Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.06.2017, Az.: 8 LB 127/16

Bestattungskosten; Bestattungspflicht; öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch; Geschäftsführung ohne Auftrag

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.06.2017
Aktenzeichen
8 LB 127/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54137
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 11.05.2016 - AZ: 1 A 35/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Veranlasst ein naher Angehöriger sogleich die Bestattung des Verstorbenen, ist davon auszugehen, dass es an der objektiven Fremdbezogenheit des Geschäfts fehlt.

Die Bestattungspflicht der Gemeinde gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestG entsteht nur dann, wenn niemand für die Bestattung sorgt. Veranlasst ein Dritter die Bestattung, so kann er die Erstattung seiner Aufwendungen auch dann nicht auf der Grundlage des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs von der Gemeinde verlangen, wenn er nicht zum Kreis der primär bestattungspflichtigen Personen gehört.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Einzelrichter der 1. Kammer - vom 11. Mai 2016 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Bestattungskosten für die Beerdigung seines Onkels.

Der Kläger ist der Sohn des (vorverstorbenen) Bruders von Herrn G. C., der am H. 2014 im Altersheim in I. verstarb. Nachdem ihn seine Mutter, die Schwägerin des Verstorbenen, vom Ableben seines Onkels unterrichtete, beauftragte der Kläger noch am selben Tag das Bestattungsinstitut St. mit der Bestattung und der anschließenden Einäscherung des Verstorbenen im J. Krematorium.

Unter dem 18. Juni 2014 schlugen der Kläger und seine Schwester, Frau K.L., geborene C., die Erbschaft als gesetzliche Erben im eigenen Namen und im Namen ihrer Kinder aus. Das Nachlassgericht stellte mit Beschluss vom 22. Juli 2014 das Land Niedersachsen als Erben fest. Das Konto des Verstorbenen (mit einem Vermögen von 684,18 Euro) wurde - ausweislich eines Vermerks der Beklagten über eine Rücksprache mit der Oberfinanzdirektion Oldenburg vom 11. Mai 2016 - nach Auszahlung eines Teilbetrags von 461,16 Euro an Frau L. und eines weiteren Teilbetrags von 223,02 Euro mit dem Saldo 0,00 Euro abgeschlossen.

Für die Einsargung, Überführung und einen einfachen Sarg stellte das Bestattungsunternehmen dem Kläger mit Schreiben vom 21. Juli 2014 Kosten in Höhe von 1.371,40 Euro in Rechnung. Darüber hinaus machte die Stadt Osnabrück ihm gegenüber mit Bescheid vom 23. Juni 2014 Gebühren für die Einäscherung in Höhe von 341,00 Euro geltend.

Einen Antrag der Schwester des Klägers auf Übernahme der Bestattungskosten gemäß § 74 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) lehnte der Landkreis Osnabrück mit Bescheid vom 11. November 2014 mit der Begründung ab, dass sie nicht zum Personenkreis der Verpflichteten nach dem Niedersächsischen Bestattungsgesetz gehöre. Daraufhin beantragte der Kläger bei der Beklagten mit Schreiben vom 10. Juni 2015 und vom 6. Juli 2015 den Ersatz der Kosten des Beerdigungsunternehmens und der Kosten der Einäscherung der Stadt Osnabrück. Er habe die Bestattung - in Unkenntnis der Sach- und Rechtslage - in Auftrag gegeben, ohne hierzu verpflichtet gewesen zu sein. Damit habe er eine Aufgabe der Beklagten wahrgenommen, die ihm die hierdurch entstandenen Kosten zu erstatten habe.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2015 lehnte die Beklagte - unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 Satz 1 des Nds. Bestattungsgesetzes (NBestattG) - die Erstattung dieser Kosten ab. Sie habe nur dann die Pflicht, die Bestattung zu veranlassen, wenn niemand für die Bestattung sorge. Da der Kläger die Bestattung in Auftrag gegeben habe, sei ihre Pflicht zur Bestattung gar nicht erst entstanden.

Unter dem 1. Oktober 2015 hat der Kläger Klage beim Amtsgericht Bersenbrück erhoben. Das Amtsgericht Bersenbrück hat das Verfahren mit Beschluss vom 7. Januar 2016 an das Verwaltungsgericht Osnabrück verwiesen.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger sein vorprozessuales Vorbringen vertieft, dass er einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Bestattungsunternehmens und der Einäscherung habe, weil er rechtlich nicht verpflichtet gewesen sei, diese Kosten zu tragen. Neffen und Nichten zählten nicht zu dem Personenkreis, der nach dem NBestattG für die Bestattung zu sorgen habe. Insofern sei die Beklagte nach § 8 Abs. 4 NBestattG verpflichtet gewesen, die Bestattung zu veranlassen. Da er für die Beklagte tätig geworden sei, könne er entsprechend den Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag von ihr entsprechenden Aufwendungsersatz verlangen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 15.07.2015 zu verpflichten, ihm die Kosten der Beisetzung seines Onkels, nämlich für die Tischlerei M. und den Gebührenbescheid der Stadt Osnabrück, zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und zur Begründung darauf verwiesen, dass ein Anspruch auf Aufwendungsersatz wegen Geschäftsführung ohne Auftrag ausscheide, weil der Kläger kein „objektiv fremdes Geschäft“ der Beklagten wahrgenommen habe. Sie sei nur dann verpflichtet, die Bestattung zu veranlassen, wenn niemand für die Bestattung sorge. Da der Kläger sich um die Bestattung gekümmert habe, sei der Anwendungsbereich des § 8 Abs. 4 NBestattG nicht eröffnet. Nicht erforderlich sei insoweit, dass die Person, die sich um die Bestattung gekümmert habe, dazu rechtlich verpflichtet gewesen sei.

Mit Urteil vom 11. Mai 2016 hat das Verwaltungsgericht Osnabrück die Beklagte - unter Aufhebung ihres „Bescheids“ vom 15. Juli 2015 - zur Bewilligung der verauslagten Kosten für die Bestattung des Onkels des Klägers auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet. Da der Kläger nicht gemäß § 8 Abs. 3 NBestattG bestattungspflichtig gewesen sei, habe die Beklagte nach § 8 Abs. 4 NBestattG die subsidiäre Bestattungspflicht getroffen. Von dieser Pflicht werde die Beklagte nicht dadurch befreit, dass ein beliebiger Dritter der Bestattungspflicht nachkomme. Wenn kein vorrangig Bestattungspflichtiger nach § 8 Abs. 3 NBestattG vorhanden sei, müsse die Beklagte nach § 8 Abs. 4 NBestattG tätig werden. Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen habe dieser auch für erforderlich halten dürfen, weil er sich auf eine einfach gehaltene Bestattung mit Einäscherung und Aufbewahrung in einer Schmuckurne mit Gesamtkosten in Höhe von 1.712,40 Euro beschränkt habe. Diese Kosten wären auch bei einer Veranlassung der Bestattung durch die Beklagte angefallen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die der Senat durch Beschluss vom 29. August 2016 - 8 LA 91/16 - zugelassen hat.

Zur Begründung der Berufung verweist die Beklagte auf ihr Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren, in dem sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wie folgt vertieft hat: Der Kläger habe zwar ein fremdes Geschäft wahrgenommen, da er weder zivilrechtlich als Erbe noch öffentlich-rechtlich im Sinne des § 8 Abs. 3 NBestattG verpflichtet gewesen sei, für die Bestattung zu sorgen oder die Kosten hierfür zu tragen. Er habe jedoch kein Geschäft der Beklagten wahrgenommen, da diese nur zuständig sei, wenn niemand für die Bestattung sorge. Nur für den Fall, dass niemand die Bestattung in Auftrag gebe, entstehe die öffentlich-rechtliche Gefahr, dass die Bestattung nicht innerhalb der Frist des § 9 Abs. 2 Satz 1 NBestattG erfolge. Eine ordnungsbehördliche Pflicht zum Einschreiten der Beklagten bestehe also nur dann, wenn niemand für die Bestattung sorge. Zudem habe auch kein öffentliches Interesse an der Geschäftsführung durch den Kläger bestanden, da zum Zeitpunkt der Beauftragung des Bestattungsunternehmens (Tag des Ablebens seines Onkels) noch keine entsprechende sachliche oder zeitliche Dringlichkeit zum Handeln bestanden habe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass ihr Kosten in gleicher Höhe entstanden wären, wenn sie anstelle des Klägers die Bestattung veranlasst hätte. Schließlich sei das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück auch deshalb fehlerhaft, weil ihr Schreiben vom 15. Juli 2015, mit dem sie einen Erstattungsanspruch abgelehnt habe, kein Verwaltungsakt gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 11.05.2016 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 11.05.2016 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.712,40 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Er hält das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück in der Sache für zutreffend, auch wenn mangels einer Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung der Kosten wohl nur ihre Verurteilung zur Zahlung des streitgegenständlichen Betrages in Betracht komme. Er habe lediglich dafür Sorge tragen wollen, dass sein verstorbener Onkel menschenwürdig beerdigt werde. Dies hindere ihn nicht daran, diese Kosten gegenüber der eigentlich verpflichteten Beklagten geltend zu machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Übergang von der Anfechtungs- zur Leistungsklage ohne weiteres zulässig, da sich Klagegrund und -begehren hier nicht verändert haben. Das Verwaltungsgericht hat der Klage aber zu Unrecht stattgegeben. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger die Kosten für die Bestattung seines Onkels zu erstatten.

Ein solcher Anspruch auf Aufwendungsersatz ergibt sich weder auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag (1.) noch als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch (2.).

1. Entgegen der Auffassung des Klägers liegen die Voraussetzungen für den von ihm geltend gemachten Aufwendungsersatz für eine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag in entsprechender Anwendung der §§ 677, 683 BGB nicht vor.

Die zivilrechtlichen Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag gelten im Bereich der öffentlichen Verwaltung unmittelbar, wenn das Geschäft, das besorgt wird, ein privatrechtliches ist, und entsprechend, wenn es sich um ein öffentlich-rechtliches Geschäft handelt (Palandt, BGB, 76. Auflage, Einf. v. § 677, Rn. 13). Für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag kommt es nicht auf die Rechtsnatur der vom Geschäftsführer ergriffenen Maßnahmen an, sondern darauf, welchen Charakter das Geschäft gehabt hätte, wenn es vom Geschäftsherrn selbst ausgeführt worden wäre (BGH, Beschl. v. 26.11.2015 - III ZB 62/14 -, NVwZ 2016, 870, 872, juris Rn. 11). Da der Kläger geltend macht, die in § 8 Abs. 4 NBestattG geregelte öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht der Beklagten erfüllt zu haben, ist von einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag auszugehen.

Ein Anspruch des Klägers auf Aufwendungsersatz nach den Vorschriften über die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag entsprechend §§ 677 ff. BGB scheidet allerdings bereits deshalb aus, weil dem Kläger bei der Wahrnehmung des Geschäfts der Fremdgeschäftsführungswille gefehlt hat.

Nach § 687 Abs. 1 BGB finden die Vorschriften der §§ 677 bis 686 BGB keine Anwendung, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, dass es sein eigenes sei. Die Geschäftsführung ohne Auftrag setzt also voraus, dass der Geschäftsführer das Geschäft nicht (nur) als eigenes, sondern (auch) als fremdes Geschäft führt, also in dem Bewusstsein und mit dem Willen, zumindest auch im Interesse eines anderen zu handeln. Der Fremdgeschäftsführungswille wird bei objektiv fremden Geschäften, die schon ihrem Inhalt nach in einen fremden Rechts- und Interessenkreis eingreifen, vermutet, während objektiv eigene oder neutrale Geschäfte erst durch den Willen des Geschäftsführers auch zu einer Fremdgeschäftsführung ihren Fremdcharakter erhalten (Palandt, BGB, 76. Auflage, § 677, Rn. 4-6). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob der Geschäftsführer in eigennütziger Absicht handelt, ist der Zeitpunkt der Vornahme der Handlung, so dass das Auftreten späterer Umstände die Geschäftsanmaßung nicht rückwirkend zu einer fremdnützigen Geschäftsführung macht (Staudinger, BGB, 2015, § 687, Rn. 34; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 18.1.2006 - 2 LB 20/05 -, juris Rn. 35, 36). Objektiv fremde Geschäfte sind solche, die die Rechtsordnung nach Inhalt, Natur und/oder äußerem Erscheinungsbild des Geschäfts einem anderen Rechts- und Interessenkreis zuordnet, d.h. deren Vornahme nach den rechtlichen Regeln einem anderen als dem Geschäftsführer obliegt oder gar vorbehalten ist (Palandt, BGB, 76. Auflage, § 677, Rn. 4).

Für den Kläger war die Veranlassung der Bestattung seines Onkels ein objektiv fremdes Geschäft, da er als Neffe des Verstorbenen nicht zum Kreis der in § 8 Abs. 3 NBestattG genannten primär bestattungspflichtigen Personen zählt und auch nicht aufgrund einer besonderen Vereinbarung mit seinem Onkel mit der Durchführung seiner Bestattung beauftragt worden ist. Da der Kläger nach seinem Vorbringen aber offenkundig einer eigenen Verpflichtung zur Bestattung nachkommen wollte, mangelte es ihm an dem nach § 683 BGB erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen.

Veranlasst ein naher Angehöriger sogleich die Bestattung des Verstorbenen, ist davon auszugehen, dass es an der objektiven Fremdbezogenheit des Geschäfts fehlt, da erkennbar der Wille des Angehörigen ist, dem Verstorbenen eine würdige Bestattung zu bereiten und nicht zum Zwecke der Gefahrenabwehr durch die Behörde zu handeln (OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 18.1.2006 - 2 LB 20/05 -, juris Rn. 35, 36).

Das Vorbringen des Klägers, sich in einem Sach- und Rechtsirrtum befunden zu haben, spricht für die Annahme, dass der Kläger - bei Auftragsvergabe an das Bestattungsunternehmen - davon ausgegangen ist, selbst zur Veranlassung der Bestattung seines Onkels verpflichtet gewesen zu sein. Dass er dazu berechtigt gewesen ist, sich um die Bestattung des Verstorbenen zu kümmern, ergibt sich daraus, dass das Recht zur Totenfürsorge nach der - durch die Rechtsprechung bestätigten - allgemeinen Anschauung dem Ehegatten und den jeweils nächsten Angehörigen zusteht (Barthel, Bestattungsgesetz Niedersachsen, 3. Auflage, § 8, Nr. 3) und er - neben seiner Schwester und ihrer Mutter, der Schwägerin des Herrn G. C. - der einzige noch lebende Angehörige seines Onkels zum Zeitpunkt seines Ablebens war. Dass er hingegen nicht zur Bestattung verpflichtet gewesen ist, weil er nicht zu dem Kreis der in § 8 Abs. 3 NBestattG genannten Bestattungspflichtigen gehört, war dem Kläger offenbar nicht bewusst. Erst der Landkreis Osnabrück als zuständiger Sozialhilfeträger hat den Erstattungsanspruch seiner Schwester auf der Grundlage von § 74 SGB XII mit dem Hinweis abgelehnt, dass seine Schwester (wie er) nicht rechtlich zur Bestattung verpflichtet gewesen sei. Ein nachträglich entstandener Fremdgeschäftsführungswille ist jedoch nicht ausreichend, um einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag zu begründen, da der Absichtswechsel erst mit dem Zeitpunkt seines Eintritts wirkt.

2. Der Kläger hat darüber hinaus auch keinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte auf Kostenerstattung in Höhe seiner Aufwendungen.

In Betracht kommt vorliegend die Anwendbarkeit eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs und nicht eines zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs. Der Kläger begehrt die Rückabwicklung einer Vermögensverschiebung, die auf einer (behaupteten) öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht beruht und die damit dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist (vgl. zu den Abgrenzungskriterien auch BGH, Beschl. v. 26.11.2015 - III ZB 62/14 - NVwZ 2016, 870, 872, juris Rn. 15).

Es ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass auch in den Fällen, in denen kein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag besteht, ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Betracht kommt, der auf einen billigen Ausgleich ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen gerichtet ist. Ein eigenmächtiges Handeln, das Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag entgegensteht, muss einen Ausgleich in der Höhe der tatsächlich ersparten Aufwendungen nicht als unbillig erscheinen lassen, wenn sich die Folgen unsachgemäßer Eigenmächtigkeit des Geschäftsführer nicht auf den Erstattungsanspruch auswirken können (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.9.1988 - 4 C 5.86 -, juris Rn. 23-24).

Dem Kläger steht jedoch kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, weil sein Handeln nicht zu einem Vermögensvorteil auf Seiten der Beklagten geführt hat.

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt ebenso wie der zivilrechtliche Bereicherungsanspruch voraus, dass entweder „Leistungen ohne Rechtsgrund“ erbracht worden sind oder dass eine „sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung“ stattgefunden hat (BVerwG, Urt. v. 15.6.2006 - 2 C 10.05 -, NJW 2006, 3225, 3226, juris Rn. 16). Im letzteren Fall kommt die Aufwendungskondiktion in Betracht, die voraussetzt, dass der Entreicherte Aufwendungen vorgenommen hat, die unmittelbar zu seiner Vermögensminderung und gleichzeitig zu einer Vermögensmehrung beim Begünstigten geführt haben, d.h. diesem Aufwendungen erspart haben, ohne dass die Rechtsordnung dem Bereicherten für den erlangten Vermögensvorteil, insbesondere die Ersparnis eigener Aufwendungen, einen Behaltensgrund zur Verfügung stellt (Palandt, BGB, 76. Auflage, § 812, Rn. 48-51).  Ein Bereicherungsschuldner hat „etwas“ im Sinne eines Vorteils dann erlangt, wenn sich sein wirtschaftliches Vermögen irgendwie vermehrt hat, wie beispielsweise durch die Befreiung von einer Verbindlichkeit (jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 812 BGB, Rn. 13, 19 m.w.N.).

An einem solchen wirtschaftlichen Vorteil fehlt es im vorliegenden Fall, weil die Bestattungspflicht der Beklagten zum Zeitpunkt der Veranlassung der Beerdigung des Verstorbenen durch den Kläger tatsächlich (noch) nicht entstanden war und sie insoweit auch (noch) von keiner Verbindlichkeit befreit werden konnte.

Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG hat die für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständige Gemeinde die Bestattung zu veranlassen, wenn niemand für die Bestattung sorgt. Die zuständige Gemeinde, die auf der Grundlage von § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG handelt, erfüllt nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Senatsurt. v. 10.11.2011 - 8 LB 238/10 -, NordÖR 2012, 146, 147, juris Rn. 35, 36) eine eigene, ihr selbst obliegende gesetzliche Pflicht zur Bestattung und schuldet die bei der Erfüllung dieser Pflicht entstehenden Bestattungskosten, wobei ihr nach § 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG die primär gesetzlich Bestattungspflichtigen nach § 8 Abs. 3 NBestattG für diese Bestattungskosten haften. Allerdings entsteht die subsidiäre Bestattungspflicht nach der vorzitierten Entscheidung des Senats gemäß nach § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG erst und nur dann, wenn niemand für die Bestattung sorgt, wobei maßgeblich auf die in § 9 NBestattG für die jeweiligen Bestattungsarten und -abschnitte genannten Zeitpunkte abzustellen ist.

Dass angesichts dieser gesetzlichen Vorgaben ein die Bestattung veranlassender Dritter (der nicht primär bestattungspflichtig ist) gegen die zuständige Behörde keinen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für erbrachte Bestattungsleistungen besitzt, hat der erkennende Senat bereits mit Beschluss vom 6. März 2015 (- 8 LA 51/14 - V.n.b.) und vom 8. Mai 2015 (- 8 LA 67/15 - V.n.b.) entschieden. Nach Ablehnung des Anspruchs eines klagenden Bestattungsunternehmens auf Aufwendungsersatz nach den Vorschriften über die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag hat der Senat in den vorgenannten Entscheidungen auch bereicherungsrechtliche Ansprüche ausgeschlossen und unter anderem darauf verwiesen, dass die Beklagte jedenfalls zum Zeitpunkt des Tätigwerdens des Beerdigungsinstituts noch nicht bestattungspflichtig gewesen sei und dieser Einwand auch öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche ausschließe.

Zwar lebten in dem seinerzeit vom Senat entschiedenen Verfahren tatsächlich noch nach § 8 Abs. 3 NBestattG vorrangig bestattungspflichtigen Angehörigen des Verstorbenen, die nach Auffassung des Senats durch die vom klagenden Beerdigungsinstitut ohne Beauftragung erbrachten Bestattungsleistungen begünstigt worden sind. Allerdings rechtfertigt die Tatsache, dass im vorliegenden Fall von vornherein keine primär Bestattungspflichtigen im Sinne von § 8 Abs. 3 NBestattG (mehr) vorhanden waren, keine andere rechtliche Beurteilung.

Wie sich aus dem Wortlaut der Regelung des § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG ergibt, setzt der Eintritt der subsidiären Bestattungspflicht der Beklagten nicht die Existenz eines primär Bestattungspflichtigen im Sinne von § 8 Abs. 3 NBestattG (sowie sein fehlendes Eingreifen) voraus, sondern knüpft allein daran an, dass gar keine Person tätig wird. In diesem Sinne wird die Vorschrift des § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG nicht nur in der Rechtsprechung des Senats, sondern auch in der Literatur so verstanden, dass eine Bestattungspflicht der zuständigen Behörde nur dann entsteht, wenn die in Absatz 3 genannten Personen nicht vorhanden, nicht bekannt oder (dauerhaft) nicht zu ermitteln sind und auch keine andere (nicht bestattungspflichtige) Person die Bestattung veranlasst (Barthel, Bestattungsgesetz Niedersachsen, 3. Auflage, Nr. 4.1 zu § 8; Horn, Niedersächsisches Bestattungsgesetz, Nr. 6 zu § 8).

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Aus der Gesetzgebungsgeschichte können keine weitergehenden Schlüsse gezogen werden. Den Gesetzesmaterialien lässt sich nicht entnehmen, wie der niedersächsische Gesetzgeber den Fall regeln wollte, in dem eine nicht nach dem öffentlichen Recht bestattungspflichtige Person tätig wird, die auch zivilrechtlich (d.h. aufgrund besonderer schuldrechtlicher Vereinbarung) nicht zum Handeln verpflichtet ist. Angesprochen wurde nur der Fall, dass Bestattungspflichtige nicht vorhanden sind oder nicht tätig werden. Aus der Begründung zum Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP vom 2. Juni 2004 (LT-Drs. 15/1150, S. 15) zur gemeindlichen Bestattungspflicht ergibt sich Folgendes:

„Absatz 4 Satz 1 regelt den Fall, dass die in Absatz 3 genannten bestattungspflichtigen Personen nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen oder nicht tätig werden. Damit die Bestattung trotzdem ordnungsgemäß durchgeführt wird, hat - und zwar subsidiär, was in Satz 1 klargestellt wird - die für den letzten Wohnsitz  zuständige Gemeinde als allgemeine Verwaltungsbehörde die Bestattung zu veranlassen und vorerst auch die Kosten zu tragen.“

Dem schriftlichen Bericht zum Gesetzesentwurf (LT-Drs. 15/2584, S. 10-11, ausgegeben am 31. Januar 2006), der um Hinweise aus den Ausschussberatungen ergänzt worden ist, ist darüber hinaus Folgendes zu entnehmen:

„Absatz 4 enthält eine Auffangbestimmung für die Durchführung der Bestattung, wenn die in Absatz 3 genannten Personen ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen oder solche vorrangig Bestattungspflichtigen nicht vorhanden sind.“

Selbst wenn es im Übrigen die Absicht des niedersächsischen Gesetzgebers gewesen wäre, in Fällen, in denen kein Bestattungspflichtiger, wohl aber ein Dritter für die Bestattung sorgt, eine subsidiäre Bestattungspflicht der zuständigen Behörde zu normieren, ist eine derartige Regelung angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG nicht getroffen worden.

Auch Sinn und Zweck dieser Vorschrift, eine subsidiäre Handlungspflicht der Gemeinde zur Gefahrenabwehr (nur) für die Fälle zu schaffen, in denen tatsächlich keine Person die Bestattung veranlasst, also auch kein zivilrechtlich zur Totenfürsorge Berechtigter, der nicht zum Personenkreis der in § 8 Abs. 3 NBestattG genannten Bestattungspflichtigen gehört, stützen die Annahme, dass eine Pflicht zum Handeln für die Beklagte nur dann entsteht, wenn kein anderer handelt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 8 Abs. 3 und Abs. 4 NBestattG reine gefahrenabwehrrechtliche Bestimmungen darstellen, ohne eigenständige öffentlich-rechtliche Regelungen zur (eigentlich zivilrechtlich geregelten) Frage zu treffen, wer die Kosten der Bestattung zu tragen hat. Gefahrenabwehrrechtlich ist es nur dann geboten, eine Handlungspflicht der beklagten Samtgemeinde anzunehmen, wenn die abzuwehrende Gefahr tatsächlich entsteht. Entstehen kann diese Gefahr, die von einem nicht zeitnah bestatteten Leichnam ausgeht, aber nur dann, wenn sich niemand um die Bestattung kümmert, ohne dass es darauf ankommen kann, ob die Beerdigung von primär Bestattungspflichtigen im Sinne von § 8 Abs. 3 NBestattG, von schuldrechtlich gegenüber dem Verstorbenen Verpflichteten oder von dritten Personen veranlasst wird, die sich möglicherweise sittlich zum Handeln verpflichtet fühlen.

Dass in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch vereinzelt ein bereicherungsrechtlicher Vermögensvorteil schon darin gesehen worden ist, dass die beklagte Behörde eine Befreiung von einer (nur) künftigen  Verpflichtung erlangt hat (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9.12.2015 - 6 A 1040/12 -, juris Rn. 175 ff.), führt ebenfalls zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Das OVG Nordrhein-Westfalen hatte einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch im vorgenannten Verfahren mit der Begründung bejaht, dass der Kläger durch den Abschluss einer Krankenkostenvollversicherung einen Umstand herbeigeführt hat, der das Entstehen von Beihilfeansprüchen zu Lasten des beklagten Landes von vornherein verhindert hat und die Beklagte im Umfang der Befreiung von künftigen Beihilfeverpflichtungen bereichert sei. Unabhängig davon, ob man dieser sehr weiten Auslegung des Begriffs „Vermögensvorteil“ folgt, ist in Hinblick auf die Regelung in § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG nicht von einer konkret bestehenden Bestattungspflicht der Beklagten auszugehen, die der gesetzlich angelegten Beihilfeverpflichtung vergleichbar wäre, sondern nur von einer subsidiären Handlungspflicht, die gerade erst dann entstehen soll, wenn niemand handelt.

Auch soweit darüber hinaus das Nichtentstehen einer Verbindlichkeit wie die Befreiung von einer Verbindlichkeit bewertet wird, wenn es zum Entstehen der Verbindlichkeit ohne das Dazwischentreten einer zu Unrecht vorgenommenen Rechtshandlung gekommen wäre (vgl. Staudinger, BGB, 2007, § 812, Rn. 70 m.w.N.), vermag dieser Aspekt der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Veranlassung der Bestattung des Verstorbenen durch den Kläger ist - angesichts der oben dargestellten Auslegung des § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG - keineswegs als eine zu Unrecht vorgenommene Rechtshandlung anzusehen, sondern entsprach vielmehr der gesetzgeberischen Wertung einer in jeder Hinsicht subsidiären Bestattungspflicht der Beklagten.

Zwar haben schuld- oder erbrechtlich Verpflichtete sowie primär Bestattungspflichtige im Sinne des § 8 Abs. 3 NBestattG bei Vermögenslosigkeit gemäß § 74 SGB XII die Möglichkeit, gegenüber dem Sozialhilfeträger Erstattungsansprüche geltend zu machen, wenn sie die Bestattung in Auftrag gegeben und bezahlt haben oder von der zuständigen Behörde nach § 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG zur Kostenerstattung herangezogen werden. Selbst wenn man es als unbillig ansähe, dass Personen, die wie der Kläger für eine Bestattung sorgen, ohne dazu verpflichtet zu sein, keinen entsprechenden Anspruch haben, wäre dem jedoch nicht im Rahmen der landesrechtlichen Vorschriften zur gefahrenabwehrrechtlichen Bestattungspflicht Rechnung zu tragen, sondern allenfalls im Kontext (bundesgesetzlicher) sozialhilferechtlicher Regelungen. Ob dem Kläger unter Umständen ein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus öffentlich-rechtlichem Erstattungsanspruch gegen den zuständigen Sozialhilfeträger zusteht (vgl. hierzu nur VG Hannover, Urt. v. 31.5.2001 - 9 A 1868/99 - NVwZ 2002, 1014, 1016-1017 [VG Berlin 25.10.2001 - 27 A 254.01]), kann hier dahingestellt bleiben, da ein solcher Anspruch jedenfalls nicht gegen die beklagte Samtgemeinde gerichtet wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 VwGO.

Gründe, gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.