Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.04.2022, Az.: 6 LD 2/18

Klagebefugnis; Personalrat; Ruhestandsbeamter; Schwerbehindertenvertretung; Verbot der Abschiebung Verbot der Vorteilsnahme; Verfahrensdauer

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.04.2022
Aktenzeichen
6 LD 2/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59898
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 27.06.2018 - AZ: 7 A 3/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. § 4 Abs. 1 BEZNG eröffnet nicht die Befugnis des Bundeseisenbahnvermögens, Disziplinarklagen in eigenem Namen zu erheben.
2. Vor der Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Ruhestandsbeamten sind nicht der Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen.
3. Nach dem beamtenrechtlichen Verbot der Vorteilsnahme darf sich ein Beamter nicht für einen Vorteil offen zeigen, wenn sich ein dienstlicher Bezug nicht ausschließen lässt. Bei Vorteilsgewährungen in nicht unerheblicher Höhe spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass diese in Bezug auf das Amt gewährt wurden.
4. Eine lange Verfahrensdauer oder ein langes Zurückliegen des Dienstvergehens vermag an dem endgültigen Vertrauensverlust im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG, den ein Beamter durch sein Fehlverhalten herbeigeführt habe, nichts zu ändern. Denn verlorenes Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden. Dies gilt auch für die Aberkennung des Ruhegehalts bei nicht aktiven Beamten. Etwas anderes ergibt sich nicht aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und Art. 47 GRCh.

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 7. Kammer - vom 27. Juni 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

….

Entscheidungsgründe

A) Mit seinem Antrag auf Korrektur des Aktivrubrums dahingehend, dass das CO. (…) im eigenen Namen und nicht als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland die Disziplinarklage erhebt, dringt der Beklagte nicht durch.

Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 BDG wird die Disziplinarklage bei Beamten durch die oberste Dienstbehörde, bei Ruhestandsbeamten durch den nach § 84 BDG zur Ausübung der Disziplinarbefugnisse zuständigen Dienstvorgesetzten erhoben. Gemäß § 84 Satz 1 BDG werden bei Ruhestandsbeamten die Disziplinarbefugnisse durch die zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand zuständige oberste Dienstbehörde ausgeübt. Hintergrund dieser Regelung ist, dass bei Ruhestandsbeamten keine beamtenrechtliche Bindung zum früheren Beschäftigungsamt mehr besteht, sondern nur noch rechtliche Beziehungen zur obersten Dienstbehörde (vgl. Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, BDG, 6. Auflage 2016, § 84 Rn. 1). Diese kann ihre Befugnisse - entsprechend der Regelung in § 34 Abs. 2 Satz 2 BDG für aktive Beamte - durch allgemeine Anordnung ganz oder teilweise auf nachgeordnete Dienstvorgesetzte übertragen, wobei die Anordnung im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen ist (§ 84 Satz 2 BDG).

Hinsichtlich der Regelung in § 34 Abs. 2 Satz 2 BDG hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 11. März 2021 (- BVerwG 2 B 76.20 -, juris Rn. 13) klargestellt, dass es in ständiger Rechtsprechung zumindest seit seinem Beschluss vom 18. Dezember 2007 (- BVerwG 2 B 113.07 -, juris) für diejenigen Disziplinargesetze, welche für die Zurückstufung, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und die Aberkennung des Ruhegehalts die Erhebung der Disziplinarklage vorsähen, wie selbstverständlich davon ausgehe, dass Kläger des gerichtlichen Verfahrens der jeweilige Dienstherr des betroffenen Beamten sei und nicht derjenige Bedienstete des Dienstherrn, der für diesen die Klage erhebe. Denn die mit der Disziplinarklage angestrebten Disziplinarmaßnahmen beträfen das Dienstverhältnis, das zwischen Dienstherrn und Beamten bestehe. Ziel sämtlicher Disziplinarmaßnahmen sei die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, für die der Dienstherr zu sorgen habe. Die Befugnis zur Erhebung der Disziplinarklage folge aus dem Dienstverhältnis und stehe deshalb dem Dienstherrn zu; § 34 Abs. 2 Satz 2 BDG regele lediglich die Zuständigkeit für die Erhebung der Klage.

Für den Geschäftsbereich, dem der Streitfall zugeordnet ist, ist von der Möglichkeit des § 84 Satz 2 BDG Gebrauch gemacht worden. In § 1 Abs. 1 Nr. 3 der „Anordnung über die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für … ist u. a. geregelt, dass sich die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland nach dieser Anordnung auf Verfahren „vor den Gerichten“ erstreckt. Nach § 2 Nr. 3 VertrOBVI ist das CO. durch die in § 6 der Verwaltungsordnung des CO. (VwO-…) vom 6. Januar 2000 (VKBl. 2000, S. 39) aufgeführten Dienststellen zur Vertretung der Bundesrepublik Deutschland nach dieser Anordnung berufen, wobei nach § 6 Abs. 1 VertrOBVI die Behörde grundsätzlich durch ihren Leiter vertreten wird. Der Präsident des CO. hat mit der „Anordnung über die Ernennung und Entlassung von Beamtinnen und Beamten, über die Übertragung von Befugnissen, die Regelung von Zuständigkeiten im Widerspruchsverfahren und die Vertretung bei Klagen aus dem Beamtenverhältnis im Geschäftsbereich des CO. - Delegationsanordnung BEV“ - vom 24. August 2005 (BGBl S. 2515) den Leitern der Dienststellen des BF. unter Ziffer III. Nr. 2 die Ausübung der Disziplinarbefugnisse gegenüber den Ruhestandsbeamten des einfachen, mittleren und gehobenen Dienstes übertragen. Nach der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt diese Übertragung indes nicht dazu, dass nunmehr die Leiterin der Dienststelle AK. des CO. Klägerin der vorliegenden Disziplinarklage ist. Dies hat der Beklagte allerdings auch nicht beantragt. Er hat anerkannt, dass grundsätzlich die Bundesrepublik Deutschland die Gesamtverantwortung für alle Bundesbeamten trägt (vgl. Berufungsbegründung - BB - vom 8.12.2021, S. 1 f. [Bl. 1021 f./GA]), ist aber der Ansicht, dass das CO. - wie die Bundes-agentur für Arbeit - Kläger des Disziplinarverfahrens sein müsse. Dem folgt der erkennende Senat nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 11. März 2021 (a. a. O.) im 1. Leitsatz sowie in den Randnummern 9 und 13 jeweils festgestellt, dass die Befugnis zur Erhebung der Disziplinarklage dem Dienstherrn zusteht. Dienstherrn sind klassischerweise der Bund, die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände. Die Dienstherrenfähigkeit ist in § 2 BBG geregelt. Dort heißt es:

„Das Recht, Beamtinnen und Beamte zu haben, besitzen der Bund sowie bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die dieses Recht zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes besitzen oder denen es danach durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes verliehen wird.“

Diese Regelung gilt gemäß § 1 BBG für den Beklagten. Dieser war ein Bundesbeamter, der der CP. (X.) zugewiesen war. Gemäß Art. 143a Abs. 1 Satz 3 des Grundgesetzes - GG - in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Gründung einer CP. (- DBGrG -, BGBl. I S. 2378, 2386) sind Beamte des BF., die nicht aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden oder nicht beurlaubt werden, ab dem Zeitpunkt der Eintragung der X. in das Handelsregister dieser Gesellschaft zugewiesen, soweit sie nicht auf Grund einer Entscheidung im Einzelfall beim BF. oder anderweitig verwendet werden. Der Beklagte war aufgrund dieser Regelung seit dem 5. Januar 1994 als Beamter des CO. der X. zugewiesen. Die Beamten des CO. stehen gemäß § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Zusammenführung und Neugliederung der CQ. vom 27. Dezember 1993 (- BEZNG -, BGBl. I S. 2378) im Dienst des Bundes und sind deshalb (unmittelbare) Bundesbeamte. Sie unterliegen hinsichtlich ihrer beruflichen Tätigkeit den Regeln über den beamtenrechtlichen Dienst und damit dem Disziplinarrecht (BVerwG, Urteil vom 23.11.2006 - BVerwG 1 D 1.06 -, juris Rn. 13 m. w. N.).

Das CO. ist nicht gemäß § 2 BBG dienstherrenfähig. Während die Bundesagentur für …. als bundesunmittelbare Körperschaft die Dienstherrenfähigkeit besitzt, ist das CO. weder bundesunmittelbare Körperschaft noch Anstalt noch Stiftung des öffentlichen Rechts, sondern gemäß § 1 BEZNG als ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes ausgestaltet. Es hat u. a. die Aufgabe, das Personal, das gemäß § 12 Abs. 2 und 3 DBGrG der X. zugewiesen ist, zu verwalten (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 3 BEZNG). Eine solche Verwaltungsaufgabe begründet indes keine Dienstherrenfähigkeit. Zwar kann das CO. nach § 4 Abs. 1 BEZNG im Rechtsverkehr unter seinem Namen handeln, klagen und verklagt werden. Entgegen der Ansicht des Beklagten eröffnet diese Vorschrift jedoch nicht die Befugnis des CO., Disziplinarklagen in eigenem Namen zu erheben. Denn die Befugnis zur Erhebung der Disziplinarklage nach dem Bundesdisziplinargesetz folgt - wie das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt hat - aus dem Dienstverhältnis und steht deshalb ausschließlich dem Dienstherrn zu. Dienstherr des Beklagten war die Bundesrepublik Deutschland und nicht das CO..

B) Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten zu Recht das Ruhegehalt aberkannt.

Ein wesentlicher Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens, der dem Senat Veranlassung gäbe, der Klägerin zu dessen Behebung eine Frist gemäß §§ 55 Abs. 3, 65 Abs. 1 Satz 1 BDG zu setzen, liegt nicht vor (dazu unter I.). Das Verwaltungsgericht bzw. der erkennende Senat waren in dem von der Klägerin mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten geführten Disziplinarklageverfahren auch nicht gehalten, die Schwerbehindertenvertretung der Dienststelle zu beteiligen (dazu unter II.) Der Beklagte hat ein einheitliches Dienstvergehen begangen (dazu unter III.), das den Ausspruch der disziplinarischen Höchstmaßnahme - die Aberkennung des Ruhegehalts - rechtfertigt (dazu unter IV.).

I. Das behördliche Disziplinarverfahren weist keine wesentlichen Mängel auf. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht davon abgesehen, der Klägerin zur Behebung wesentlicher Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens gemäß § 55 Abs. 3 BDG eine Frist zu setzen. Auch der Senat sieht hierzu keine Veranlassung (§ 65 Abs. 1 Satz 1 BDG).

1. Entgegen der Ansicht des Beklagten hätte die Klägerin nicht vor Erhebung der Disziplinarklage den zuständigen Personalrat beteiligen müssen. Der Beklagte hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG in der bei Erhebung der Disziplinarklage geltenden Fassung (a. F.) - entspricht § 84 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG n. F. - der Personalrat bei Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Beamten mitzuwirken habe. Der Beklagte befand sich bei Erhebung der Disziplinarklage am 3. Dezember 2014 jedoch bereits im Ruhestand - in diesen war er mit Ablauf des 31. Mai 2014 eingetreten - und war deshalb nicht mehr Beamter im Sinne des Personalvertretungsgesetzes.

Gemäß § 4 Abs. 3 BPersVG a. F. bestimmten die Beamtengesetze, wer Beamter im Sinne des damaligen Personalvertretungsgesetzes war. In § 30 Nr. 4 BBG a. F. war geregelt, dass das Beamtenverhältnis durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand endet. Daraus folgt, dass das Bundesbeamtengesetz - wie das Beamtenstatusgesetz (vgl. § 21 Nr. 4 BeamtStG) -, wenn es von Beamten und Beamtenverhältnis spricht, den aktiven Beamten und dessen Rechte und Pflichten und nicht den Ruhestandsbeamten und dessen sich an das aktive Beamtenverhältnis anschließende Ruhestandsbeamtenverhältnis meint (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.1.2015 - BVerwG 2 B 15.14 -, juris Rn. 9 f.; OVG NRW, Urteil vom 28.7.2021 - 3d A 2195/19.O -, juris Rn. 55). Dass das Bundespersonalvertretungsgesetz die Mitwirkung des Personalrates bei der Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Beamten nicht auch auf Ruhestandsbeamten erstreckt, folgt auch aus der gesetzlichen Aufgabenstellung der Personalvertretung. Nach dem unverändert gebliebenen § 2 Abs. 1 BPersVG arbeiten die Personalvertretungen mit der Dienststelle unter Beachtung der Gesetze und Tarifverträge vertrauensvoll zum Wohl der Beschäftigten und zur Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben zusammen. Ruhestandsbeamte dagegen sind - mangels Dienstleistungspflicht - keine Beschäftigten mehr. Sie wirken auch nicht mehr an der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben der Beschäftigungsbehörden mit und sind deshalb vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht mehr erfasst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.1.2015, a. a. O., Rn. 10). Insofern besteht in der vorliegenden Konstellation kein personalvertretungsrechtlicher Schutzbedarf, der eine Mitwirkung des Personalrates an personellen Maßnahmen, die „ehemalige“ Dienststellenangehörige betreffen, erfordern könnte (OVG NRW, Urteil vom 28.7.2021, a. a. O., Rn. 57 ff.; vgl. auch Bay. VGH, Urteil vom 18.3.2015 - 16a D 09.3029 -, juris Rn. 37; in diesem Sinne auch Urban/Wittkowski, BDG, 2. Auflage 2017, § 34 Rn. 12).

2. Ebenso wenig war die Anhörung der zuständigen Schwerbehindertenvertretung vor Erhebung der Disziplinarklage erforderlich.

Nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der bis zum 14. Januar 2015 geltenden Fassung (entspricht § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX n. F.) hat der Arbeitgeber bzw. Dienstherr (vgl. §§ 71 Abs. 3 Nr. 1, 73 Abs. 1 SGB IX a. F.) die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Dies gilt auch im Disziplinarverfahren (Bay. VGH, Urteil vom 18.3.2015, a. a. O., Rn. 36). Eine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor einer Entscheidung hat indes nicht zu erfolgen, wenn sich der schwerbehinderte Beamte - wie hier - zum Zeitpunkt der Erhebung der Disziplinarklage bereits im Ruhestand befand. Denn die Schwerbehindertenvertretung fördert gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a. F. die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle (1. Variante) und vertritt ihre Interessen in dem Betrieb oder der Dienststelle (2. Variante). Schwerbehinderte Ruhestandsbeamte sind indes nicht mehr in der Dienststelle tätig (Bay. VGH, Urteil vom 18.3.2015, a. a. O., Rn. 37; Urteil vom 28.6.2017 - 16a D 15.1484 -, juris Rn. 46; OVG NRW, Urteil vom 28.7.2021, a. a. O., Rn. 68 f.; in diesem Sinne auch Urban/Wittkowski, a. a. O., § 38 Rn. 50 [zum Erfordernis der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor Erlass einer Verfügung gemäß § 38 BDG]).

Soweit der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1, dritte Variante SGB IX eine Beratungs- und Hilfsfunktion zukommt („Die Schwerbehindertenvertretung fördert die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle, vertritt ihre Interessen in dem Betrieb oder der Dienststelle und steht ihnen beratend und helfend zur Seite“), betrifft diese Variante nicht sämtliche privaten Lebenslagen eines schwerbehinderten Menschen, sondern steht wie die zuvor genannten Varianten in Bezug mit der Beschäftigung dieser Menschen in dem Betrieb oder der Dienststelle und ist hierauf begrenzt. Nach dem Gesetzeszweck des § 95 SGB IX a. F., die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb bzw. die Dienststelle zu fördern (§ 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a. F.), gilt auch mit Blick auf die dritte Variante des § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a. F., dass keine Verpflichtung des Dienstherrn besteht, die Schwerbehindertenvertretung in einem Disziplinarverfahren gegen einen schwerbehinderten Ruhestandsbeamten zu beteiligen, weil dieser nicht mehr auf der Dienststelle beschäftigt ist.

Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht daraus, dass nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der vom 30. Dezember 2016 bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung die „Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, unwirksam“ ist. Denn diese Vorschrift hat der Gesetzgeber erst durch die erste Stufe des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BHTG -, BGBl. I S. 3289) vom 23. Dezember 2016, d. h. mehr als zwei Jahre nach Erhebung der Disziplinarklage, in das SGB IX eingefügt. Sie hat zum Zeitpunkt der Erhebung der Disziplinarklage mithin noch keine Geltung beansprucht und vermag daher einen Mangel des zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossenen behördlichen Disziplinarverfahrens nicht zu begründen.

Ungeachtet dessen gälte die Vorschrift des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der genannten Fassung aus den o. g. Gründen nicht, wenn die die zu erhebende Disziplinarklage einen Ruhestandsbeamten betrifft. Denn mit der Formulierung „Kündigung eines schwerbehinderten Menschen“ im Sinne des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der bezeichneten Fassung ist die Kündigung seines Arbeitsvertrags umfasst, also jede Maßnahme, die zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses führen kann (BAG, Urteil vom 13.12.2018 - 2 AZR 378/18 -, juris Rn. 12). Selbst wenn man diese - nach den verwendeten Begrifflichkeiten allein auf das zivilrechtliche Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beschränkte - Bestimmung im Disziplinarrecht anwenden wollte, unter „Kündigung“ auch die Beendigung des Beamtenverhältnisses und unter „Arbeitgeber“ den Dienstherrn verstünde, hätte diese Auslegung lediglich zur Folge, dass der Dienstherr die Schwerbehindertenvertretung vor Erhebung einer Disziplinarklage zu beteiligen hätte, wenn diese darauf gerichtet wäre, einen im (aktiven) Beamtenverhältnis stehenden Beamten aus dem Dienst zu entfernen und hierdurch die Beendigung seines (aktiven) Beamtenverhältnisses zu erwirken (vgl. § 30 Nr. 3 BBG). Im Streitfall befand sich der Beklagten aber bereits im Ruhestand, d. h. sein Beamtenverhältnis war bereits beendet (vgl. § 30 Nr. 4 BBG a. F.).

II. Entgegen der Auffassung, die der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 10. März 2022 (S. 1) vertreten und in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat unter Verweis auf weitere obergerichtliche Rechtsprechung vertieft hat, fordert die Vorschrift des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX bzw. die aktuell geltende Parallelvorschrift des § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX jedenfalls für den Streitfall nicht, dass das Verwaltungsgericht bzw. der erkennende Senat vor einer Entscheidung die zuständige Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen hätte.

Der Beklagte kann seine Ansicht, im Rahmen eines auf die disziplinarische Höchstmaßnahme gerichteten Disziplinarverfahrens müsse die Vorschrift des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX bzw. des § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX durch das jeweils erkennende Gericht beachtet werden, weil dieses - und nicht der Dienstherr - die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ausspreche, nicht auf die von ihm zitierte obergerichtliche Rechtsprechung stützen. Denn sowohl der Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. August 2014 (- D 6 B 78/14 -, juris) als auch die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts des Landes Schleswig Holstein vom 26. September 2018 (- 14 MB 1/18 -, juris) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. August 2019 (- 16a DS 19.388 -, juris) betreffen eine nicht ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a. F. im Vorfeld einer Entscheidung der Disziplinarbehörde in Gestalt einer Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Dienstbezügen, mithin Maßnahmen nach dem Disziplinarrecht gegen einen Beamten bei bestehendem Beamtenverhältnis, und betrifft überdies nicht die unterbliebene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung im Vorfeld einer auf die Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme gerichteten Disziplinarklage. Aber auch in der Sache überzeugt die Position des Beklagten nicht. Ungeachtet dessen, dass bereits der Wortlaut des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX a. F. (bzw. des § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX n. F.) - „Kündigung“ - gegen eine Anwendung dieser Bestimmung im Disziplinarrecht sprechen dürfte, gilt jedenfalls auch insoweit, dass der Schutz durch § 95 SGB IX a. F. (bzw. des 178 SGB IX) nicht sämtliche private Lebenslagen eines schwerbehinderten Menschen betrifft, sondern auf dessen Beschäftigung in der Dienststelle beschränkt ist (s. o.). Insofern stellt sich die Vorschrift des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX a. F. (bzw. des § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX a. F.) als Spezialvorschrift gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a. F. (bzw. des § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) dar, wonach der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören hat. Der Beklagte war jedoch - wie ausgeführt - bereits zum Zeitpunkt der Erhebung der Disziplinarklage wegen Eintritts in den Ruhestand aufgrund des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze nicht mehr in der Dienststelle beschäftigt. Abweichendes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht aus Art. 5 RL 2000/78/EG, denn diese Richtlinie betrifft - wie sich schon ihrem Titel entnehmen lässt - den allgemeinen Rahmen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, nicht aber die Situation nach Beendigung der Beschäftigung. Dementsprechend heißt es in Art. 5 (Angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung) der bezeichneten Richtlinie, dass der Arbeitgeber - um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten - angemessene Vorkehrungen zu treffen habe, was bedeute, dass er die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreife, um den Menschen mit Behinderung „den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden [ihn] unverhältnismäßig belasten“.

III. Der Beklagte hat ein Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen, also schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt.

a) Maßgeblich für die Frage, ob und ggf. welche beamtenrechtlichen Pflichten der Beklagte mit den unter B) III. 1. festgestellten Handlungen verletzt hat, ist die im Zeitpunkt der Begehung der vorgeworfenen Handlung geltende Fassung des bis zum 11. Februar 2009 geltenden Bundesbeamtengesetzes vom 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 551; im Folgenden: BBG a. F.).

Zwar ist das im Rahmen des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) novellierte Bundesbeamtengesetz (BBG n. F.) seit dem 12. Februar 2009 mit geändertem Inhalt und geänderter Paragraphenfolge in Kraft. Für die Frage, ob der Beamte im angeschuldigten Tatzeitraum seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, ist aber die damalige Sach- und Rechtslage maßgebend, soweit nicht im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB für den Beamten materiell-rechtlich günstigeres neues Recht gilt (BVerwG, Urteil vom 25.8.2009 - BVerwG 1 D 1.08 -, juris Rn. 33 m. w. N.; Nds. OVG, Urteil vom 8.2.2011 - 6 LD 4/08 -, juris Rn. 44). Letzteres ist hier indes nicht der Fall. Denn die Regelung in § 71 Abs. 1 BBG n. F., wonach Beamte keine Belohnungen, Geschenke oder sonstigen Vorteile für sich oder einen Dritten in Bezug auf ihr Amt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen dürfen, ist nicht günstiger als das in § 70 Abs. 1 BBG a. F. statuierte Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken in Bezug auf das Amt des Beamten (sogenanntes Verbot der Vorteilsannahme). Mit Ausnahme der redaktionellen Anpassung an die geschlechtergerechte Sprache (vgl. dazu Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts, BT-Drs. 16/7076, S. 117) stimmen § 61 Abs. 1 Satz 2 BBG (Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung), § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG (sogenannte Wohlverhaltenspflicht) und § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG (Definition Dienstvergehen) in der jetzt geltenden Fassung mit den genannten Vorgängerregelungen im Wesentlichen überein. Umfang und Inhalt der Dienstpflichten des Beamten und damit auch die Frage ihrer Verletzung zur Tatzeit bestimmen sich daher allein nach den entsprechenden Regelungen in § 70 Satz 1 BBG a. F. (Verbot der Vorteilsannahme), § 54 Satz 2 BBG a. F. (Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung) und § 54 Satz 3 BBG a. F. (Wohlverhaltenspflicht).

b) Durch die … festgestellten Handlungen zu den Vorwürfen … hat der Beklagte vorsätzlich das Verbot nach § 70 Satz 1 BBG a. F. verletzt, in Bezug auf sein Amt keine Belohnungen oder Geschenke anzunehmen. Zugleich hat er hierdurch vorsätzlich gegen seine Pflicht aus § 54 Satz 2 BBG a. F. zur uneigennützigen Amtsausübung verstoßen. Ferner hat er dadurch seine aus § 54 Satz 3 BBG a. F. resultierende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes vorsätzlich verletzt.

aa) Inhalt und Reichweite des beamtenrechtlichen Verbots der Vorteilsannahme sind nach dem Zweck der Dienstpflicht zu bestimmen. Die uneigennützige, nicht auf einen privaten Vorteil bedachte Amtsführung der Beamten stellt eine wesentliche Grundlage des Berufsbeamtentums dar. Sie ist unverzichtbar, um das notwendige Vertrauen der Bevölkerung darauf zu erhalten, dass sich die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung ausschließlich an Recht und Gesetz orientiert. Dieses Vertrauen wird bereits beeinträchtigt, wenn der Anschein entsteht, ein Beamter nutze seine Amtsstellung oder seine dienstliche Tätigkeit aus, um private Vorteile zu erzielen. Er muss jeden Eindruck vermeiden, dienstliche Tätigkeit oder Auftreten könnten beeinflusst werden. Daher darf sich ein Beamter nicht für einen Vorteil offen zeigen, wenn sich ein dienstlicher Bezug nicht ausschließen lässt (BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - BVerwG 2 C 62.11 -, juris Rn. 26 m. w. N.; Urteil vom 29.3.2012 - BVerwG 2 A 11.10 -, juris Rn. 66).

Das beamtenrechtliche Verbot der Vorteilsannahme (§ 70 Satz 1 BBG a. F.), das die Treuepflicht (§ 52 BBG a. F.) und Pflicht zur uneigennützigen Amtsausübung (§ 54
Satz 2 BBG a. F.) konkretisiert, geht über den engeren strafrechtlichen Schutz nach § 331 StGB hinaus (BVerwG, Urteil vom 31.1.2002 - BVerwG 2 C 6.01 -, juris Rn. 13). Denn die Integrität der öffentlichen Verwaltung wird nicht erst dann berührt, wenn ein Fehlverhalten des Beamten festzustellen ist oder wenn der begründete Verdacht von Parteilichkeit oder Eigennützigkeit entsteht. Zweifel ergeben sich bereits dann, wenn der Beamte wegen seiner Amtsführung in den Genuss von Vorteilen kommt, die nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen nicht vorgesehen sind (BVerwG, Urteil vom 20.1.2000 - BVerwG 2 C 19.99 -, juris Rn. 16 f.). Auch hierdurch kann der Anschein erweckt werden, dass die Dienstausübung durch Interessen beeinflusst wird, die mit dem Grundsatz der unparteiischen und uneigennützigen Aufgabenerfüllung nicht zu vereinbaren sind. Zudem soll ausgeschlossen werden, dass die im Dienst befindlichen Beamten ihre Tätigkeit nicht ausschließlich am öffentlichen Interesse ausrichten, sondern sich von der Aussicht leiten lassen, in den Genuss von Vergünstigungen durch Außenstehende zu gelangen. Insoweit greift § 70 BBG a. F. weiter als die strafrechtlichen Verbotsnormen der §§ 331, 332 StGB (BVerwG, Urteil vom 20.1.2000, a. a. O., Rn. 17). Der Beamte muss also jeden Anschein/Eindruck vermeiden, dienstliche Tätigkeiten oder Auftreten könnten beeinflusst werden. Daher darf sich ein Beamter nicht für einen Vorteil offen zeigen, wenn sich ein dienstlicher Bezug nicht ausschließen lässt (BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - BVerwG 2 C 62.11 -, a. a. O., Rn. 26 m. w. N.).

Dabei ist unter Vorteil jeder wirtschaftliche Wert zu verstehen, der dem Beamten oder einem von ihm bestimmten Dritten von anderer Seite als dem Dienstherrn zugewandt werden soll (BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 a. a. O., Rn. 27 m. w. N.; Urteil vom 8.6.2005 - BVerwG 1 D 3.04 -, juris Rn. 18; Plog/Wiedow, BBG (alt), Band 1a), Stand: 2009, § 70 BBG Rn.1b). In der Neuregelung des § 71 Abs. 1 Satz 1 BBG n. F. ist neben u. a. der Annahme von Belohnungen und Geschenken nun auch ausdrücklich die Annahme sonstiger Vorteile für sich oder einen Dritten verboten.

Der Vorteil weist den erforderlichen Bezug zu dem Amt des Beamten auf, wenn er nach den erkennbaren Vorstellungen des Vorteilsgebers im Zusammenhang mit der Amtsstellung des Beamten gewährt oder versprochen wird. Anknüpfungspunkt können sowohl das Amt im statusrechtlichen Sinne als auch das Amt im konkret-funktionellen Sinn sein, d. h. der dienstliche Aufgabenbereich des Beamten. Der Vorteil kann sich auf eine ganz bestimmte dienstliche Handlung, auf das dienstliche Verhalten, auf die Aufgabenerfüllung als solche, aber auch auf den Status des Beamten oder auf die Beamteneigenschaft beziehen. Es ist nicht erforderlich, dass ein Beziehungsverhältnis zwischen Vorteil und dienstlichem Verhalten besteht. Vielmehr reicht es aus, dass der Vorteil gefordert, gewährt oder in Aussicht gestellt wird, um den Beamten bei seinem dienstlichen Verhalten wohlwollend zu stimmen, sogenannte „Pflege der Landschaft“ (BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 a. a. O., Rn. 28; Plog/Wiedow, a. a. O., § 70 BBG Rn. 4). Der Umstand, dass - wie dargelegt - schon nicht der Anschein erweckt werden darf, der Beamte sei in seiner dienstlichen Tätigkeit durch Gefälligkeiten beeinflussbar, führt dazu, dass es für die Amtsbezogenheit einer Zuwendung ausreicht, wenn die äußeren Umstände des Falls geeignet sind, den Anschein zu erwecken, dass die Zuwendung zumindest auch zur Belohnung früherer oder zur Beeinflussung künftiger dienstlicher Tätigkeit gewährt wird (Plog/Wiedow, a. a. O., § 70 BBG Rn. 4). Jedenfalls bei Vorteilsgewährungen in nicht unerheblicher Höhe spricht deshalb eine widerlegliche Vermutung dafür, dass diese in Bezug auf das Amt gewährt wurden (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 31.5.2016 - 5 LB 118/14 -). Private Kontakte zwischen Vorteilsgeber und Beamten schließen die Amtsbezogenheit des Vorteils nur dann aus, wenn er ausschließlich wegen der persönlichen Beziehungen gewährt wird (BVerwG, Urteil vom 8.6.2005, a. a. O., Rn. 18 m. w. N.; Urteil vom 28.2.2013, a. a. O., Rn. 28).

III. Der erkennende Senat ist ebenso wie das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der Beklagte - stünde er noch im aktiven Dienst - aufgrund seines Fehlverhaltens aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen. Dementsprechend führt das begangene Dienstvergehen bei ihm als Ruhestandsbeamten zur Aberkennung des Ruhegehalts (§ 13 Abs. 2 Satz 2 BDG in Verbindung mit §§ 5 Abs. 2 Nr. 2, 12 BDG). Eine mildere Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beklagten und des Umfangs, in dem er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat, ist nach Auffassung des Senats nicht angemessen. Es liegen keine Entlastungs- und Milderungsgründe vor, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, dem Beklagten das Ruhegehalt zu belassen.

e) Auch der Umstand, dass das Disziplinarverfahren (erst) mit Verfügung vom 2. Mai 2014 eingeleitet worden ist sowie die Dauer des Disziplinarverfahrens führen entgegen der Ansicht des Beklagten nicht dazu, dass von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme abgesehen werden müsste.

Nach § 4 BDG sind Disziplinarverfahren beschleunigt durchzuführen (sogenanntes Gebot der Beschleunigung).

Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass ein Disziplinarmaßnahmeverbot nach § 15 BDG nicht wegen Zeitablaufs eingetreten ist. Diese Vorschrift regelt ein solches Verbot für Verweise (Abs. 1), Geldbußen, Kürzungen der Dienstbezüge und des Ruhegehalts (Abs. 2) sowie die Zurückstufung (Abs. 3), nicht jedoch für die Höchstmaßnahmen der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG) oder der Aberkennung des Ruhegehalts (§ 12 BDG).

Der Beklagte kann nicht mit Erfolg geltend machen, wegen der langen Dauer des Disziplinarverfahrens dürfe die disziplinarische Höchstmaßnahme nicht ausgesprochen werden. Eine lange Verfahrensdauer oder ein langes Zurückliegen des Dienstvergehens vermag an dem endgültigen Vertrauensverlust im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG, den ein Beamter durch sein Fehlverhalten herbeigeführt habe, nichts zu ändern. Denn verlorenes Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden.

Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts. In jüngerer Zeit hat der für Landesdisziplinarrecht zuständige 3. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinen Urteilen vom 20. April 2021 (- 3 LD 1/20 -, juris Rn. 155) und vom 21. Januar 2019 (- 3 LD 3/18 -), die jeweils aktive Beamte betrafen, unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 28.10.2008 - BVerwG 2 B 53.08 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 1.9.2009 - BVerwG 2 B 34.09 -, juris Rn. 3) entschieden, bei Anwendung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme kann die Dauer des Verfahrens keine Berücksichtigung finden. Denn die Länge der Verfahrensdauer ist für sich genommen nicht geeignet, von der disziplinarischen Höchstmaßnahme abzusehen, wenn diese Maßnahme geboten ist, weil Verfehlungen zu einem endgültigen Vertrauensverlust geführt haben (ständige Rspr., siehe auch Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 3/08 -, juris Rn. 61). Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang in seinem Beschluss vom 12. Juli 2018 (- BVerwG 2 B 1.18 - juris Rn. 9 ff.) Folgendes ausgeführt:

Ergibt die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände, dass wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, so lässt sich der Verbleib im Beamtenverhältnis allein aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer nicht mit dem Zweck des Disziplinarrechts vereinbaren, nämlich dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen es aus, dass ein Beamter, der durch gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist, gleichwohl weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn hoheitliche Befugnisse ausüben kann, weil das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 44 ff. m.w.N. und vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - NJW 2018, 1185 Rn. 92).

Aus der Europäischen Menschenrechtskonvention folgt nichts anderes. Für die innerstaatlichen Rechtsfolgen einer unangemessen langen Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ist zu beachten, dass diese Bestimmung nur Verfahrensrechte einräumt. Diese dienen der Durchsetzung und Sicherung des materiellen Rechts; sie sind aber nicht darauf gerichtet, das materielle Recht zu ändern. Daher kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer nicht dazu führen, dass den Verfahrensbeteiligten eine Rechtsstellung zuwächst, die ihnen nach dem innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht. Vielmehr kann sie für die Sachentscheidung in dem zu lange dauernden Verfahren nur berücksichtigt werden, wenn das materielle Recht dies vorschreibt oder zulässt. Im Disziplinarverfahren kann eine überlange Verfahrensdauer daher berücksichtigt werden, wenn der Betroffene im Beamtenverhältnis verbleiben kann. Hier kann das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis gemindert sein, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben. Unter dieser Voraussetzung kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden. Lässt das Dienstvergehen einen weiteren Verbleib im Beamtenverhältnis dagegen nicht zu, vermag eine überlange Verfahrensdauer an diesem Befund nichts zu ändern (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 44 ff. m.w.N. und vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - NJW 2018, 1185 Rn. 93).“

An dieser Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht auch weiterhin festgehalten (vgl. Beschluss vom 16. August 2021 - BVerwG 2 B 21.21 -, juris Rn. 21 und vom 11.10.2021 - BVerwG 2 A 9.20 -, juris Rn. 5 m. w. N.).

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten sieht der erkennende Senat keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Der Beklagte greift die bezeichnete - zu aktiven Beamten ergangene - Rechtsprechung zwar nicht an, meint aber, dass diese nicht auf Ruhestandsbeamte übertragbar sei, weil weder der Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums noch der Schutz der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung es geböten, auf die Aberkennung des Ruhegehalts zu erkennen, denn Ruhestandsbeamte übten keine Funktion und keine hoheitlichen Befugnisse aus, so dass ausschließlich generalpräventive - aber nicht keine spezialpräventive - Erwägungen zur Anwendung kämen. Dem folgt der erkennende Senat nicht.

Dass es in denjenigen Fällen, in denen es wegen des Verhaltens des Beamten zu einer Zerstörung des Vertrauensverhältnisses gekommen ist, nicht möglich ist, aufgrund der Dauer des Disziplinarverfahrens eine mildere Disziplinarmaßnahme auszusprechen, haben das Bundesverwaltungsgericht und das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht auch in Bezug auf die Aberkennung des Ruhegehalts bei nicht aktiven Beamten entschieden (BVerwG, Beschluss vom 1.6.2012 - BVerwG 2 B 123.11 -, juris Rn. 8 (nachfolgend: BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.1.2013 - 2 BvR 1912/12 -, juris Rn. 5 f.); Nds. OVG, Urteil vom 12.1.2010 - 20 LD 13/07, juris Rn. 109). Hieran hält der Senat fest.

Der Zweck von Disziplinarmaßnahmen erschöpft sich nicht in der Pflichtenmahnung. Sie verfolgen auch die Zwecke der Generalprävention, der gerechten Gleichbehandlung der Ruhestandsbeamten mit den aktiven Beamten und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes (BVerwG, Urteil vom 15.8.2000 - BVerwG 1 D 44.98 -, juris Rn. 35; Nds. OVG, Urteil vom 14.1.2020 - 3 LD 9/18 -). Die Anforderungen in § 13 BDG konkretisieren die Verfassungsgrundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Schuldprinzips, die uneingeschränkt auch bei Ruhestandsbeamten zu beachten sind. Die Regelung in § 13 Abs. 2 Satz 2 NDiszG, wonach einem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt aberkannt wird, wenn er als aktiver Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen, stellt aus Gründen der Gleichbehandlung sicher, dass sich der Beamte der Sanktionierung eines im aktiven Dienst begangenen schweren Dienstvergehens, das ihn als Beamter untragbar macht und deshalb zur Auflösung des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit führen muss, nicht durch den Eintritt in den Ruhestand entziehen kann. Ebenso wie die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis dient die Aberkennung des Ruhegehalts der Wahrung der Integrität des Berufsbeamtentums und des Ansehens des öffentlichen Dienstes (BVerwG, Beschluss vom 23.1.2013 - BVerwG 2 B 63.12 -, juris Rn. 10 m. w. N.; Nds. OVG, Urteil vom 14.1.2020 - 3 LD 9/18 -). Der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass ein Beamter, der nach Begehung eines zur Auflösung des Beamtenverhältnisses führenden Dienstvergehens aus anderen Gründen in den Ruhestand versetzt wird, nicht bessergestellt wird als ein Beamter, der bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens im aktiven Dienst verbleibt (Nds. OVG, Urteil vom 27.5.2008 - 20 LD 5/07 -, juris Rn. 64 m. w. N.; Urteil vom 14.1.2020 - 3 LD 9/18 -; Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Band 1, Stand: November 2021, § 13 BDG Rn. 68 ff.). Es wären Rückwirkungen auf das Vertrauen in die Integrität des Berufsbeamtentums zu erwarten, wenn ein Ruhestandbeamter, der wegen eines schweren Dienstvergehens als aktiver Beamter nicht mehr tragbar wäre, weiterhin sein Ruhegehalt beziehen könnte und berechtigt bliebe, die Amtsbezeichnung und die im Zusammenhang mit dem früheren Amt verliehenen Titel zu führen (Nds. OVG, Urteil vom 27.5.2008, a. a. O., Rn. 64; Urteil vom 14.1.2020 - 3 LD 9/18 -). Das eine disziplinarrechtlich angezeigte Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts nicht durch eine überlange Verfahrensdauer in Frage zu stellen ist, folgt mittelbar auch aus der Regelung des § 15 BDG, in der im Gegensatz zu anderen Disziplinarmaßnahmen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und die Aberkennung des Ruhegehalts von dem Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs ausgenommen sind (Gansen, a. a. O., § 13 BDG Rn. 69). Zudem hat das Bundesverfassungsgericht die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, dass seine Rechtsauffassung zur Möglichkeit einer mildernden Berücksichtigung einer überlangen Verfahrensdauer in Fällen einer gebotenen Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis sich auch auf die Aberkennung des Ruhegehalts erstreckt, für vertretbar gehalten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.1.2013 a. a. O., Rn. 6).

Soweit der Beklagte auf das Urteil des EGMR vom 16. Juli 2009 (a. a. O.) verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass der EGMR dem dortigen Kläger nur eine Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer zugesprochen hat. Er hat hingegen nicht festgestellt, dass aufgrund der Verfahrensdauer eine mildere Disziplinarmaßnahme auszusprechen gewesen wäre. Im Übrigen hat der Bundesgesetzgeber die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK wegen unangemessen langer Dauer eines gerichtlichen Verfahrens in §§ 198 ff. GVG eigenständig geregelt. Diese Bestimmungen gelten nach § 173 Satz 1 VwGO auch für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Bundesgesetzgeber hat im Rahmen dieser Bestimmungen jedoch bewusst davon abgesehen, aus einer unangemessenen Dauer des Verfahrens Folgen für die materiell-rechtlichen Positionen des Betroffenen herzuleiten (BT-Drs. 17/3802 S. 2, 6, 19; siehe auch BVerwG, Urteil vom 29.3.2012 - BVerwG 2 A 11.10 -, juris Rn. 85; Gansen, a. a. O., § 13 BDG Rn. 72).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem in Art. 47 GRCh. Danach hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und in angemessener Frist verhandelt wird. Denn diese Bestimmung räumt - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK - nur Verfahrensrechte ein.