Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 21.06.2005, Az.: 5 A 130/04
Beherbergungsgewerbe; Benutzungsregelung; Erstgerät; Ferienwohnung; Ferienwohnungsanlage; Fernseher; Fernsehgebühren; ganzjährig; Gewerbebetrieb; GEZ; Hausverwaltung; Hotelbetrieb; Hotelprivileg; kurzfristige Vermietung; nachträglich; Rabatt; Radio; Rundfunk; Rundfunkgebühren; Rundfunkgebührenteilnehmer; unzulässige Rechtsausübung; Verfügungsgewalt; Verjährung; Vermietung; Verwaltung; Wohnanlage; Zeitraum; zurückliegend; Zweitgerät
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 21.06.2005
- Aktenzeichen
- 5 A 130/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50723
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 RdFunkGebVtr
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Eigentümer einer nicht privat genutzten Ferienwohnung ist nicht rundfunkgebührenpflichtig, wenn die Vermietung und Verwaltung der ganzen Wohnanlage so weit auf Dritte übertragen ist, dass dauerhaft keine tatsächliche Verfügungsmacht des Eigentümers über die Rundfunkempfangsgeräte besteht.
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 02.10.2003 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2004 wird aufgehoben, soweit Gebühren für die Jahre 1995 bis 1998 und für die Folgezeit Gebühren in Höhe von mehr als 50 % festgesetzt worden sind.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Rundfunkgebühren für in zwei Ferienwohnungen vorgehaltene Geräte.
Der Kläger ist seit 1995 gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer von zwei 1-Zimmer-Wohnungen in E. in einer 32 Wohnungen umfassenden Ferienwohnungsanlage. In diesen Wohnungen befinden sich jeweils ein Radio- und ein Fernsehgerät. Die Wohnungen werden durch die Firma F. ganzjährig vermietet und durch die Firma Hausverwaltung G. verwaltet. Vertraglich ist die Firma F. verpflichtet, Schäden am Inventar der Wohnungen, die nicht Mietern in Rechnung gestellt werden, auf Kosten des Eigentümers zu beheben, sie stellt auch Bettwäsche etc. Eine private Nutzung ist vertraglich ausgeschlossen; lediglich anlässlich der jährlichen Wohnungseigentümerversammlung besteht für die Eigentümer je nach Leerstand eine Übernachtungsmöglichkeit für eine Nacht.
Am 10.04.2003 erfolgte durch einen Rundfunkgebührenbeauftragten die Anmeldung von zwei Radios und zwei Fernsehgeräten für die Zeit vom Januar 1995 an. Die rückständigen Gebühren für die Zeit vom Januar 1995 bis zum Mai 2003 wurden in dieser Anmeldung mit 2.907,34 Euro berechnet. Der Kläger legte daraufhin mit Schreiben vom 19.05.2003 dar, er betreibe seit 1995 gewerblich die beiden Wohnungen in E.. Er dürfe die Wohnungen nicht selbst nutzen und betreue sie auch nicht selbst. Er sei davon ausgegangen, dass die Abrechnung ebenso wie die gesamte Verwaltung und Vermietung durch die Hausverwaltung erfolge. In der ihm vorliegenden Abrechnung sei eine Position Fernsehgebühren ausgewiesen. Er habe erst jetzt erfahren, dass die Rundfunkgebühren in dieser Abrechnung nicht enthalten seien. Er sei bereit, künftig Gebühren zu bezahlen, lehne aber rückwirkende Forderungen ab, da diese nicht rechtzeitig gestellt worden seien. Da er einen Gewerbebetrieb betreibe, beantrage er den „Rabatt für Hotelbetriebe“. Mit Schreiben vom 08.07.2003 antwortete die Gebühreneinzugszentrale, dass die Grundsätze der Verjährung nicht anzuwenden seien, wenn die Landesrundfunkanstalt oder die GEZ erst nachträglich erfahren habe, dass eine Gebührenforderung für zurückliegende Zeiträume entstanden sei. Die Rabattregelung finde auf Ferienwohnungen und Appartements keine Anwendung. Im Juli 2003 (Schreiben des Klägers und seiner Ehefrau vom 30.07.2003) wurden 1.500,00 Euro überwiesen „unter Vorbehalt und Prüfung durch unseren Rechtsanwalt“.
Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 02.10.2003 setzte der Beklagte die für die Zeit vom Januar 1995 bis zum August 2003 rückständigen Rundfunkgebühren fest und forderte nach Berücksichtigung von Zahlungen des Klägers den Betrag von 1.407,34 Euro.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, berief sich auf die Verjährung der Forderung und forderte die Anwendung der Rabattregelung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen hat der Kläger am 22.04.2004 Klage erhoben.
Er trägt zur Begründung vor, dass für die beiden Wohnungen das sog. Hotelprivileg gelte, was in seinem Fall dazu führen müsse, dass für beide Wohnungen nur eine Gebühr in Höhe von 50 % bezahlt werde. Es könne nach dem Sinn des Gesetzes nicht darauf ankommen, wer Eigentümer der einzelnen Wohnungen in einer größeren Anlage sei. Er erhebe außerdem die Einrede der Verjährung. Diese stelle keine unzulässige Rechtsausübung dar, weil er auf Grund der Abrechnung mit der Verwaltungsgesellschaft, in der eine Position Fernsehgebühren enthalten gewesen sei, davon ausgegangen sei, dass etwa erforderliche Rundfunkgebühren bezahlt würden. Er habe deshalb nicht bösgläubig keine Rundfunkgeräte angemeldet.
Er habe die Wohnungen seit zehn Jahren dauernd vermietet, und zwar durchgehend während des ganzen Jahres wochenweise. Eine private Nutzung sei auf Grund des Vertrages mit der Vermietungsgesellschaft ausgeschlossen. Er halte die Wohnungen nicht selbst vor, da er sie nicht nutze. Das sei auch steuerrechtlich anerkannt. Die Anlage sei vom Bauträger einschließlich der Einrichtung und Ausstattung der Wohnungen errichtet worden und es sei damit geworben worden, dass die Verwaltung durch die Firma Hausverwaltung G. und die Vermietung und Betreuung durch die Firma Reisebüro F. erfolge. Daran fühle er sich gebunden, habe sich allerdings die Frage nach der Rechtswirksamkeit dieser Verpflichtung bisher nicht gestellt, da er aus steuerlichen Gründen die Eigennutzung und die eigene Verwaltung seiner zwei Wohnungen ausschließen wollte.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 02.10.2003 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2004 aufzuheben, soweit Gebühren für die Jahre 1995 bis 1998 und Gebühren in Höhe von mehr als 50 % festgesetzt worden sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, der Kläger sei in vollem Umfang rundfunkgebührenpflichtig. Ein Vermieter einer Wohnung sei dann selbst (und nicht der Mieter) rundfunkgebührenpflichtig, wenn die Vermietung regelmäßig für nicht länger als drei Monate durchgehend erfolge. In den Fällen kurzfristigerer Vermietungen, wie bei Ferienwohnungen, würden die Geräte rundfunkrechtlich vom Eigentümer der Wohnung bereitgehalten, nicht vom Mieter.
Das sog. Hotelprivileg finde auf den Kläger als Eigentümer von Ferienwohnungen keine Anwendung. Er betreibe kein Beherbergungsgewerbe im Sinne der Befreiungsvorschriften. Im Übrigen sei die Tatbestandsvoraussetzung Zweitgerät nicht erfüllt, da es kein Erstgerät gebe, das in einem einem Hotel entsprechenden räumlich-funktionalen Zusammenhang zu den Ferienwohnungen stehe.
Die Einrede der Verjährung verstoße gegen den Grundsatz der unzulässigen Rechtsausübung in den Fällen, in denen die Gebührenpflicht erst nachträglich festgestellt werde. Die Einwände des Klägers, er sei davon ausgegangen, die Verwaltungsgesellschaft erfülle alle Pflichten, könnten nicht berücksichtigt werden. Eine Prüfung des Verschuldens im Einzelfall könne dem Beklagten wegen der sehr großen Anzahl der bei ihm laufenden Verfahren nicht zugemutet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte und auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger allein Klage erhoben hat, obwohl er offenbar gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer der fraglichen Wohnungen ist. Der Kläger ist, obwohl der Schriftwechsel mit der GEZ vorher von beiden Eheleuten geführt wurde, Adressat des streitgegenständlichen Bescheides vom 02.10.2003 und somit als Rundfunkgebührenteilnehmer anzusehen (vgl. Entscheidung der erkennenden Kammer vom 18.12.2003 - 5 A 237/03 -).
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Gebührenbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn der Kläger ist nicht Rundfunkteilnehmer i. S. v. § 1 RGebStV (in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung).
Gemäß § 1 Abs.2 RGebStV ist Rundfunkteilnehmer, wer ein Rundfunkgerät zum Empfang bereit hält. Ein Rundfunkgerät hält derjenige zum Empfang bereit, der die tatsächliche Verfügungsgewalt darüber innehat und eine rechtlich verbindliche Benutzungsregelung treffen kann; unerheblich ist, wer Eigentümer des Gerätes ist (Beck`scher Kommentar zum Rundfunkrecht, Rdnr. 33 zu § 1 m.w.N.) Zur Bestimmung des Rundfunkteilnehmers nach objektiven Kriterien ist vorrangig auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen, denn wie das Halten eines Tieres nach § 833 BGB und das Halten eines KFZ nach § 7 StVG stellt das Bereithalten eines Rundfunkgerätes zum Empfang eine tatsächlichen Zustand dar (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.08.1992- 14 S 2371/90 - Juris). Halter eines Kraftfahrzeuges ist, wer des KfZ für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.11.1986 - 14 S 2173/85 - Juris-). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Rundfunkteilnehmereigenschaft einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bejaht, die von den Eigentümern einzelner Ferienwohnungen zum Zwecke der Verwaltung und Vermietung der Ferienwohnanlage gegründet worden war, ohne dass das Eigentum an den Wohnungen und damit zusammenhängende Verpflichtungen auf die Gesellschaft übertragen wurden (BayVGH U. v. 04.11.1998 - 7 ZB 98.898- juris). Abgestellt wurde darauf, dass diese Gesellschaft und nicht die einzelnen Eigentümer als Betreiber der Aparthotelanlage anzusehen war und die Anlage in eigener Führung und Verantwortung betrieb. Nach den Feststellungen des Gerichts waren dabei die im Eigentum der Wohnungseigentümer stehenden Rundfunkgeräte der Betreibergesellschaft zur Nutzung und Vermietung überlassen worden, sie bestimmte über den Einsatz der Geräte.
Im vorliegenden Fall ist eine entsprechende Situation gegeben. Der Kläger hat ebenso wie alle anderen Wohnungseigentümer der Wohnanlage „H.“ in E. die Vermietung und Verwaltung der Wohnungen vollständig in die Hände der Firmen F. und G. gegeben. Er hat sich damit vertraglich dauerhaft der Verfügungsgewalt über die Wohnungen und damit auch über die in diesen vorgehaltenen Rundfunkgeräte begeben. Er hat damit nicht mehr die Möglichkeit, diese Geräte zu nutzen und über ihren Einsatz zu bestimmen.
Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung anlässlich der jährlichen Eigentümerversammlung in einer seiner Wohnungen übernachtet, wenn sie frei ist. Aus dieser geringen Nutzung kann keine Verfügungsbefugnis geschlossen werden zumal auch zu diesem Termin eine Anmeldung über die Firma F. erfolgen muss. Auch die Erklärung im Termin zur mündlichen Verhandlung, er und seine Ehefrau hätten ein defektes Fernsehgerät durch ein von ihnen gekauftes neues Gerät ersetzt, das sie anlässlich einer Eigentümerversammlung nach E. transportiert hätten, steht der Annahme fehlender Verfügungsgewalt nicht entgegen. Nach dem Vertrag ist die Firma F. verpflichtet, Schäden an der Ausstattung der Wohnungen zu beheben, im Falle nicht durch Mieter verschuldeter Schäden auf Kosten der Eigentümer. Wenn diese Firma dann den Eigentümern die Gelegenheit gibt, selbst ein solches Gerät zu besorgen, ändert sich nichts an der Annahme, dass der Kläger und die anderen Eigentümer nicht die Entscheidung über Bereitstellung und Nutzung der Geräte durch die Mieter treffen. Der Hausprospekt gibt nämlich an, dass alle Wohnungen mit Radio- und Fernsehgeräten ausgestattet sind und der Kläger hat im Termin zu mündlichen Verhandlung überzeugend erklärt, dass er durch Nichtbereitstellen dieser Geräte seine Vermietungschancen gegenüber den anderen Wohnungen vermindere. Nach dem Vertrag ist die Firma F. verpflichtet, eine gleichmäßige Vermietung aller Wohnungen sicherzustellen, dies schließt eine unterschiedliche Ausstattung der Wohnungen aus. Bereits die Übertragung der Wohnungen vom Bauträger an die Eigentümer war nach dem Vortrag des Klägers an diese Form der einheitlichen Verwaltung aller Wohnungen in der Wohnanlage gebunden. Schon zu diesem Zeitpunkt hatten die Erwerber keinen Einfluss auf die Ausstattung der Wohnungen, also auch nicht auf die Ausstattung mit Rundfunkgeräten.
Die vertragliche Situation des Klägers mit den beiden I. Firmen ist mit derjenigen zu vergleichen, die bei der Übertragung der Vermietung und Verwaltung auf eine von den Wohnungseigentümern gegründete Gesellschaft besteht (vgl. Bay.VGH. a. a. O.). Es kann im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf ankommen, ob die Verfügungsgewalt auf eine Personenmehrheit der Eigentümer übertragen wird oder auf eine von diesen verschiedene Firma, denn abzustellen ist lediglich darauf, ob sich der einzelne Eigentümer dauerhaft der Verfügungsgewalt über die Rundfunkgeräte als Ausstattungsteile der Wohnung begibt. Diese auf Dauer angelegte Aufgabe der Verfügungsgewalt über die Wohnung und deren Ausstattung steht einer dauernden Vermietung einer Wohnung (mit zugelassener kurzfristiger Untervermietung) gleich, bei der die Rundfunkgebührenpflicht auf den Dauermieter übergeht.
Der Kläger ist nicht als Rundfunkteilnehmer hinsichtlich der in den Ferienwohnungen vorgehaltenen Geräte anzusehen, dem Klageantrag war stattzugeben, ohne dass es auf die Frage der Anwendung des sog. Hotelprivilegs oder die Einrede der Verjährung ankommt.
Die erkennende Kammer muss im vorliegenden Anfechtungsverfahren nicht klären, ob die Eigenschaft als Rundfunkteilnehmer auf die Firma F. übergegangen ist oder auf die Verwaltungsfirma G. so dass eine Beiladung der beiden Firmen nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.