Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 28.06.2005, Az.: 7 A 17/05
Rechtmäßigkeit der Versetzung eines Beamten im Lehramtsdienst in ein anderes Amt derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn; Versetzung eines Beamten bei Auflösung bzw. wesentlicher Änderung des Aufbaus oder der Aufgaben einer Behörde oder bei Verschmelzung von Behörden; Anforderungen an die Begründung einer Ermessensentscheidung bei einem Eingriff in die Rechte eines Beamten
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 28.06.2005
- Aktenzeichen
- 7 A 17/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 34465
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2005:0628.7A17.05.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 26 BBG
- § 7 Abs. 1 Nr. 4 NBG
- § 32 Abs. 1 NBG
- § 87 NBG
- § 109 Abs. 1 NBG
- § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO
Fundstellen
- SchuR 2007, 93 (Kurzinformation)
- ZBR 2006, 62-63 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Versetzung
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 7. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Müller-Fritzsche,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Allner, den Richter am Verwaltungsgericht Dr.
Nagler sowie
die ehrenamtlichen Richter E. und F.
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 13. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2004 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung gegenüber dem Kläger abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Versetzung.
Der 1951 geborene Kläger wurde nach Lehramtsstudium am 01. Februar 1977 zum Beamten auf Widerruf ernannt. Nach Bestehen des zweiten Staatsexamens wurde er am 01. September 1978 zum Realschullehrer z. A. (BesGr. A 13 BBesO) ernannt und in der Orientierungsstufe G. eingesetzt. Am 01. Dezember 1979 wurde ihm nach Ableisten einer verkürzten Probezeit die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Am 05. August 1993 wurde er an die H. - Realschule I. r versetzt und zum Realschulrektor (BesGr. A 14 plus Zulage BBesO) befördert. Im Zusammenhang mit einem gegen ihn durchgeführten Disziplinarverfahren wurde er ab dem 12. August 2002 an die Orientierungsstufe J. versetzt. Sein hiergegen erhobener Widerspruch blieb erfolglos.
Im Zuge der Schulreform wurde die Orientierungsstufe J. aufgelöst. Damit entfiel der Dienstposten des Klägers ebenso wie alle weiteren Dienstposten in den Leitungsämtern der Orientierungsstufen. Der Kläger bewarb sich daraufhin auf den Dienstposten des Leiters der Haupt- und Realschule (HRS) K.. Nach Ablehnung seiner Bewerbung versetzte ihn die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bezirksregierung Braunschweig, durch Bescheid vom 13. Juli 2004 - abgesandt am 23. Juli 2004 - mit Wirkung vom 01. August 2004 unter Berufung auf § 32 Abs. 1 i.V.m. § 109 Abs. 1 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) mit Wirkung vom 01. August 2004 aus dienstlichen Gründen an die Realschule J.. Gleichzeitig wurde dem Kläger das Amt eines Realschullehrers der Besoldungsgruppe A 13 BBesO übertragen und er wurde in eine entsprechende Planstelle eingewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Orientierungsstufen mit Ablauf des 31. Juli 2004 aufgelöst werden. Da nicht für alle Inhaber von Leitungsämtern der Orientierungsstufe genügend freie Funktionsstellen zur Verfügung stünden, könne der Kläger nicht in seinem bisherigen Amt entsprechend verwendet werden.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 05. August 2004 gegen seine Versetzung Widerspruch. Zur Begründung berief er sich auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Sein künftiger Einsatz sei mit ihm vorher nicht besprochen worden. Der neue Dienstposten sei 52 km von seinem Wohnort entfernt. Die Versetzung nach J. widerspreche der Ausübung von pflichtgemäßem Ermessen. Die wohnortnahe Versetzung wäre möglich gewesen. So sei beispielsweise an der Haupt- und Realschule G. ein Lehrer tätig, der in Goslar wohne und seit geraumer Zeit Versetzungsanträge in den Landkreis Goslar stelle. Eine Versetzung dieses Lehrers würde mithin den Einsatz des Klägers in G. - seinem Wohnort - ermöglichen. Darüber hinaus lasse § 109 Abs. 1 Satz 1 NBG nur eine Versetzung auf den Dienstposten eines Realschulrektors zu, weil er dieses Amt vor seiner Versetzung bereits innegehabt hatte.
Den Widerspruch wies die Bezirksregierung Braunschweig durch Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2004 - zugestellt am 15. Dezember 2004 - zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Anhörung des Klägers vor seiner Versetzung sei unterblieben, weil er nicht erreichbar gewesen sei. Da jede Lehrkraft, die von der Orientierungsstufen-Auflösung betroffen sei, ab 01. August 2004 eine neue Stammschule haben musste, sei der Kläger zur Unterrichtsversorgung an die Realschule J. versetzt worden. Die Entfernung zwischen Wohnort und Dienstort betrage lediglich 47 km und sei innerhalb einer Stunde, also in zumutbarer Zeit, erreichbar. Das Argument des Klägers, ihm sei ein Tauschpartner aus G. bekannt, sei bereits in dem Widerspruchsbescheid vom 29. November 2004 gegen die Versagung der Nichtversetzung in den Regierungsbezirk Hannover ausführlich behandelt worden. Ein amtsangemessener Einsatz als Realschulrektor sei nicht möglich, so dass der Kläger gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 NBG in sein vorheriges Amt zurück ernannt worden sei. Da der Kläger vor der Ernennung zum Realschulrektor, egal an welcher Schule er diese Funktion innehatte, Realschullehrer gewesen sei, sei er zum Realschullehrer ernannt worden. Er erleide dadurch keinen finanziellen Nachteil, weil er eine Ausgleichszulage erhalte. Die Stellenbesetzung an der HRS K. werde in einem gesonderten Widerspruchsverfahren erläutert.
Am 17. Januar 2005, einem Montag, hat der Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Er trägt ergänzend vor, Hintergrund seiner Nichtberücksichtigung bei der Besetzung des Dienstpostens des Leiters der HRS K. seien die gegen ihn erhobenen unzutreffenden Vorwürfe in dem Disziplinarverfahren gewesen. Die Berücksichtigung dieses Aspektes bei dem Einsatz des Klägers sei ermessensfehlerhaft, weil Gründe, die in der Person des Beamten lägen, bei der Entscheidung nach § 109 Abs. 1 NBG nicht berücksichtigt werden dürften. Darüber hinaus sei der Kläger als Realschulrektor kein Betroffener i. S. des § 109 Abs. 1 NBG. Deshalb sei eine Versetzung in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt nicht möglich.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert, ihr schulfachlicher Dezernent RSD L. habe mit dem Kläger in mehreren Telefonaten einen möglichen Einsatzort persönlich erörtert, nachdem sich unmittelbar zum Ferienbeginn am 09. Juli 2004 ergeben habe, dass dem Kläger der begehrte Dienstposten in K. als Leiter der dortigen Haupt- und Realschule nicht übertragen werden sollte. Dem Kläger sei eine Versetzung an die Realschulen in M. und N. angeboten worden, was der Kläger jedoch wegen des noch höheren Fahrtzeitaufwandes abgelehnt habe. Auch wenn es zu keiner formalen Anhörung gekommen sei, habe der Kläger dennoch Gelegenheit gehabt, seinen Standpunkt in den Telefonaten mit RSD L. darzulegen. Der Kläger sei bereits seit dem 01. August 2002 an der Orientierungsstufe in J. tätig. Die durchschnittliche Fahrtzeit betrage 60 Minuten je Fahrt und sei zumutbar. Die vom Kläger vorgenommene Abwägung mit einer anderen Versetzungsmaßnahme, nämlich in den Bezirk der ehemaligen Bezirksregierung Hannover, sei für die hier streitige Frage nicht relevant. Eine Versetzung an die Realschule J. sei unter mehreren Alternativen diejenige, welche den Kläger am geringsten in seinen Interessen beeinträchtigt. Andere weiter eingreifende Alternativen des Einsatzes des Klägers standen jedenfalls nicht zur Verfügung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte in dem Verfahren 7 A 18/05. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die Versetzungsverfügung vom 13. Juli 2004 i. d. Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 32 Abs. 1 i.V.m. § 109 Abs. 1 NBG kann ein Beamter bei der Auflösung oder einer wesentlichen Änderung des Aufbaus oder der Aufgaben einer Behörde oder bei Verschmelzung von Behörden, sofern sein Aufgabengebiet davon berührt wird, im Bereich desselben Dienstherrn auch dann ohne seine Zustimmung in ein anderes Amt derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn versetzt werden, wenn das Endgrundgehalt im anderen Amt geringer, eine dem bisherigen Amt entsprechende Verwendung aber nicht möglich ist. Das Endgrundgehalt muss mindestens dem des Amtes entsprechen, das der Beamte vor dem bisherigen Amt innehatte. Die Versetzung muss innerhalb eines Jahres nach der Auflösung oder Umbildung ausgesprochen werden.
Die Voraussetzungen für eine Versetzung des Klägers lagen zwar vor, weil seine bisherige Behörde, die Orientierungsstufe J., mit Ablauf des 31. Juli 2004 aufgelöst wurde. Die Maßnahme wurde auch binnen Jahresfrist, jedoch rechtsfehlerhaft durchgeführt.
Die Versetzung des Klägers ist zu beanstanden, weil die Beklagte die besonderen Formvorschriften für eine Versetzung in ein anderes Amt mit niedrigerem Endgrundgehalt - hier von einem Amt eines Realschulrektors (BesGr. A 14 plus Zulage BBesO) in ein Amt eines Realschullehrers (BesGr. A 13 BBesO) - nicht beachtet hat. Hierbei handelt es sich nämlich um eine Form der Ernennung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 NBG (Rückernennung), die zu ihrer Wirksamkeit die Aushändigung einer Ernennungsurkunde bedarf. Dem Kläger wurde jedoch keine Rückernennungsurkunde ausgehändigt.
Die Voraussetzungen einer Ernennung nach der vorgenannten Vorschrift - Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Endgrundgehalt und anderer Amtsbezeichnung - liegen ersichtlich vor. Das sieht auch Kümmel(NBG, § 7, Rn. 26). Soweit er an anderer Stelle (NBG, § 109, Rn. 4) behauptet, es handele sich nicht um eine Rückernennung, vermag die Kammer dieser auch von Summer (Rn. 33 zu § 26 BBG, in: Fürst: GKÖD zum Bundesrecht) vertretenen, vom ausdrücklichen Gesetzeswortlaut abweichenden Interpretation der Vorschrift nicht zu folgen. Wenn der Gesetzgeber eine Versetzung in ein niedrigeres Amt nach § 109 Abs. 1 NBG nicht unter die in § 7 Abs. 1 NBG aufgeführten Tatbestände der Ernennung fassen wollte, hätte er dies ausdrücklich gesetzlich anordnen müssen. Die Ernennung hat im Beamtenrecht eine besondere Bedeutung, weil sie die rechtliche Stellung des Beamten in ihren Grundlagen festlegt und durch sie die Rechtsbeziehungen zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn maßgeblich gestaltet. Deshalb ist die Ernennung im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit als Verfahren mit besonderer Formstrenge ausgestaltet (Kümmel, NBG, § 7, Rn. 5 f.). Der Dienstherr kann ohne gesetzliche Ermächtigung von dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift zum Nachteil des Beamten nicht abweichen.
Fehlt aber die Rückernennungsurkunde, dann liegt gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 2 NBG "keine Ernennung" vor. Es handelt sich um einen sog. Nichtakt. Dieser Fehler der Nichternennung kann nur durch eine neue ordnungsgemäße Ernennung behoben werden. Eine Heilung ist ausgeschlossen (Wagner, DÖV 1988, 283).
Demzufolge hat die Beklagte den Kläger nicht wirksam in das Amt eines Realschullehrers bei der Realschule J. versetzt. Der Kläger ist also in seinem zuvor erreichten Amt eines Realschulrektors verblieben.
Es spricht auch einiges dafür, dass die Bezirksregierung Braunschweig das in § 109 Abs. 1 NBG vorgeschriebene Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat. Angesichts der Schwere des Eingriffs in die Rechte des Beamten bedarf eine Ermessensentscheidung, insbesondere wenn eine Auswahl unter mehreren, von der organisatorischen Änderung in gleicher Weise betroffenen Personen stattfindet, einer eingehenden, Fürsorgegesichtspunkte (§ 87 NBG) berücksichtigenden Begründung (Sommer/Konert/Sommer, Nieders. Beamtengesetz, § 109 Rn. 4). Diesen Voraussetzungen dürfte die Versetzungsentscheidung nicht genügen, weil aus ihr nicht hervorgeht, welche Alternativen für die den Kläger belastende Versetzung in ein Amt mit niedrigerem Endgrundgehalt geprüft worden sind und aus welchen Gründen sie verworfen wurden. Es reicht jedenfalls nicht aus, in der Klageerwiderung darauf hinzuweisen, dem Kläger seien telefonisch drei Dienstposten angeboten worden. Angesichts der Vielzahl der Dienstposten und der Fluktuation der Dienstposteninhaber dürfte es kaum wahrscheinlich sein, dass für den Kläger im Zuständigkeitsbereich der Beklagten ausschließlich Dienstposten in J., N. oder M. in Frage kamen. Die Erklärung in der mündlichen Verhandlung, die Verwaltung habe schnell handeln müssen, erscheint wenig überzeugend. Den Unterlagen lassen sich jedenfalls Anhaltspunkte für ein ernsthaftes Bemühen, den Kläger anderweitig und amtsangemessen zu beschäftigen, nicht entnehmen.
Allerdings war die Bezirksregierung Braunschweig rechtlich nicht daran gehindert, den Kläger in das Amt eines Realschullehrers zurückzuernennen. Das Gericht folgt der Rechtsauffassung des Klägers, er könne lediglich amtsgleich als Realschulrektor (BesGr. A 14 plus Zulage BBesO) versetzt werden, nicht. Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. NBG muss das Endgrundgehalt mindestens dem des Amtes entsprechen, das der Beamte vor dem bisherigen Amt innehatte. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist an das Amt im statusrechtlichen Sinn anzuknüpfen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Realschulrektor, der wie der Kläger nach einer Versetzung zum Reformbetroffenen wurde, gegenüber jenen Beamten, die nach Beförderung Leiter einer Orientierungsstufe wurden, bevorzugt werden sollte. Dagegen spricht insbesondere, dass bei einer eingeschränkten Auslegung der Vorschrift der Gesetzeszweck - vereinfachte Versetzung von Beamten aus aufgelösten Dienststellen - beeinträchtigt werden würde.
Die Kosten der demnach erfolgreichen Klage hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Beklagte zu tragen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a VwGO) liegen nicht vor.
RiVG Dr. Nagler ist wegen Teilnahme an einer Wehrübung gehindert zu unterschreiben. Müller-Fritzsche
Dr. Allner