Landgericht Braunschweig
Urt. v. 09.07.2003, Az.: 5 O 794/02

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
09.07.2003
Aktenzeichen
5 O 794/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 39412
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2003:0709.5O794.02.0A

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Witwe des am 24.03.1999 verstorbenen ... (im Folgenden Erblasser). Durch testamentarische Verfügung des Erblassers wurde die Beklagte zur Alleinerbin eingesetzt. Mit der Klage verfolgt die Klägerin Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagte als Erbin.

2

Die Klägerin und ihr Ehemann erhoben wechselseitig Scheidungsanträge beim Familiengericht Burgdorf zum Aktenzeichen 2 F 19/99. Die Klägerin beantragte mit Schriftsatz vom 07.01.1999, der Erblasser mit Schriftsatz vom 13.01.1999, der der Klägerin am 16.01.1999 zugestellt wurde, die Scheidung der Ehe. Beide beriefen sich auf unzumutbare Härte i.S.d. § 1565 Abs. 2 BGB. Wegen der Einzelheiten wird auf die Akten 2 F 19/99 des Familiengerichts Burgdorf Bezug genommen.

3

Im Oktober 1998 zog die Klägerin aus Sorge um ihre Tochter und wegen alkoholbedingte eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Erblassers aus der Ehewohnung aus. Bereits seit September 1998 haben die Eheleute in der Ehewohnung getrennt voneinander gelebt.

4

Die Klägerin behauptet, die Eheleute hätten sich wieder versöhnt. Nach der Urlaubsrückkehr des Erblassers hätten die Scheidungsanträge zurückgenommen werden sollen. Nach der Urlaubsrückkehr sei auch eine Rückkehr der Klägerin in die Ehewohnung vorgesehen gewesen. Deshalb habe man sich mit einem Kuß in den Urlaub verabschiedet.

5

Die Klägerin habe auch während der Trennung die Wäsche des Erblassers gewaschen und ihm das Frühstück bereitet.

6

Die Klägerin beantragt im Wege der Stufenklage,

7

der Klägerin Auskunft zu erteilen, über alle Schenkungen und geldwerten Leistungen, die sie vom Erblasser ... seit Beginn ihrer Beziehung zu diesem erhalten hat sowie Einsicht in die Kontoauszüge des oben genannten Erblassers für diese Zeit seit dem 01.01.1998 zu gewähren; der Klägerin Auskunft zu erteilen über alle der Beklagten zugeflossenen Rückzahlung und Vermögenswerte Rückgaben, die Dritte in Ansehung ihnen gewährte Kredite, Leihen oder ähnlicher des Erblassers ... tätigten, sowie über alle noch offenen diesbezüglichen Forderungen und Verfahren.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin hat vor der ersten mündlichen Verhandlung am 28.08.2002 die Unzuständigkeit des Landgerichtes gerügt, soweit familienrechtliche Ansprüche verfolgt würden.

10

Sie behauptet, der Erblasser habe bis zu seinem Tode stets angegeben, mit der Klägerin nichts mehr zu tun haben zu wollen. Die Klägerin habe ein intimes Verhältnis mit dem besten Freund des Erblassers, dem Zeugen ... begonnen, der Erblasser habe dieses bis zu seinem Tode nicht verwunden, eine Versöhnung sei deshalb nicht in Frage gekommen. Noch auf dem Sterbebett habe der Erblasser in Bezug auf die Klägerin geäußert "War die Alte schon hier? Laß mir die ja nicht ins Haus". Der Erblasser habe die Beklagte heiraten wollen. Auch aus diesem Grund sei eine Versöhnung mit der Klägerin nicht in Frage gekommen.

11

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 01.11.2002 (Bl. 129 f d. A.) durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2002 (Bl. 145 f d. A.) und vom 18.06.2003 (Bl. 184 f d. A.) Bezug genommen.

12

Die Familienakten des Amtsgerichtes Burgdorf 2 F 19/99 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist unbegründet.

15

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Auskunft aus §§ 2314 Abs. 1, 2303 Abs. 3 BGB gegen die Beklagte zu.

16

Die Klägerin ist nicht Pflichtteilsberechtigte nach dem Tod ihres Ehemannes ...

17

Dem nach Maßgabe des § 1933 BGB von der Erbfolge ausgeschlossenen Ehegatten steht ein Pflichtteilsrecht nicht zu (Palandt, 61. Aufl., § 1933 Rn. 9). Die Klägerin ist nicht durch Verfügung von Todes wegen i.S.d. § 2303 Abs. 2 BGB, sondern nach Maßgabe des § 1933 Kraft gesetzlicher Anordnung von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen.

18

Die Voraussetzung des gesetzlichen Ausschlusses vom Ehegattenerbrecht (§ 1931 BGB) gemäß § 1933 Satz 1 BGB liegen vor.

19

Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers waren die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe, die der Erblasser beantragt hatte, gegeben.

20

Der Erblasser ist am 24.03.1999 verstorben. Mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 13.01.1999, der der Klägerin am 16.01.1999 zugestellt wurde, beantragte der Erblasser die Scheidung der Ehe mit der Klägerin.

21

Ausweislich der Akten des Familiengerichtes Burgdorf Aktenzeichen 2 F 19/99 wurde der Antrag nicht zurückgenommen.

22

Die Voraussetzung für die Scheidung der Ehe waren im Todeszeitpunkt gegeben.

23

Die Ehe der Klägerin und des Erblassers war gescheitert, die Fortsetzung der Ehe bedeutet für den Antragsteller eine unzumutbare Härte, deren Grund in der Person des anderen Ehegatten lag (§ 1565 Abs. 1 und Abs. 2 BGB).

24

Die Lebensgemeinschaft der Eheleute bestand nicht mehr. Eine Wiederherstellung war nicht zu erwarten (§ 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB).

25

Seit Oktober 1998 lebten die Eheleute getrennt, die Klägerin zog aus der ehelichen Wohnung aus.

26

Nach der Beweisaufnahme steht fest, dass eine Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten war. Zu einem Versöhnungsversuch waren die Eheleute nicht bereit (vgl. BGHZ, 128, 125).

27

Die Eheleute hatten wechselseitig und unabhängig voneinander im Januar 1999 die Scheidung ihrer Ehe, jeweils mit der Begründung einer besonderen Härte, die in der Person des jeweils anderen Ehegatten läge, beantragt.

28

Bereits nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Klägerin sprachen gewichtige in der Person des Erblassers liegende Gründe für eine Zerrüttung der Lebensgemeinschaft, die bis zum Tod des Erblassers keine Verbesserung erfuhr.

29

Der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erläuterte Grund für die Zerrüttung der Lebensgemeinschaft bestand in der auch von dem Zeugen ... geschilderten Neigung des Erblassers, regelmäßig größere Mengen Alkohol zu sich zu nehmen. In diesem Zustand kam es zu Beschimpfungen der Eheleute, die in Drohungen, in einem Fall durch den Vorhalt einer Pistole unterstrichen, gipfelten. Die Zerwürfnisse eskalierten in einem von der Klägerin als unerträglich geschilderten Zustand, der sie und ihre Tochter zum Verlassen der ehelichen Wohnung nötigte.

30

Die Gründe für die Zerrütung der Lebensgemeinschaft wird unterstrichen durch das vom Zeugen ... einem langjährigen Freund des Erblassers - glaubhaft auf Grundlage eigener Anschauungen, geschilderten Verhalten des Erblassers. Danach sprach dieser in erheblichem Umfang dem Alkohol zu und nutzte sein erhebliches Vermögen zum Besuch zweifelhafter Etablissements. Noch Ende 1998/Anfang 1999 unternahm der Erblasser in Begleitung zweier Prostituierter eine mehrwöchige Urlaubsreise und wiederholte dies kurz vor seinem Tod im Februar oder März 1999 erneut. Die Klägerin begleitete ihn bei diesen Urlauben nicht.

31

Dass der Erblasser nach dem Ehescheidungsantrag sein Verhalten gemäßigt hätte, war den Aussagen der Zeugen nicht zu entnehmen. Insbesondere konnte der vom Zeugen ... auch hier glaubhaft geschilderten Äußerung des Erblassers kurz vor seinem letzten Urlaub, er werde "... einen letzten Zug unternehmen, danach würde er ... (die Klägerin) zurückholen ..." keinen Anhalt dafür entnehmen, dass sich sein Verhalten jetzt mäßigen werde und eine Versöhnung in Frage komme. Schon zuvor Ende 1998/Anfang 1999 hatte der Erblasser dem Zeugen gegenüber angegeben, seinen Ehescheidungsantrag zurückgenommen zu haben. Tatsächlich ist eine solche Rücknahme ausweislich der Akten des Familiengerichts Burgdorf 2 F 19/99 nicht erfolgt. Auch nahm der Erblasser die geäußerte Absicht nicht zum Anlaß von seinem anstößigen Verhalten Abstand zu nehmen. Vielmehr führte er seinen bisherigen Lebenswandel weiter. Aus dem Verhalten des Erblassers muß gefolgert werden, dass die spätere Äußerung ebenfalls eine inhaltsleere unverbindliche Absichtserklärung blieb, der eine konkrete Umsetzung in einem Versöhnungsversuch der Eheleute nicht folgte.

32

Auch das übrige Ergebnis der Beweisaufnahme ergab, dass eine Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft der Eheleute nicht zu erwarten war und eine Versöhnungsbereitschaft nicht bestand.

33

Nach den aus eigener Anschauung gewonnenen in sich widerspruchsfreien, glaubhaften Angaben der Zeugin ... die mittelbar bestätigt werden durch die Bekundungen des Zeugen ... nahm der Erblasser der Klägerin die Schlüssel zur Ehewohnung weg, nachdem diese zunächst auch nach der Trennung zur Versorgung ihrer Tiere auf dem Grundstück noch erschienen war. Der Zeuge ... konnte dies mittelbar bestätigen, in dem er angab, dass der Kläger die Tür zur ehelichen Wohnung auf ihr Klingeln hin vom Erblasser geöffnet wurde. Dies wäre überflüssig gewesen, wenn sie über einen Schlüssel zur Ehewohnung verfügt hätte.

34

Nach den auch hier glaubhaften Angaben der Zeugin ... die mittelbar bestätigt werden durch die Angaben des Zeugen ... macht der Erblasser noch an einem Todestag abfällige Äußerungen über die Klägerin, als er ein Klingeln an der Hautür hörte.

35

Nach übereinstimmenden glaubhaften Angaben der Zeugen ... war der Erblasser davon ausgegangen, dass die Klägerin ein intimes Verhältnis zu seinem Freund dem Zeugen ... unterhalt und war darüber gekränkt. Dies habe den Scheidungsgrund für den Erblasser dargestellt. Insbesondere den Bekundungen der Zeugin ... der Mutter des Erblassers, mißt das Gericht erhebliches Gewicht bei. Die Zeugin hat keinerlei Anlaß, eine der Parteien des Rechtsstreits zu- oder abgeneigt zu sein. Als Mutter des Erblassers konnte die Zeugin über besonders intime Kenntnisse der Absichten ihres Sohnes verfügen, nachdem sie mehrfach mit ihrem Sohn dessen Scheidungsabsichten in Gesprächen erörtert hatte. Den Angaben der Zeugen ... steht die Bekundung des Zeugen ..., nach dem der Kläger mit dem Zeugen ... eine Bar aufgesucht und sich versöhnt habe nicht entgegen. Dem Gericht scheint es nachvollziehbar, dass der nach den Schilderungen aller Zeugen unstehte und dem Alkohol zugewante Erblasser auch mit dem Zeugen ... Gaststätten aufsuchte und bei Feierlichkeiten der Eindruck entstehen konnte, dass eine Versöhnung erfolgt sei. Über die wirklichen Verhältnisse zu seiner Ehefrau lassen sich daraus keine Schlußfolgerungen ziehen.

36

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Klägerin tatsächlich ein intimes Verhältnis zu dem Zeugen ... zu Lebzeiten des Erblassers unterhielt. Maßgeblich ist, ob die Eheleute zu einer Versöhnung bereit waren. Dafür sind deren Beweggründe zu erforschen, sodass es allein auf die subjektive Sicht des Erblassers ankommt.

37

Nach den auch hier glaubhaften übereinstimmenden Angaben der Zeugen ... und ... hat der Erblasser den Zeugen gegenüber nach seinem Ehescheidungsantrag geäußert, sich mit der Klägerin nicht wieder vertragen zu wollen. Das Gericht glaubt den Zeugen. Als Mutter und Tochter des Erblassers besteht für sie keinen Grund, eine der beiden Parteien des Rechtsstreits besonders zu unterstützen oder zu benachteiligen. Sie standen dank ihrer familiären Verbindung zum Erblasser in einem engen Verhältnis zu ihm, das auch die Erörterung intimer Einzelheiten zu seinem Verhältnis zur getrennt lebenden Ehefrau möglich macht.

38

Die Angaben der Zeuginnen ... und ... zu diesem Punkt wird nicht erschüttert durch die Angaben des Zeugen ... dass die Klägerin ihm ein nicht unterschriebenes Schreiben des Erblassers nach dessen Tode gezeigt habe, in dem der Erblasser angegeben habe, dass er die Scheidung zurück nehmen wolle. Ein solches Schreiben wird weder von der Klägerin noch von sonst einem Beteiligten des Rechtsstreites erwähnt. Die Klägerin hätte allen Anlaß, ein solches Schreiben zur Stützung ihres Klagevortrages in den Prozess einzuführen. Gleichwohl wird ein solches Schreiben, das auf nicht mehr nachvollziehbare Art und Weise verschwunden sein soll, allein von dem Zeugen ... erwähnt. Als Lebensgefährte der Klägerin ist der Zeuge ... den Interessen der Klägerin am Ausgang des Rechtsstreites verbunden. Vor diesen Umständen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Zeuge ... die Unwahrheit sagt.

39

Aus den genannten Gründen glaubt das Gericht dem Zeugen ... auch nicht, dass die Klägerin ihm gegenüber kurz vor dem Tod des Erblassers geäußert habe, dass sie sich von dem Erblasser nicht scheiden lassen wolle. Gegen eine solche Äußerung spricht im übrigen, dass der Scheidungsantrag der Klägerin ausweislich der Familienakten 2 F 19/99 des Amtsgerichtes Burgdorf zu keinem Zeitpunkt zurückgenommen worden ist.

40

Die Gesamtschau der in der Beweisaufnahme festgestellten Indiztatsachen führt damit zur Überzeugung des Gerichtes, dass eine Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft der Eheleute nicht zu erwarten war, weil die Eheleute zu einem Versöhnungsversuch nicht bereit waren.

41

Auch die weitere Voraussetzung des § 1565 Abs. 2 BGB sind gegeben, nachdem die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Das geschilderte Verhalten des Erblassers bedeutet eine unzumutbare Härte für den Fortbestand der Ehe. Er sprach nicht nur in erheblichem Umfange dem Alkohol zu, sondern unterhielt auch ein ehewidriges Verhältnis zur Beklagten. Unter Alkoholeinfluß erging sich der Erblasser in Beschimpfungen und Bedrohungen der Klägerin, die er in einem Fall durch Vorhalt einer Pistole bekräftigte. Unter diesen Voraussetzungen war der Klägerin ein weiteres Festhalten an der Ehe mit dem Beklagten auch vor Ablauf des Trennungsjahres nicht mehr zumutbar und stellte eine unzumutbare Härte dar.

42

Ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Auskunftsanspruch nach Maßgabe des § 242 BGB wegen möglicher familienrechtlicher Unterhaltsansprüche gegen die Beklagte gem. § 1586 b BGB zusteht, kann dahingestellt bleiben, da ein solcher Anspruch allein durch die zuständigen Familiengerichte festzustellen wäre und das Landgericht nach Rüge der Unzuständigkeit durch die Beklagte insoweit unzuständig ist.

43

Anderweitige Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

44

Die prozessualen Nebenentscheidungen erfolgen aus den §§ 91, 709 ZPO.

45

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 24.06.2003 und der Beklagten vom 3.7.2003 gaben keinen Anlaß, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

46

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