.juris.de, Leitsatz 3 und Rn. 47 bis 49)
Rechtmäßige Angemessenheitswerte („Mietwerterhebung der 70. Kammer“) für die Mietwerterhebung 2011 können der Entscheidung des Sozialgerichts Hannover vom 10. April 2015, Az. S 70 AS 5052/11, www.juris.de, und für die Mietwerterhebung 2013 können den Entscheidungen des Sozialgerichts Hannover vom 22. Januar 2015, Az. S 70 AS 5581/14, und 26. März 2015, Az. S 70 AS 3823/14, abrufbar unter www.juris.de, entnommen werden. Dieser Wert könnte unter dem Mietwertkonzept 2015 etwas höher liegen. Zwar handelt es sich im Vergleichsraum J. um einen weitgehend stabilen Mietmarkt. Jedoch ist es zwischen dem Mietspiegel 2011 und dem Mietspiegel 2013 - je nach Größenklasse - zu Preissteigerungen zwischen 0,33 % (Wohnungen 95 bis 105 m²) und 6,58 % (Wohnungen zwischen 60 und 75 m²) gekommen (Schriftsatz des Antragsgegners vom 06. Oktober 2014 in der Rechtsstreitigkeit S 70 AS 3823/14). Daher werden entsprechende Preissteigerungen zwischen den Mietspiegeln 2013 und 2015 ebenfalls für möglich gehalten.
Daher hat der stellvertretende Kammervorsitzende in der Rechtsstreitigkeit S 70 AS 2373/15 ER die Durchschnittswerte des Mietspiegels zu den nach dem SGB II maßgebenden Größenklassen angefordert. Diese Verfügung hat der Antragsgegner dort bislang nicht beantwortet. Bei gleichbleibender Preissteigerungsrate für Wohnungen zwischen 60 und 75 m² deutet die Prognose auf einen Angemessenheitswert in Höhe von 582,73 Euro monatlich hin.
Der von den Antragstellern aufzuwendende Kaltmietzins beläuft sich auf 6,00 Euro/m² und entspricht dem durchschnittlichen m²-Wert der Mietwerterhebung 2013 der 70. Kammer Sozialgerichts Hannover (Urteil vom 26. März 2015, Az. S 70 AS 3823/14, www.juris.de, Rn. 45).
bb. Gleichwohl muss in vorliegender Rechtsstreitigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung angemessener Kosten der Unterkunft unter Heranziehung von § 12 WoGG nebst Einbeziehung eines "Sicherheitszuschlages" erfolgen. Dies folgt aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 87/12 R –, www.juris.de, Rn. 27). So ergeben sich vorläufig angemessene Kosten der Unterkunft in Höhe von 611,60 Euro monatlich.
Im Interesse der Antragsteller weist der stellvertretende Kammervorsitzende darauf hin, dass die Angemessenheitswerte der Mietwerterhebungen 2011 und 2013 der 70. Kammer den Werten der Tabelle zu § 12 des Wohngeldgesetzesohne den Sicherheitszuschlag in Höhe von 10 % ungefähr entsprochen haben. Insbesondere dieser Betrag dürfte der Rückforderung unterliegen.
3. Ein Erstausstattungsanspruch steht den Antragstellern nicht zu. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass sie eine Erstausstattung benötigen.
Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II sind nicht vom Regelbedarf nach § 20 umfasst Bedarfe für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten. Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht, § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB II.
Nach den Gesetzesmaterialien zum vormaligen § 23 Abs. 3 SGB II a.F. kommen Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, z.B. nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft, in Betracht. Daneben können Erstausstattungen für Wohnungen auch im Falle der Erstanmietung einer Wohnung bei Trennung/Scheidung, aufgrund des Auszuges einer Schwangeren aus dem Haushalt der Eltern, bei Zuzug aus dem Ausland oder bei Geburt eines Kindes für die Ausstattung eines Kinderzimmers anzuerkennen sein. (Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 24, Rn. 56)
Gemeinsam ist den Fallgestaltungen der Erstausstattungen, dass der Betroffene aus bestimmten Gründen seine Wohnungsausstattung oder notwendige Teile einer Wohnungsausstattung verloren hat oder nie innehatte („bisher nicht oder nicht mehr verfügt“). (BSG v. 23.05.2013 - B 4 AS 79/12 R - juris Rn. 14 - SozR 4-4200 § 24 Nr. 5; LSG Niedersachsen-Bremen v. 16.05.2006 - L 6 AS 170/06 ER - NZS 2006, 540-542; LSG Niedersachsen-Bremen v. 27.05.2014 - L 11 AS 369/11 - juris Rn. 23; Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 24, Rn. 57)
Entsprechendes haben die Antragsteller weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht.
4. Den Antragstellern steht nicht vorläufig die Gewährung der Mietkaution zu.
Der Anspruch auf Gewährung der Mietkaution ist bereits nicht streitgegenständlich. Die Anträge im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind lediglich auf die Regelleistungen, die Kosten der Unterkunft und Heizung, die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung und schließlich die Erstausstattung gerichtet. Mit der Antragsschrift vom 17. Juni 2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller sich ausdrücklich die Anträge der Antragstellerin zu 1.) aus deren Schreiben vom 14. Juni 2014 zu Eigen gemacht.
Die in dem Schriftsatz vom 29. Juli 2015 möglicherweise liegende Antragsänderung erweist sich jedenfalls nicht als sachdienlich im Sinne des § 99 Abs.1 SGG, zumal insoweit bereits kein Vorverfahren abgeschlossen ist.
5. Der Antragstellerin zu 1. steht schließlich kein weitergehender Mehrbedarfsanspruch zu,
Nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II ist bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ein Mehrbedarf anzuerkennen in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben.
Dies ist weder hinsichtlich der der am 24. Februar 1996 geborenen Antragstellerin zu 2.) noch hinsichtlich der am 22. Juni 2001 geborenen Antragstellerin zu 3.) der Fall.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog. In einem von 4 trennbaren Streitgegenständen (Kosten der Unterkunft und Heizung gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) haben die Antragsteller obsiegt.