Landgericht Braunschweig
Urt. v. 13.11.2003, Az.: 21 O 1563/03

Geltendmachung eines Anspruchs auf Unterlassung einer Werbung im Internet; Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs; Gewährleistung des Schutzes der Verbraucher vor Beeinflussung durch unwahre Angaben; Gefahr der Irreführung des Verbrauchers; Kriterien für die richtige Einordnung eines Fahrzeuges in die vom Europäischen Gesetzgeber aufgestellten Abgasnormen; Voraussetzungen für die Annahme einer Aufklärungspflicht des Werbenden gegenüber dem Verbraucher; Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb durch eine "Werbung mit Selbstverständlichkeiten"

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
13.11.2003
Aktenzeichen
21 O 1563/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33762
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2003:1113.21O1563.03.0A

Fundstellen

  • GRUR-RR 2004, 30-32 "VW Touareg"
  • NJW-RR 2004, 193-196 (Volltext mit red. LS) "VW Touareg"
  • NJW-RR 2006, 864 (Volltext mit red. LS) "VW Touareg"

Verfahrensgegenstand

Irreführende Werbung

In dem Rechtsstreit ...
hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 27.10.2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht...,
den Handelsrichter ... und
den Handelsrichter ....
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Werbung im Internet in Anspruch.

2

Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband aller Verbraucherzentralen sowie weiterer 21 verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland.

3

Die Beklagte ist ein großer Kraftfahrzeughersteller.

4

Sie vertreibt unter anderem den Geländewagen "Touarag". Dieser Wagen wird auch in einer Motorenvariante mit einem 10-Zylinder-Dieselmotor (V 10 TDI) mit 230 KW (313 PS) angeboten. Dieses Fahrzeug verfügt über ein Leergewicht von 2599 - 2720 Kilogramm und ein zulässiges Gesamtgewicht von 3080 Kilogramm.

5

Auf ihren Internetseiten führt die Beklagte u.a. die technischen Motordaten auf. Tabellenartig werden dort unter anderem Hubraum, Bohrung, Leistung, Drehmoment, Verdichtung sowie "Emissionsklasse Automatic - EURO 3" aufgeführt.

6

Wegen der Einzelheiten der Gestaltung der Werbung wird auf die Anlage A 2 Bezug genommen.

7

Die Beklagte betreibt weiter eine Internetseite unter dem Titel "Die Abgasnorm". Dort heißt es unter anderem:

"Die fortschrittliche Volkswagen Motorenphilosophie verbindet dynamischen Fahrspaß mit Sparsamkeit und Umweltschutz. So trägt Volkswagen seit vielen Jahren durch die Ergebnisse seiner Forschung und Entwicklung zur Verminderung der PKW-Abgasemissionen bei. Ein Beispiel: Der erste Direkteinspritzer Diesel. Und auch mit der FSI-Technik war Volkswagen einmal mehr Vorreiter. Bei Volkswagen muß es eben Technik auf höchsten Niveau sein. Jetzt und in Zukunft."

8

Auf dieser Seite können in einem Unterfenster für die gesamte Fahrzeugpalette der Beklagten die erfüllten Abgasnormen aufgerufen werden. Dort werden bei Aufruf des Modells Touareg tabellenartig die drei Benzinmotoren sowie der V 10 Dieselmotor aufgeführt. Bei den Benzinmotoren findet sich der Hinweis "EURO 4", bei dem V 10 Motor der Hinweis "EURO 3".

9

Wegen der Einzelheiten der Gestaltung des Internetauftritts wird auf die Anlage A 3 Bezug genommen.

10

Der Touareg V 10 erfüllt die in der Richtlinie 98/69/EG, Anhang I. Abschnitt 5.3.1.4 festgelegten Grenzwerte der Fahrzeugklasse A (2000) N III. Er erfüllt nicht die Grenzwerte der Fahrzeugklasse A (2000) M.

11

Die Grenzwerte in der Richtlinie Tabelle lauten wie folgt:

12

Tabelle nicht vorhanden

13

Im Kfz-Brief/KfZ-Schein des Touareg V 10 (Anlage B 7) findet sich im Feld 1 die Eintragung "PKW geschlossen 98/69/EG III; A".

14

Der Kläger ist der Auffassung,

15

dass die beanstandete Werbung gegen das Irreführungsverbot des § 3 UWG verstoße. Dem Verbraucher sei bewusst, dass es sich bei EURO 3 und EURO 4 um Abgasnormen für PKW handele. Er erwarte daher, dass der Touareg, der tatsächlich als PKW genutzt werde, auch die Grenzwerte für normale PKW einhalte. Dies sei tatsächlich aber nicht der Fall. Der Touareg würde nur die wesentlich schlechteren Werte für leichte Nutzfahrzeuge einhalten. Der potentielle Käufer werde daher über die tatsächliche Umweltbelastung, die von diesem Fahrzeug ausgehe, getäuscht.

16

Es könne auch keine Rede von einer Spitzentechnologie sein.

17

Der Kläger beantragt (nach Konkretisierung des ursprünglichen Antrages):

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, im Rahmen der PKW-Präsentation des mit Dieselmotor betriebenen VW-Touareg 230 KW V 10 TDI zur Angabe von Schadstoffgrenzwerten lediglich mit der Bezeichnung "Schadstoffklasse Euro 3" zu werben.

18

Die Beklagte beantragt:

die Klage abzuweisen.

19

Die Beklagte ist der Auffassung,

20

dass ihre Werbung nicht irreführend sei.

21

Ihr Fahrzeug würde die in der als EURO 3 bezeichneten Richtlinie festgelegten Grenzwerte einhalten. Es gebe keine Pflicht, über die technischen Einzelheiten dieser Richtlinie zu informieren. Sie habe daher lediglich eine wahrheitsgemäße Angabe gemacht und diese auch nicht besonders herausgestellt.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.10.03 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

24

1.

Der Kläger ist klagebefugt gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Dies hat auch die Beklagte nicht in Frage gestellt.

25

2.

Die vom Kläger beanstandete Werbung im Internet verstößt nicht gegen die §§ 3, 1 UWG. Es liegt keine irreführende Angabe über wirkliche Verhältnisse, insbesondere über die Beschaffenheit der Ware vor.

26

a)

§ 3 UWG dient dem Schutz der Verbraucher vor Beeinflussung durch unwahre Angaben. Untersagt ist jede Werbung, die konkret zur Irreführung geeignet ist.

27

Eine Angabe ist unrichtig, wenn die Vorstellungen, die sie beim Verbraucher weckt, nicht der Wirklichkeit entsprechen. Dabei kommt es auf die Auffassung der Verkehrskreise an, an die sich die Werbung richtet und deren Entscheidung sie beeinflussen soll (Köhler/Pieper, UWG, 3. A., § 3 Rn. 10, 108).

28

b)

Verbraucherleitbild ist nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Verbraucher (vgl. Ulmann GRUR 2003, 817 (818)).

29

Die Werbung der Beklagten im Internet richtet sich vor allem an den Endverbraucher.

30

Angesprochen wird der potentielle Neuwagenkäufer sowie der allgemein an Autos und Technik interessierte Verbraucher.

31

Die Mitglieder des erkennenden Gerichts gehören selbst zu diesen Verkehrskreisen.

32

Das Gericht kann daher die Frage der Irreführungsgefahr selbst beurteilen (vgl. BGH GRUR 2002, 550 - Elternbriefe; Ullmann a.a.O.; Köhler/Piper a.a.O. Rnr. 139).

33

c)

Die Werbung der Beklagten enthält zunächst die Aussage, dass der Touareg V 10 die Abgasnorm "Euro 3" erfüllt.

34

aa)

Soweit gesetzliche Vorschriften über die Beschaffenheit einer Ware bestehen, wird die Verkehrsauffassung - ohne vom Inhalt der Regelungen eine ins einzelne gehende Kenntnis zu haben - regelmäßig davon ausgehen, dass die Ware den gesetzlichen Anforderungen entspricht (BGH GUR 1988, 832 - Benzinwerbung; Köhler/Pieper a.a.O. Rn. 229, 233).

35

Wird in einer Werbung auf Normen Bezug genommen, so erwartet der Verkehr regelmäßig, dass die beworbenen Waren den angeführten Normen sämtlich und in jeder Hinsicht entsprechen (BGH GRUR 1985, 973 -DIN 2093; BGH GRUR 1992, 117 - IEC-Publikation).

36

bb)

Die Werbung der Beklagten ist objektiv richtig. Der Touareg V 10 erfüllt die "Euro 3" Norm.

37

Der Europäische Gesetzgeber hat die Abgasnormen in einer Vielzahl von Richtlinien geregelt. Der Europäische Gesetzgeber selbst verwendet die Begriffe "EURO 1 - EURO 4" als solche nicht. Eine Legaldefinition existiert nicht. Diese Begriffe haben sich vielmehr zunächst (umgangssprachlich) als Abkürzung und schlagwortartige Bezeichnung der einschlägigen Vorschriften eingebürgert (vgl. etwa die BTDS 15/93 - Anl. B 2; Broschüre Kfz-Steuer für PKW des BMF Ausgabe 2003, S. 4; Steuerinfo. Des Bayr. Staatsm.d.F., s. 5, 7;Tipke/Lang Steuerrecht 17 A. § 15, Rn. 52;).

38

Das Bundesverkehrsministerium hat die Verwendung dieser Bezeichnungen in den KfZ-Papieren durch eine Verwaltungsvorschrift geregelt (Verkehrsblatt v. 27.02.99, S. 110).

39

Allgemein werden unter "EURO 1" die in der Richtlinie 91/441/EWG, unter "EURO 2" die in der Richtlinie 94/12/EG und unter "EURO 3" und "EURO 4" die in der Richtlinie 98/69/EG festgelegten Grenzwerte verstanden (vgl. z.B. www.kfztech.de/kfztechnik/motor/abgas/abgaswerte.htm )

40

Von Bedeutung für das vorliegende Verfahren sind die in der im Tatbestand wiedergegebenen Tabelle im Anhang I Abschnitt 5.3.1.4 der Richtlinie 98/69/EG festgelegten Grenzwerte.

41

Die dort unter A (2000) aufgeführten Grenzwerte werden als "EURO 3" bezeichnet, die unter B (2005) aufgeführten Grenzwerte werden als EURO 4" bezeichnet.

42

Der Touareg V 10 unterliegt den Anforderungen der Zeile A(2000) N1 III.

43

Was unter der Klasse M und N zu verstehen ist, wird in dem Anhang II zu der Richtlinie 2001/116/EG definiert (die frühere Regelung findet sich in der Richtlinie 70/156/EG). Danach fallen in die Klasse M1 Kraftfahrzeuge für die Personenbeförderung mit maximal 8 + 1 Sitzen. In die Klasse N1 gehören für die Güterbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge bis zu 3,5 t.

44

Danach würde der Touareg V 10 wegen seiner Nutzung grundsätzlich in die Klasse M fallen. Die Richtlinie 98/69/EG regelt aber, dass für PKW über 2,5 t Bezugsgewicht (die Definition des Bezugsgewichtes befindet sich in Anhang I, Zif. 1.2 der Richtlinie des Rates 70/220/EWG) die Grenzwerte der Klasse N1 III gelten sollen. Dies ergibt sich aus den in der Tabelle vorhandenen Fußnoten 2 und 3.

45

Die Grenze von 2500 kg findet sich auch ausdrücklich in Art. 2, Abs. 2 der Richtlinie 98/69/EG. Dort heißt es: " Vorbehaltlich des Art. 7 dürfen die Mitgliedsstaaten ab dem 1.1.00 für Fahrzeuge der Klasse M i.S.d. Anhanges II Abschnitt A der Richtlinie 70/156/EWG - ausgenommen Fahrzeuge mit einer Höchstmasse von mehr als 2500 kg - und für Fahrzeuge der Klasse N1 ... und für Fahrzeuge der Klasse M mit einer Höchstmasse von mehr als 2500 kg... .

46

Nach den Kriterien, die die Richtlinie selbst aufstellt, fällt der Touareg V 10 daher von vornherein nur in eine bestimmte Kategorie. Fahrzeuge der Klasse M über 2500 kg werden abgasmäßig wie eine leichtes Nutzfahrzeug behandelt.

47

Diese Differenzierung nach Gewicht findet sich auch bereits in früheren Abgasrichtlinien. Bereits die erste und nur auf Benziner bezogene Abgasrichtlinie 70/220/EWG hatte unterschiedliche Grenzwerte je nach "Bezugsgewicht" des Fahrzeuges festgesetzt. Mit der Richtlinie des Rates 93/59/EWG sollten auch für leichte Nutzfahrzeuge strengere Normen eingeführt werden. Es wurde dann zwischen den Fahrzeugklassen M und N unterschieden. Aber auch dort galt für die Fahrzeugklasse M wieder die 2500 Kilogrenze. Diese Unterscheidung wird bei sich jeweils verschärfenden Grenzwerten in der Richtlinie 94/12/EWG und in der Richtlinie 96/96/EWG beibehalten.

48

Es ist unzutreffend, wenn die Klägerin vorträgt (Seite 6 der Klage), dass Fahrzeuge der Klasse M mit einer Höchstmasse von mehr als 2500 Kilo aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen seien. Es ist vielmehr so, dass die Richtlinie diese Fahrzeuge explizit einer bestimmten Grenzwertkategorie zuweist. Es kann daher auch keine Rede von einem "Zulassungstrick" sein. Der Touareg V 10 fällt nur in eine bestimmte Kategorie der Richtlinie 98/96/EG und erfüllt diese auch. Er wird auch nicht "als Nutzfahrzeug zugelassen". Er bleibt PKW und Fahrzeug der Klasse M und ist deshalb in dem KfZ-Brief auch als "PKW" eingetragen. Es gelten für ihn aber andere Grenzwerte als für leichtere PKW (diese Werte entsprechen im übrigen auch nicht "Euro 2" für leichte PKW, sondern liegen nur in Nähe dieser Werte).

49

Es ist nicht Aufgabe der Kammer, darüber zu entscheiden, ob es umweltpolitisch wünschenswert wäre, dass der V 10 Touareg die strengeren Abgasnormen für PKW unter 2500 Kilogramm erfüllt oder ob es der Beklagten möglich gewesen wäre, das Fahrzeug deutlich leichter zu bauen.

50

Die Beklagte bewegt sich bei ihren Angaben im Rahmen des geltenden Rechts. Sie verweist wahrheitsgemäß auf den Umstand, dass ihr Fahrzeug die in der Richtlinie 98/96/EG und damit die Werte, die allgemein als "EURO 3" bezeichnet werden, einhält.

51

cc)

Auch eine objektiv richtige Angabe kann allerdings unrichtig sein, wenn sie auf die angesprochenen Verkehrskreise, für die sie bestimmt ist, die Wirkung einer (subjektiv) unrichtigen Angabe ausübt (BGH GRUR 1983, 651 - Feingoldgehalt; Köhler/Pieper a.a.O. Rn. 177)

52

In den Fällen, in denen die Täuschung lediglich auf einem unrichtigen Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, gelten strenge Anforderungen an die Feststellung einer Täuschungsgefahr (BGH GRUR 92, 70 - 40% weniger Fett). In diesen Fällen ist eine Interessenabwägung vorzunehmen und die Auswirkungen eines Verbots sind in die Erwägungen einzubeziehen (BGH GRUR 1991, 552 - TÜV-Prüfzeichen).

53

Umstände, von denen der Verkehr weiß, dass er sie nicht kennt, vermögen die Gefahr einer Irreführung im Sinne von § 3 UWG aber nicht zu begründen (BGH GRUR 1994, 523 - Ölbrenner).

54

Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt folgendes.

55

Den angesprochenen Verbrauchern ist aus den zahlreichen Angaben in der Werbung und Artikeln etc bekannt, dass es sich bei Euro 3 und Euro 4 um Regelungen handelt, die sich auf das Abgasverhalten von Fahrzeugen beziehen.

56

Die Erwartung der angesprochenen Verkehrskreis beschränkt sich aber auf das Einhalten der Norm. Welche Kategorien und konkreten Grenzwerte die mehrfach geänderte Norm hat, weiß der Verbraucher nicht. Ihn interessiert auch nur, dass das Fahrzeug die geltenden Umweltstandards einhält.

57

Der angesprochene Verbraucher hat nicht die Vorstellung, dass ein Wagen der Größe und Leistung des Touareg V 10 absolut nur soviel emittiert wie etwa ein Kleinwagen.

58

Die angegriffene Werbung richtet sich an ein technisch interessiertes Publikum. Dies ist zunächst bedingt durch den Wagentyp, der eher nicht die Kunden anspricht, die ein Fahrzeug lediglich als Fortbewegungsmittel und Gebrauchsgegenstand betrachten. Die Werbung ist nur über das Internet und auch dort nur gezielt abrufbar. Es muss daher Interesse bestehen, dieses Medium zu nutzen und damit gezielt technische Informationen abzufragen. Die Bezeichnung "Euro 3" findet sich auch nur in der Liste der Motorkenndaten.

59

Diesem Verbraucherkreis ist aber auch klar, das es einen Zusammenhang gibt zwischen der Leistung eines Fahrzeuges, seinem Gewicht und dem Kraftstoffverbrauch sowie dem Gesamtschadstoffausstoß. Er hat gerade nicht die Vorstellung von Werten, die für alle Fahrzeuge gleich sind. Dieser Verbraucherkreis weiß, dass die Entwickler bei vielen Fahrzeugen durch den EinSatz 1eichterer Baustoffe wie Aluminium oder Kunsstoff versuchen, das Gesamtgewicht zu reduzieren, um den Verbrauch zu senken. Dies gilt entsprechend für die Optimierung der aerodynamischen Form. Diese Fahrer kennen die Apelle der verschiedenen Verbände, im Fahrzeug kein überflüssiges Gewicht herumzufahren und nicht benötigte Dachaufbauten abzubauen um Benzin zu sparen. Sie wissen weiter, dass ein hubraumstarker Motor mit hoher Leistung vergleichsweise mehr Kraftstoff benötigt. Sie erwarten daher auch, dass ein schweres, großes und starkes Auto einen deutlich höheren Verbrauch hat als ein Kleinwagen. Diese Verbraucher nehmen weiter an, dass mit dem Verbrauch auch der absolute Schadstoffausstoß steigt. Es ist eine eher ungewöhnliche Erwartung, dass der Gesamtschadstoffausstoß bei einem Verbrauch von 5ltr/100 km dem bei einem Verbrauch von z.B. 18 ltr/100 km entsprechen soll.

60

Diesen technischen Gegebenheiten hat auch die ursprüngliche Abgasrichtlinie 70/220/EWG Rechnung getragen. Die dort in Anhang I definierten Grenzwerte wurden in neun Stufen nach dem Bezugsgewicht festgelegt. Je mehr ein Fahrzeug wog um so mehr Schadstoffe durfte es emittieren.

61

Eine Verbrauchererwartung dahingehend, dass alle Fahrzeuge, die als PKW genutzt werden, denselben Schadstoffausstoß haben, kann daher nicht festgestellt werden.

62

Dem Verbraucher kommt es nur auf die Einhaltung der für sein Fahrzeug geltenden Grenzwerte an.

63

d)

Auch im Verschweigen kann eine irreführende Angabe i.S. von § 3 UWG liegen, wenn den Werbenden eine Aufklärungspflicht trifft. Eine solche Pflicht besteht, sofern sie nicht schon aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem Tun begründet ist, im Wettbewerb nicht schlechthin. Denn der Verkehr erwartet nicht ohne weiteres die Offenlegung aller - auch der weniger vorteilhaften - Eigenschaften einer Ware oder Leistung. Die Pflicht zur Aufklärung besteht jedoch in den Fällen, in denen das Publikum bei Unterbleiben des Hinweises in einem wesentlichen Punkt, der den Kaufentschluß zu beeinflussen geeignet ist, getäuscht würde. Allerdings müssen auch die Interessen des Werbenden beachtet werden: Seine wettbewerbsrechtliche Aufklärungspflicht bezieht sich nicht auf jede Einzelheit der geschäftlichen Verhältnisse. Vielmehr besteht aus dem Gesichtspunkt des § 3 UWG eine Verpflichtung, negative Eigenschaften des eigenen Angebots in der Werbung offenzulegen, nur insoweit, als dies zum Schutz des Verbrauchers auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden unerläßlich ist (BGH GRUR 1999, 1122 EG-Neuwagen I; BGH GRUR 02, 182 - Das Beste am Morgen).

64

Es kann hier auf die Ausführungen oben zu 2. c) cc) Bezug genommen werden. Ein Interesse an Aufklärung über die technischen Einzelheiten der Norm hat der Verbraucher nicht. Bei Interesse für einen Touareg V 10 steht nicht die Umweltverträglichkeit des Fahrzeuges im Vordergrund, so dass insoweit auch keine gesteigerte Aufklärungspflicht besteht.

65

e)

Es fehlt auch an einer Irreführung unter dem Gesichtspunkt einer "Werbung mit Selbstverständlichkeiten".

66

Eine Werbung, die Selbstverständlichkeiten herausstellt, kann trotz Richtigkeit der Angaben dann gegen § 3 UWG verstoßen, wenn dem Publikum nicht bekannt ist, dass es sich bei der betonten Eigenschaft um einen gesetzlich vorgeschriebenen oder zum Wesen der Ware gehörenden Umstand handelt, und wenn das Publikum deshalb annimmt, dass mit der Werbung ein Vorzug gegenüber anderen Erzeugnissen gleicher Gattung und den Angeboten von Mitbewerbern hervorgehoben wird. Als eine im Sinne des § 3 relevante Irreführung mit Selbstverständlichkeiten ist jedoch Werbung nur dann zu beanstanden, wenn der Hinweis werbemäßig betont wird. Der Verkehr misst der Angabe einer Selbstverständlichkeit in einer Werbeanzeige erfahrungsgemäß nur dann eine - über einen lediglich erläuternden Zusatz hinausgehende - die Ware des Werbenden auszeichnende Bedeutung bei, wenn diese in der Textgestaltung in besonderem Maße hervorgehoben wird. Denn erst aufgrund der besonderen Betonung eines (objektiv richtigen) selbstverständlichen Umstandes erwartet jedenfalls ein nicht ganz unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise einen besonderen Vorteil, der bei der Ware der Mitbewerber nicht ohne weiteres zu erhalten ist (BGH GRUR 91, 323 - incl. Mwst. IV; Köhler/Pieper a.a.O. Rn. 181 f.).

67

Es ist richtig, dass nach § 47 StVZO heute grundsätzlich nur noch Fahrzeuge zulassungsfähig sind, die mindestens die "Euro 3" Norm erfüllen.

68

In der konkret angegriffenen Werbung hat die Beklagte die von dem V 10 Touareg erfüllte Abgasnorm aber in keiner Weise besonders herausgestellt. Sie hat diese Angabe zunächst unter einer Vielzahl von technischen Motordaten gemacht. Es findet sich dort kein Hinweis, der darauf schließen ließe, dass es sich um einen unter Umweltgesichtpunkten besonders fortschrittlichen Motor handeln würde.

69

Würde die Klägerin auf diese Angabe verzichten wären Unklarheiten und Nachfragen die Folge.

70

In dem Internetauftritt, der sich auf Abgasnormen bezieht, hat die Beklagte im Sinne einer allgemeinen Anpreisung dargestellt, dass sie moderne Motoren entwickelt. Als konkrete Beispiele hat sie dann aber auf die seit vielen Jahren bekannte TDI-Technik und die FSI-Technik Bezug genommen. Diese Darstellung bezieht sich erkennbar auf alle Fahrzeuge des Konzerns. Ein konkreter Bezug dieser allgemeinen Werbeaussage zu dem Touareg und speziell zu dem V 10-Motor fehlt. In der in einem eigenen Fenster abrufbaren Auflistung der von den Touareg-Modellen erfüllten Abgasnormen wird gerade deutlich, dass der V 10 Touareg keine umweltpolitische Vorreiterrolle übernehmen kann, da die drei anderen dort aufgeführen Touareg-Motoren dort alle mit EURO 4 angegeben sind. Der durchschnittliche Autokäufer weiß, dass EURO 3 schlechter ist als das (steuerbefreite) EURO 4 und erfährt so, dass der Touareg V 10 nicht besonders schadstoffarm ist.

71

f)

Eine Irreführung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer falschen Erwartung hinsichtlich der Kraftfahrzeugsteuer. Zwar weiß der durchschnittliche Autokäufer, dass die Einhaltung bestimmter EURO-Normen in Zusammenhang mit der Steuer steht; dies führt aber nicht zu einer Täuschung im Hinblick auf den V 10 Touareg.

72

§ 3b des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) gilt nur für Personenkraftwagen. Dies sind nur Fahrzeuge unter 2,8 t zulässigem Gesamtgewicht (BFH vom 26.8.97 VII R 60/97). Schwerere Fahrzeuge - wie der Touareg - werden als "andere Fahrzeuge" gem. § 8 Nr. 2 KraftStG besteuert. Unabhängig davon, welche Abgaswerte der Touareg einhält, würde er ohnehin nicht unter den jetzt für "EURO 3" Fahrzeuge ermäßigten Steuersatz von 13,80 EUR je angefangener 100 cm³ fallen.

73

Es wäre für den Halter sogar steuerlich nachteilig, wenn der Touareg wie ein kleinerer "Euro 3" PKW nach § 3b KraftStG besteuert würde. Bei einem Hubraum von 4921 cm³ würden dann 690,- EUR Kraftfahrzeugsteuer anfallen, während der Touareg tatsächlich aber nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG nach dem zulässigen Gesamtgewicht besteuert und so im Ergebnis 105,48 EUR Kraftfahrzeugsteuer im Jahr entfallen.

74

Eine relevante Irreführung ist daher nicht gegeben.

75

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

76

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.

77

4.

Der Streitwert wird auf 15.000 EUR festgesetzt.