Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.06.2017, Az.: 13 PA 104/17

Abschiebung; Abschiebungsanordnung; Ausländerbehörde; Bundesamt; Dublin; Entscheidungskompetenz; inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis; Reiseunfähigkeit; Überstellung; Verhältnismäßigkeit; vorwirkende Verhaltenspflichten; zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.06.2017
Aktenzeichen
13 PA 104/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53904
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 23.03.2017 - AZ: 11 B 1159/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Soll aufgrund einer nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ergangenen Abschiebungsanordnung abgeschoben werden, hat nicht die Ausländerbehörde, sondern das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob der Abschiebung inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse oder zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote entgegenstehen.

2. Die Prüfung, ob den Betroffenen aus Verhältnismäßigkeitsgründen ungeachtet der Anordnung der Abschiebung eine (freiwillige) "selbstorganisierte Überstellung" in den Dublin-Zielstaat ermöglicht werden muss, obliegt hingegen der Ausländerbehörde.

3. Desgleichen ist die Ausländerbehörde für die Gestaltung der Abschiebungsbedingungen (das "Wie" der Abschiebung) zuständig, sofern diese im Einzelfall nicht in besonderer Weise gerade dazu dient, das "Ob" der Abschiebung rechtlich zu ermöglichen.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Eilverfahren 11 B 1159/17 versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 11. Kammer - vom 23. März 2017 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu je einem Drittel.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat eine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) des erstinstanzlich verfolgten Rechtsschutzbegehrens der Antragsteller - eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Aussetzung der Abschiebung (Duldung) der Antragsteller bis zum Vorliegen eines amtsärztlichen Gutachtens eines Psychiaters - zu Recht mit der Begründung verneint, die Voraussetzungen des § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO lägen nicht vor. Ein Anordnungsgrund (eine besondere Dringlichkeit des begehrten vorläufigen Rechtsschutzes) sei nicht glaubhaft gemacht, weil eine Abschiebung der Antragsteller nach Kosovo nicht im Raum stehe und - mangels erfolgter Klärung der Überstellungsmodalitäten mit den belgischen Behörden - derzeit eine Abschiebung nach Belgien (auf der Grundlage der im Dublin-Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - Bundesamts - vom 8. November 2013 enthaltenen Abschiebungsanordnung) nicht beabsichtigt sei. Auch der geltend gemachte Anordnungsanspruch aus § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 1 GG (Reiseunfähigkeit und Familieneinheit) sei nicht glaubhaft gemacht, weil die eingereichten fachärztlichen und familientherapeutischen Atteste eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 2. nicht in einer § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG genügenden Weise belegten und eine amtsärztliche Stellungnahme die Reisefähigkeit bei Durchführung bestimmter flankierender Maßnahmen ([psychiatrisch-]fachärztliche Begleitung der Reise; Sicherstellung fachärztlicher Behandlung bei Ankunft im Zielstaat und deren Fortführung, Bahnfahrten wegen der besseren Sitzverstellungsmöglichkeiten und des größeren Fußraums nur in der 1. Klasse; Unterstützung beim Transport persönlicher Sachen) bejaht habe, von deren Einhaltung bei einer Abschiebung nach Belgien ausgegangen werden müsse.

1. Der Senat teilt bereits die zutreffenden - mit der Beschwerde nicht explizit angegriffenen - Erwägungen des angefochtenen Beschlusses zur Verneinung eines Anordnungsgrundes, macht sich diese zu Eigen und verweist deshalb auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Ergänzend ist festzuhalten, dass ausweislich Seite 3 der Beschwerdebegründung vom 1. Mai 2017 (Bl. 124 der GA) selbst die Antragsteller davon ausgehen, dass ihre Abschiebung nach Belgien nicht vor einer „Vorlage der entsprechenden Rückübernahmeerklärungen“ droht, die bekanntermaßen bislang noch nicht erfolgt ist. Aus den Verwaltungsvorgängen geht hervor, dass bereits seit längerem (Beginn des Jahres 2017) eine Klärung der Rücküberstellungsmodalitäten mit den belgischen Behörden aussteht (vgl. die Korrespondenz der Antragsgegnerin mit dem Bundesamt auf Bl. 330, 332, 337 und 338 der BA 002 II). Dass sich hieran etwas geändert hätte, ist nicht ersichtlich, so dass aktuell eine besondere Dringlichkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu erkennen ist.

2. Des Weiteren ist der Senat wie das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass ein auf Duldung gerichteter Anordnungsanspruch - wenn er sich denn gegen die Antragsgegnerin richten könnte - bereits an der fehlenden Erfüllung der Voraussetzungen des § 60a Abs. 2c AufenthG scheiterte. Auch auf diese Erwägungen des angefochtenen Beschlusses - die mit der Beschwerde ebenfalls nicht ausdrücklich gerügt werden - kann gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug genommen werden.

Die von den Antragstellern eingereichten, seit Juli 2016 ausgestellten Atteste des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie G. und der Familientherapeutin H. (insbes. Bl. 29 bis 31 der Sonderheftung „Medizinische Unterlagen“ in der BA 002 II) führen Art und Ausmaß der prognostizierten Folgen der psychischen Erkrankungen der Antragstellerin zu 2. für den Abschiebevorgang nicht in der von § 60a Abs. 2c Satz 3 i.V.m. Abs. 2d AufenthG geforderten Weise auf (vgl. zu den Anforderungen Senatsbeschl. v. 7.6.2017 - 13 ME 107/17 -, juris Rn. 7), so dass sie nicht geeignet sind, eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 2. zu belegen. Vielmehr verbleibt es bei der Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, dass gesundheitliche Gründe der Abschiebung nicht entgegenstehen.

3. Vor diesem Hintergrund vermag das Beschwerdevorbringen der Antragsteller keine andere Entscheidung zu rechtfertigen.

Der erstinstanzliche Eilantrag der Antragsteller verfolgte nach gebotener sachdienlicher Auslegung (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) allein die Zielrichtung, vorläufig (bis zum Vorliegen eines von der Antragsgegnerin einzuholenden amtsärztlichen Gutachtens eines Psychiaters) von einer Abschiebung verschont zu bleiben. Er war damit erkennbar bereits gegen das „Ob“ einer Abschiebung gerichtet.

a) Diesem Ziel entsprechend bezieht sich das gesamte Beschwerdevorbringen der Antragsteller auf (weitere) Voraussetzungen eines auf Duldung gerichteten Anordnungsanspruchs gegen die Antragsgegnerin aus Gründen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 1 AufenthG (Reiseunfähigkeit und Familieneinheit) oder aus Art. 3 EMRK (Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung), teilweise lediglich in Anknüpfung an zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote. Damit ist das Beschwerdevorbringen angesichts des unter 1. (Fehlen eines Anordnungsgrundes) und 2. (Fehlen ausreichender Atteste) Ausgeführten nicht mehr entscheidungserheblich; es bedarf daher auch keiner abschließenden Würdigung im Einzelnen durch den Senat.

Mit diesen Rügen wenden sich die Antragsteller nämlich erstens lediglich gegen die amtsärztliche Beurteilung im Hinblick auf die fachliche Qualifikation des Facharztes für öffentliches Gesundheitswesen I. und halten deshalb eine erneute Begutachtung durch einen Facharzt für Psychiatrie für angezeigt, bezweifeln zweitens die tatsächliche Durchführung der amtsärztlich für erforderlich gehaltenen Begleitmaßnahmen und fordern drittens für den Abschiebevorgang weitere Vorkehrungen im Hinblick auf entsprechende „vorwirkende“ Handlungspflichten der Antragsgegnerin als zuständiger Ausländerbehörde im Interesse der Vermeidung eines wegen krankheitsbedingter zielstaatsbezogener Gefahren angeblich drohenden Verstoßes gegen Art. 3 EMRK, bis zu deren Erfüllung die Abschiebung zu unterbleiben habe (vgl. hierzu im Einzelnen den Senatsbeschl. v. heutigen Tage - 13 ME 103/17 -, S. 4 f. des Beschlussabdrucks, der den Beteiligten bekannt ist).

b) Das Beschwerdevorbringen wäre jedoch auch bei Bejahung eines Anordnungsgrundes sowie bei einem Vorliegen dem § 60a Abs. 2c i.V.m. Abs. 2d AufenthG genügender Atteste nicht geeignet, abweichend von dem angefochtenen Beschluss eine Erfolgsaussicht des erstinstanzlich gestellten Eilantrags zu begründen.

Eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung i.S.d. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG und ein entsprechender auf Duldung gerichteter Anordnungsanspruch der Antragsteller kann daraus nicht folgen. Denn die Rügen betreffen entweder (vgl. oben 3. a) erstens und zweitens) die weiteren Voraussetzungen des inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 1 GG oder können allenfalls unter der Voraussetzung erfolgreich sein (vgl. oben 3. a) drittens), dass ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot hinsichtlich Belgiens (etwa nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) bejaht wurde.

Ein derartiger Duldungsanspruch scheitert - über die vom Verwaltungsgericht angeführten Gründe hinaus - daran, dass der Antragsgegnerin als zuständiger Ausländerbehörde in der vorliegenden Konstellation bezogen auf das „Ob“ einer Abschiebung keine eigene Prüfungs- und Entscheidungskompetenz hinsichtlich inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse und zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote zusteht.

Die Abschiebung der Antragsteller kann derzeit - allenfalls - nach Belgien auf der Grundlage der in Ziffer 2. des bestandskräftigen Dublin-Bescheides des Bundesamts vom 8. November 2013 (Bl. 82 f. der BA 002 I) enthaltenen Abschiebungsanordnung, die auf Folge- und Wiederaufgreifensantrag durch Bundesamtsbescheid vom 27. September 2016 (Bl. 288 ff. der BA 002 II) aufrechterhalten wurde, erfolgen, soweit diese nicht bereits durch die erstmalige Überstellung der Antragsteller nach Belgien vom 22. Februar 2016 verbraucht worden ist und wirksam geblieben ist, was das Bundesamt zu prüfen haben wird (vgl. zu der problematischen „Konservierung“ der Zuständigkeit nach Dublin-Regeln BVerwG, Beschl. v. 27.4.2016 - 1 C 22.15 -, juris Rn. 23 ff.). Dass die Antragsgegnerin allenfalls eine darauf gestützte Abschiebung erwägt, hat sie mit der erstinstanzlichen Antragserwiderung vom 2. März 2017 (Bl. 81 der GA) mitgeteilt.

Der Dublin-Bescheid vom 8. November 2013 (in der Fassung des Bescheides vom 27. September 2016) enthält zwar keine negativen Feststellungen zu inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen oder zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten, an die die Antragsgegnerin nach §§ 42 Satz 1, 24 Abs. 2 AsylG gebunden wäre. Dies gilt auch für Ziffer 2. des im Folge- und Wiederaufgreifensverfahren ergangenen Bescheides vom 27. September 2016, durch den - offenbar rechtlich wirkungslos - lediglich die Änderung von (im Bescheid vom 8. November 2013 gar nicht enthaltenen) Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthGabgelehnt, nicht jedoch negative Feststellungen getroffen wurden.

Dennoch sind Besonderheiten zu beachten, die sich daraus ergeben, dass die Antragsteller hier allenfalls aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG abgeschoben werden können. In dieser Situation obliegt es allein dem Bundesamt zu prüfen, ob i.S.d. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG (weiterhin) „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Es hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 -, juris Rn. 11 m.w.N. insbes. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung; Senatsbeschl. v. 20.2.2017 - 13 ME 251/16 -, V.n.b., S. 3 des Beschlussabdrucks, und - grundlegend - v. 2.5.2012 - 13 MC 22/12 -, InfAuslR 2012, 298, juris Rn. 27; siehe aber auch BVerwG, Beschl. v. 27.3.2017 - 1 B 23.17 -, juris Rn. 1). Insoweit besteht eine von der gewöhnlichen Rollenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde abweichende „Gesamtzuständigkeit“ des Bundesamts, die eine Entscheidung aus „einer Hand“ sichern soll (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 3.12.2010 - 4 Bs 223/10 -, juris Rn. 13, 16). Das gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 12; Bayerischer VGH, Beschl. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 -, juris Rn. 4). In diesem Fall ist allenfalls noch Raum für eine Ausstellung der Duldungsbescheinigung nach § 60a Abs. 4 AufenthG durch die Ausländerbehörde (vgl. VG Karlsruhe, Beschl. v. 19.5.2014 - A 9 K 3615/13 -, juris Rn. 4 a.E.).

Ist - wie im Falle der Antragsteller - die Abschiebungsanordnung bereits unanfechtbar und damit bestandskräftig geworden und will der Betroffene eine nachträgliche Veränderung der Sach- oder Rechtslage - etwa zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote oder inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse - geltend machen, muss er in unmittelbarer Anwendung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 (oder Abs. 5) VwVfG einen Antrag beim Bundesamt auf Wiederaufgreifen des Verfahrens stellen und im Hauptsacheverfahren gegebenenfalls im Wege der Verpflichtungsklage eine Sachentscheidung erzwingen. Vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung des geltend gemachten Wiederaufgreifensanspruchs ist dann mittels eines Antrags nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu suchen, mit dem eine vorläufige Verhinderung der angeordneten Abschiebung erreicht werden soll, indem der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträgerin des Bundesamts aufgegeben wird, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der früheren Mitteilung und der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung abgeschoben werden darf (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 21.4.2015 - 10 CE 15.810, 10 C 15.813 -, juris Rn. 5). Solange die (bestandskräftige) Abschiebungsanordnung nicht aufgehoben worden ist, kommt der Ausländerbehörde, die die Abschiebungsanordnung der Bundesamts nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG durchführt, grundsätzlich keine eigene Entscheidungskompetenz bezüglich der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung wegen eines nachträglich geltend gemachten (inlands- oder zielstaatsbezogenen) Abschiebungshindernisses zu. Sie kann deshalb auch nicht - wie die Antragsteller es jedoch hier begehren - im Wege einer gegen sie gerichteten einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Anspruch genommen werden. Anderes gilt unter Berücksichtigung des Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) nur in (zeitlich) extrem zugespitzten Ausnahmefällen, in denen auf dem dargelegten vorrangigen Rechtsschutzweg eine vorläufige Aussetzung der Abschiebung für den Betroffenen nicht mehr erreichbar ist, etwa weil die begehrte Mitteilung des Bundesamts an die Ausländerbehörde offensichtlich zu spät käme (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 21.4.2015, a.a.O. Rn. 5 f.).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. Die Antragsteller haben den genannten asylrechtlichen Weg vielmehr bereits - erfolglos - beschritten. Ihr nach Rückkehr aus Belgien am 18. Mai 2016 beim Bundesamt gestellter Antrag, der als Folge- und Wiederaufgreifensantrag gedeutet wurde, ist durch Bundesamtsbescheid vom 27. September 2016 (Bl. 288 ff. der BA 002 II) abgelehnt worden. Die hiergegen gerichtete Klage der Antragsteller, soweit nicht zurückgenommen, hat das Verwaltungsgericht Oldenburg mit rechtskräftigem Urteil vom 4. Mai 2017 - 15 A 5525/16 - abgewiesen. Durch unanfechtbaren Beschluss vom 21. November 2016 - 15 B 5529/16 - ist zuvor ferner ihr Eilantrag abgelehnt worden, mit dem die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträgerin des Bundesamts im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet werden sollte, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebungsandrohung [zutreffend: Abschiebungsanordnung] aus dem bestandskräftigen Erstbescheid [gemeint ist der Dublin-Bescheid vom 8. November 2013] nicht vollzogen werden dürfe.

Nach alledem sind die Antragsteller im Verhältnis zur Antragsgegnerin als zuständiger Ausländerbehörde mit der Geltendmachung auf eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung hinauslaufender inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse und zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote ausgeschlossen.

4. Nicht ersichtlich ist, dass die Abschiebung der Antragsteller aus sonstigen, mit der Beschwerde nicht geltend gemachten Gründen i.S.d. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG tatsächlich oder rechtlich unmöglich wäre, die noch von der Antragsgegnerin zu prüfen wären.

Die Antragsteller können gegen das „Ob“ der Abschiebung insbesondere nicht einwenden, sie dürften aus Verhältnismäßigkeitsgründen (vgl. § 70 Abs. 1 NVwVG i.V.m. §§ 65 Abs. 3, 69 Abs. 6 Nds. SOG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 1560/2003
- Dublin-Durchführungsverordnung -) verlangen, nach Belgien nicht aufgrund der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung des Bundesamts im Wege des Verwaltungszwangs zurückgeführt zu werden, sondern stattdessen ermöglicht zu bekommen, (gesichert) freiwillig dorthin auszureisen, d.h. eine sog. „selbstorganisierte Überstellung“ zu bewirken (vgl. zu dieser Ausnahme BVerwG, Urt. v. 17.9.2015 - 1 C 26.14 -, BVerwGE 153, 24, juris Rn. 24). Für eine derartige - bei Lichte besehen lediglich die Form der Rückführung in Dublin-Fällen betreffende - Verhältnismäßigkeitsprüfung wäre zwar nicht das Bundesamt, sondern die Antragsgegnerin als Ausländerbehörde zuständig (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.9.2015, a.a.O., Rn. 25). Allerdings ist für den Senat nicht ersichtlich, dass die Antragsteller nunmehr erklärt oder sonst wie zu erkennen gegeben hätten, dass sie freiwillig nach Belgien zurückkehren wollten. Auch im Beschwerdeverfahren wird ein derartiger Sinneswandel nicht deutlich. Im Gegenteil halten sie ersichtlich an dem Ziel fest, sich nicht dorthin zu bewegen bzw. dorthin verbracht zu werden.

5. Schließlich ist ein (isoliert) die Abschiebebedingungen (das „Wie“ der Abschiebung) betreffender Anordnungsanspruch der Antragsteller nicht zu prüfen. Zwar liegt die Gestaltung des Abschiebevorgangs auch bei einer Abschiebung aufgrund einer in einem Dublin-Bescheid enthaltenen Abschiebungsanordnung - grundsätzlich - in der Zuständigkeit und im Ermessen der Ausländerbehörde.

Ob darauf bezogene Ansprüche der Antragsteller bestehen, kann jedoch dahinstehen, weil diese nicht von deren Begehren erfasst sind. Denn sie akzeptieren bereits das „Ob“ der Abschiebung nicht und verfolgen hinsichtlich des „Wie“ der Abschiebung keine konkreten Änderungen an den bisher von der Antragsgegnerin auf der Grundlage der amtsärztlichen Stellungnahme vom 14. Dezember 2016 (Bl. 325/325R der BA 002 II) geplanten Modalitäten. Vielmehr halten sie weitere Vorkehrungen, Begleitmaßnahmen und Abklärungen allein mit dem Ziel für erforderlich, eine Abschiebung bis zu deren Sicherstellung zu verhindern. Damit machen sie allenfalls Voraussetzungen des Ausschlusses eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses oder „vorwirkende“ Pflichten im Hinblick auf drohende zielstaatsbezogene Gefahren geltend. Betroffen ist damit allein eine begehrte besondere Gestaltung des Abschiebevorgangs, die das „Ob“ der Abschiebung angeblich rechtlich überhaupt erst ermöglicht. Hierüber hat bei einer Abschiebung aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach dem oben Ausgeführten allein das Bundesamt zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO werden die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).