Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 11.04.2005, Az.: 3 B 297/05
Rechtmäßigkeit der sofortigen Vollziehung des Widerrufs einer Aufenthaltsgenehmigung; Bestimmung des Umfangs der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Ausgangsverwaltungsaktes
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 11.04.2005
- Aktenzeichen
- 3 B 297/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 34432
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2005:0411.3B297.05.0A
Rechtsgrundlage
- § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG
Fundstelle
- JurBüro 2005, 597 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Widerruf von unbefristeten Aufenthaltserlaubnissen
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 3. Kammer -
am 11. April 2005
beschlossen:
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller (3 A 296/05) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23.2.2005 wird hinsichtlich des Widerrufs der unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG wiederhergestellt und hinsichtlich der Abschiebungsandrohungen angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Denn der Umstand, dass die Antragsteller auf (zumindest ergänzende) staatliche Sozialleistungen angewiesen sind, weil ihr Lebensunterhalt - trotz bestehender Arbeitswilligkeit und ergänzender Unterstützung ihrer hier lebenden Kinder - nicht ausschließlich aus Eigenmitteln gesichert werden kann, hat bereits vor dem Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse bestanden. Auch generalpräventive Erwägungen (Gewährleistung einer durchgehenden Behördenpraxis im Sinne schneller Aufenthaltsbeendigung nach Widerruf asylbezogener Aufenthaltstitel zur Verhinderung unerwünschter Einwanderung) rechtfertigen die sofortige Vollziehung der Widerrufsentscheidung nicht, nachdem die Zuwanderung hierfür geeigneter Ausländer nach der ab dem 1.1.2005 geltenden Rechtslage im öffentlichen Interesse partiell erleichtert werden soll.
Auf die Erfolgsaussicht der Klage gegen die Widerrufsverfügung kommt es nach alledem im vorliegenden Eilverfahren nicht entscheidend an. Die Kammer kann daher offen lassen, ob sich der Widerruf als ermessensfehlerfrei darstellt, ob der Antragsgegner durchweg von zutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Prämissen ausgegangen ist und ob sich der Widerruf letztlich als verhältnismäßig erweist. Diese Prüfung wird im Hauptsacheverfahren im Einzelnen vorzunehmen sein. Derzeit lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass die Widerrufsentscheidung offensichtlich rechtmäßig ist.
Hat die Klage der Antragsteller gegenüber der Widerrufsentscheidung aufschiebende Wirkung, so ist auch gegenüber der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Zwar erfordert die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht, dass der Ausländer (neben der Ausreisepflicht nach § 50 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) vollziehbar ausreisepflichtig ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 29.4.2003 -11 S 1188/02 -, VBIBW 2003, 445 = InfAusIR 2003, 342). Jedoch wird die Ausreisefrist unterbrochen, wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Androhung entfällt (§ 50 Abs. 3 AufenthG). Darüber hinaus führt die Nichtvollziehbarkeit der Grundverfügung dazu, dass die Abschiebungsandrohung schlechthin, insbesondere auch die Festsetzung des Zielstaats, vorläufig keine "innere" (materielle) Wirksamkeit entfalten kann. (vgl. dazu VGH Mannheim, Beschluss vom 9.3.2004 -11 S 1518/03 -).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich die Kammer an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.). Dort wird unter II. Nr. 8.1 für Streitigkeiten im Ausländerrecht um einen Aufenthaltstitel - wozu auch der Verlust eines Aufenthaltsrechtes wie hier gehört - als Streitwert der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG n.F. in Höhe von 5.000,- Euro pro Person für das Klageverfahren vorgeschlagen. Dass es sich vorliegend um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt, führt zu keiner Reduzierung des Streitwerts. Denn wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung ist es angemessen, den Streitwert des Klageverfahrens zu Grunde zu legen und demzufolge je Antragsteller den vollen Auffangstreitwert von 5.000,- Euro anzusetzen (vgl. II. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2004 sowie VGH Mannheim, Beschluss vom 11.2.2005-11 S 1170/04-).