Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 01.06.2005, Az.: 6 B 60/05

Ablauf der Ausreisefrist; Abschiebungsandrohung; Androhung der Abschiebung; Ausreiseaufforderung; Ausreisefrist; Ausreisepflicht; freiwillige Ausreise; Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung; Niederlassungserlaubnis; Rechtswidrigkeit; Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung; Serbien und Montenegro; sofortige Vollziehbarkeit; unbefristete Aufenthaltserlaubnis; Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht; vorläufiger Rechtsschutz; Widerruf eines Aufenthaltstitels

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
01.06.2005
Aktenzeichen
6 B 60/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50690
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Ausländerbehörde darf dem ausreisepflichtigen Ausländer die Abschiebung nur dann nach § 59 Abs. 1 AufenthG androhen, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin, eine im Jahre 1983 im Kosovo geborene, serbisch-montenegrinische Staatsangehörige, wendet sich dagegen, dass der Antragsgegner sie zur Ausreise aufgefordert und ihr die Abschiebung angedroht hat.

2

Die Antragstellerin reiste nach eigenen Angaben im Dezember 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Hier beantragte sie Asyl. Im April 1995 wurde sie als Asylberechtigte anerkannt. Seit Juni 1995 war sie im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach dem Ausländergesetz.

3

Mit Bescheid vom 3. Februar 2004 widerrief das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Asylanerkennung sowie die Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes vorliegt, und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 Ausländergesetz nicht gegeben sind. Ihre hiergegen beim Verwaltungsgericht Hannover erhobene Klage nahm die Antragstellerin zurück.

4

Nachdem die Antragstellerin in den Landkreis Peine umgezogen war, widerrief der Beklagte mit Bescheid vom 10. Januar 2005 „die unbefristete Aufenthaltserlaubnis“. In dem Bescheid forderte er die Antragstellerin außerdem dazu auf, das Bundesgebiet spätestens bis zum 10. Februar 2005 zu verlassen, und drohte ihr für den Fall, dass sie dieser Aufforderung nicht nachkomme, die Abschiebung nach Serbien und Montenegro an. Wegen der Begründung wird auf den Bescheid verwiesen.

5

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 10. Februar 2005 Klage mit dem Antrag, den Bescheid aufzuheben, hilfsweise, die Abschiebung für die Dauer von zunächst sechs Monaten auszusetzen (Aktenzeichen 6 A 58/05). Zur Begründung der Klage macht sie im Wesentlichen geltend, sie sei unter Berücksichtigung ihres langen Aufenthalts im Bundesgebiet integriert; außerdem lebten hier ihre Eltern, Geschwister und ihr Verlobter. Hinzu komme, dass sie schwanger sei und voraussichtlich Mitte Juli 2005 entbunden werde.

6

Nach der Klageerhebung hat die Antragstellerin außerdem um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Abschiebungsandrohung nachgesucht. Dieses Begehren hat sie nicht gesondert begründet.

7

Die Antragstellerin beantragt,

8

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen, soweit sie sich gegen die im Bescheid des Antragsgegners vom 10. Januar 2005 verfügte Abschiebungsandrohung richtet.

9

Der Antragsgegner beantragt (sinngemäß),

10

den Antrag abzulehnen, und tritt den Ausführungen der Antragstellerin aus der Klageschrift entgegen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners verwiesen.

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II. Der Antrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).

13

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Er richtet sich gegen die vom Antragsgegner verfügte Abschiebungsandrohung, die auch nach dem In-Kraft-Treten des Aufenthaltsgesetzes weiterhin als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung anzusehen und daher kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 70 Abs. 1 NVwVG und § 64 Abs. 4 Nds. SOG).

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Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist nach Auffassung der Kammer gegeben, obwohl die Antragstellerin auch gegen den mit der Abschiebungsandrohung verbundenen Widerruf ihres Aufenthaltstitels Klage erhoben hat. Da die nach dem Ausländergesetz erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ab dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt, bezieht sich die Widerrufsentscheidung des Antragsgegners sinngemäß auf diesen Aufenthaltstitel. Soweit sich ihre Klage gegen den Widerruf richtet, hat sie aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass die Ausreisepflicht nicht vollziehbar ist und die Antragstellerin daher gegenwärtig nicht abgeschoben werden darf (vgl. § 58 Abs. 1 AufenthG). Gleichwohl besteht ein rechtsschutzwürdiges Interesse der Antragstellerin daran, dass das Gericht über die Abschiebungsandrohung im gerichtlichen Eilverfahren entscheidet. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen die Abschiebungsandrohung gerichteten Klage würde weitere Maßnahmen der Behörde verbieten, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf die Verwirklichung dieser Abschiebungsandrohung gerichtet sind. Die Entscheidung kann damit den Termin einer nach dem Klageverfahren unter Umständen möglichen Abschiebung zugunsten der Antragstellerin beeinflussen. Dem Rechtsschutzbedürfnis steht daher nicht entgegen, dass die Abschiebungsandrohung bei einer Verbindung mit dem die Ausreisepflicht begründenden Verwaltungsakt - wie hier - dessen rechtliches Schicksal im Klageverfahren teilt.

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Es gibt auch keine rechtliche Grundlage für die Annahme, dass sich die aufschiebende Wirkung der gegen die Widerrufsentscheidung gerichteten Klage auf die Abschiebungsandrohung erstreckt (a. A. für unselbstständige Abschiebungsandrohungen Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Stand: April 2005, § 59 Rn. 173, 133). Bei der Abschiebungsandrohung nach § 59 Abs. 1 AufenthG handelt es sich um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung mit eigenständiger Bedeutung, für die der Bundesgesetzgeber ausdrücklich den Ländern die Befugnis eingeräumt hat, die sofortige Vollziehung gesetzlich anzuordnen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Von dieser Ermächtigung hat der niedersächsische Landesgesetzgeber Gebrauch gemacht (vgl. § 70 NVwVG i.V.m. § 64 Abs. 4 Nds. SOG). Damit ist der gesetzliche Grundsatz, wonach die Klage aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 1 VwGO), für durch die Länder nach Bundesrecht getroffene Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung - wie die Abschiebungsandrohung nach dem AufenthG - durchbrochen. Diese Gesetzeslage lässt keinen Raum dafür, die aufschiebende Wirkung auf die gegen die Abschiebungsandrohung erhobene Klage auszudehnen. Im Übrigen wäre ein Eilantrag auch nach diesem rechtlichen Ansatz nicht abzulehnen: Möglich wäre dann analog § 80 Abs. 5 VwGO ein Antrag auf Feststellung durch das Gericht, dass die erhobene Klage auch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. Nds. OVG, Beschl. vom 29.07.1999 - 11 M 2880/99 -).

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2. Der Antrag ist auch begründet.

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Das Gericht hat die aufschiebende Wirkung einer Klage, die sich gegen einen kraft gesetzlicher Bestimmung sofort vollziehbaren Verwaltungsakt richtet, anzuordnen, wenn das Interesse des Betroffenen, von der Maßnahme vorübergehend verschont zu bleiben, das in der gesetzlichen Vollziehungsanordnung zum Ausdruck gekommene öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Dies ist hier der Fall, weil die angegriffene Abschiebungsandrohung nach Auffassung der Kammer rechtswidrig ist.

18

Die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Abschiebungsandrohung ist nicht auf der Grundlage des Ausländergesetzes, sondern nach dem AufenthG zu beurteilen. Dabei kann das Gericht offen lassen, ob es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung oder auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt (vgl. zum Streitstand Funke-Kaiser, a. a. O., § 59 Rn. 158 ff.). Das AufenthG ist - von hier nicht erheblichen Ausnahmen abgesehen - am 1. Januar 2005 in Kraft getreten (Art. 15 Abs. 3 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 - BGBl I S. 1950 -) und war daher vom Antragsgegner schon bei Erlass des Bescheides vom 10. Januar 2005 seinen Entscheidungen zugrunde zu legen. Die auf der Grundlage des außer Kraft getretenen Ausländergesetzes erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin war dabei als Niederlassungserlaubnis zu behandeln (vgl. § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).

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Nach gegenwärtigem Sachstand sind die sich aus dem AufenthG ergebenden Voraussetzungen für eine Abschiebungsandrohung nicht erfüllt.

20

Für die Abschiebungsandrohung ist unstreitig erforderlich, dass die Antragstellerin zur Ausreise verpflichtet ist. Diese Ausreisepflicht ist mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 10. Januar 2005, in dem der Antragsgegner die Niederlassungserlaubnis widerrufen hat, entstanden (vgl. § 50 Abs. 1 i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG und § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sowie Funke-Kaiser, a. a. O., § 59 Rn. 7, § 84 Rn. 25). Der Widerruf ist jedoch nicht sofort vollziehbar: Die gegen den Widerruf eines Aufenthaltstitels (§ 52 AufenthG) gerichtete Klage hat aufschiebende Wirkung (§ 84 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG, § 80 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO); die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hat der Antragsgegner nicht angeordnet. Eine andere Rechtsgrundlage, aus der sich eine vollziehbare Ausreisepflicht der Antragstellerin ergeben könnte, ist nicht ersichtlich. Dass der Antragsgegner eine Abschiebungsandrohung erlassen hat, ohne dass die Ausreisepflicht der Antragstellerin vollziehbar ist, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

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Die Systematik des AufenthG und die sich hieraus herleitenden gesetzlichen Zwecke einer Abschiebungsandrohung sprechen dafür, dass Abschiebungsandrohungen erst verfügt werden dürfen, wenn die Ausreisepflicht des Ausländers vollziehbar ist. Keiner der anerkannten Zwecke einer Abschiebungsandrohung kann verwirklicht werden, wenn es an dieser Voraussetzung fehlt. Dies gilt vor allem für das Ziel, dem Ausländer die Möglichkeit zu eröffnen, die Ausreisepflicht freiwillig zu erfüllen. Von dem Ausländer kann im Falle einer nicht vollziehbaren Ausreisepflicht noch nicht verlangt werden, freiwillig auszureisen, weil auch die Voraussetzungen für eine Abschiebung (§ 58 Abs. 1 AufenthG) noch nicht erfüllt sind. Die Ausreiseaufforderung steht in diesen Fällen zudem im Widerspruch zu den gesetzlichen Regeln, nach denen der Klage gegen den die Ausreisepflicht auslösenden Verwaltungsakt - hier die Widerrufsentscheidung des Antragsgegners - zum Schutze des Ausländers aufschiebende Wirkung zukommt. Wenn die Ausreisepflicht noch nicht vollziehbar ist, muss dem Ausländer auch noch nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Angelegenheiten im Bundesgebiet abzuwickeln. Der Ausländer muss zu diesem Zeitpunkt die Ausreiseaufforderung noch nicht befolgen; objektiv ist es daher für ihn noch nicht erforderlich und auch nicht zumutbar, Maßnahmen zur Vorbereitung einer ungewissen Ausreise oder Abschiebung zu treffen. Auch zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ist die Abschiebungsandrohung in diesen Fällen nicht notwendig. Der Ausländer hat die Möglichkeit, seine Ausreisepflicht zunächst in einem gegen den Grund-Verwaltungsakt (hier die Widerrufsentscheidung) einzuleitenden Hauptsacheverfahren prüfen zu lassen und muss während dieses Verfahrens nicht mit seiner Abschiebung rechnen.

22

Auch aus der Sicht der Behörde besteht kein Bedarf dafür, Abschiebungsandrohungen ohne eine vollziehbare Ausreisepflicht zu ermöglichen. Jedenfalls dann, wenn ein besonderes öffentliches Interesse daran besteht, eine Abschiebungsandrohung schon vor dem Abschluss des gegen die Widerrufsentscheidung eingeleiteten gerichtlichen Hauptsacheverfahrens zu verfügen und zu vollziehen, hat die Behörde die Möglichkeit, die Widerrufsentscheidung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar zu erklären und damit die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht herbeizuführen (vgl. dazu VG Göttingen, Beschl. vom 11.04.2005 - 3 B 297/05 -).

23

Diesen Überlegungen entsprechend haben auch das Bundesverwaltungsgericht und das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zur Rechtslage nach dem Ausländergesetz entschieden, dass eine Abschiebungsandrohung grundsätzlich - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - eine vollziehbare Ausreisepflicht voraussetzt (vgl. BVerwG, Urt. vom 22.12.1997, NVwZ-RR 1998, 454; Nds. OVG, a. a. O.; ebenso Renner, Ausländerrecht in Deutschland, § 42 Rn. 423; Hailbronner, Ausländerrecht, § 50 AuslG Rn. 5; a. A. VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 29.04.2003, InfAuslR 2003, 341 ff. und VG Göttingen, a. a. O.).

24

Durch das AufenthG hat sich an der Rechtslage nichts Entscheidendes geändert (im Ergebnis ebenso Vorläufige Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum AufenthG, Stand: 22.12.2004, Nr. 59.0.3; a. A. Funke-Kaiser, a. a. O., § 59 Rn. 27 ff.; s. auch Vorläufige Nds. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG vom 31.03.2005, Nr. 59.0.2). Insbesondere lässt die Regelung in § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber Abschiebungsandrohungen ermöglichen wollte, ohne dass die Ausreisepflicht vollziehbar ist. Die Vorschrift regelt die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht für die Fälle, in denen der Ausländer erst durch einen Verwaltungsakt (z. B. durch einen Widerruf nach § 52 AufenthG) ausreisepflichtig wird: In diesen Fällen soll die Ausreisepflicht erst vollziehbar werden, wenn der die Ausreisepflicht begründende Verwaltungsakt vollziehbar ist. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist die Regelung so zu verstehen, dass die Ausreisepflicht auch in diesen Fällen - wie in den in Satz 1 geregelten Konstellationen - erst dann vollziehbar wird, wenn die von der Ausländerbehörde bestimmte Ausreisefrist abgelaufen ist; dann mache es aber keinen Sinn, für die Abschiebungsandrohung an der Forderung einer vollziehbaren Ausreisepflicht festzuhalten (so Funke-Kaiser, a. a. O., § 59 Rn. 32 f.). Dies überzeugt nicht.

25

Der Auffassung, die Ausreisepflicht werde immer erst mit dem Ablauf der Ausreisefrist vollziehbar, steht der Wortlaut des § 58 Abs. 2 AufenthG entgegen. Diese Vorschrift stellt in Satz 2 für den Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ausdrücklich nicht auf die Ausreisefrist, sondern auf die Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes ab, durch den der Ausländer ausreisepflichtig wird. Dass die Ausreisepflicht erst dann vollziehbar werden soll, wenn die festgesetzte Ausreisefrist abgelaufen ist, hat der Gesetzgeber ausdrücklich nur für die in Satz 1 der Vorschrift geregelten Fälle (insbesondere für den Fall der unerlaubten Einreise des Ausländers) vorgesehen. Die Regelung in Satz 2 könnte nur dann entsprechend zu verstehen sein, wenn die Voraussetzungen für eine Analogie erfüllt wären. Dies ist jedoch nicht ersichtlich. Es gibt weder hinreichende Anhaltspunkte für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, noch kann angenommen werden, dass die unterschiedlichen, in den Sätzen 1 und 2 des § 58 Abs. 2 AufenthG geregelten Konstellationen in allen für die rechtliche Bewertung maßgeblichen Hinsichten übereinstimmen. Selbst wenn ein Irrtum des Gesetzgebers vorliegen würde (so Funke-Kaiser, a. a. O., § 59 Rn. 32), würde dies die Gerichte und Behörden nicht ohne weiteres dazu berechtigen, die betreffende Vorschrift gegen ihren eindeutigen Wortlaut anzuwenden. Gegen die Auffassung, dass die Ausreisepflicht immer erst mit dem Ablauf einer von der Behörde gesetzten Ausreisefrist vollziehbar werden könne, spricht unabhängig davon auch die Regelung in § 50 Abs. 3 AufenthG.

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Es kann daher auch nicht die Rede davon sein, dass die Abschiebungsandrohung bereits mit ihrem Erlass zwangsläufig als rechtswidrig anzusehen wäre, wenn man eine vollziehbare Ausreisepflicht verlangt (so aber Vorläufige Nds. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG, a. a. O.). Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht tritt in den Fällen der durch einen Verwaltungsakt herbeigeführten Ausreiseverpflichtung (wie hier) nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG unabhängig von der Ausreisefrist mit der Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes ein. Die Ausreisefrist hat dann nur zur Folge, dass die wegen der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht grundsätzlich mögliche Konsequenz, den Ausländer abzuschieben (§ 58 Abs. 1 AufenthG), bis zum Ablauf der Frist nicht gezogen wird.

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Die Zulässigkeit einer Abschiebungsandrohung ohne vollziehbare Ausreisepflicht lässt sich auch nicht aus der Regelung in § 70 Abs. 2 Nds. SOG herleiten. Zwar ergibt sich aus dieser Regelung, dass die Androhung einer Vollstreckungsmaßnahme mit dem Grund-Verwaltungsakt auch dann verbunden werden darf, wenn ein Rechtsbehelf gegen diesen Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung hat. Die Vorschrift ist aber auf Abschiebungsandrohungen nach dem AufenthG nicht anwendbar. Insoweit besitzen die Länder keine Regelungskompetenz. Das Ausländerrecht unterliegt der sog. konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG), die Länder sind in diesem Bereich zur Gesetzgebung daher nur befugt, soweit der Bund nicht von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Die Abschiebungsandrohung und ihre Voraussetzungen sind aber im AufenthG geregelt, sodass für eine ergänzende Regelungskompetenz der Länder kein Raum bleibt. Die fragliche Bestimmung des Nds. SOG ist auch nicht über § 80 VwGO anwendbar. Der Bundesgesetzgeber ermächtigt die Länder in dieser Vorschrift nur dazu, die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen auszuschließen, die sich gegen die nach Bundesrecht zu treffenden Maßnahmen der Länder in der Verwaltungsvollstreckung richten (s. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die Vorschriften des Nds. SOG über die Verwaltungsvollstreckung sind also nur insoweit über die Ermächtigung in der VwGO und die landesrechtliche Regelung in § 70 NVwVG anwendbar, als sie die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen regeln (s. § 64 Abs. 4 Nds. SOG). Die Regelung in § 70 Abs. 2 Nds. SOG ist davon nicht umfasst. Auch die entsprechende Bestimmung in § 13 Abs. 2 VwVG (Bund) ist nicht anwendbar (vgl. § 1 Abs. 1 VwVG).

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3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ergibt sich aus der Anwendung des § 154 Abs. 1 VwGO.

29

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG und beläuft sich auf die Hälfte des im Hauptsacheverfahren anzunehmenden Wertes (vgl. II Nr. 8.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327).