Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 15.07.2004, Az.: 5 A 3459/01

Geruch; Geruchsbeeinträchtigung; Geruchsimmissionen; Geruchsimmissionsrichtlinie; Gerüche; GIRL; Immissionswert; Irrelevanzklausel; Nachbarschutz; Rücksichtnahmegebot; schädliche Umwelteinwirkung; Substratwerk; unzumutbare Geruchsbeeinträchtigung; Verwaltungsvorschrift Geruchsimmissionen; Vorbelastung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
15.07.2004
Aktenzeichen
5 A 3459/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 51026
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 26.04.2007 - AZ: 12 LB 62/07
BVerwG - 14.11.2007 - AZ: BVerwG 7 B 45.07

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Auch im Außenbereich mit überwiegend landwirtschaftlicher Nutzung ist grundsätzlich ein Immissionswert von 0,15 nach der GIRL einzuhalten.

2. Im begründeten Einzelfall ist die Zulassung eines Immissionswertes von bis zu 0,20 möglich (hier verneint)

3. Eine Überschreitung des Immissionswertes von 0,20 der GIRL ist im Falle einer (Neu-)Genehmigung einer gewerblichen Anlage zur Substratherstellung auch nicht unter Berufung auf die Irrelevanzregelung der GIRL zulässig.

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 1999 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 14. September 2001 werden aufgehoben.

Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur Herstellung von Substrat durch kompostieren.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Wohngrundstückes G. 12 in E. .

3

Mit Bescheid vom 10. Februar 1999 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Kompostanlage zur Herstellung von Substrat zur Champignonzucht mit einer maximalen Leistung von 200 t/Woche. In den der Genehmigung beigefügten Auflagen wurde unter Ziffer 7 bestimmt, dass das Kompostwerk nach Inbetriebnahme so zu betreiben ist, dass an den nächstgelegenen Wohngebäuden die Geruchsschwelle gemäß der Geruchsimmissionsrichtlinie (im Folgenden GIRL) Niedersachsen eingehalten wird.

4

Mit Schreiben vom 7. Februar 2000 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Genehmigung vom 10. Februar 1999. Zur Begründung seines Widerspruches machte der Kläger ein fehlerhaftes Genehmigungsverfahren, die Nichteinhaltung des Standes der Technik und insbesondere eine unzumutbare Beeinträchtigung durch die vom Betrieb des Beigeladenen ausgehenden Geruchsemissionen geltend.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2001 gab die Bezirksregierung Weser-Ems dem Widerspruch des Klägers insofern statt, als die Auflage 7 geändert und dem Beigeladenen zusätzliche Auflagen (Auflagen 7 a - h) erteilt wurden. Im Übrigen wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

6

Die Auflage 7 des Genehmigungsbescheides wurde dabei dahingehend neu gefasst, dass die genehmigte Anlage so zu betreiben ist, dass an den nächstgelegenen Wohnhäusern im Bereich der im geruchstechnischen Bericht Nr. LG 0459.1/05 der Z.-Ingenieurgesellschaft angegebenen Immissionsaufpunkte MP1 und MP2 die Immissionswerte (IW) der Geruchs-Immissionsrichtlinie (GIRL) eingehalten werden und an dem im geruchstechnischen Bericht Nr. LG 0459.1/05 der Z.-Ingenieurgesellschaft angegebenen Immissionsaufpunkt MP3 die von der Anlage verursachten Geruchszusatzbelastungen einen Immissionswert von höchstens 0,02, d.h. 2 % der Jahresstunden nicht übersteigen.

7

Mit der Auflage 7 a wurde dem Beigeladenen aufgegeben, das Substratwerk in der ersten Fermentationsphase auf den Freiflächen so zu betreiben, wie in dem geruchstechnischen Bericht LG 0549.2/04 der Ingenieurgesellschaft Z. als Kompostierungsart K1 dargestellt. Danach darf auf den Freiflächen die Kompostierungsdauer mit den einzelnen Bearbeitungsschritten als Haufen, als Mieten und als Deiche mit jeweils 7 Tagen Lagerungsdauer nicht überschritten werden, wobei Verschiebungen um +/- 2 Tage für zulässig erklärt, die Gesamtdauer aber auf maximal 23 Tage begrenzt wurde.

8

Mit der Auflage 7 b verfügte die Bezirksregierung Weser-Ems eine Begrenzung der Gesamtgrundflächen der in der Fermentationsphase I auf der Freifläche befindlichen Anhäufungen für Haufen (0 - 7 Tage altes Material) und Mieten (8 - 14 Tage altes Material) auf jeweils maximal 900 qm und für Deiche (15 - 21 Tage altes Material) auf maximal 700 qm.

9

Zur Begründung des Widerspruchsbescheides führte die Bezirksregierung im Wesentlichen Folgendes aus:

10

Aufgrund der genehmigten wöchentlichen Produktionsmenge von 200 t Substrat und der hieraus resultierenden Ausgangsmengen der Vorprodukte von rund 400 t habe der Beklagte das Vorhaben des Beigeladenen zu Recht dem vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Verfahren ohne Beteiligung der Öffentlichkeit zugeordnet. Entgegen der Auffassung des Klägers könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass Anlagen der vorliegenden Art unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung des Standes der Technik einer "Einhausung" bedürften.

11

Durch die nunmehr verfügten weiteren Auflagen sei auch nicht davon auszugehen, dass vom Betrieb der genehmigten Anlage eine unzumutbare Beeinträchtigung des Klägers in Form von Geruchsimmissionen hervorgerufen werde. Die mit Stellung des Genehmigungsantrages vom Beigeladenen vorgelegte geruchsgutachterliche Stellungnahme der Firma B. und B. GmbH Wunstorf vom 14. September 1998 sei zu der Einschätzung gelangt, dass die Flächenbelastung bei dem Wohnhaus des Klägers, welches sich in einer Entfernung von rund 1.300 m vom Substratwerk befinde, deutlich kleiner als 5 % der Jahresstunden sei. Eine evtl. vorhandene Vorbelastung durch andere Emittenten sei bei der Erstellung des Gutachtens noch nicht berücksichtigt worden. Erst kurz vor der Antragseinreichung sei ein größerer Sauen- und Ferkelstall der Firma H. Ferkelerzeugung GbR ca. 800 - 900 m nordöstlich des Substratwerkes und ca. 600 m südlich des Wohnhauses des Klägers in Betrieb genommen worden. Die von diesem Betrieb ausgehenden Geruchsbelästigungen seien in dem seinerzeit vom Landkreis Cloppenburg durchgeführten Genehmigungsverfahren aufgrund der Abstände beurteilt worden mit dem Ergebnis, dass keine schädlichen Geruchsbeeinträchtigungen auftreten würden. Die erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens aufgrund einer Rasterbegehung festgestellte immens hohe Vorbelastung habe der Beklagte im Zeitpunkt der Genehmigung noch nicht erkennen können und zwar insbesondere deshalb, weil rund 60 % der Vorbelastung von 20 % der Jahresstunden von einem dem Kläger benachbarten landwirtschaftlichen Betrieb stammten. Hinzugekommen seien dann seit Mitte 1998 die Immissionen der Sauen- und Ferkelhaltung, die vom Gutachter mit rund 8 % der Jahresstunden ermittelt worden seien. Die Höhe dieses Geruchsanteiles sei auch deshalb erstaunlich, da die topographische Situation mit einer exakt südlichen Lage des Stalles zum Wohnhaus des Klägers in Verbindung mit der sich aus der Windrichtungsverteilung ergebenden Hauptwindrichtung "aus Südwesten kommende Winde" etwas anderes hätte erwarten lassen. Mit den geruchlich deutlich herausfallenden, dafür aber mit einer geringeren Häufigkeit (ca. 6 % der Jahresstunden) auftretenden Gerüchen des Substratwerkes habe sich schließlich eine Geruchssituation entwickelt, die das rechnerisch zulässige Maß überschreite. Diese bei Genehmigungserteilung nicht absehbare Kumulation der Gerüche stelle unzweifelhaft eine Ausnahmesituation dar, die bei der Bewertung des Einzelfalles, auch im Sinne der Ziffer 5 der GIRL, Berücksichtigung finden müsse.

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Durch die verfügten zusätzlichen Nebenbestimmungen sei die Geruchsbelastung auf einen Wert von 22 % der Jahresstunden reduziert worden. Dieser Wert überschreite zwar den im Einführungserlass des Landes Niedersachsen zur GIRL vom 14. November 2000 vorgegebenen Immissionshöchstwert von 20 % der Jahresstunden. Diese durch vorhandene landwirtschaftliche Betriebe bereits in der Vergangenheit bestehende und von den Nachbarn offenbar akzeptierte Belastung begründe aber einen besonderen Ausnahmefall, der einen höheren Immissionsrichtwert rechtfertige. Es wäre aufgrund der vorgegebenen Situation eine unangemessene Härte, vom Substratwerkbetreiber die Beseitigung der bereits betriebenen Anlage zu verlangen, da der Beitrag des Substratwerkes verglichen mit der Vorbelastung nach den weitergehenden Anforderungen dieses Bescheides sehr gering sei, wenngleich für neu geplante Anlagen in derartigen Situationen regelmäßig nur ein geringerer Beitrag von maximal 0,04 % der Jahresstunden nach der GIRL zugelassen werden würde.

13

Dies gelte auch vor dem Hintergrund der vom Kläger subjektiv als ekelerregend empfundenen Geruchswahrnehmungen, weil diese durch die behördlicherseits durchgeführten Immissionskontrollen nicht bestätigt worden seien. Hierbei seien zwar an fast allen Immissionsaufpunkten eindeutig dem Substratwerk zuzuordnende Gerüche unterschiedlicher Intensität und Qualität festgestellt worden. Die festgestellten Geruchsintensitäten seien aber maximal als "stark" eingestuft worden. Hinsichtlich der Qualität der Gerüche sei eine Einschätzung bis hin zu "sehr unangenehm" vorgenommen worden. "Unerträgliche" bzw. "ekelerregende" Geruchsqualitäten seien von den Mitarbeitern des Beklagten jedoch in keinem Falle festgestellt worden. Eine weitergehende Einzelfallprüfung im Hinblick auf ekelerregende Gerüche und dadurch verursachte gesundheitliche Beeinträchtigungen sei somit nicht notwendig gewesen.

14

Der Kläger hat am 17. Oktober 2001 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung der Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor:

15

Vom Betrieb des Substratwerkes gingen schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Geruchsimmissionen auf sein Grundstück aus. Nach dem der Entscheidung der Bezirksregierung über den Widerspruch zugrunde gelegten Gutachten der Firma Z.-Ingenieurgesellschaft vom 12. April 2001 habe bereits vor der Aufnahme des Substratwerkbetriebes für sein Grundstück (Immissionspunkt MP3) eine Geruchsvorbelastung von 20 % der Jahresstunden bestanden. Durch den Betrieb des Substratwerkes sei diese Belastung um eine Zusatzbelastung von 6 % der Jahresstunden erhöht worden. Der grundsätzlich auch im Außenbereich nach der GIRL geltende Immissionswert von 15 % der Jahresstunden sei daher weit überschritten. Lediglich in besonderen Ausnahmefällen könne nach dem Einführungserlass des Landes Niedersachsen zur GIRL im landwirtschaftlichen Bereich eine Gesamtbelastung von bis zu 20 % zugelassen werden. Voraussetzung für die Annahme eines solchen Einzelfalles sei danach eine intensive Einzelfallprüfung unter Abwägung aller Randbedingungen, wobei nach Sicherstellung des Standes der Technik die spezifischen örtlichen Aspekte, wie die Geruchsintensität und die Hedonik der Gerüche, in die Abwägung einzubeziehen seien.

16

Die Argumentation der Bezirksregierung Weser-Ems, die bestehende Vorbelastung begründe eine Ausnahmesituation, in welcher trotz Überschreitung der Immissionswerte schädliche Umwelteinwirkungen nicht vorlägen, sei widersinnig. Die Zulässigkeit eines Immissionswertes von 20 % der Jahres-Geruchsstunden könne nicht daraus hergeleitet werden, dass diese Belastung bereits vorliege. Das Vorliegen eines Ausnahmefalles sei nämlich Voraussetzung dafür, dass eine Gesamtbelastung von bis zu 20 % der Jahresstunden zugelassen werden könne. Das Vorliegen einer Vorbelastung von 20 % der Jahresstunden könne jedoch nicht umgekehrt als Begründung für einen Ausnahmefall dienen, jedenfalls nicht für einen solchen, der seinerseits begründe, dass schädliche Umwelteinwirkungen nicht vorlägen. Ein Ausnahmefall sei hier vielmehr im Hinblick auf die Irrelevanzgrenze der Ziffer 3.3 GIRL anzunehmen. Danach soll bei Nichtvorliegen eines atypischen Falles eine Genehmigung auch bei Überschreitung der Immissionswerte nicht versagt werden, wenn der Immissionsbeitrag der Anlage 2 % der Jahresstunden nicht überschreitet. Diese Sollbestimmung treffe hier jedoch auf eben jene atypischen Verhältnisse, die ihre Anwendung ausschließe. Diese Verhältnisse lägen zum einen in der ungewöhnlichen Nutzung des betroffenen Gebietes durch bereits vorhandene Emittenten mit einer ganz erheblichen übergrenzwertigen Vorbelastung, die überhaupt nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines Ausnahmefalles zulässig wäre. Insoweit räume die Bezirksregierung selbst ein, dass für neu geplante Anlagen in derartigen Situationen regelmäßig nur ein geringerer Beitrag von maximal 0,04 % der Jahresstunden nach der GIRL zulässig wäre. Zum anderen ergäben sich die atypischen Verhältnisse auch aus der Art und Intensität der Geruchseinwirkungen. Bei der Herstellung des Substrates für die Champignonzucht werde Stroh mit Geflügelkot in einen anaeroben Vergärungsprozess gebracht. Die dabei entstehenden Gase seien besonders aggressiv und von einer noch bedeutend höheren Intensität als etwa bei einer bloßen Aufbringung von Gülle auf landwirtschaftliche Flächen. Dabei sei davon auszugehen, dass die vom Geflügelkot ausgehenden Emissionen weit oberhalb derjenigen lägen, die von dem allgemein als Gülle ausgebrachten Säugetierkot hervorgerufen werden. Durch die zum Herstellungsprozess gehörende turnusmäßige Umlagerung und der damit verbundenen Umwälzung des in Gärung befindlichen Fäkaliengemisches komme es zudem zu kurzzeitig wiederkehrenden intensiven Freisetzungen der Gase, wie sich insbesondere auch dem Gutachten der Firma Z.-Ingenieurgesellschaft vom 12. April 2001 ergebe. Die Emissionen entstünden dabei nicht mit einer gleichmäßigen jahreszeitlichen Verteilung, sondern hingen insbesondere von den Außentemperaturen ab, wobei bei steigenden Temperaturen eine zunehmende Penetranz der Gerüche festzustellen sei. Die einschneidenden Belastungen durch die speziellen Geruchsemissionen der Substratherstellung für die Champignonzucht seien in einem Vergleichsfall umweltmedizinisch nachgewiesen worden. In seinem Gutachten über "Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung im Nettetal-Breyell durch Geruchsimmissionen der Nettetaler Champignonzentrale" von 1992, komme das Medizinische Institut für Umwelthygiene an der Universität Düsseldorf bei einer Untersuchung der Beschwerden der Bevölkerung in Einwirkungsgebieten von 400 - 1.600 m Entfernung zur Substratanlage zu der Einschätzung, dass von einer solchen Anlage ekel- und übelkeitserregende Gerüche ausgingen, die über eine erhebliche Belästigung hinausgingen und eine Gesundheitsgefahr darstellten. Die Bezirksregierung sei bei ihrer Widerspruchsentscheidung unzutreffend davon ausgegangen, dass eine weitergehende Einzelfallprüfung im Hinblick auf ekelerregende Gerüche und hieraus folgenden Gesundheitsgefahren nicht notwendig gewesen sei, weil bei Geruchskontrollen des Beklagten an seinem Wohnhaus lediglich als "stark" und "sehr unangenehm" qualifizierte Gerüche aufgetreten seien. Dabei übersehe die Bezirksregierung, dass für die Annahme schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes bereits "erhebliche Belästigungen" ausreichten. Abgesehen davon, dass er und seine Nachbarn die Gerüche des Substratwerkes ohne jeden Zweifel als ekel- und übelkeitserregend empfänden, beginne sein Schutzanspruch nicht erst mit der Nachweislichkeit ekelbedingter Erkrankungen. Auch "sehr unangenehme" Gerüche, die ohnehin subjektiv nur schwerlich von "ekelerregenden" Gerüche abzugrenzen sein dürften, denen noch kein direkter wissenschaftlicher Pathogenitätsnachweis beiliege, überschritten das Maß der Beeinträchtigung, bei der sich eine rein quantitative Irrelevanzregel noch anwenden ließe.

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Zusammenfassend sei festzustellen, dass auf der Grundlage einer weit übergrenzwertigen, nicht durch besondere Umstände gerechtfertigten Geruchsvorbelastung und dem Hinzutreten, ihrer Art nach zumindest erheblicher Geruchsbelästigungen, auch bei Einhaltung der durch die Widerspruchsentscheidung der Bezirksregierung verfügten Nebenbestimmungen schädliche Umwelteinwirkungen durch das Substratwerk hervorgerufen würden.

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Darüber hinaus leide die dem Beigeladenen erteilte Genehmigung auch daran, dass die im Gutachten der Firma Z.-Ingenieurgesellschaft vom 12. April 2001 vorgeschlagenen Maßnahmen zur Einhaltung der Irrelevanzgrenze nicht entsprechend in den von der Bezirksregierung verfügten zusätzlichen Auflagenkatalog übernommen worden seien. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass mit den getroffenen Auflagen tatsächlich die Irrelevanzgrenze von 2 % eingehalten werden könne. An der Richtigkeit der diesbezüglichen gutachterlichen Feststellung der Firma Z.-Ingenieurgesellschaft in dem Messbericht vom 12. Februar 2002 bestünden zudem erhebliche Zweifel. Ausweislich der von den Anwohnern und unter anderem auch von ihm selbst angefertigten Protokolle über die auftretenden Geruchsbeeinträchtigungen habe sich auch nach der Erteilung der Auflagen durch die Bezirksregierung keine Verbesserung der Situation ergeben. Das Gutachten beruhe zudem lediglich auf drei Fahnenbegehungen am 26. September, 8. Oktober und am 12. Oktober 2003, was nicht ausreiche, um ein repräsentatives Bild für den Jahresdurchschnitt zu begründen. Angesichts der kaum nachvollziehbaren Aussagen der vorangegangenen Berichte der Firma Z.-Ingenieurgesellschaft - insbesondere zur Geruchsverteilung in den Sommer- und Wintermonaten - sei es notwendig, die tatsächliche Geruchsbelastung durch ein unabhängiges Sachverständigengutachten zu ermitteln. Insoweit sei es zudem sachgerecht, auch ein Gutachten in Anlehnung an die Nr. 5 der Auslegungshinweise zu Nr. 5 GIRL einzuholen, wonach die Erfassung des Belästigungsgrades der Anwohner durch eine Fragebogentechnik nach VDI 3883/Bl. 1 zur Überprüfung von Ortsüblichkeit, Intensität und Hedonik von Gerüchen ausdrücklich vorgesehen sei.

19

Bei der gegebenen Sachlage wäre die Beklagte zum Schutze der Anwohner verpflichtet gewesen, den Betrieb des Substratwerkes nur mit einer Einhausung der jetzt im Freien stattfindenden Substratproduktion zu genehmigen. Die Technik der Einhausung geruchsemittierender Anlagen entspreche im Übrigen dem Stand der Technik, was der Beklagte übersehen habe. So sei beispielsweise ein Champignonsubstratwerk in Rechterfeld in ein "Bunkersystem" umgerüstet worden. Ebenso seien die Kompostwerke der Stadt Oldenburg und des Landkreises Oldenburg mit einer vollständigen Einhausung versehen.

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Der Kläger beantragt,

21

den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 10. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 14. September 2001 aufzuheben.

22

Der Beklagte beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Er trägt zur Begründung des Klageabweisungsantrages im Wesentlichen Folgendes vor:

25

Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Zugrundelegung eines erhöhten Immissionsrichtwertes als Regelfall anzusehen, der neben dem Immissionswert der Ziffer 3.1 GIRL herangezogen werden könne. Nach Abs. 6 des Einführungserlasses zur GIRL könnten in Dorfgebieten und im Außenbereich unter der - hier vorliegenden - Voraussetzung überwiegend landwirtschaftlicher Nutzung und daraus resultierender Emissionen aus Tierhaltungsanlagen Immissionswerte von bis zu 20 v.H. relativer Geruchsstundenhäufigkeit zugelassen werden. Hiermit habe der Erlassgeber signalisiert, dass Nachbarn im landwirtschaftlich geprägten Außenbereich höhere Immissionen zuzumuten seien, um die Entwicklung bzw. den Bestand landwirtschaftlich geprägter Anlagen nicht zu gefährden. Insoweit sei damit durch den Erlassgeber ein zusätzlicher Immissionswert eingeführt worden.

26

Da der Kläger und die weiteren Anwohner des Substratwerkes die hohe Vorbelastung von 20 % der Jahresstunden akzeptiert und nicht als störend eingestuft hätten, habe bis zur Genehmigung des Substratwerkes auch keine Erheblichkeit der Geruchsbeeinträchtigungen vorgelegen. Die von der Anlage des Beigeladenen ausgehende Zusatzbelastung von 2 % der Jahresstunden überschreite die Irrelevanzgrenze der Ziffer 3.3 GIRL nicht, so dass sich insgesamt für den Immissionsaufpunkt des Klägers eine relative Geruchsstundenhäufigkeit von maximal 22 % der Jahresstunden ergebe. Dies sei von der Bezirksregierung noch für zulässig befunden worden. Die von der Firma Z.-Ingenieurgesellschaft erstellten geruchstechnischen Berichte seien GIRL-konform, methodisch einwandfrei und daher insgesamt nicht zu beanstanden. Die vom Kläger angeführte Untersuchung zum Substratwerk Nettetal sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da es sich dort um eine wesentlich größere Anlage gehandelt habe und der Abstand zur Wohnbebauung geringer gewesen sei. Soweit sich der Kläger auf die von den Anwohnern angefertigten Protokolle über die Geruchsimmissionen berufe, komme diesen Unterlagen angesichts der gegenteiligen Feststellungen der Gutachter sowie der von ihm vorgenommenen Kontrollen kein besonderer Aussagewert zu.

27

Der Beigeladene beantragt,

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die Klage abzuweisen.

29

Er trägt vor: Zutreffend sei, dass bei der Erteilung der ersten Genehmigung die später festgestellten Vorbelastungen aufgrund des in unmittelbarer Nachbarschaft des Klägers befindlichen landwirtschaftlichen Betriebes A. sowie des Sauen- und Ferkelstalles der Firma H. Ferkelerzeugung GbR nicht bekannt und deshalb erhebliche Änderungen der Auflagen erforderlich gewesen seien. Diese neuen Nebenbestimmungen seien von ihm nicht angefochten worden und würden von ihm beachtet. Nach der erteilten Auflage sei er verpflichtet, die Irrelevanzgrenze der Nr. 3.3 GIRL von 2 % der Jahresstunden einzuhalten. Diese Grenze werde - wie das Gutachten der Firma Z.-Ingenieurgesellschaft vom 12. Februar 2002 belege - auch tatsächlich eingehalten. Das Gutachten der Firma Z.-Ingenieurgesellschaft sei fachlich einwandfrei erstellt worden. Danach sei es für das weitere Verfahren unerheblich, welche Geruchsstunden am Hause des Klägers durch andere Anlagen hervorgerufen würden. Die Nr. 3.3 der GIRL gehe ausdrücklich davon aus, dass bei einer Zusatzbelastung von maximal 2 % der Jahresstunden die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht werde. Dass theoretisch durch eine Vielzahl irrelevanter Anlagen eine Überschreitung der in der GIRL genannten Immissionswerte verursacht werden könne, nehme die GIRL insoweit in Kauf, da es sich bei Geruchseinwirkungen in aller Regel nur um Belästigungen und nicht um Gesundheitsgefahren handele. Eine Sonderbeurteilung der Situation sei nicht erforderlich, weil die Beklagte bei ihren regelmäßigen Begehungen keine ekelerregende Geruchsqualität festgestellt habe. Entgegen der Auffassung des Klägers seien auch die Ergebnisse des umweltmedizinischen Gutachtens zur Nettetaler Champignonzentrale auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil dort die Entfernungen zur Wohnbebauung wesentlich geringer gewesen seien und eine in etwa 3-fache Durchsatzmenge beantragt worden sei. Falsch sei auch die Behauptung des Klägers, die Auflagen entsprächen nicht den Vorgaben des Gutachtens der Firma Z.-Ingenieurgesellschaft vom 12. April 2001. Aufgrund der Vorschläge des Gutachters habe er sich bereit erklärt, die Lagermengen um 2/7 zu reduzieren. Dies sei durch die Auflage 7 b des Änderungsbescheides vom 17. September 2001 auch umgesetzt worden. Unzutreffend sei ferner die Behauptung des Klägers, während der Fahnenbegehung seien die immissionsgeneigten Tätigkeiten im Betrieb weitgehend eingestellt worden. Dies ergebe sich bereits daraus, dass bei den Begehungen der jeweilige Betriebszustand dokumentiert worden sei. Demgegenüber seien die Aufzeichnungen der Anwohner ohne Aussagekraft, da diese von den Emotionen der Anwohner geprägt und damit nicht objektiv seien.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

32

Der Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 14. September 2001 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

33

Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung sind die Bestimmungen der §§ 4, 6 und 19 des Bundesimmissionsschutzgesetzes - BImSchG - in der hier anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1990 (BGBl. I S. 880), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950) i.V.m. §§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 2 Abs. 2 der 4. Bundesimmissionsschutzverordnung (4. BImSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. März 1999 (BGBl. I S. 504), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950) sowie dem Anhang 8, Ziffer 8.5 Spalte 2 zur 4. BImSchV. Danach sind die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Herstellung von Substrat durch Kompostieren in der beantragten Größenordnung mit einer Durchsatzleistung von 0,75 t bis weniger als 10 t/Std. dem vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG zugeordnet. Auf der Grundlage dieser Vorschrift ist einem Antragsteller eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung (nur dann) zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 Abs. 1 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt sind. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, da von dem Betrieb des Beigeladenen zur Herstellung von Substrat schädliche Umwelteinwirkungen in Gestalt von Geruchsemissionen ausgehen und auf das Wohngrundstück des Klägers einwirken, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, erhebliche Belästigungen für den Kläger herbeizuführen (§§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG).

34

Für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsbelästigungen enthält die TA-Luft 1986 (ebenso wie die inzwischen ergangene TA-Luft 2002) keine näheren Vorschriften darüber, ob von einer Anlage Geruchsimmissionen hervorgerufen werden, die eine erhebliche Belästigung i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG darstellen. Die auf den Stand der Technik sowie auf Mindestabstände zur Wohnbebauung abstellenden Regelungen in Abschnitt 3.3.7.1.1 der TA-Luft 1986 konkretisieren lediglich die Vorsorgepflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG.

35

Auch die technischen Regelwerke für die Beurteilung von Geruchsimmissionen aus der Massentierhaltung wie etwa die VDI-Richtlinie 3471 (Immissionsminderung Tierhaltung-Schweine) lassen sich für das vorliegende Verfahren nicht fruchtbar machen, da die dort enthaltenen, von der Tierbestandsgröße und weiteren Faktoren abhängigen Abstandsregelungen nicht auf Geruchsemissionen von Kompostierungsanlagen übertragbar sind.

36

Als einzige Entscheidungshilfe für die Beurteilung der Geruchsimmissionen kommt somit die Verwaltungsvorschrift zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen - GIRL - vom 14. November 2001 (Nds. MBl. 2001, S. 224) in Betracht. Die GIRL hat zwar vielfältige Kritik erfahren und hat sich auch in der Rechtsprechung trotz einiger dahingehender Tendenzen bisher nicht im Sinne einer Anerkennung als antizipiertes Sachverständigengutachten durchsetzen können. Auch das erkennende Gericht hat - jedenfalls auf der Grundlage der nunmehr geltenden TA-Luft 2002 - Bedenken gegen die in der GIRL niedergelegten Bewertungsverfahren geäußert (vgl. etwa Beschluss der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 17. Mai 2004 - 5 B 3381/03 -). Dennoch sieht das Gericht in Übereinstimmung mit dem Nds. Oberverwaltungsgericht (vgl. hierzu Urteil vom 25. Juli 2002 - 1 LB 980/01 -) im Regelwerk der GIRL zumindest eine brauchbare Entscheidungshilfe für die Bewertung von Geruchsimmissionen und legt somit - insbesondere auch in Ermangelung anderer technischer Regelwerke, die sich auf den vorliegenden Fall anwenden ließen - seiner Betrachtung der Rechtslage die Immissionswerte und Bewertungsverfahren der GIRL sowie die auf dieser Grundlage erstellten Gutachten der Firma Z.-Ingenieurgesellschaft vom 12. April 2001 und vom 12. Februar 2002 zugrunde.

37

Die GIRL legt für verschiedene Baugebiete Immissionswerte fest, wobei zwischen Wohn-/Mischgebieten sowie Gewerbe-/Industriegebieten unterschieden wird. Für Wohnbebauung in dem Baugebietstyp "Gewerbe-/Industriegebiet", dem das im Außenbereich gelegene Wohngrundstück des Klägers zugeordnet ist, legt die GIRL einen Immissionswert von 0,15 zugrunde. Danach liegt eine erhebliche Belästigung durch Gerüche vor, wenn die relative Häufigkeit der Geruchsstunden 15 v.H. der Jahresstunden überschreitet, wobei eine Geruchsstunde dadurch bestimmt ist, dass während eines Messzeitintervalls (10 Minuten je Messstelle) in mindestens 10 v.H. der Zeit Geruchsimmissionen erkannt werden.

38

Das Gutachten der Firma Z.-Ingenieurgesellschaft vom 12. April 2001 kommt unter Zugrundelegung der in der GIRL vorgesehenen Berechnungsmodelle für den Immissionsmesspunkt MP3, der dem Wohnhaus des Klägers zugeordnet ist, bei einer Vorbelastung durch die in der näheren Umgebung befindlichen landwirtschaftlichen Betriebe (insbesondere Tierhaltungsanlagen zur Schweinezucht und -mast) von 20 % der Jahresstunden und einer Zusatzbelastung durch die Anlage zur Substratherstellung des Beigeladenen von 6 % der Jahresstunden zu einer Gesamtbelastung von 26 % der Jahresstunden. Durch die von der Firma Z. vorgeschlagenen Immissionsminderungsmaßnahmen lässt sich zwar die von der Anlage des Beigeladenen ausgehende Zusatzbelastung auf 2 % der Jahresstunden reduzieren, wie durch den Messbericht der Firma Z.-Ingenieurgesellschaft vom 12. Februar 2002 ermittelt wurde. Die sich danach ergebende Gesamtbelastung von 22 % der Jahresstunden überschreitet den nach der GIRL grundsätzlich maßgeblichen Immissionsrichtwert von 15 % der Jahresstunden aber immer noch derart eklatant, dass eine erhebliche Belästigung des Klägers durch Geruchsimmissionen i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG schon allein aufgrund der Dauer der auf ihn einwirkenden Gerüche anzunehmen ist.

39

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es im vorliegenden Fall nicht zulässig, für den Bereich des Wohnhauses des Klägers im Außenbereich einen Immissionswert von 20 % der Jahresstunden zugrunde zu legen. Insbesondere entbehrt die Ansicht des Beklagten, der Erlassgeber habe in Abs. 6 der Einführungshinweise zur GIRL einen für den Regelfall im landwirtschaftlich genutzten Außenbereich in Ansatz zu bringenden zusätzlichen Immissionsrichtwert von 20 % der Jahresstunden eingeführt, jeglicher Grundlage. In Abs. 6 S. 3 der Einführungshinweise zur GIRL ist ausdrücklich ausgeführt, dass unter der Voraussetzung überwiegend landwirtschaftlicher Nutzung und daraus resultierender Immissionen aus Tierhaltungsanlagen Immissionswerte von bis zu 20 v.H. relativer Geruchsstunden zugelassen werden können. Bereits hieran wird deutlich, dass eine Erhöhung des nach der GIRL im Außenbereich geltenden Immissionswertes von 15 % der Jahresstunden nur im Wege einer Abwägung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles erfolgen kann und somit eine schematische Anwendung eines Immissionswertes von 20 % der Jahresstunden ausgeschlossen ist. Hintergrund dieser Bestimmung ist das Rücksichtnahmegebot, wie sich dem S. 1 des Abs. 6 der Einführungshinweise unmittelbar entnehmen lässt, wonach in Dorfgebieten und im Außenbereich auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten Rücksicht zu nehmen ist. Eine derartige Rücksichtnahme ist indessen im vorliegenden Fall gerade nicht geboten, weil es bei der Genehmigung des Substratwerkes des Beigeladenen nicht um eine Erweiterung eines bereits bestehenden und damit Bestandsschutz genießenden landwirtschaftlichen Betriebes geht, welche eine geringere Schutzwürdigkeit der benachbarten Wohnbebauung rechtfertigen könnte.

40

Allerdings ist es letztlich nicht entscheidungserheblich, welcher Immissionswert am Wohnort des Klägers heranzuziehen ist. Denn auch unter Zugrundelegung eines Immissionswertes von 20 % der Jahresstunden ergäbe sich bei der gutachterlich festgestellten Vorbelastung von 20 % der Jahresstunden und der in jedem Fall auch unter Einhaltung der von der Bezirksregierung im Widerspruchsbescheid zusätzlich verfügten Auflagen verbleibenden Zusatzbelastung durch das Substratwerk von 2 % der Jahresstunden eine Gesamtbelastung von 22 % der Jahresstunden und damit eine Überschreitung des nach der GIRL maximal zulässigen Immissionswertes. Ausweislich der Auslegungshinweise zu Ziff. 5 der GIRL geht das Regelwerk der GIRL auf der Grundlage von Felduntersuchungen des Medizinischen Institutes für Umwelthygiene an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zur Geruchsbelästigung von Anwohnern verschiedener Geruchsemittenten davon aus, dass ab einer Gesamtbelastung von 20 % der Jahresstunden eine erhebliche Belästigung durch Geruchsimmissionen anzunehmen ist. Hieraus folgt nach Auffassung des Gerichts, dass oberhalb dieser Grenze stets von einer erheblichen Belästigung durch Geruchsimmissionen schon unter dem Gesichtspunkt der Dauer der Geruchseinwirkungen auszugehen ist mit der Folge, dass das Vorhaben der Beigeladenen in der beantragten Form nicht genehmigungsfähig ist. Eine Ausnahme hiervon wäre allenfalls unter dem Gesichtspunkt denkbar, dass eine Überschreitung auch dieses Immissionsrichtwertes aus Gründen des Bestandsschutzes und einer hieraus resultierenden verminderten Schutzwürdigkeit der Umgebung in extrem gelagerten Ausnahmefällen als zulässig erachtet werden könnte. Eine derartige Situation jedoch ist - wie vorstehend bereits ausgeführt wurde - hier nicht gegeben.

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Die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung lässt sich auch nicht unter Hinweis auf die Irrelevanzklausel der Ziffer 3.3 GIRL rechtfertigen. Danach soll zwar die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung des Immissionswertes der Girl nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden, wenn der von der zu beurteilenden Anlage zu erwartende Immissionsbeitrag (Kenngröße der zu erwartenden Zusatzbelastung) auf keiner Beurteilungsfläche den Wert von 2 % der Jahresstunden überschreitet, weil bei Einhaltung dieses Wertes grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht (Irrelevanz der zu erwartenden Zusatzbelastung). Diese Bestimmung ist jedoch im Lichte der übrigen Bestimmungen der GIRL und insbesondere auch im Hinblick auf die Begriffsdefinitionen des § 3 Abs. 1 BImSchG auszulegen. Danach hat im vorliegenden Fall die Anwendung der Irrelevanzregelung bereits deshalb zu unterbleiben, weil sie - wie dargestellt - zu einer deutlichen Überschreitung der maximal zulässigen Gesamtbelastung durch Geruchsimmissionen führen würde. Hieraus folgt, dass die Anwendung der Irrelevanzklausel der Ziffer 3.3 GIRL bei einer Überschreitung des Immissionsrichtwertes von 15 % der Jahresstunden grundsätzlich nur in einem Korridor bis hin zu einer Gesamtbelastung von 20 % der Jahresstunden in Frage kommt. Würde man andererseits das Verständnis des Beklagten von der Regelung der Ziffer 3.3 GIRL zugrunde legen, so ergäbe sich die Möglichkeit, die Gesamtbelastung der Anwohner durch die Genehmigung mehrerer Anlagen, die jeweils für sich betrachtet die Irrelevanzgrenze einhielten, auf ein unerträgliches Maß auszudehnen. Eine derartige Handhabung und Auslegung der GIRL verbietet sich im Hinblick auf die Regelung der §§ 5 und 3 des BImSchG.

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Im Übrigen liegen aber auch unabhängig von diesen Erwägungen die Voraussetzungen für die Anwendung der Irrelevanzregelung der Ziffer 3.3 der GIRL nicht vor. Die Irrelevanzregelung der Ziffer 3.3 der GIRL geht davon aus, dass Immissionsbeiträge von maximal 2 % der Jahresstunden grundsätzlich keine spürbare zusätzliche Belastung der Anwohner hervorrufen. Dies gilt jedoch auch nach der GIRL selbst nur für den Regelfall. Der Kläger weist insoweit zutreffend darauf hin, dass es sich bei der Bestimmung der Ziffer 3.3 der GIRL um eine sogenannte Sollvorschrift handelt, bei der atypische Besonderheiten zu beachten sind. Derartige atypische Besonderheiten liegen hier in der Art und Qualität der vom Substratwerk des Beigeladenen ausgehenden Gerüche. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 BImSchG, an dessen Inhalt die Regelungen der GIRL zu messen und auszulegen sind, sieht vor, dass bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes "schädliche Umwelteinwirkungen" nicht nur die Dauer der Immissionen, sondern auch deren Art und ihr Ausmaß in den Blick zu nehmen sind. Dementsprechend stellt die GIRL zwar in ihren Bewertungsverfahren in erster Linie auf die Dauer der Geruchsimmissionen ab, sieht aber etwa in Abs. 4 der Einführungshinweise zur GIRL sowie in ihrer Ziffer 5 ausdrücklich vor, dass auch die Geruchsintensität sowie die Hedonik der Gerüche in die Überprüfung der Immissionssituation einzubeziehen sind. Hierzu wäre der Beklagte aufgrund der Art des vom Substratwerk des Beigeladenen ausgehenden Gerüche verpflichtet gewesen. Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung und einer hierfür erforderlichen Beweiserhebung darüber, ob - wie der Kläger vorträgt - die vom Substratwerk ausgehenden Immissionen "ekel- und übelkeitserregend" sind und damit sogar eine Gesundheitsgefahr darstellen. Denn die bei den Betriebsabläufen im Substratwerk des Beigeladenen freiwerdenden Geruchsimmissionen (durch anaerobe Fermentationsprozesse) unterscheiden sich nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten deutlich von den übrigen Geruchsimmissionen aus den vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieben und lassen sich somit eindeutig dem Substratwerk zuordnen. Die von den Mitarbeitern des Beklagten u.a. für den Immissionspunkt MP3, der dem Wohnhaus des Klägers zugeordnet ist, angefertigten Kontrollberichte über die Geruchssituation weisen jedenfalls "starke", dem Substratwerk zuzuordnende Geruchsimmissionen aus, denen zum Teil eine "sehr unangenehme" Geruchsqualität zugewiesen wird. Bereits diese Feststellungen hätten es geboten, von der Anwendung der Irrelevanzklausel abzusehen, weil bei der Frage der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen auch deren Qualität zu berücksichtigen ist und die festgestellten starken und als unangenehm zu qualifizierenden Gerüche jedenfalls eine zusätzliche Beeinträchtigung darstellen.

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Soweit der Beklagte und der Beigeladene im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2004 vorgetragen haben, dass am Wohnhaus des Klägers aufgrund der relativ großen Entfernung vom Substratwerk überhaupt keine Beeinträchtigung durch Gerüche vorhanden sei, so ist dieser Vortrag bereits deshalb nicht nachvollziehbar, weil er im Widerspruch zu den Ausführungen der Bezirksregierung Weser-Ems im Widerspruchsbescheid vom 14. September 2001 sowie zu den Ausführungen und Ermittlungen des Beklagten im Verlaufe des Verwaltungs- und Klageverfahrens steht.

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Ferner ist anzumerken, dass ebenfalls nicht schlüssig ist, warum der Beklagte und die Widerspruchsbehörde davon ausgegangen sind, dass ein Irrelevanzwert von 2 % der Jahresstunden zugrunde gelegt werden könne. Die Bezirksregierung Weser-Ems hat nämlich in dem Widerspruchsbescheid vom 14. September 2001 ausdrücklich selbst ausgeführt, dass in Verfahren der vorliegenden Art aufgrund der bereits bestehenden erheblichen Vorbelastung bei neu geplanten Anlagen regelmäßig nur noch ein geringerer Wert von maximal 0,04 % der Jahresstunden (sog. kleine Irrelevanz) zugelassen werden würde. Die Zugrundelegung der sog. kleinen Irrelevanzgrenze von 0,04 % der Jahresstunden beruht offenbar auf einem Erlass des Nds. Umweltministeriums vom 14. Dezember 2001, wonach neu geplante Anlagen in einem Gebiet mit einer Überschreitung der zulässigen Immissionswerte nur genehmigt werden können, sofern deren Zusatzbelastungen den Wert von 0,04 % der Jahresstunden nicht überschreiten. Angesichts der im vorliegenden Verfahren durch die Gutachten festgestellten erheblichen Vorbelastung der Anwohner durch bereits vorhandene landwirtschaftliche Betriebe ist nicht nachvollziehbar, warum die Bezirksregierung im Rahmen der Entscheidung über den Widerspruch des Klägers von der von ihr selbst angesprochenen Genehmigungspraxis abgewichen ist.

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Nach alledem ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass von dem Substratwerk des Beigeladenen Geruchsimmissionen ausgehen, die eine dem Kläger nicht zumutbare erhebliche Belästigung darstellen mit der Folge, dass die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung aufzuheben war.