Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.02.2001, Az.: 2 W 11/01
Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach § 7 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO); Bestimmung des Zeitpunkts für die Stellung des Antrags auf Überprüfung einer Stimmrechtsentscheidung des Rechtspflegers und auf Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung; Ausschöpfung aller möglichen Rechtsbehelfe als Voraussetzung für die Geltendmachung einer außerordentlichen Beschwerde; Voraussetzungen für die Abwahl eines Insolvenzverwalters; Zulässigkeit des Bestreitens von Tatsachen, die den eigenen Rechtskreis betreffen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.02.2001
- Aktenzeichen
- 2 W 11/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 29079
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0221.2W11.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 05.01.2001 - AZ: 2 T 473/00
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 InsO
- § 78 Abs. 1 InsO
Fundstellen
- EWiR 2001, 587
- InVo 2001, 241-243
- KTS 2001, 617-619
- KTS 2001, 441
- NZI 2001, 6
- NZI 2001, 317-318
- ZIP 2001, 658-660
- ZInsO 2001, 320-322 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde nach § 7 Abs. 1 InsO setzt die Darlegung einer Gesetzesverletzung durch den Beschwerdeführer voraus.
- 2.
Sowohl der Antrag auf Überprüfung der Stimmrechtsentscheidung des Rechtspflegers nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG als auch der Antrag nach § 78 Abs. 1 InsO, einen Beschluss der Gläubigerversammlung aufzuheben, müssen noch in der laufenden Gläubigerversammlung gestellt werden; eine spätere Nachholung im schriftlichen Verfahren ist unzulässig.
- 3.
Das Recht zur Geltendmachung einer außerordentlichen Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt bei Nichtausschöpfung der zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe von vornherein nicht in Betracht.
In dem Insolvenzverfahren
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige weitere Beschwerde der beteiligten Gläubigerin vom 17. Januar 2001
gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 5. Januar 2001
durch
die Richter am Oberlandesgericht Rebell, Borchert und Dr. Pape
am 21. Februar 2001
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde wird nicht zugelassen und das Rechtsmittel auf Kosten der am Verfahren beteiligten Gläubigerin als unzulässig verworfen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 155.797 DM.
Gründe
I.
Schuldnerin des Insolvenzverfahrens ist eine frühere Kfz-Vertragshändlerin, die auch Fahrzeuge der am Verfahren beteiligten Gläubigerin, einer spanischen Kfz-Herstellerin, vertrieben hat. Während des Eröffnungsverfahrens befanden sich etwa 70 Fahrzeuge der beteiligten Gläubigerin bei der Schuldnerin, die einen Verkaufswert von etwa 1.558.000 DM hatten. Nachdem die am Verfahren beteiligte Gläubigerin im Eröffnungsverfahren zunächst vergeblich versucht hatte, diese Fahrzeuge vom vorläufigen Insolvenzverwalter, dem später vom Insolvenzgericht bestellten Insolvenzverwalter herauszubekommen, meldete die am Verfahren beteiligte Gläubigerin eine Forderung in Höhe von 1.557.974,63 DM im Verfahren an und begehrte im Berichtstermin vom 12. Oktober 2000 die Einräumung eines Stimmrechts in dieser Höhe. Sie beabsichtigte, den gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter, der ihr die Herausgabe der Fahrzeuge zunächst verweigert hatte, nach Bewilligung des Stimmrechts abzuwählen und durch einen anderen Insolvenzverwalter zu ersetzen. Zu einer solchen Abwahl des Insolvenzverwalters kam es jedoch nicht, da der bestellte Verwalter das Stimmrecht der beteiligten Gläubigerin bestritt und das Insolvenzgericht, nachdem eine Einigung der Gläubiger nicht zu Stande gekommen war, dieser im Hinblick auf § 47 InsO die Gewährung eines Stimmrechts verweigerte.
Nachdem der in der Gläubigerversammlung als Vertreter der beteiligten Gläubigerin anwesende Rechtsanwalt zunächst keine weiteren Anträge während der Versammlung gestellt hatte, beantragte er mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2000 im Wege der außerordentlichen Beschwerde nach Art. 103 Abs. 1 GG die Stimmrechtversagung in der Gläubigerversammlung aufzuheben und erneut in die erste Gläubigerversammlung einzutreten; hilfsweise legte er Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 RPflG i.V.m. § 77 Abs. 2 Satz 3 InsO ein. Zur Begründung ließ die Beschwerdeführerin ausführen, dass das Insolvenzgericht während des Eröffnungsverfahrens pflichtwidrig nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter eingewirkt habe, um diesen zur Herausgabe der Fahrzeuge zu bewegen. Ferner sei das Bestreiten des Stimmrechts der Gläubigerin durch den Insolvenzverwalter in der Gläubigerversammlung nicht zulässig gewesen, weil der Insolvenzverwalter in eigener Sache bestritten habe. Ihm sei es nämlich darum gegangen, nicht abgewählt zu werden. Das Bestreiten der Forderung sei mit der Ladung zur ersten Gläubigerversammlung nicht in Einklang zu bringen; die Gläubigerin sei zu dieser Versammlung als Insolvenzgläubigerin geladen worden. Die Stimmrechtsversagung sei zu Unrecht erfolgt, da der Insolvenzverwalter nicht die Forderung der Gläubigerin, sondern nur deren Aussonderungsrecht bestritten habe. Dieses Bestreiten sei aus willkürlichen und verfahrensfremden Gründen erfolgt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht dieses Rechtsmittel der am Verfahren beteiligten Gläubigerin mit der Begründung verworfen, dass eine außerordentliche Beschwerde nicht zulässig sei, weil die Gläubigerin die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmittel nicht erschöpfend ausgenutzt habe. Obwohl sie in der Lage gewesen sei, die Entscheidung des Rechtspflegers durch Stellung eines Änderungsantrags nach § 77 Abs. 2 Satz 3 InsO in der Gläubigerversammlung geltend zu machen, sei sie diesen Weg nicht gegangen. Sie habe es ferner auch versäumt, einen wirksamen Antrag nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG zu stellen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die am Verfahren beteiligte Gläubigerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie geltend macht, dass die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des § 78 InsO beruhe. Das Landgericht habe verkannt, dass sich die Gläubigerin mit ihrem Rechtsmittel auch gegen die Entscheidung der Gläubigerversammlung gerichtet habe, den Insolvenzverwalter im Amt zu lassen. Auf Grund dieser Verletzung des § 78 InsO sei die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde geboten. Das Landgericht habe die Beschwerde zu Unrecht als unzulässig verworfen; gegen die gerichtliche Stimmrechtsfestsetzung werde die sofortige Beschwerde nach der allgemeinen Vorschrift des § 20 GesO inzwischen ganz überwiegend als statthaft angesehen.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nicht zuzulassen.
Gemäß § 7 Abs. 1 InsO setzt das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde im Insolvenzverfahren eine Zulassung durch das Rechtsmittelgericht voraus. Die sofortige weitere Beschwerde ist dann zuzulassen, wenn die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht und die Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (dazu näher OLG Zweibrücken, ZlnsO2000, 398; Prütting, in: Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rz. 21 ff.; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 7 Rz. 4 ff; zusammenfassend Pape, NJW 2001, 23, 24 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Eine Verletzung des Gesetzes durch das Beschwerdegericht wird durch die Beschwerdeführerin nicht ausgeführt. Das Beschwerdegericht hat vielmehr das Rechtsmittel der am Verfahren beteiligten Gläubigerin zu Recht als unzulässig verworfen. Die am 18. Oktober 2000 eingelegte sofortige Beschwerde, der im Übrigen überhaupt nicht zu entnehmen war, dass es sich auch um einen Antrag nach § 78 Abs. 1 InsO handeln sollte, war als unzulässig zu verwerfen, weil die anwaltlich beratene und vertretene Beschwerdeführerin die Vorschriften der Insolvenzordnung ihrerseits missachtet und von den ihr zur Verfügung stehenden Antragsrechten nicht in zulässiger Art und Weise Gebrauch gemacht hat.
1.
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, das Insolvenzgericht habe ihr zu Unrecht ein Stimmrecht in Höhe von 1.557 974,63 DM versagt, sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass diese Versagung zu Unrecht erfolgt ist. Die von der am Verfahren beteiligten Gläubigerin mit der Schuldnerin geschlossenen Kaufverträge waren infolge der Verfahrenseröffnung aufgrund der von der Rechtsprechung vertretenen "Erlöschenstheorie" zunächst untergegangen, sodass eine Kaufpreisforderung in dieser Höhe nicht mehr existierte (zu den Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf beiderseits bei Verfahrenseröffnung nicht vollständig erfüllte gegenseitige Verträge vgl. BGH, ZIP 1988, 322 ff; BGH, ZIP 1991, 945 ff; BGH, ZIP 1992, 48; BGH, ZIP 1997, 1072; Tinrtelnot, in: Kübler/Prütting, InsO, § 103 Rz. 11 ff.). Dass die Gläubigerin eine andere Forderung als ihre Kaufpreisforderung angemeldet hatte, ist nicht ersichtlich, sodass tatsächlich nur ein Aussonderungsrecht bezüglich der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Fahrzeuge bestand, das nicht zu einem Stimmrecht in der Gläubigerversammlung führt, sondern vielmehr dem Aussonderungsberechtigten nicht einmal ein Recht auf Teilnahme an der Gläubigerversammlung gibt (s. Pape, Gläubigerbeteiligung im Insolvenzverfahren, 2000 S. 74, Rz. 194 f; Kubier, in: Kübler/Prütting, InsO, § 77 Rz. 4).
2.
Darüber hinaus wäre die Entscheidung des Landgerichts aber auch bei einer inhaltlich fehlerhaften Entscheidung des Rechtspflegers nicht zu beanstanden, weil die Beschwerdeführerin die Stimmrechtsentscheidung noch in der laufenden Gläubigerversammlung durch einen Antrag nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG hätte überprüfen lassen können. Selbst wenn ein Änderungsantrag nach § 77 Abs. 2 Satz 3 InsO nicht erfolgreich gewesen wäre, hätte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit gehabt, die Stimmrechtsentscheidung des Rechtspflegers durch einen Antrag nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG zu überprüfen, da bei Festsetzung des Stimmrechts in der von ihr begehrten Höhe die Entscheidung über die Beibehaltung bzw. Abwahl des Insolvenzverwalters durch die Stimmrechtfestsetzung maßgeblich beeinflusst worden wäre. Diesen Antrag hätte die anwaltlich beratene Gläubigerin aber noch in der laufenden Gläubigerversammlung stellen müssen, wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 18 Abs. 3 Satz 2 RpflG (dazu ausführlich Pape, Gläubigerbeteiligung im Insolvenzverfahren, S. 91 ff., Rz. 233 ff). Die nach Schluss der Gläubigerversammlung eingelegte Beschwerde gegen die Stimmrechtfestsetzung durch das Insolvenzgericht war demgegenüber nicht zulässig. Ein Antrag nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG kann nach Schluss der Gläubigerversammlung nicht mehr gestellt werden.
3.
Soweit die Beschwerdeführerin mit dem Antrag auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde geltend macht, das Landgericht habe auch den Anwendungsbereich des § 78 InsO verkannt, indem es ihr Rechtsmittel nicht als Antrag auf Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung, den gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter beizubehalten, verstanden habe, vermag auch diese Argumentation der sofortigen weiteren Beschwerde nicht zur Zulässigkeit zu verhelfen. Für das Landgericht war eine entsprechende Zielrichtung der sofortigen Beschwerde schon deshalb nicht erkennbar, weil ein entsprechender Antrag nicht ausdrücklich gestellt worden war und das Gericht keine Veranlassung zu der Annahme hatte, dass in der Beschwerdeschrift vom 18. Oktober 2000 ein weiterer unzulässiger Antrag gestellt werden sollte. Ein Änderungsantrag nach § 78 Abs. 1 InsO ist gemäß dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift noch in der Gläubigerversammlung zu stellen und kann nach Ende der Versammlung nicht mehr nachgeholt werden (dazu Pape, Gläubigerbeteiligung im Insolvenzverfahren, S. 116 ff., Rz. 286 ff; ders.. ZInsO 2000, 469 ff.; Kübler/Prütting, InsO, § 78 Rz. 10; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 78 Rz. 4). Da auch ein solcher Antrag von dem Vertreter der Gläubigerin in der Gläubigerversammlung nicht gestellt worden ist, brauchte sich das Beschwerdegericht nicht mit der Frage auseinander zu setzen, ob die Entscheidung der Gläubigerversammlung, den Insolvenzverwalter beizubehalten, den gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger widersprach. Zur Entscheidung über diesen Antrag wäre im Übrigen primär auch nicht das Beschwerdegericht, sondern vielmehr das Insolvenzgericht berufen gewesen. Das Beschwerdegericht wäre allenfalls für die Entscheidung über eine nach § 78 Abs. 2 Satz 3 InsO i.V.m. § 6 Abs. 1 InsO zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung zuständig gewesen.
Nur im Fall einer zulässigen Antragstellung hätten sich das Insolvenzgericht und das Beschwerdegericht auch mit der Frage auseinander setzen müssen, ob die Beschwerdeführerin auch ohne Festsetzung eines Stimmrechts zur Stellung eines Antrages nach § 78 Abs. 1 InsO berechtigt war (dazu Kubier, in: Kübler/Prütting, InsO, § 78 Rz. 9; Pape, Gläubigerbeteiligung im Insolvenzverfahren. S 116 Rz. 286). Das Beschwerdegericht hat die Insolvenzordnung nach diesen Erwägungen völlig zutreffend angewendet, eine Gesetzesverletzung durch die Verwerfung des Rechtsmittels der Beschwerdeführerin als unzulässig ist nicht festzustellen.
III.
Soweit die Beschwerdeführerin ihr Rechtsmittel auch auf eine außerordentliche Beschwerde nach Art. 103 Abs. 1 GG gestützt hat. kommt ein derartiges Rechtsmittel zwar prinzipiell auch im Verfahren nach der Insolvenzordnung in Betracht (s. dazu Prütting, in: Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rz. 34 ff.). Insoweit hat das Landgericht jedoch ebenfalls zutreffend ausgeführt, dass für die Zulassung eines außerordentlichen Rechtsbehelfs jedenfalls dann keine Veranlassung besteht, wenn der Beschwerdeführer selbst die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel nicht erschöpfend wahrgenommen hat. Da im Übrigen aufgrund der vorstehenden Erwägungen auch Rechtsfehler nicht festzustellen sind, ist Anlass für eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen einer außerordentliche Beschwerde ebenfalls nicht gegeben.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO i V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Wert des Beschwerdeverfahrens: 155.797 DM
Die Festsetzung des Beschwerdewertes ist in Übereinstimmung mit der nicht angegriffenen Wertfestsetzung durch das Beschwerdegericht erfolgt.
Borchert
Dr. Pape