Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 02.04.2014, Az.: L 4 KR 286/13
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 02.04.2014
- Aktenzeichen
- L 4 KR 286/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 17343
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2014:0402.L4KR286.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - AZ: S 32 KR 281/11
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für eine Botoxbehandlung und deren künftige Gewährung im Wege der Sachleistung. Die im Jahre 1960 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet unter einem Hinterkopfschmerz rechts nach Kryodenervation des Nervus occipitalis major rechts (Vereisungsbehandlung des großen Hinterhauptnerves), einem Zustand nach Gangliektomie (Entfernung eines Überbeins) C2 rechts 1/09 und eines peripheren Nervenstimulators im rechten Nervus occipitalis bei Ineffektivität und einem Zustand nach Spondylodese (Wirbelkörperverblockung) C4 bis C7 in 2007. Bisherige Behandlungen des Kopfschmerzgeschehens brachten keinen befriedigenden Erfolg. Im November 2010 ließ die Klägerin bei dem Facharzt für Plastische- und Ästhetische Chirurgie Dr. H. in I. eine Injektionsbehandlung mit Botulinumtoxin A durchführen. Ausweislich der Honorarvereinbarung vom 15. November 2011 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse für die Behandlung nicht bestehe. Es entstanden Kosten in Höhe von 609,54 Euro. Am 21. März 2011 beantragte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Erstattung der entstandenen Kosten und die künftige Gewährung der Behandlung im Wege der Sachleistung. Sie stellte ihre Erkrankungsgeschichte dar und führte aus, dass die Wirkung der durchgeführten Behandlung inzwischen nachlasse. Es sei daher unabdingbar, die Behandlung fortzuführen. Sie reichte im Laufe des weiteren Verwaltungsverfahrens eine Rechnung des Facharztes für Plastische Chirurgie Dr. J. vom 23. März 2011 ein, die sich auf 576,82 Euro belief. Aufgrund des Schmerzgeschehens habe sie den schnellstmöglichen Termin in der näheren Umgebung wahrgenommen. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der sozialmedizinischen Beurteilung. Dieser führte am 28. März 2011 und am 4. April 2011 durch Dr. K. aus, dass eine ärztliche Verordnung nicht vorliege und die Kriterien zum Off-Label-Use nicht erfüllt seien. Mit Bescheid vom 20. April 2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kriterien zum Off-Label-Use nicht erfüllt seien. Darüber hinaus könnten auch die eng gefassten Kriterien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu Ausnahmefällen keine Anwendung finden. Die Klägerin erhob Widerspruch und trug vor, dass ihre Lebensqualität dauerhaft beeinträchtigt sei. Ihr Gesundheitszustand lasse sie immer wieder in schwere Depressionen zurückfallen. Keine andere Therapie ermögliche ihr auf längere Zeit ein schmerzloses Leben. Eine ergänzende, ärztliche Widerspruchsbegründung wurde nicht abgegeben. Die Klägerin teilte hierzu mit, dass ihr behandelnder Arzt für sie kein Gutachten erstellen wolle. Die Beklagte beauftragte gleichwohl den MDK mit der Überprüfung. Dieser führte mit Gutachten vom 6. Juni 2011 durch Dr. L. aus, dass die Kriterien zum Off-Label-Use vorliegend nicht gegeben seien. Ergänzend führte Dr. L. mit Gutachten vom 26. September 2011 aus, dass nach wie vor keine überzeugende Studienlage zum Einsatz von Botulinumtoxin in der bestehenden Indikation vorläge, dementsprechend bestehe auch keine positive Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses. Es liege keine lebensbedrohliche, schwerwiegende Erkrankung vor und es bestünden therapeutische Alternativen, z.B. in der Gabe von entsprechenden analgetischen und zentral schmerzdistanzierenden Substanzen sowie z.B. dem Erlernen von Entspannungsverfahren (Biofeedback-Methoden). Die Datenlage bezüglich des Einsatzes von Botulinumtoxin in der begehrten Indikation sei nicht ausreichend. Nachdem die Klägerin wiederholte Anfragen der Beklagten zu den medizinischen Hintergründen der Entfernung des implantierten Impulsgebers unbeantwortet gelassen hatte, wies diese den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2011 als unbegründet zurück. Sie stützte sich darin im Wesentlichen auf die inhaltlichen Ausführungen des MDK. Hiergegen hat die Klägerin am 28. November 2011 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben. Sie hat ihrer Erkrankungsgeschichte im Einzelnen dargestellt und die Ansicht vertreten, dass es sich um eine unaufschiebbare Behandlung im Sinne des § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gehandelt habe. Die Behandlung sei medizinisch notwendig, da andere Methoden nicht wirksam seien. Das SG hat den medizinischen Sachverhalt näher aufgeklärt. Es hat eine Stellungnahme des Medikamentenherstellers Allergan nebst medizinischer Fachinformation vom 5. Dezember 2012 eingeholt. Ferner hat es eine Stellungnahme des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 21. Januar 2013 eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 53 ff. und 71 ff. der Akte verwiesen. Soweit es hierauf ankommt, wird in der Begründung im Einzelnen Bezug genommen. Mit Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V käme nicht in Betracht, da die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Nach den Unterlagen des Medikamentenherstellers Allergan sei Botulinumtoxin nicht für die Erkrankung der Klägerin zugelassen. Es bestehe auch kein Anspruch auf zulassungsüberschreitende Anwendung von Botulinumtoxin, da aufgrund der bestehenden Datenlage keine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg bestehe. Es lägen keine Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase 3 vor, denn es läge weder ein Zulassungsantrag vor, der die streitbefangene Indikation abdecken würde noch würden Studien der Phase 3 oder gleichwertige Forschungsergebnisse vorliegen. Darüber hinaus käme auch kein Anspruch aus § 2 Abs. 1a SGB V in Betracht, da bei der Klägerin keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegen würde. Gegen den am 19. Juni 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 19. Juli 2013 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen. Durch die Auskunft des Herstellers Allergan sieht sie ihre Position bestätigt, da jedenfalls eine Indikation im Falle einer chronischen Migräne bestehen könne. Darüber hinaus ergäbe sich ein Anspruch aus § 2 Abs. 1a SGB V, da die bei ihr bestehende Erkrankung eine wertungsmäßig vergleichbare Krankheit darstelle. In ihrem Falle bestünden nicht steigerungsfähige Schmerzen, welche eine gravierende Lebensbeeinträchtigung darstellten.
Die Klägerin beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 13. Juni 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2011 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die durchgeführten Botulinumtoxin-Injektionen in Höhe von insgesamt 1.186,36 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend und schließt sich den dort genannten Gründen an. Sie betont nochmals, dass für die Behandlung der Erkrankung der Klägerin keine Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Studie der Phase 3 veröffentlicht seien.
Mit Beschluss vom 6. Januar 2014 hat der Senat die Entscheidung über die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung zugrunde gelegen hat.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist form- und fristgemäß erhoben worden und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG Hildesheim vom 13. Juni 2013 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2011 sind rechtmäßig und halten der rechtlichen Überprüfung Stand. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für bereits durchgeführte Botox-Behandlungen und deren künftige Gewährung im Wege der Sachleistung. Die Kostenerstattung richtet sich nach § 13 Abs. 3 SGB V, wobei ein Erstattungsanspruch nicht weiter gehen kann als ein Sachleistungsanspruch. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Allein der Umstand, dass eine streitige Therapie positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte sie befürwortet haben, begründet keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse. Für eine Arzneimitteltherapie sind die Anforderungen an die Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Qualität und Wirksamkeit nicht erfüllt, wenn das verabreichte Medikament nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedarf, aber nicht zugelassen ist (BSG, Urteil vom 19.03.2002 - B 1 KR 37/00 R - m.w.N.). Vorliegend war das Medikament Botulinumtoxin für die bei der Klägerin bestehende Erkrankung nicht zugelassen. Ausweislich der medizinischen Information des Herstellers Allergan vom 5. Dezember 2012 ist Botox u.a. indiziert zur Behandlung von Blepharospasmus, zervikaler Dystonie, fokaler Spastizität, starke und fortbestehende primäre Hyperhidrosis axillaris, Harninkontinenz und schließlich auch zur Symptomlinderung bei chronischer Migräne im Falle bestimmter Patientengruppen. Eine solche, primäre Kopfschmerzerkrankung liegt bei der Klägerin nicht vor. Primäre Kopfschmerzen liegen vor, wenn keine zugrundeliegende Erkrankung gegeben ist, hierzu zählen etwa Spannungskopfschmerzen, Migränekopfschmerzen oder Clusterkopfschmerzen. Demgegenüber sind sekundäre Kopfschmerzen dadurch gekennzeichnet, dass sie ihre Ursache im Vorliegen von Erkrankungen oder bestimmten Zuständen haben. Bei der Klägerin liegt ausweislich der vorliegenden medizinischen Unterlagen jedoch keine Migräneerkrankung vor, sondern es bestehen vielmehr Folgezustände nach einer Vielzahl von Behandlungen auf neurologischem und orthopädischem Fachgebiet. Folglich kann eine migränebedingte Indikation in ihrem Falle nicht festgestellt werden. Allerdings hat das BSG in seiner Entscheidung vom 19.03.2002 (B 1 KR 37/00 R) und danach in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Ausschluss eines Off-Label-Gebrauchs von Arzneimitteln in der GKV nicht ausnahmslos gilt. Wegen des Vorrangs des Arzneimittelrechts muss ein Off-Label-Use zu Lasten der GKV jedoch auf Fälle beschränkt bleiben, in denen einerseits ein unabweisbarer und anders nicht zu befriedigender Bedarf an der Arzneitherapie besteht und andererseits die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlung hinreichend belegt sind. Die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet kommt deshalb nur in Betracht, wenn
1. es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht,
2. keine andere Therapie verfügbar ist und
3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Damit Letzteres angenommen werden kann, müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase 3 (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlich sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlich sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftliche nachprüfbare Aussagen zulassen und auf Grund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (BSG, aaO.). Die vorgenannten drei Kriterien für einen ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use zu Lasten der GKV müssen gleichzeitig (kumulativ) erfüllt sein. Bereits das erste Kriterium erscheint fraglich, denn auch wenn eine Kopfschmerzsymptomatik zweifelsohne zur Beeinträchtigung der Lebensqualität führen kann, so ist dennoch die Objektivierung des Ausmaßes des Schmerzgeschehens nur bedingt möglich. Denn die Empfindung von Kopfschmerzen, insbesondere bei der Überlagerung mit psychischen Erkrankungen, ist stark subjektiv geprägt und in der Wahrnehmung eines jeden Patienten erheblich differierend. Selbst wenn das Gericht jedoch die bestehenden Beurteilungsschwierigkeiten zurückstellt und zugunsten der Klägerin eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung bejahen würde, so würde dies dem Anspruch nicht zum Erfolg verhelfen. Ebenso fraglich erscheint es, ob keine anderen Therapien verfügbar sind, da die Klägerin zwar ersichtlich eine lange Kranken- und Behandlungsgeschichte durchlaufen hat und hierzu auch zahlreiche, zum Teil auch selbst finanzierte Therapien in Anspruch genommen hat. Es erscheint jedoch fraglich, ob die, insbesondere in den Gutachten des MDK bezeichneten Therapiemöglichkeiten im Falle der Klägerin tatsächlich nicht verfügbar sind oder erfolglos ausgeschöpft wurden. Aber selbst wenn das Gericht diese Voraussetzung ebenfalls unter Zurückstellung von Bedenken zugunsten der Klägerin bejahen könnte, so würde es jedenfalls an der letzten Voraussetzung des Wirksamkeitsnachweises fehlen. Denn aufgrund der Datenlage besteht keine begründete Aussicht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden kann. Es liegen keine Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten Studie der Phase 3 vor. Denn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat in seiner Auskunft vom 21. Januar 2013 mitgeteilt, dass weder ein Zulassungsantrag für ein botulinumtoxinhaltiges Präparat vorliegt, das die Indikation der Klägerin abdecken würde noch Studien der Phase 3 oder gleichwertige Forschungsergebnisse vorliegen. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass die Behandlung nach dem Vorbringen der Klägerin erfolgreich war und für sie eine erhebliche Linderung des Schmerzgeschehens bedeutet hat, gleichwohl ist ein tatsächlich eingetretener Behandlungserfolg nicht gleichzusetzen mit einem Wirksamkeitsnachweis, der dem erforderlichen wissenschaftlichen Standard genügt. Ein Anspruch der Klägerin rechtfertigt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V. Diese Norm lautet: Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Das BSG verlangt eine "notstandsähnliche Situation", d.h. einen "Zeitdruck", wie er "typisch für akuten Behandlungsbedarf zur Lebenserhaltung" ist. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit des drohenden tödlichen Krankheitsverlaufs innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums vorliegen. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den gegebenenfalls gleichzustellenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten (BSG v. 16.12.2008 - B 1 KN 3/07 KR R - WzS 2009, 90-91). Eine solche, notstandsähnliche Situation ist vorliegend nicht zu erkennen, denn auch wenn Kopfschmerzen in einer starken Ausprägung für einen Patienten eine massive Belastung bedeuten mögen, so sind sie gleichwohl nicht lebensbedrohlich oder wertungsmäßig damit vergleichbar. Denn wenn es allein auf die subjektiven Erkrankungswert ankäme, würde dies zu einer erheblichen Ausweitung des Leistungsanspruchs führen, der von der gesetzgeberischen Intention nicht gedeckt wäre, da in einem solchen Falle nicht mehr auf den objektiven Schweregrad der Erkrankung abzustellen wäre, sondern nur auf die persönliche Erkrankungswahrnehmung des Patienten. Hiernach kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).