Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.04.2022, Az.: 7 MS 181/21
Erschließung; Folgemaßnahme; Folgemaßnahme, notwendige; Notwegerecht; Planfeststellung; Südschnellweg
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 27.04.2022
- Aktenzeichen
- 7 MS 181/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59534
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 918 Abs 2 BGB
- § 75 Abs 1 S 1 VwVfG
Tenor:
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 18. November 2021 anzuordnen, wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für die „B 3 Südschnellweg Hannover“ der Antragsgegnerin vom 22. September 2021.
Der im Süden des Gebietes der Landeshauptstadt Hannover gelegene Südschnellweg ist Teil des überregionalen Verkehrsnetzes und bildet einen Abschnitt der Tangente zwischen A 7 und A 2 sowie des um Hannover verlaufenden Rings aus Autobahnen und Bundesstraßen. Er beginnt im Westen in Hannover-Ricklingen am Landwehrkreisel, an dem sich aus Richtung Norden kommend die Bundesstraßen B 6 und B 65 sowie aus südlicher Richtung die Bundesstraße B 3 treffen und auf dem Südschnellweg gebündelt werden. Von dort verläuft er in östliche Richtung und trifft am Seelhorster Kreuz auf den Messeschnellweg (B 6). Zwischen dem Landwehrkreisel und dem Seelhorster Kreuz überquert der Südschnellweg in west-östlicher Richtung den Mühlenholzweg, die Ihme, den Weg An der Bauerwiese, den Hemminger Maschgraben, die Döhrener Masch, die Leine, die Leineflutmulde, die Schützenallee sowie die Hildesheimer Straße. Über das Seelhorster Kreuz hinaus führt der Südschnellweg weiter bis zur Anschlussstelle Hannover-Anderten zur A 7. In dem Bereich zwischen Landwehrkreisel und Seelhorster Kreuz weisen drei von insgesamt neun Brücken erhebliche Tragfähigkeitsdefizite auf, die nach Einschätzung der Beigeladenen trotz bereits durchgeführter Verstärkungsmaßnahmen dazu führen, dass die Bauwerke teils im Jahr 2023, teils 2024 nicht mehr nutzbar sein werden. Weiter besteht die Brücke über die Schützenallee aus spannungsrisskorrosionsgefährdetem Spannstahl und weist daher kein ausreichendes Ankündigungsverhalten („Riss vor Bruch“) auf. Auch die übrigen fünf Brücken zwischen Landwehrkreisel und Seelhorster Kreuz, die in den Jahren 1954 bis 1955 errichtet wurden, nähern sich dem Ende ihrer Nutzungsdauer und entsprechen in Bezug auf ihre Belastbarkeit, Fahrbahnbreite und konstruktive Ausbildung nicht mehr aktuellen Standards. Die Gesamtfahrbahnbreite des über vier Fahrstreifen und keinen Seitenstreifen verfügenden Südschnellwegs liegt zwischen 12,5 m (Brücke über die Hildesheimer Straße) und 14,5 m (westlicher Damm). Der 3,8 km lange Abschnitt des Südschnellwegs zwischen Landwehrkreisel und Seelhorster Kreuz wird – abhängig vom betroffenen Abschnitt – von knapp 35.000 bis knapp 50.000 Kraftfahrzeugen innerhalb von 24 Stunden genutzt. Zudem verläuft er zu etwa knapp einem Drittel durch ein Landschaftsschutzgebiet (LSG H-S 04 „Obere Leine“) sowie ein Überschwemmungsgebiet.
Mit dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss genehmigte die Antragsgegnerin den Ausbau des Südschnellweges in dem Abschnitt zwischen Landwehrkreisel und dem Ostendende des östlich der Hildesheimer Straße gelegenen, durch die dortigen Bahnbrücken gebildeten Troges. Neben einer Erneuerung der Brückenbauwerke ist Gegenstand des Ausbaus insbesondere das Führen der Strecke von westlich der Schützenallee bis östlich der Hildesheimer Straße in einem zu errichtenden Tunnel sowie die Herstellung des westlich des künftigen Tunnels gelegenen Abschnitts mit dem Querschnitt RQ 25, der eine Gesamtfahrbahnbreite von (mindestens) 25 m aufweist und mithin eine Verbreiterung um gut 10 m und teils deutlich mehr mit sich bringt und mit einem entsprechenden Mehrbedarf an Flächen einhergeht.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Kleingartengrundstücks Flurstück … der Flur … der Gemarkung F. mit einer Gesamtgröße von 1.193 m². Das Grundstück weist in Nord-Süd-Richtung eine Länge von etwa 70 m und eine Breite (Ost-West) von etwa 15 m auf. Es ist in drei gesondert verpachtete Bereiche – die südliche Grundstückshälfte sowie zwei etwa gleich große Parzellen in der nördlichen Grundstückshälfte – aufgeteilt. Jeder der Bereiche ist mit mindestens einer Gartenlaube bebaut. Im Norden grenzt das Grundstück an das im Eigentum der Landeshauptstadt Hannover stehende Flurstück 140/23, das wiederum bei einer Breite von etwa 7 m unmittelbar parallel zum Südschnellweg verläuft. Für das Flurstück 140/23 trifft der Bebauungsplan 991 der Landeshauptstadt Hannover vom 12. Dezember 1984 die Festsetzung „Öffentliche Grünverbindung“/„Wanderweg“.
Im Westen grenzt an das Grundstück der Antragstellerin auf voller Länge eine Fläche vergleichbarer Größe und vergleichbaren Zuschnitts an. Diese trug ehemals die Flurstücksbezeichnung 74/2, wurde nach Erteilung einer Teilungsgenehmigung gemäß § 19 BBauG am 5. Oktober 1984 aber im Januar 1985 in die Flurstücke 74/4 und 74/5 aufgeteilt, die seit dem 17. Februar 1985 als eigenständige Grundstücke geführt und ebenfalls kleingärtnerisch genutzt werden. Das nördliche Flurstück 74/4 weist keinen unmittelbaren Anschluss an eine öffentliche Straßenfläche auf und wird über den auf dem Flurstück 140/23 befindlichen Wanderweg erschlossen, wobei zwischen den Beteiligten in Streit steht, wie breit der Wanderweg ist und ob eine Nutzung zu Erschließungszwecken zulässig ist.
Der am 22. September 2021 erlassene Planfeststellungsbeschluss sieht eine dauerhafte Inanspruchnahme des Grundstücks der Antragstellerin in einem Umfang von 93 m² und eine vorübergehende Inanspruchnahme hinsichtlich einer Fläche von 124 m² vor. Die dauerhafte Inanspruchnahme geht nur mittelbar auf die Verbreiterung des Schnellweges zurück: Die betroffene Fläche des Grundstücks der Antragstellerin soll als Fläche für die Ersatzherstellung des durch die Verbreiterung des Südschnellweges entfallenden Wanderweges auf dem Flurstück 140/23 genutzt werden. Dieser Ersatzweg soll ausdrücklich der Erschließung des Flurstücke 74/4 dienen.
Gegen den der Antragstellerin am 23. Oktober 2021 zugstellten Planfeststellungsbeschluss hat diese am 18. November 2021 Klage erhoben (7 KS 177/21), über die noch nicht entschieden ist, und am 23. November 2021 um den hier streitgegenständlichen einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Insoweit hat sie – einschränkend – beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen, soweit durch den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss i.V.m. dem Grunderwerbsplan 10.1/2D in der Korrekturfassung (Änderung 1) vom März 2021 zulasten der Antragstellerin das Eigentum und der Besitz am Flurstück … der Flur … der Gemarkung F. in der Größe von 93 m² dauerhaft entzogen werden sollen.
Ihrem mit weiteren Schriftsätzen vom 27. Januar, 5. April und 19. April 2022 ergänzend begründeten Begehren sind die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils entgegengetreten, wobei auch die Beigeladene einen Antrag auf Ablehnung des Gesuches um vorläufigen Rechtsschutz gestellt hat.
II.
Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt., 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet. Das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses vom 22. September 2021 überwiegt nicht das öffentliche Vollziehungsinteresse.
Maßgeblich für die Entscheidung des Senats ist eine umfassende Interessenabwägung, deren Gegenstand das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin einerseits sowie das Interesse der Öffentlichkeit und der Vorhabenträgerin an der Beibehaltung der von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a VwGO grundsätzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses andererseits sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben insbesondere Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses Relevanz, dies allerdings nicht als unmittelbar ausschlaggebend für die Entscheidung, sondern als in die Gewichtung der wechselseitigen Interessen einzustellende Aspekte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.12.2019 - OVG 1 S 59.19 -, juris; Beschluss vom 23.07.2019 - OVG 11 S 80.18 -, juris).
Mit ihrem Vortrag zeigt die Antragstellerin keine Aspekte auf, die darauf schließen ließen, der Planfeststellungsbeschluss sei durchgreifend rechtswidrig. Sie zeigt weder beachtliche Verfahrensfehler auf (dazu unter A.), noch legt sie durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Planrechtfertigung (dazu unter B.), hinsichtlich der Wahrung zwingenden Rechts (dazu unter C.) oder in Bezug auf die Beachtung des Abwägungsgebots (dazu unter D.) dar. Auch gegen die dauerhafte Inanspruchnahme des nördlichen Bereiches ihres Grundstückes durch die Ersatzplanung des bisher nördlich des Grundstückes verlaufenden Wanderweges bringt die Antragstellerin keine erfolgreichen Rügen an (dazu unter E.).
A. Verfahrensfehler macht die Antragstellerin mit ihrem Vortrag nicht mit Erfolg geltend.
I. Einer Auslegung (oder gar Planfeststellung) des Gesamtsicherheitskonzeptes des Tunnels im Ostabschnitt bedurfte es nicht. Zwar können Sicherheits- und Überwachungskonzepte insbesondere bei Bauwerken, die der ständigen Überwachung bedürfen und bei denen Sicherheitsstandards für Not- und Rettungsfälle zu beachten sind, wie etwa Tunnel oder Brücken, hinsichtlich der Festlegung eines bestimmten Überwachungssystems Gegenstand eines straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses sein (vgl. Senat, Urteil vom 23.09.2009 - 7 KS 122/05 -, juris) und wären daher gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG i.V.m § 18 Abs. 1 Satz 5 FStrG auch auszulegen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass nach § 4 FStrG die Verantwortlichkeit für Sicherheit und Ordnung nicht bei der Planfeststellungsbehörde, sondern – auch im Falle der Planfeststellung eines Vorhabens – bei dem Träger der Straßenbaulast als Vorhabenträger liegt. Die Planfeststellung eines Sicherheitskonzeptes ist daher nur geboten, soweit dies zur Lösung vorhabenbedingter Konflikte erforderlich ist.
Eine solche Erforderlichkeit besteht vorliegend nicht. Dem Planfeststellungsbeschluss ist zu entnehmen, dass die Beachtung der Vorgaben der Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln (RABT) sowie die Empfehlungen für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln mit einer Plangeschwindigkeit von 80 km/h oder 100 km/h (EABT-80/100) ausreicht, um zu erwartenden Risiken zu begegnen und es aus diesem Grunde darüberhinausgehender Maßnahmen nicht bedarf (S. 124 PFB). Dies wird von der Antragstellerin nicht mit Substanz in Zweifel gezogen.
II. Mit der Antragstellerin sieht der Senat einen Verfahrensfehler zwar darin, dass die Verkehrsuntersuchung weder ausgelegt noch später der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde (dazu unter 1.). Dieser nur relative Verfahrensmangel ist indes gemäß § 4 UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG unbeachtlich (dazu unter 2.).
1. Die Verkehrsuntersuchung wäre (mindestens) gemäß § 19 Abs. 3 UVPG zu einem späteren Zeitpunkt der Öffentlichkeit zugänglich zu machen gewesen.
§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG sieht vor, dass die zuständige Behörde die das Vorhaben betreffenden entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorgelegen haben, zur Einsicht für die Öffentlichkeit auslegt. Die auf dem Südschnellweg zu erwartende Verkehrsstärke hat unausweichlich Folgen für die erforderliche Dimensionierung des Vorhabens, die auftretenden Verkehrslärmimmissionen und hiergegen etwaig zu treffende Maßnahmen sowie die voraussichtliche Menge an Luftschadstoffen. Vor diesem Hintergrund ist sie entscheidungserheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.2018 - 9 C 1.17 -, juris; Urteil vom 15.10.2020 - 7 A 9.19 -, juris). Nach den übereinstimmenden Angaben der Antragsgegnerin und der Beigeladenen sowie in Übereinstimmung mit den im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Planfeststellungsrichtlinien 2015 hat die Verkehrsuntersuchung der Antragsgegnerin zu Beginn des Beteiligungsverfahrens indes nicht vorgelegen und hätte die Antragsgegnerin sie daher auch nicht auslegen können.
Nach § 19 Abs. 3 UVPG sind weitere Informationen, die für die Zulassungsentscheidung von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn des Beteiligungsverfahrens vorliegen, der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Zwar lässt sich den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin nicht entnehmen, ob ihr die Verkehrsuntersuchung tatsächlich vorgelegen hat. Allerdings wurde die Verkehrsuntersuchung der Landeshauptstadt Hannover auf deren Einwendung (Bl. 258 BA002) hin zur Verfügung gestellt (Bl. 323 BA002). Selbst wenn – diesen Eindruck vermitteln die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin – die Verkehrsuntersuchung auf direktem Wege von der Beigeladenen an die Landeshauptstadt Hannover geschickt worden ist und sie der Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt vorgelegen haben sollte, muss die Antragsgegnerin sich behandeln lassen, als habe sie selbst die Verkehrsuntersuchung versandt und folglich auch Zugang zu ihr gehabt. Denn die Behandlung erhobener Einwendungen, erforderlichenfalls auch unter Vermittlung zwischen Einwendendem und Vorhabenträger, ist ureigene Aufgabe der Anhörungs- bzw. Planfeststellungsbehörde; ein direkter Kontakt zwischen Vorhabenträger und Einwendendem entlässt die Behörde nicht aus ihrer Verantwortung. Dass die Antragsgegnerin die Verkehrsuntersuchung aber nach §§ 3, 4 Umweltinformationsgesetz (UIG) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hätte, lässt sich den Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen und wird von ihr auch nicht behauptet.
Ein Zugänglichmachen der Verkehrsuntersuchung konnte auch nicht deshalb unterbleiben, weil deren Inhalt sich im Wesentlichen aus anderen ausgelegten oder später der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Unterlagen ergäbe und aus diesem Grunde eine hinreichende Anstoßwirkung erzeugt worden wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.2018 - 9 C 1.17 -, juris; Senat, Urteil vom 04.07.2017 - 7 KS 12/15 -, juris). Im Erläuterungsbericht (insbesondere S. 23 f., Nr. 2.3.2) finden sich, worauf die Beigeladene zu Recht hinweist, zwar knappe Angaben zu durch eine nicht näher beschriebene Videoerhebung verifizierten Verkehrswerten aus dem Jahr 2017, auf deren Grundlage ebenfalls benannte Prognosewerte für das Jahr 2030 ermittelt worden seien. Die Einzelheiten der Erstellung der Prognose bleiben aber ungewiss.
Entbehrlich war die Auslegung der Verkehrsuntersuchung auch nicht deshalb, weil – wie die Beigeladene ausführt – bei einem nicht auf eine Erhöhung bestehender Kapazitäten zielenden Änderungsvorhaben wie dem vorliegenden die zu prognostizierenden Verkehrszahlen im Wesentlichen von ohnehin vorzunehmenden behördlichen Verkehrszählungen abhängen. Auch wenn bei nicht kapazitätserhöhenden Maßnahmen die Nähe der prognostizierten Verkehrsstärke zur durch Zählung festgestellten Verkehrsstärke regelmäßig größer ausfallen wird als bei der Erhöhung der Verkehrskapazitäten dienenden (Änderungs-) Vorhaben, ist für die Planung gleichwohl weniger die zählweise festgestellte Verkehrsmenge als vielmehr das prognostische Element der Verkehrsuntersuchung von essentieller Bedeutung für die Planung und damit zugleich Gegenstand des Interesses der Öffentlichkeit und Anknüpfungspunkt möglicher Einwendungen.
Eine Auslegung der Verkehrsuntersuchung konnte auch nicht deshalb unterbleiben, weil die Richtlinien für die Planfeststellung nach dem Bundesfernstraßengesetz aus dem Jahr 2015 (Planfeststellungsrichtlinien 2015) eine solche Auslegung nicht vorgeschrieben haben. Denn zum einen sind, wie die Antragstellerin richtig anmerkt, noch während des laufenden Anhörungsverfahrens die Planfeststellungsrichtlinien 2019 veröffentlicht worden. Diese sehen in Nr. 18 Abs. 1 lit. g) nunmehr grundsätzlich die Auslegung von Verkehrsuntersuchungen vor. Zum anderen handelt es sich bei den Planfeststellungsrichtlinien um Verwaltungsvorschriften, die nicht die Eignung haben, den Regelungsgehalt eines formellen Gesetzes – hier des § 19 UVPG – zu ändern.
2. Der danach bestehende Mangel des Verfahrens stellt (lediglich) einen relativen Verfahrensfehler dar. Er ist nach seiner Art und Schwere nicht mit den Verfahrensfehlern gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UmwRG vergleichbar (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. b) UmwRG). Hinzu kommt, dass durch ihn der der betroffenen Öffentlichkeit nicht die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung genommen wurde (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. c) UmwRG).
Als relativer Verfahrensfehler ist der Mangel vorliegend aufgrund der Umstände des Einzelfalls gemäß § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG unbeachtlich. Hiernach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes bzw. die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit nicht beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zur Aufklärung dieser Frage hat das Gericht im Rahmen seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen alle verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen. Lässt sich nicht aufklären, ob der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung nach § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG vermutet.
Beachtlich ist ein Verfahrensfehler, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Fehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre; eine nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht. Nach § 4 Abs. 1a UmwRG i.V.m. mit § 46 VwVfG unbeachtlich ist der Mangel nur, wenn das Tatsachengericht anhand der Akten und Planunterlagen und der sonst erkennbaren oder naheliegenden Umstände zu der Feststellung in der Lage ist, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.2018 - 9 C 1.17 -, juris; Urteil vom 21.01.2016 - 4 A 5.14 -, juris; Beschluss vom 21.06.2016 - 9 B 65.15 -, juris; zu den Grenzen der Würdigung durch das Tatsachengericht: BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2017 - 1 BvR 1026/13 -, juris).
An einer solchen konkreten Möglichkeit einer inhaltlich abweichenden Entscheidung über den Antrag der Beigeladenen im Falle der Auslegung oder späteren Zugänglichmachung der Verkehrsuntersuchung fehlt es. Denkbar wäre das Treffen einer abweichenden Entscheidung nur dann, wenn durch Einwendungen, die infolge der unterbliebenen Auslegung/Zugänglichmachung der Verkehrsuntersuchung nicht erhoben wurden, Mängel in der Prognose der zu erwartenden Verkehrsstärke aufgedeckt worden wären, die derart gravierend wären, dass angenommen werden müsste, die Einschätzung der Antragsgegnerin zur erforderlichen Dimensionierung des Querschnitts des Südschnellweges, zu erforderlichen Lärmschutzmaßnahmen sowie zu Maßnahmen gegen zu erwartende Luftschadstoffe wäre bei Zugrundelegung einer zutreffenden Prognose der voraussichtlichen Verkehrsstärke anders ausgefallen und hätte – darauf aufbauend – einen abweichenden Planinhalt zur Folge gehabt.
Dass die Verkehrsuntersuchung Mängel eines solchen Gewichts aufweist, kann nach derzeitigem Kenntnisstand jedoch ausgeschlossen werden. Dem Erläuterungsbericht lässt sich entnehmen, von welchen Verkehrsbelastungen die Antragsgegnerin für den Ist-Zustand ausgegangen ist, nämlich von 45.000 Kfz/24 h im Westabschnitt östlich des Landwehrkreisels, von 34.200 Kfz/24 h auf der Brücke über die Hildesheimer Straße und von 49.500 Kfz/24 h im Ostabschnitt (S. 23 des Erläuterungsberichtes). Als zu erwartende Verkehrsbelastung für das Jahr 2030 prognostiziert hat die Antragsgegnerin für den Westabschnitt 55.000 Kfz/24 h, für die Brücke über die Hildesheimer Straße 43.000 Kfz/24 h und für den Ostabschnitt 60.000 Kfz/24 h. Sie geht mithin von Zunahmen der Verkehrsstärken zwischen etwa 21 % (Ostabschnitt) und knapp 26 % (Brücke über die Hildesheimer Straße) aus. Nach den RAA geboten ist die Planung mit einem größeren Querschnitt (RQ 31,5) erst ab einer Verkehrsstärke von mehr als 70.000 Kfz/24 h; unvertretbar wäre die Planung eines Querschnitts RQ 25 auch in diesem Bereich noch nicht (vgl. Nr. 4.3.4/Bild 7 RAA). Eine prognostizierte Verkehrsstärke von 70.000 Kfz/24 h bedeutete allerdings selbst für den am stärksten befahrenen Ostabschnitt eine Zunahme um gut 41 %. Dies hieße, dass die von der Antragsgegnerin zugrundegelegte Prognose hinsichtlich des Ausmaßes der Verkehrszunahme einen Fehler in einem Bereich von etwa 100 % (Zunahme um etwa 20.500 Kfz/24 h statt 10.500 Kfz/24 h) aufweisen müsste, um zu einer Verkehrsstärke zu gelangen, die eine Erheblichkeit des Verfahrensmangels mit Blick auf die Dimensionierung des Querschnitts zumindest denkbar erscheinen ließe. Für den Bereich der Brücke über die Hildesheimer Straße betrüge das prozentuale Maß der Prognosefehleinschätzung etwa 400 % (Zunahme um etwa 35.800 Kfz/24 h statt 8.800 Kfz/24 h), im Westabschnitt etwa 150 % (Zunahme um etwa 25.000 Kfz/24 h statt 10.000 Kfz/24 h). Für derart krasse Berechnungsmängel in der Prognose der Verkehrsstärke im Jahr 2030 spricht nichts.
Noch deutlich stärkerer Mängel in der Prognose bedürfte es, damit anzunehmen wäre, die Antragsgegnerin wäre möglicherweise gehalten gewesen, mit einem schmaler dimensionierten Querschnitt zu planen. Selbst in dem am wenigsten befahrenen Bereich des Südschnellweges – der Brücke über die Hildesheimer Straße – müsste sich die prognostizierte Verkehrsmenge mehr als halbieren, damit ein Wert von 20.000 Kfz/24 h erreicht würde, ab dem ernsthaft in Erwägung zu ziehen wäre, die Planung des Querschnitts nicht auf Grundlage der RAA zu betreiben.
Vergleichbar verhält es sich hinsichtlich der zu erwartenden Belastungen durch Lärm und Luftschadstoffe: Das planfestgestellte Vorhaben führt ausweislich der schalltechnischen Untersuchung an keinem einzigen Objekt zu einer Erhöhung der Lärmbelastung, diese nimmt – im Gegenteil – ganz überwiegend ab, bei einer erheblichen Anzahl von Objekten um deutlich zweistellige dB(A)-Werte. Die Grenzwerte für Luftschadstoffe werden deutlich unterschritten. Vor diesem Hintergrund kann, selbst wenn die Prognose der Verkehrszahlen für das Jahr 2030 wesentliche Mängel aufwiese, nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ausgeschlossen werden, dass solche Mängel sich entscheidungserheblich auf das Ergebnis der Planfeststellung durchschlügen.
3. Ob die Verkehrsuntersuchung nach § 73 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwVfG i.V.m. § 17a FStrG auszulegen gewesen wäre, kann mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen dahinstehen. Ein etwaig in der unterlassenen Auslegung liegender Verfahrensmangel wäre in gleicher Weise zu beurteilen.
III. Ein Verfahrensfehler liegt nicht darin, dass die Antragsgegnerin die das Grundstück der Antragstellerin betreffenden Angaben zur Größe der vorübergehend und dauerhaft zu beanspruchenden Flächen korrigiert (von 17 m² dauerhaft/199 m² vorübergehend in 93 m² dauerhaft/124 m² vorübergehend), ihr dies mit Schreiben vom 18. März 2020 mitgeteilt, ihr aber nicht bis mindestens „Ende Mai 2020“ Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Änderungen eingeräumt hat. Die Antragsgegnerin hat sich auf Seite 67 des Planfeststellungsbeschlusses zutreffend – unter Hinweis auf § 17a FStrG i.V.m. § 73 Abs. 8 VwVfG – mit der Beteiligung der Antragstellerin auseinandergesetzt und festgestellt, dass der Antragstellerin nach der Mitteilung noch mehr als zwei Wochen für eine Stellungnahme verblieben seien. Hierzu bezieht die Antragstellerin nicht Stellung.
IV. Einen Fehler in der Öffentlichkeitsbeteiligung zeigt die Antragstellerin nicht mit ihren Einwendungen auf, der Server der Region Hannover sei am 12. Mai gegen 11:00 Uhr nicht erreichbar gewesen und eine Einsichtnahme in die Planunterlagen daher zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, außerdem sei das Rathaus in Hemmingen zu Beginn des Pandemiegeschehens nur kürzer als sonst üblich geöffnet gewesen, man habe überdies klingeln müssen, um eingelassen zu werden. Eine Veröffentlichung der Planunterlagen im Internet ist gesetzlich nicht zwingend vorgesehen; insbesondere findet § 3 Abs. 1 PlanSiG keine Anwendung. Die von der Antragstellerin mit Blick auf die ihres Erachtens bestehenden Einschränkungen bei der Zugänglichkeit der Planunterlagen in Hemmingen geforderte Verlängerung der Auslegung um einen Monat hat rein tatsächlich stattgefunden: Die Antragsgegnerin hat die Einsichtnahme bis zum Ablauf der Stellungnahmefrist am 18. Mai 2020 ermöglicht.
V. Als verfahrensfehlerhaft erweist sich auch nicht der Verzicht auf die Auslegung der Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA) sowie die „Stellungnahme des Vorhabenträgers zur Dimensionierung des Ausbauquerschnittes“ (Bl. 1308 ff. BA004). Das Fehlen dieser Unterlagen in der Öffentlichkeitsbeteiligung nimmt den ausgelegten Planunterlagen nicht die erforderliche Anstoßwirkung. Um diese zu entfalten, müssen die ausgelegten Unterlagen geeignet sein, den potentiell Betroffenen das Interesse an der Erhebung von Einwendungen bewusst zu machen. Sie müssen Dritten die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Umfang sie von den Umwelteinwirkungen des Vorhabens betroffen werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 - 4 A 7001.11 u.a. -, juris). Diesen Anforderungen genügen die Planunterlagen hinsichtlich der Wahl der nunmehr planfestgestellten Querschnitte. Auf Seite 12 des Erläuterungsberichts wird dargestellt, welcher Querschnitt für welchen Streckenabschnitt hergestellt werden soll, zumindest knapp wird die Wahl – mit den prognostizierten Verkehrszahlen und Bestimmungen der RAA – auch begründet. Welches Maß an Betroffenheit hieraus konkret folgt, wird insbesondere aus den Darstellungen der Querschnitte (S. 142 ff. des Erläuterungsberichts) sowie hinsichtlich des konkreten Grundstücks aus den Grunderwerbsplänen (Unterlage 10.1) deutlich.
B. Zweifel an der Planrechtfertigung des Vorhabens macht die Antragstellerin nicht durchgreifend geltend.
I. Ihre Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Bundesverkehrswegeplanes gehen ins Leere: Der Planfeststellungsbeschluss stützt sich nicht auf den Bundesverkehrswegeplan, sondern auf die – mit Schriftsatz der Beigeladenen vom 5. April 2022 nun auch vorgelegte – projektspezifische Verkehrsprognose für das Jahr 2030.
II. Soweit die Antragstellerin einwendet, es sei unklar, ob die für das Jahr 2030 prognostizierte durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) von rund 55.000 Fahrzeugen im westlichen Bereich des Vorhabens zutreffend sei, verfängt dieser Einwand nicht, weil er nicht berücksichtigt, dass – wie oben unter A.II.2. dargelegt – der prognostizierte Wert um mehr als 150 % oberhalb der Untergrenze des DTV von 20.000 liegt, ab der die RAA den für den westlichen Vorhabenbereich planfestgestellten Querschnitt RQ 25 vorsehen (vgl. Nr. 4.3.4, Bild 7 RAA). Vor diesem Hintergrund fehlte es dem Vorhaben selbst dann nicht an einer Planrechtfertigung, wenn die Verkehrsstärke stagnierte oder – sogar deutlich – zurückginge.
III. Die Planrechtfertigung ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil – wie die Antragstellerin meint – die RAA, aus denen die Antragsgegnerin die Dimensionierung des Ausbaus im Wesentlichen hergeleitet hat, einen überholten technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisstand abbildeten. Der auf der von der Antragstellerin genannten Homepage der für die Herausgabe der RAA verantwortlichen Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (https://www.fgsv.de/autobahnen.html) bekannt gegebene Forschungsbedarf im Hinblick auf „Sicherheitsbewertung und Entwurfshinweise für den Um- und Ausbau von bestehenden Autobahnen“, auf den die Antragstellerin aufmerksam macht, könnte zur Folge haben, dass die RAA in ihrer gegenwärtigen Fassung nach Abschluss der beabsichtigten Forschungsarbeiten überholt sein werden; dies hat aber nicht zur Folge, dass der gegenwärtig vorhandene Erkenntnisstand bereits jetzt überholt ist. Gleiches gilt bezüglich der von der Antragstellerin angeführten Dissertation von Berger aus dem Jahr 2016, die nach Darstellung der Antragstellerin ebenfalls (nur) weiteren Forschungsbedarf aufzeigt.
IV. Die Rügen der Antragstellerin hinsichtlich der „Stellungnahme des Vorhabenträgers zur Dimensionierung des Ausbauquerschnittes“ (Bl. 3108 ff. BA004), mit denen sie vorbringt,
- die Annahmen zur Verbindungs- und Umleitungsfunktion des Südschnellweges seien in erheblichem Maße fehlerhaft, weil teils nicht bestehende Verknüpfungsfunktionen angenommen, teils vorhandene Alternativ- und Ausweichstrecken, insbesondere auch Kreisstraßen, übergangen würden und auch übersehen werde, dass die Ortsdurchfahrt Hemmingen durch eine Ortsumgehung ersetzt worden sei,
- die in die Erwägungen einbezogenen Unfallzahlen aus den Jahren 2013 bis 2015 bildeten noch nicht die Verbesserung der in der Vergangenheit unfallträchtigen Auffahrsituation an der Willmerstraße ab,
- zu Recht habe die Landeshauptstadt Hannover eine weitergehende Verkehrsuntersuchung gefordert, die insbesondere prüfen müsse, ob und gegebenenfalls in welchem Maße die Anschlussstrecken im Westen des Südschnellweges – vor allem der Landwehrkreisel – zur Aufnahme weiterer Verkehrskapazitäten überhaupt in der Lage seien,
verfangen nicht. Sie münden inhaltlich sämtlich in der Frage, ob die von der Antragsgegnerin zugrundegelegte Prognose über die künftig vom Südschnellweg aufzunehmenden Verkehrsmengen zutrifft. Aber selbst wenn die Prognose fehlerhaft sein sollte und die zu erwartenden Verkehrsmengen – der Argumentationsrichtung der Antragstellerin folgend – deutlich unter den angenommenen Prognosewerten und sogar, wofür nichts spricht, deutlich unter den den Istzustand abbildenden Werten liegen sollten, wären sie noch immer so hoch, dass hierdurch weder die Umsetzung des Vorhabens überhaupt noch die Umsetzung unter Herstellung des planfestgestellten Querschnittes infrage gestellt würde; Gegenteiliges führt auch die Antragstellerin nicht ausdrücklich an.
V. Mit ihren Einwendungen,
- einer Verbreiterung des Schnellweges habe es nicht bedurft, Lenkungenauigkeiten bei der Nutzung des Schnellweges ließen sich auch gegenwärtig ausreichend ausgleichen,
- der planfestgestellte Querschnitt mit einer Fahrbahnbreite von 6,75 m sei, da das Überfahren der Leitlinien verboten sei, nicht zur Bildung einer Rettungsgasse geeignet und führe daher nicht zu einer Verbesserung des bestehenden Zustandes,
- mit Blick auf Unfälle führe die Verbreiterung des Schnellweges nur zu einer Verbesserung, soweit die Unfälle sich auf dem linken Fahrstreifen zutrügen, was nach den Feststellungen der Antragsgegnerin aber gerade nicht häufig zutreffe,
- der Querschnitt RQ 21 habe nicht von der Abwägung ausgeschlossen werden dürfen,
- die Einschätzung, Nothaltebuchten – und damit einhergehend der Verzicht auf einen Seitenstreifen – seien ab einem DTV von 30.000 ungeeignet, sei nicht hinreichend validiert,
zeigt die Antragsgegnerin ebenfalls keine mangelnde Planrechtfertigung auf. Die Planung fußt, soweit es die von der Antragstellerin kritisierte Querschnittsverbreiterung betrifft, auf den RAA. Diese bringen die anerkannten Regeln für die Anlage von Autobahnen zum Ausdruck und tragen bei der Frage der Querschnittsgestaltung dem gestiegenen Stellenwert des Umweltschutzes und den Aspekten der Wirtschaftlichkeit unter besonderer Berücksichtigung der Verkehrssicherheit und der Erkenntnisse über den Verkehrsablauf in hohem Maße Rechnung. Eine sich an den RAA orientierende Planung einer Autobahn wird daher nur in besonderen Ausnahmefällen gegen das fachplanerische Abwägungsgebot verstoßen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.05.2012 - 9 A 35.10 -, juris, m.w.N.). Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls nimmt die Antragstellerin aber weder in Anspruch, noch drängt es sich im gegenwärtigen Verfahrensstand sonst auf. Dies gilt umso mehr, als die Beigeladene in ihrer von der Antragstellerin in die Abwägung einbezogenen „Stellungnahme des Vorhabenträgers zur Dimensionierung des Ausbauquerschnittes“ die Möglichkeit einer Abweichung von den Vorgaben der RAA ausdrücklich in Betracht gezogen und damit im Übrigen entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch deutlich gemacht hat, dass sie den ihr insoweit eingeräumten Ermessensspielraum wahrgenommen hat (S. 21-25 der Stellungnahme). Auch die Antragsgegnerin hat das Vorliegen eines Ausnahmefalls im vorgenannten Sinne ausdrücklich verneint (S. 130 PFB).
VI. Nicht nachvollziehbar ist der Einwand der Antragstellerin, in der „Stellungnahme des Vorhabenträgers zur Dimensionierung des Ausbauquerschnittes“ komme es zu einem Paradigmenwechsel, den sie ihrerseits nicht nachvollziehen könne: Während im ersten Teil der Stellungnahme die Wahl des Querschnittes vornehmlich mit der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs begründet werde, schwenke die Argumentation im Weiteren dahin um, dass durch die Wahl des Querschnittes eine regelmäßige Beeinträchtigung des Verkehrs durch den Betriebsdienst vermieden werden solle, Straßenausbesserungs- und Reinigungsarbeiten sowie Arbeitsstellen von längerer Dauer leichter und in einer den Verkehr weniger beeinträchtigenden Weise umsetzbar würden; hierdurch würden nach Auffassung der Antragstellerin die betriebswirtschaftlichen Vorteile des Querschnitts RQ 28 zugunsten des RQ 25 zurückgestellt. Unbeschadet der Frage, ob der Stellungnahme – der Antragstellerin folgend – die Aussage beizumessen ist, die betriebswirtschaftlichen Vorteile des RQ 28 würden zugunsten des RQ 25 aufgegeben, vermag der Senat auch bei Zugrundelegung der Argumentation der Antragstellerin keinen die Planrechtfertigung berührenden oder auch nur einen Abwägungsmangel begründenden Widerspruch zu erkennen. Nichts spricht dagegen, sowohl die Vorteile des gewählten Querschnitts für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs als auch die Vorteile im Hinblick auf die Verringerung der Beeinträchtigungen des fließenden Verkehrs durch Unterhaltungsarbeiten oder Bautätigkeiten geringeren Ausmaßes – ebenfalls ein die Leichtigkeit des Verkehrs betreffender Vorteil – zur Begründung der Querschnittswahl heranzuziehen. Ein Paradigmenwechsel liegt hierin nicht.
C. Einen Verstoß gegen zwingendes Recht macht die Antragstellerin nicht mit Erfolg geltend.
Ihre – insoweit einzige – Rüge, der Planfeststellungsbeschluss nehme auf Satz 2 des Plansatzes 4.1.1.02 des Regionales Raumordnungsprogrammes 2016 der Region Hannover (RROP) und den dort in Bezug genommenen „Verkehrsentwicklungsplan pro Klima“ der Region Hannover keine Rücksicht und übergehe überdies das sich aus dem Plansatz 4.1.5.04 RROP folgende Gebot, eine Querschnittsverbreiterung nur dann vorzunehmen, wenn hierdurch eine Gefährdung der Verkehrssicherheit beseitigt werden könne, dringt nicht durch und zeigt insbesondere nicht auf, dass es eines raumordnungsrechtlichen Zielabweichungsverfahrens bedurft hätte. Die Einwendung, es sei davon auszugehen, dass Ziele des „Verkehrsentwicklungsplans pro Klima“ verletzt seien, lässt die nötige Substanz vermissen. Der Verkehrsentwicklungsplan setzt sich mit der Gestaltung von Straßenquerschnitten nicht auseinander und spricht die Begrenzung einer Flächeninanspruchnahme nur im Zusammenhang mit der Förderung einer „Siedlungsstruktur der kurzen Wege“ an (S. 27 des Verkehrsentwicklungsplanes). Eine Abweichung von dem in Satz 2 des Plansatzes 4.1.5.04 RROP niedergelegten Ziel, eine Erweiterung des Straßennetzes nur dann vorzunehmen, wenn eine der dort geregelten Ausnahmen besteht, geht mit der Umsetzung des planfestgestellten Vorhabens nicht einher. Der Südschnellweg ist Teil des bestehenden Straßennetzes der Region Hannover; dieses wird durch den Ausbau des Südschnellweges nicht erweitert.
D. Abwägungsmängel macht die Antragstellerin ausschließlich mit den Einwendungen geltend, mit denen sie auch die Planrechtfertigung des Vorhabens in Zweifel zieht. Aus diesem Grunde gelten die Ausführungen unter II. mit Blick auf einen möglichen Verstoß gegen das Abwägungsgebot entsprechend.
E. Die durch das Vorhaben bedingte dauerhafte Inanspruchnahme des nördlichen Bereiches des Grundstückes der Antragstellerin durch die Ersatzplanung des bisher nördlich des Grundstückes verlaufenden Wanderweges weist keine derzeit erkennbaren Rechtsmängel auf.
Die Inanspruchnahme für die Herstellung des Wanderweges stellt eine notwendige Folgemaßnahme gemäß § 17c FStrG i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG dar. Folgemaßnahmen sind alle Regelungen außerhalb der eigentlichen Zulassung des Vorhabens, die für eine angemessene Entscheidung über die durch das Vorhaben aufgeworfenen Probleme erforderlich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.02.2015 - 7 C 11.12 -, juris). Notwendig im Sinne der Norm sind nur Folgemaßnahmen, die dem Anschluss und der Anpassung des Vorhabens an andere Anlagen dienen, Probleme von einigem Gewicht betreffen und erforderlich sind, um durch das Vorhaben aufgeworfene Konflikte zu bewältigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.10.2010 - 9 A 12.09 -, juris; Urteil vom 09.02.2005 - 9 A 62.03 -, juris; Urteil vom 12.02.1988 - 4 C 54.84 -, juris).
I. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des über das Grundstück der Antragstellerin geplanten (Ersatz-) Weges erfüllt.
Die Planung des Weges verlässt zwar den Bereich der Zulassung des eigentlichen Vorhabens; sie nimmt sich allerdings eines durch die Vorhabenzulassung hervorgerufenen Folgeproblems an: Der bisher über das Flurstück 140/23 der Landeshauptstadt Hannover verlaufende Wanderweg entfällt aufgrund der Verbreiterung des Südschnellweges in Richtung Süden. Mit ihm entfällt vorhabenbedingt der einzige rechtlich und tatsächlich vorhandene Erschließungsweg zum Flurstück 74/4.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin dient der bisherige Weg der Erschließung des Flurstückes und stellt zugleich den einzigen Erschließungsweg dar. Dass dem Weg Erschließungsfunktion zukommt, ergibt sich mit Eindeutigkeit aus der Begründung des Bebauungsplanes 991 der Landeshauptstadt Hannover vom 12. Dezember 1984. In dieser heißt es: „Beim Ausbau der Grünverbindungen werden Wanderwege und Trampelpfade angelegt. Sie dienen neben den Verkehrsflächen der Erschließung des Erholungsgebietes.“ (S. 3 der Begründung).
Dem Umstand, dass das Flurstück 74/4 erst nach Inkrafttreten des Bebauungsplans 991 zu einem eigenständigen Grundstück wurde – der Bebauungsplan trat am 12. Oktober 1984 in Kraft, das Flurstück 74/4 wurde erst am 17. Februar 1985 als eigenes Grundstück im Grundbuch geführt –, kommt keine die Position der Antragstellerin unterstützende Bedeutung zu. Es ist unerheblich, dass das Flurstück 74/4 im Zeitpunkt des Beschlusses des Bebauungsplanes durch den Rat der Landeshauptstadt Hannover (28. Juni 1984) nicht, insbesondere nicht als eigenes Grundstück, existierte und daher auch nicht Gegenstand der für die Beschlussfassung des Rates erforderlichen Willensbildung sein konnte. Denn das Grundstück profitierte ab dem Zeitpunkt seiner Entstehung ohne Weiteres von der aus dem Bebauungsplan 991 resultierenden Erschließungswirkung des nördlich gelegenen Wanderweges. Ein der Erschließung dienender Weg ist in seiner Erschließungsfunktion nicht auf den im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans bestehenden Grundstücksbestand beschränkt. Anderenfalls fehlte es jedem nach Inkrafttreten eines Bebauungsplans neu entstehenden, an einen Erschließungsweg angrenzenden Grundstück an der Erschließung.
Die Erschließung des Flurstücks 74/4 über den bisherigen Wanderweg stellt auch die einzige Erschließung dar. Insbesondere steht dem Grundstückseigentümer kein Notwegerecht aus § 918 Abs. 2 BGB gegen den Eigentümer des südlichen Flurstücks 74/5 zu. Voraussetzung für das Entstehen eines solchen Notwegerechts ist, dass infolge der Veräußerung eines Grundstücksteils die Verbindung zum öffentlichen Weg abgeschnitten wird. Im Zeitpunkt der Veräußerung im Jahr 1985 ging diese Verbindung aber nicht verloren; sie war – über den der Erschließung gerade dienenden Wanderweg – weiter gewährleistet. Der Verlust der Erschließung tritt erst durch das Vorhaben, nicht „infolge der Veräußerung“ ein. Mangels einer fehlenden Verbindung kommt auch das Bestehen eines Anspruches aus § 917 Abs. 1 BGB nicht in Betracht.
II. Unschädlich ist, dass der Planfeststellungsbeschluss den Ersatzweg in einer Breite von 4 m und damit (wohl) breiter als den derzeit bestehenden Weg festsetzt. Die Umsetzung von Folgemaßnahmen ist durch das Merkmal der Notwendigkeit begrenzt. Ob eine Maßnahme sich noch in den Grenzen des Notwendigen bewegt oder diese bereits überschreitet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab; unzutreffend ist die Annahme, das Ausmaß des zu ersetzenden oder umzuplanenden Anlagenteils bilde die Obergrenze der Dimensionierung einer Folgemaßnahme. Eine solche Einschränkung hätte nicht selten die Unmöglichkeit einer Ersatzplanung zur Folge.
Vorliegend beschränkt die Antragstellerin sich mit ihrer Einwendung auf die Feststellung, der umgeplante Wanderweg werde breiter als der derzeit vorhandene bzw. als der durch den Bebauungsplan festgesetzte. Dies mag zutreffen, lässt allerdings ein Eingehen auf die im Planfeststellungsbeschluss aufgeführte Argumentation zur Notwendigkeit der Herstellung des Weges in der geplanten Breite vermissen (insbesondere Verschlammungsrisiko, vgl. S. 154 PFB). Dass diese unverhältnismäßig – und damit das Maß des Notwendigen überschreitend – wäre, drängt sich dem Senat vor dem Hintergrund der Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss nicht auf.
Sollte die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 5. April 2022 geltend machen wollen, die Festsetzung des Wanderweges im Bebauungsplan 991 sei unwirksam, da unter Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot nicht (ausreichend deutlich) festgesetzt sei, in welcher Breite der Wanderweg errichtet werden könne, dringt sie hiermit nicht durch. Der Beigeladenen ist darin zuzustimmen, dass die Festsetzung „Öffentliche Grünverbindung“ jeweils das gesamte von der Festsetzung betroffene Flurstück erfasst und nicht durch die zeichnerische Breite des entsprechenden Planzeichens eingegrenzt wird. Jedenfalls für das in Rede stehende Flurstück 140/23 bestehen insoweit auch keinerlei Bedenken gegen die Wirksamkeit der Festsetzung.
III. Ein Ermessensausfall liegt hinsichtlich der Ersatzplanung des Weges weder darin, dass die Antragsgegnerin sich nicht mit der Erforderlichkeit des Weges auseinandergesetzt hätte, noch darin, dass sie nicht alternativ eine Erschließung des Flurstücks 74/4 über das von der Festsetzung „Wanderweg“ ebenfalls betroffene Flurstück 68/1 erwogen hätte. Die Antragsgegnerin sieht den derzeitigen Wanderweg – zu Recht – als einzige Erschließungsstrecke für das Flurstück 74/4 (S. 154 PFB). Aus ihrer Perspektive war daher nicht zu hinterfragen, ob es einer Ersatzplanung überhaupt bedarf.
Die Erschließung des Flurstücks 74/4 über das Flurstück 68/1 war nicht Gegenstand der von der Antragstellerin im Anhörungsverfahren erhobenen Einwendung; dort wurde das Flurstück 68/1 lediglich als mögliches Teilstück eines Ersatzwanderweges aus Richtung Westen angesprochen (Bl. 603 BA003). Vor diesem Hintergrund war die Antragsgegnerin nicht gehalten, eine alternative Erschließungstrecke zum Flurstück 74/4 über das Flurstück 68/1 zu prüfen. Unbeschadet des Umstandes, dass das Flurstück durch den Planfeststellungsbeschluss ohnehin schon vollständig in Anspruch genommen wird – etwa jeweils zur Hälfte dauerhaft bzw. vorübergehend – und insoweit nicht mehr zur Verfügung steht, wäre die von der Antragstellerin in den Blick genommene Alternativroute um ein Vielfaches länger und damit eingriffsintensiver als die planfestgestellte Variante. Dieser Umstand findet auch im Planfeststellungsbeschluss Erwähnung (Bl. 155 PFB).
IV. Die Behauptung der Antragstellerin, die nördlichste der drei Pachtflächen, in die sie ihr Grundstück aufgeteilt habe, lasse sich aufgrund der geplanten dauerhaften Inanspruchnahme in einem Umfang von 93 m² nicht mehr sinnvoll verpachten, führt nicht auf einen Abwägungsmangel. Die nördlichste Teilfläche wird auch nach der Inanspruchnahme – grob geschätzt – noch mindestens 200 m² umfassen und damit eine Größe aufweisen, die für eine kleingärtnerische Nutzung nicht nur ausreicht, sondern die auch im Geltungsbereich des Bebauungsplans bei einer Vielzahl von Parzellen vergleichbar vorzufinden ist.
V. Nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen der Antragstellerin zu § 38 BauGB. Die Regelung steht der Ersatzplanung des Wanderweges unter keinem denkbaren Gesichtspunkt entgegen.
Veranlassung zu weiteren Ausführungen gibt der Vortrag der Beteiligten nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, da sie einen Antrag gestellt und sich auf diesem Wege einem Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nrn. 34.2.5, 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).