Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 12.02.2001, Az.: 8 W 52/01
Vertretung mehrerer Beklagter durch einen Rechtsanwalt; Erstattungsfähige Kosten eines Anwalts; Kumulation von Anwälten; Kosten mehrerer Rechtsanwälte
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 12.02.2001
- Aktenzeichen
- 8 W 52/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 21537
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0212.8W52.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover 13 O 232/98 vom 14.01.2000
Rechtsgrundlage
- § 6 BRAGO
Fundstelle
- zfs 2001, 423-424
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Vertritt ein Rechtsanwalt gleichzeitig mehrere Beklagte, sind grundsätzlich nur die Kosten eines Rechtsnwalts - ggf. mit der Erhöhungsgebühr nach § 6 BRAGO - erstattungsfähig. Es ist hierbei unerheblich, ob ein derartiger Anwalt von allen ihn mandatierenden Personen einzeln beauftragt wurde, oder ob sich die Vollmacht zur Vertretung der mehreren Beklagten aufgrund besonderer vertraglicher Regelungen zwischen den Beklagten ergibt.
- 2.
Es bedarf jedoch jeweils einer konkreten Prüfung, ob aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Anwalts für jeden der mehreren Beklagten zu bejahen ist.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 30.766,10 DM.
Gründe
Die gemäß den §§ 11 Abs. 1 RpflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet, weil den Beklagten zu 3 und 4 ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der Kosten der von ihnen - neben den für alle Beklagten auftretenden Prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte ####### pp. in ####### - beauftragten Rechtsanwälte ####### pp. in ####### zusteht.
Die Erstattungsfähigkeit der den Beklagten zu 3 und 4 entstandenen Kosten richtet sich gemäß § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht danach, ob "in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste", weil es nicht zu einem Wechsel, sondern zu einer Kumulation von Anwälten gekommen ist; maßgeblich ist nach der vorgenannten Vorschrift vielmehr, dass die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten sind, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen.
Die Höhe der durch die Beauftragung mehrerer Anwälte seitens der Beklagten zu 3 und 4 entstandenen "Mehrkosten" errechnet sich gemäß § 6 BRAGO aus 2 Erhöhungsgebühren zu jeweils 3/10 einer vollen Gebühr aus dem Streitwert von 1.508.960, 54 DM zzgl. MwSt, also (2 x 2.407,50 DM) + 16 % = 5.585,40 DM. Diesen Mehrbetrag hat der Senat in der Beschwerdeentscheidung über den weiteren Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Januar 2000 (=8 W 53/01) betreffend den Kostenerstattungsanspruch aller Beklagten als Gesamtgläubiger berücksichtigt und als nicht erstattungsfähig abgesetzt. Die Gebühren für den "eigenen" Anwalt der Beklagten zu 3 und 4 sind deshalb in vollem Umfange erstattungsfähig:
Der Senat vertritt zwar in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass grundsätzlich nur die Kosten eines Anwalts - ggf. mit der Erhöhungsgebühr nach § 6 BRAGO - erstattungsfähig sind, soweit dieser mehrere Beklagte gleichzeitig vertritt. Es ist hierbei unerheblich, ob ein derartiger Anwalt von allen ihn mandatierenden Personen einzeln beauftragt wurde, oder ob sich die Vollmacht zur Vertretung der mehreren Beklagten aufgrund besonderer vertraglicher Regelungen zwischen den Beklagten ergibt, wie etwa aus § 10 Nr. 5 AKB. Der vorstehende Grundsatz kann aber nicht schematisch angewandt werden, vielmehr bedarf es jeweils einer konkreten Prüfung, ob aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Anwalts für jeden der mehreren Beklagten zu bejahen ist.
Nach der Auffassung des Senats liegen im hier zu entscheidenden Falle derartige besondere Umstände vor, die es rechtfertigen, die Kosten eines "eigenen" Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 3 und 4 als erstattungsfähig anzusehen. Es ist hier zum einen zu berücksichtigen, dass die Privathaftpflichtversicherung der Beklagten angesichts der abgeschlossenen Deckungssumme von 1 Mio. DM den "Deckungssummeneinwand" erhoben hat. Von diesem Vortrag der Beklagten zu 3 und 4 geht der Senat aus, weil der Kläger deren konkreten Vortrag im Schriftsatz vom 19.10.2000 nicht mehr entgegengetreten ist. Für die Beklagten zu 3 und 4 bestand also die Gefahr, dass sie im Falle einer Verurteilung trotz der bestehenden Haftpflichtversicherung den über die Deckungssumme hinausgehenden Betrag gegebenenfalls "aus eigener Tasche" hätten zahlen müssen. Diese Gefahr ist im vorliegenden Falle als umso Größer einzuschätzen, weil bei dem der Klage zugrunde liegenden Vorfall vom 5. Juli 1995 mehrere Personen verletzt wurden, die Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten geltend machen. Neben dem der hiesigen Entscheidung zugrunde liegenden Verfahren 13 O 232/98 des Landgerichts Hannover handelt es sich um das Verfahren des Betroffenen #######, 13 O 317/98 LG Hannover. Der Gesamtstreitwert dieser beiden Verfahren beträgt mehr als 2 Mio. DM. Gemäß § 3 II Nr. 2 Satz 2 AHB gelten diese beiden "zeitlich zusammenhängenden Schäden aus derselben Ursache" als ein Schadensereignis, sodass den Beklagten zu 3 und 4 insgesamt eine "eigene Haftung" in existenzbedrohender Höhe drohte.
Hinzu kommt als weiterer besonderer Umstand, dass die Art der den Beklagten zur Last gelegten Haftungstatbestände auf einer unterschiedlichen Beteiligung an dem Sachverhalt des Rechtsstreits beruhte: So wurde etwa der beklagte Verein als Betreiber des Schießstandes in Anspruch genommen, auf dem sich der Vorfall vom 5. Juli 1995 ereignet hat, der Beklagte ####### als 1. Vorsitzender des Vereins und als derjenige, der den für den Brandausbruch nebst Verpuffungsexplosion ursächlichen Teppich im hinteren Bereich des Schießstandes aufgehängt haben soll, der Beklagte zu 3 als 2. Vorsitzender des beklagten Vereins ohne eigene sonstige konkrete Beteiligung am Sachverhalt, und der Beklagte zu 4 als Sportwart und derjenige, der dem Beklagten zu 2 bei der Anbringung des Teppichs geholfen haben soll.
Es kommt nach Auffassung des Senats nicht darauf an, ob die vorgenannten Umstände schon geeignet waren, einen konkreten "Interessenkonflikt" zwischen den einzelnen Beklagten zu begründen (zu diesem Kriterium als möglicher Rechtfertigung für die Beauftragung mehrerer Anwälte vgl. etwa Hartmann, in: Baumbach u. a. , ZPO, 55. Aufl. , § 91 ZPO Rn. 138 m. w. N. ). Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Beklagten zu 3 und 4 angesichts der unterschiedlichen "Verteidigungssituationen" der Beklagten eine angemessene Verteidigung gegen die Klage in der Beauftragung eines (zusätzlichen) eigenen Anwalts sehen durften.
Dies gilt umso mehr, als der beauftragte Anwalt für den Beklagten zu 3 schon lange vor Beginn dieses Rechtsstreits, seit Anbeginn des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im Mai 1996 Vertretungsvollmacht hatte, und die Beklagten zu 3 und 4 deshalb eine besondere Kenntnis des Inhalts der umfangreichen gerichtlichen Verfahren erwarten durften.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.