Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.06.2017, Az.: 9 LA 35/16
Aufwandsteuer; Gleichheitssatz; Hundesteuer; erdrosselnde Wirkung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 27.06.2017
- Aktenzeichen
- 9 LA 35/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 54111
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 28.01.2016 - AZ: 7 A 1929/15
Rechtsgrundlagen
- Art 3 Abs 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Besteuerung des Haltens von Hunden verstößt nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil das Halten anderer Tiere nicht besteuert wird.
2. Die Höhe der Hundesteuer muss nicht nach der Größe der Hunde differenziert werden.
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 7. Kammer - vom 28. Januar 2016 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren und das Zulassungsverfahren auf jeweils 378 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig, soweit dessen Begründung fristgerecht eingereicht worden ist. Er ist jedoch insoweit unbegründet, da sich aus dieser Begründung keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben und der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dargelegt hat und eine solche auch nicht besteht.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dargelegt, wenn aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts sprechende Gründe zu Tage treten. Das ist der Fall, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden ist. Der Kläger hat mit seiner fristgerecht eingereichten Begründung keinen der das Urteil tragenden Rechtssätze bzw. Tatsachenfeststellungen in Frage stellen können.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Verwaltungsgericht die von der Beklagten erhobene Hundesteuer zu Recht als örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG charakterisiert. Denn es liegt auf der Hand, dass der mit der Hundehaltung verbundene finanzielle Aufwand für Futter, Pflege, Zubehör, Haftpflichtversicherung (§ 5 NHundG), Hundeschule, gegebenenfalls Sachkundenachweis (§ 3 NHundG) oder Wesenstest (§ 13 NHundG), tierärztliche Versorgung etc. über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht und einen zusätzlichen Einkommens- und/oder Vermögensaufwand erfordert (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, u. a. Urteil vom 15.10.2014 - 9 C 8.13 - Rn. 18 in juris m.w.N.). Insofern ist es entgegen der Meinung des Klägers ohne Belang, dass er seinen Hund der Rasse Chihuahua „aus Liebe zum Tier“ hält und dies für ihn sogar mit der „Adoption eines Kindes“ gleichzustellen sei. Denn diese subjektiven Empfindungen des Klägers ändern nichts an dem bezeichneten Charakter der Steuer. Bei der Hundesteuer handelt es sich um eine örtliche Aufwandsteuer, da sie gemäß 1 Abs. 1 der Hundesteuersatzung der Beklagten an das Halten von Hunden im Stadtgebiet anknüpft.
Die zulässige Grenze der Höhe der Steuer ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - erst dann erreicht, wenn die Steuer erdrosselnde Wirkung hat, für die hier jedoch keinerlei Anhaltspunkte bestehen. Dabei ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf die persönliche und individuelle Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen, sondern auf den durchschnittlichen Steuerpflichtigen im Stadtgebiet abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.10.2014 - 9 C 8.13 - Rn. 23 in juris).
Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (u. a. Urteil vom 12.1.1978 - VII B 73.77 - juris) ferner zu Recht festgestellt, dass die Besteuerung des Haltens von Hunden im Gebiet der Beklagten nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, obwohl das Halten anderer Tiere nicht besteuert wird.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber eine willkürlich ungleiche Behandlung von in Wesentlichem Gleichem. Der Gleichheitssatz ist daher dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sachlicher Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung nicht finden lässt. Es bestehen jedoch vernünftige Gründe, die die Besteuerung des Haltens allein von Hunden und nicht auch von Pferden oder anderen Tieren nicht als unsachlich erscheinen lassen. Denn es gibt ein berechtigtes Interesse daran, gerade die Hundehaltung, die durch die im Vergleich beispielsweise zur Pferdehaltung ungleich größere Zahl von Haltern gekennzeichnet ist und bei der die Gefahr einer noch erheblich größer werdenden Zahl von Tieren - “Hundeplage“ - besteht, einzudämmen. Die Beeinträchtigung der Allgemeinheit durch Hunde ist nämlich unter Berücksichtigung (auch) ihrer großen Zahl deutlich größer als die durch Pferde oder andere Tiere, sei es durch das Verschmutzen von Gehwegen, Kinderspielplätzen, Parkanlagen und anderen öffentlichen Anlagen und Einrichtungen durch Hundekot, die Geräuschbelästigung durch bellende Hunde oder durch das Anspringen, Behindern oder gar Verletzen von Spaziergängern und Radfahrern. Auch die Art der Hundehaltung in enger Lebensgemeinschaft mit dem Menschen und den damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren ist ein zusätzlicher Differenzierungsgrund im Vergleich etwa zur Haltung von Pferden, die in der Regel außerhalb von Wohnbereichen in Ställen oder auf Weiden gehalten und als Reitpferde auf Reitplätzen und in Reithallen oder auf Wegen abseits von Wohngebieten eingesetzt werden. Aus diesen Gründen ist die Besteuerung allein der Hundehaltung jedenfalls vom ortsgesetzgeberischen Ermessen gedeckt (BverwG, Urteil vom 12.1.1978 - VII B 73.77 - Rn. 2 in juris). Hinzu kommt, dass bei anderen Tierarten (beispielsweise bei Katzen oder Kleintieren) der Halter nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand feststellbar ist, so dass in diesen Fällen die Nichtbesteuerung der betreffenden Tierarten auch aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt ist (Birk in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand: September 2016, § 3 Rn. 107).
Angesichts der nicht bestehenden oder allenfalls geringen Unterschiede des Aufwands bei der Haltung eines kleinen oder großen Hundes (ein Chihuahua kann beispielsweise hinsichtlich der tierärztlichen Versorgung teurer sein als eine Deutsche Dogge; entsprechendes gilt für die Kosten des Futters, die mehr von dessen Art als der Menge abhängen) einerseits und des erforderlichen Verwaltungsaufwands zur Feststellung der Größe des jeweiligen Hundes andererseits ist es - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - auch keineswegs willkürlich und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Beklagte die Höhe der Steuer nicht nach der Größe der Hunde differenziert hat.
Konkrete Gründe dafür, dass durch die in § 10 geregelten Meldepflichten und die in § 11 der Hundesteuersatzung der Beklagten geregelte Datenverarbeitung in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen worden und deshalb die Steuerfestsetzung in dem angegriffenen Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 6. März 2015 rechtswidrig ist, hat der Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrags nicht vorgetragen und sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrags pauschal auf den Inhalt seiner Klageschrift Bezug genommen hat, genügt sein Vorbringen nicht den Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Diesen Anforderungen genügt der Zulassungsantrag des Klägers auch nicht, soweit er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich bzw. obergerichtlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (Senatsbeschlüsse vom 24.2.2016 - 9 LA 192/15 - und vom 23.4.2015 - 9 LA 51/15 - m.w.N.). Daher ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum diese Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren (Senatsbeschlüsse vom 24.2.2016 - 9 LA 192/15 - und vom 23.4.2015 - 9 LA 51/15 - m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen des Klägers zur Begründung seines Zulassungsantrags schon deshalb nicht, weil er eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage bereits nicht konkret bezeichnet hat. Im Übrigen sind die im erstinstanzlichen Verfahren zwischen den Beteiligten streitig gewesenen und im Zulassungsverfahren vom Kläger angesprochenen Fragen auch nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, da sie nach dem oben Gesagten in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind.
Soweit der Kläger nach Ablauf der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags mit Schriftsatz vom 21. April 2016 ferner gerügt hat, dass die Hundesteuer gegen die Artikel 1, 2, 3, 6, 14, 19 und 20a GG sowie gegen die Artikel 8, 13 und 14 der Menschenrechtskonvention, ferner gegen § 90a BGB und das „BimSchG, BimSchVO, BWalG“ verstoße, diese angeblichen Normverstöße in dem genannten Schriftsatz ausführlich begründet und eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt hat, wonach er seinen Hund als „eigenen Sohn“ ansieht und „wie ein eigenes Kind“ liebt, ist dieser Vortrag nicht zu berücksichtigen. Denn nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Hier ist dem Kläger das Urteil des Verwaltungsgerichts nach seinem eigenen Vortrag am 17. Februar 2016 zugestellt worden. Die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags lief folglich am 18. April 2016 (einem Montag) ab. Der genannte Schriftsatz des Klägers ist erst am 25. April 2016 und damit nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangen. Zwar kann auch noch Vorbringen nach Ablauf der Begründungsfrist berücksichtigt werden, sofern es sich dabei lediglich um eine Erläuterung oder Verdeutlichung des bereits fristgerecht und ausreichend dargelegten Zulassungsgrunds handelt (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.5.1998 - 12 A 12501/97 - Rn. 5 in juris; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 22. Aufl. 2016, § 124a Rn. 50 m.w.N.). Hier hat der Kläger jedoch nach Fristablauf mit der Rüge der Verletzung der genannten Normen und der Begründung dieser Normverstöße neue Aspekte (u. a. „Diskriminierung von Hunden und Hundehaltern“, Verstoß gegen das „Zitier- und Bestimmtheitsgebot“, keine „Luxussteuer“, Hund als „Familienmitglied“ und „Sozialpartner“, Gefährlichkeit von Hunden) in das Zulassungsverfahren eingeführt und nicht lediglich sein bisheriges Vorbringen weiter erläutert, verdeutlicht oder vertieft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 3, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Gemäß Ziffer 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11) ist bei wiederkehrenden Leistungen der dreifache Jahresbetrag der streitigen Abgabe anzusetzen. Hier handelt es sich bei dem angefochtenen Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 6. März 2015 um einen sogenannten Fortgeltungsbescheid, da er nach seinem eindeutigen Wortlaut so lange gelten soll, bis er durch einen neuen Bescheid ersetzt wird. Nach § 8 Abs. 1 der Hundesteuersatzung der Beklagten wird die Hundesteuer als Jahressteuer erhoben. Es ist deshalb gerechtfertigt und angemessen, gemäß der genannten Ziffer des Streitwertkatalogs den dreifachen Jahresbetrag der streitigen Hundesteuer anzusetzen. Dies ergibt den festgesetzten Streitwert von 378 EUR (3 x 126 EUR). Eine nochmalige Erhöhung nach § 53 Abs. 3 Satz 2 GKG findet in diesen Fällen nicht statt, da der nach dieser Vorschrift maximal mögliche dreifache Jahresbetrag bereits ausgeschöpft ist. Der Senat hat gemäß 63 Abs. 3 Satz 1 GKG - unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - den Streitwert auch für das erstinstanzliche Verfahren in dieser Höhe festgesetzt.