Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.06.2017, Az.: 1 ME 70/17

baurechtliche Verantwortlichkeit; Dereliktion; Eigentumsaufgabe; Sittenwidrigkeit; Verantwortlichkeit; Zustandsstörer

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.06.2017
Aktenzeichen
1 ME 70/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53945
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 18.04.2017 - AZ: 2 B 196/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 79 Abs. 1 Satz 3, 4, §§ 52 ff. NBauO lassen für eine entsprechende Anwendung des § 7 Abs. 3 SOG und damit für die bauaufsichtliche Inanspruchnahme desjenigen, der das Eigentum an einem Grundstück, auf dem baurechtswidrige Zustände bestehen, aufgegeben hat, keinen Raum.

Gründe

Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht dem Eilantrag des Antragstellers gegen die mit Sofortvollzug versehene Anordnung, die Gebäude einer ehemaligen Getreidetrocknungsanlage auf dem Grundstück C., D., Gemarkung E. dauerhaft gegen ein Betreten zu verschließen, mit der Begründung stattgegeben, er habe zwei Jahre zuvor das Eigentum an diesem Grundstück aufgegeben.

Der Antragsteller hatte etwa im Jahr 1999 das Grundstück erworben, das mit einer schon zu diesem Zeitpunkt längere Zeit nicht mehr genutzten Getreidetrocknungsanlage bebaut ist. Im Jahr 2000 wurde er vom damals zuständigen Landkreis Northeim erstmals angeschrieben und darauf hingewiesen, dass das Grundstück gegen den Zutritt Fremder zu sichern sei, da das Gebäude in seinem derzeitigen Zustand eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle. Dem kam der Antragsteller nach.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2003 gab der Landkreis Northeim dem Antragsteller auf, das Gebäude zu verschließen. Das setzte er im Wege der Ersatzvornahme dadurch durch, dass er die Gebäudeöffnungen neuerlich verbrettern ließ.

Anlässlich eines Brandeinsatzes in dem Gebäude am 14. Juli 2013 stellte die nunmehr zuständige Antragsgegnerin fest, dass das Gebäude wiederum ungehindert zu betreten war. Sie forderte den Antragsteller daher mit Schreiben vom 30. August 2013 auf, die Zugänge zu verschließen. Hierauf teilte der Antragsteller mit, er habe auf das Eigentum verzichtet. Seine Verzichtserklärung vom August 2013 wurde am 10. September 2013 im Grundbuch eingetragen.

Im Juli 2015 kam es neuerlich zu Bränden in dem Gebäude. Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller auf, das Gebäude zu sichern, und gab ihm schließlich mit dem hier interessierenden Bescheid vom 12. Dezember 2016 auf, die Öffnungen im Erdgeschoss dauerhaft gegen ein Betreten zu verschließen. Dagegen wandte sich der Antragsteller mit Widerspruch und Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Seinem im Februar 2017 gestellten Eilantrag hat das Verwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 18. April 2017, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, und im Wesentlichen folgender Begründung stattgegeben:

Das Gebäude widerspreche zwar dem öffentlichen Baurecht. Die Antragsgegnerin habe den Antragsteller jedoch nach Aufgabe des Eigentums nicht mehr zur Beseitigung der von dem Gebäude ausgehenden Gefahr heranziehen dürfen. Seine Verantwortlichkeit gemäß § 56 NBauO sei damit entfallen. Die Vorschriften über die verantwortlichen Personen der NBauO träten als Sonderregelung vor die polizeiliche Zustandshaftung nach dem Nds. SOG. Daher sei auch dessen § 7 Abs. 3 nicht mehr anwendbar. Es bestünden keine durchgreifenden Anhaltspunkte für die Annahme, die Aufgabe des Eigentums sei sittenwidrig. Denn als der Antragsteller sich hierzu entschlossen habe, sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass mit entsprechenden Verfügungen durch die Antragsgegnerin zu rechnen gewesen sei. Der Antragsteller habe auch nicht als Handlungsstörer in Anspruch genommen werden dürfen; denn die Verpflichtung als Zustandsstörer schließe aus, aufgrund des Unterlassens einer Tätigkeit als Handlungsstörer in Anspruch genommen zu werden. Die Voraussetzungen des § 79 Abs. 1 Satz 4 NBauO i.V.m. § 8 Nds. SOG lägen gleichfalls nicht vor; denn es sei nicht erkennbar, dass die Verwaltungsbehörde die Gefahr nicht selbst habe abwenden können.

Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, der der Antragsteller entgegentritt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Hinreichendes für die Annahme einer Sittenwidrigkeit und damit Unbeachtlichkeit der 2013 erklärten und eingetragenen Dereliktion (Eigentumsaufgabe) ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht. Das Bundesverwaltungsgericht (B. v. 11.4.2003 - 7 B 141.02 -, NJW 2003, 2255, JURIS-Rdnr. 8) nimmt an, eine sittenwidrige und damit im Verhältnis zum Hoheitsträger als unwirksam zu behandelnde Dereliktion liege vor, wenn sich die Aufgabe des Grundeigentums in dem Zweck erschöpfe, die mit der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten verbundenen Kosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Dafür enthält das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, keine zureichenden Anhaltspunkte. Das Verwaltungsgericht hat ins Einzelne gehend dargelegt, weshalb der Antragsteller zu dem Zeitpunkt, zu dem er sich zur Eigentumsaufgabe entschlossen hatte, mit behördlichen Ordnungsmaßnahmen nicht gerechnet haben soll; es ist in diesem Zusammenhang auch auf frühere Maßnahmen gegen den Antragsteller eingegangen, hat jedoch darauf hingewiesen, dass diese zu lange zurücklägen, um beim Antragsteller die Furcht einer Wiederholung zu begründen; Maßnahmen der Antragsgegnerin seien erst nach dem Entschluss zur Eigentumsaufgabe erfolgt. Um dies in einer § 146 Abs. 4 Satz 3, 6 VwGO genügenden Weise anzugreifen, genügen die bloßen Hinweise, der Landkreis Northeim habe dem Antragsteller in der Vergangenheit wiederholt Sicherungsmaßnahmen auferlegt und die Dereliktion sei „in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Aufgreifen der Angelegenheit durch die […] Antragsgegnerin“ erfolgt, nicht. Erforderlich wäre vielmehr die Benennung konkreter Indizien gewesen, die darauf hinwiesen, dass der Antragsteller auch unmittelbar vor seinem offenbar im August 2013 erfolgten Entschluss zur Eigentumsaufgabe mit einem Einschreiten der Antragsgegnerin rechnen musste. Dies fehlt. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich vielmehr in der Darlegung von Argumenten, die das Verwaltungsgericht bereits entkräftet hat.

Für das Hauptsacheverfahren merkt der Senat allerdings an, dass die zeitliche Abfolge der oben geschilderten Ereignisse durchaus den Gedanken hätte nahelegen können, der - ortsansässige - Antragsteller habe von dem Brandeinsatz vom 14. Juli 2013 Kenntnis erlangt und daraufhin beschlossen, sich der daraufhin zu erwartenden behördlichen Inanspruchnahme zu entziehen. Immerhin war ausweislich der unpaginierten Beiakte 002 am 16. Mai 2013 ein Artikel unter der Überschrift erschienen „Gegen Schrottimmobilien konsequent vorgehen“. Darin war den Kommunen im Landkreis Northeim nahegelegt worden, künftig wirkungsvoller gegen die Eigentümer vorzugehen, die ihre Gebäude verwahrlosen ließen. Sollte dieser Artikel dem Antragsteller zur Kenntnis gekommen sein, könnte er im Zusammenhang mit dem Brandereignis vom Juli 2013 durchaus Anlass gewesen sein, das Eigentum an der hier interessierenden Liegenschaft allein zu dem Zweck aufzugeben, die auf ihn zukommenden Lasten ihrer Sicherung gegen Vandalismus nicht mehr schultern zu müssen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Brandeinsatz und der Eigentumsaufgabe ist immerhin augenfällig.

Weniger Bedeutung dürfte demgegenüber der Umstand haben, dass der Fachbereich III der Antragsgegnerin unter dem 17. Mai 2013 vermerkt hatte, das Gebäude sei nach Feststellungen der Polizei frei zugänglich und sein Zustand gefährlich. Das entspricht zwar auch dem Eindruck, den die Buntfotos vom August 2013 (BA 002) vermitteln. Dort sind die Gebäudeöffnungen deutlich zu sehen. Zu bedenken ist insoweit allerdings, dass dieser Zustand schon zuvor verschiedentlich festzustellen gewesen war, ohne dass dies der Antragsteller zum Anlass genommen hätte, drohende Inanspruchnahme durch Eigentumsaufgabe zu vermeiden.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ergibt sich aus der NBauO keine Rechtsgrundlage zur Inanspruchnahme des Antragstellers als früherem Eigentümer dieses Grundstücks. Als die Antragsgegnerin den angefochtenen Bescheid im Dezember 2016 erließ, war dieser bereits seit mehr als drei Jahren nicht mehr Eigentümer des Grundstücks. Das Grundstück war und ist herrenlos, weil das Land Niedersachsen das Fiskusaneignungsrecht gemäß § 928 Abs. 2 BGB bislang nicht ausgeübt hat. Adressat einer Verfügung können gemäß § 79 NBauO nur die in §§ 52 bis 56 NBauO aufgezählten Personen sein. Unter diese fällt der Antragsteller nicht. Mit den §§ 52 bis 56 NBauO 2012 (beziehungsweise 57 bis 61 NBauO 2003) werden die allgemeinen polizeilichen Vorschriften ersetzt durch Sonderregeln für den Bereich des Baurechts. Damit ist auch die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 3 Nds. SOG ausgeschlossen, der Maßnahmen gegen diejenige Person ermöglicht, die das Eigentum an der herrenlosen Sache aufgegeben hat, von der eine Gefahr ausgeht (Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Aufl., § 56 Rdn. 1 und 6). Schließt die Bauordnung als lex specialis die Anwendung der entsprechenden Vorschriften des Allgemeinen Polizeirechts aus, bleibt auch kein Raum für eine Regelungslücke, die im Rahmen der Analogie durch eine Anwendung der Vorschriften des Polizeirechts geschlossen werden könnte. In § 79 Abs. 1 Satz 4 NBauO ist geregelt, wann allein auf Vorschriften des Polizeirechts zurückgegriffen werden kann (Große-Suchsdorf, a.a.O., § 79 Rdn. 82). Damit ist klargestellt, dass nur dann das Baurecht den Rückgriff auf das Allgemeine Polizeirecht zulässt, wenn dies ausdrücklich im Gesetz festgestellt ist. Ein weitergehender Rückgriff auf das Allgemeine Polizeirecht ist damit nicht ermöglicht. Dies gilt insbesondere auch für einen Rückgriff auf § 7 Abs. 3 Nds. SOG.

Dieses Ergebnis entspricht dem Willen des Gesetzgebers, so wie er sich aus den Aufstellungsvorgängen für das Gesetz vom 3. April 2012 (GVBl. S. 46) ergibt. Die NBauO 2003 hatte in ihrem § 89 Abs. 2 Satz 1 als mögliche Adressaten einer bauaufsichtsbehördlichen Verfügung auf die Personen verwiesen, die nach den §§ 57 bis 62 verantwortlich sind. §§ 61 und 62 NBauO lauteten:

§ 61

Die Eigentümer sind dafür verantwortlich, dass bauliche Anlagen und Grundstücke dem öffentlichen Baurecht entsprechen. Erbbauberechtigte treten an die Stelle der Eigentümer. Wer die tatsächliche Gewalt über eine bauliche Anlage oder ein Grundstück ausübt, ist neben dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten verantwortlich.

§ 62

Verhalten sich andere als die in den §§ 57 bis 61 genannten Personen so, dass öffentliches Baurecht verletzt wird oder eine Verletzung zu besorgen ist, so richtet sich die Verantwortlichkeit nach § 6 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

Schon der Entwurf für eine (neue) Niedersächsische Bauordnung vom 28. Juni 2010 wollte die Verbindung der Adressateneigenschaft zu den nach der NBauO „verantwortlichen Personen“ kappen. § 79 dieses Entwurfs enthielt daher überhaupt keinen Verweis auf die Personen, an die eine bauaufsichtsbehördliche Verfügung sollte gerichtet werden können.

Der Regierungsentwurf einer Niedersächsischen Bauordnung vom 21. Dezember 2010 (LT-Drs. 16/3195) behielt das bei und verzichtete zugleich ausdrücklich auf eine Übernahme des § 62 NBauO 2003. Das wird wie folgt motiviert (LT-Drs. 16/3195, S. 93 zu § 56 <Verantwortlichkeit für den Zustand der Anlagen und Grundstücke>):

§ 56 entspricht § 61 a. F. Er enthält eine Sonderregelung der Zustands- und Verhaltenshaftung, die anwendbar ist, wenn die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in einem Verstoß gegen öffentliches Baurecht besteht.

§ 62 a. F. ist nicht übernommen worden. Diese Vorschrift benannte verantwortliche Personen, die als Verhaltensstörer insbesondere neben dem Bauherrn für den ordnungsgemäßen Zustand eines Baugrundstücks oder einer Anlage verantwortlich sind. Sie entspricht den Grundsätzen des allgemeinen Polizeirechts, um die verschiedenen Verantwortlichkeiten in einem Gesetz zusammenhängend abzubilden. Eine Notwendigkeit für derartige Spezialregelungen zu dem Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung wird nicht mehr gesehen.

Zu § 79 E-NBauO heißt es dort (aaO, S. 107):

Die in § 89 Abs. 2 Sätze 1 und 2 a. F. enthaltenen Regelungen über die Anordnungen an die verantwortlichen Personen entfallen. Für den Bereich der Gefahrenabwehr gilt das Niedersächsische Gesetz über die Sicherheit und Ordnung. Die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenabwehr mit ihren Rechts- und Ermessensschranken gelten auch für die Auswahl des richtigen Adressaten.

Mit der Streichung des bisher in der Generalklausel (§ 89) enthaltenen Verweises wollte der Regierungsentwurf mithin die Baupolizeipflicht nach der neuen baurechtlichen Generalklausel (§ 79 NBauO 2012) vom Kreis der nach der NBauO „verantwortlichen Personen“ abkoppeln und dem allgemeinen Polizeirecht unterstellen.

Das hat sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht durchgesetzt. Der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration empfahl in seiner LT-Drucksache 16/4587 (dort Seiten 51 und 73) vielmehr, es bei der vorgeschlagenen Fassung des § 56 (Verantwortlichkeit für den Zustand der Anlagen und Grundstücke) zu lassen, § 79 Absatz 1 Sätze 3 und 4 NBauO aber die dann Gesetz gewordene Fassung zu geben. Zur Begründung führte er aus (LT-Drs. 16/4621, S. 34):

Nach der Entwurfsbegründung sollen die bisherigen Regelungen in § 89 Abs. 2 Sätze 1 und 2 NBauO entbehrlich sein, weil unmittelbar auf die Regelungen in den §§ 6 bis 8 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) zurückgegriffen werden könne. Dies dürfte - nur - für die bisher in § 89 Abs. 2 Satz 2 NBauO enthaltene Regelung über die Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher zutreffen (vgl. § 8 Nds. SOG). Hinsichtlich der bisherigen Regelung in § 89 Abs. 2 Satz 1 NBauO ist hingegen fraglich, ob sich die Verantwortlichkeiten nach den §§ 52 bis 56 des Entwurfs mit den Verantwortlichkeiten nach den §§ 6 und 7 Nds. SOG decken. Der Ausschuss empfiehlt daher, eine § 89 Abs. 2 Satz 1 NBauO entsprechende Regelung aufzunehmen (neuer Satz 2/1), wobei mit der empfohlenen Formulierung allerdings auch der gegenwärtig in der NBauO nicht geregelte Bauleiter (§ 55 des Entwurfs) erfasst wird. Da ggf. fraglich sein könnte, ob diese Regelung abschließend gemeint ist oder eine Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher nach wie vor zulässig sein soll, empfiehlt der Ausschuss ferner, auch eine § 89 Abs. 2 Satz 2 NBauO entsprechende Regelung einzufügen (neuer Satz 2/2). Die Nennung bestimmter Paragrafen des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wie sie noch in § 89 Abs. 2 Satz 2 NBauO enthalten ist, hält der Ausschuss dabei für entbehrlich. Durch die empfohlene Formulierung wird Anpassungsbedarf bei etwaigen Änderungen der betreffenden Vorschriften im Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vermieden.

Das heißt: Aus Sorge, der Kreis der nach den §§ 6 f. Nds. SOG in Baupolizeipflicht zu nehmenden Personen möchte sich nicht vollständig mit dem decken, der nach den §§ 52 - 56 NBauO n. F. verantwortlich ist, sollten grundsätzlich nur diejenigen auf der Grundlage der (neuen) Generalklausel (§ 79 NBauO 2012) herangezogen werden können, die in der NBauO als „verantwortliche Personen“ bezeichnet werden - allerdings erweitert um diejenigen, die als „nichtverantwortliche Personen“ gem. § 8 Nds. SOG als Adressaten in Betracht kommen.

Der soeben zitierte Passus

„Da ggf. fraglich sein könnte, ob diese Regelung abschließend gemeint ist oder eine Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher nach wie vor zulässig sein soll, empfiehlt der Ausschuss …“

führt nicht zur Annahme, der Nichtverweis auf das Nds. SOG sei unter Umständen doch nicht wirklich abschließend. Jedenfalls hinsichtlich derjenigen, die „für den Zustand der Anlagen und Grundstücke“ verantwortlich sind (§ 56 NBauO), schließt die Neufassung damit eine Anwendung des § 7 Abs. 3 Nds. SOG in voller Kenntnis aus.

Eine planwidrige, durch Analogieschluss zu füllende Lücke scheidet damit aus. Ebenso wenig ist es möglich, in Anwendung von § 6 Nds. SOG an früheres Fehlverhalten, d. h. unterlassene Sicherungsmaßnahmen anzuknüpfen. Nur hinsichtlich der Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher nach § 8 Nds. SOG eröffnet die Gesetz gewordene Fassung den Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht.

Diese gesetzgeberische Entscheidung haben die Antragsgegnerin und der Senat hinzunehmen. Es braucht daher nicht die Frage diskutiert zu werden, ob diejenigen, die in §§ 52 ff. NBauO 2012 erfasst werden, wirklich mit denen identisch sein müssen, an die auf § 79 NBauO 2012 fußende Verfügungen gerichtet werden können.

Ein Hinweis auf die Rechtsprechung weiterer Obergerichte führt hier nicht weiter, da die unterschiedlichen Landesbauordnungen oder das Landespolizeirecht nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar sind.

Die von der Antragsgegnerin hilfsweise vorgetragene „Austauschbegründung“ des Bescheids ist ebenfalls nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Anordnung gegenüber dem Antragsteller darzutun. Es kann offen bleiben, ob, wie die Antragsgegnerin meint, anstelle des § 79 NBauO die §§ 11 und 6 Nds. SOG die Anordnung rechtfertigen könnten, wenn der letzte Eigentümer vor der Aufgabe des Eigentums eine gegenwärtige Gefahr durch jahrelanges Unterlassen von gebotenen Sicherungsarbeiten verursacht hat. Diese Konstellation ist jedenfalls in der von der Antragsgegnerin unterstellten Eindeutigkeit nicht erkennbar. Auf die Anordnung aus dem Jahr 2003 hat der Antragsteller die angeordneten Arbeiten zwar nicht ausgeführt. Nachdem die Sicherungsarbeiten aber durch den seinerzeit zuständigen Landkreis Nordheim vorgenommen worden waren, ist erst im Jahr 2013 das Verfahren wieder aufgegriffen worden, allerdings wiederum ohne es zum Abschluss zu bringen, nachdem die Eigentumsaufgabe durch den Antragsteller bekannt wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren danach jedenfalls nicht Zustände eingetreten, die ein Einschreiten dringend hätten erscheinen lassen. War der Antragsteller aber bis zum Zeitpunkt seiner Eigentumsaufgabe - noch - nicht für einen nicht mehr hinnehmbaren Gefahrenzustand ursächlich geworden, ist ihm ein erst mehr als zwei Jahre nach der Eigentumsaufgabe eintretender Zustand nicht ohne weiteres anzulasten. Laut einem Vermerk vom 17. März 2015 (Beiakte 002) waren jedenfalls im März keine Maßnahmen der Bauaufsicht für notwendig gehalten worden. Erst auf neuerliche Hinweise von Feuerwehr und Polizei im Mai und Juli 2015 wurde das Verfahren wieder aufgenommen. Damit lässt sich nicht begründen, dass der Antragsteller für den im Juli 2015 dokumentierten Zustand ursächlich geworden wäre. Fraglich wäre überdies auch, ob den ehemaligen Eigentümer auch noch zwei Jahre nach der im Grundbuch eingetragenen Aufgabe des Eigentums die Pflicht zu notwendigen Sicherungsmaßnahmen als persönliche Pflicht treffen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an die Kosten für die Beseitigung der Gefahr. Da mit einer Befolgung der Verfügung endgültige Tatsachen geschaffen würden, d. h. die Hauptsache vorweggenommen worden wäre, ist es gerechtfertigt, diesen Betrag nicht zu halbieren.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).