Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 16.07.2004, Az.: 6 A 4079/02

Abschichtungssystem; Wiederholungsprüfung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
16.07.2004
Aktenzeichen
6 A 4079/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50653
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Prüfungsordnung darf die Wiederholung der Prüfung bei Nichtbestehen auf die Prüfungsteile beschränken, die im Durchschnitt vorher zu schlecht ausgefallen sind. Es muss nicht die Chance eingeräumt werden, die Gesamtnote auch dadurch zu verbessern, dass schwach bestandene Prüfungsteile auch wiederholt werden dürfen.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen das Nichtbestehen einer wiederholten Laufbahnprüfung.

2

Der Kläger wurde im ... geboren und hat nach dem Schulbesuch, den er mit dem Realschulabschluss abschloss, ein Berufsgrundbildungsjahr absolviert. Anschließend durchlief er eine kaufmännische Lehre und erwarb bei der Fachoberschule Wirtschaft im Juni 1991 die Fachhochschulreife. Danach leistete er Grundwehrdienst und war in der Zeit von 1992 bis 1998 in der elterlichen Bäckerei berufstätig.

3

Mit Wirkung vom 1. August 1998 wurde der Kläger beim Landkreis ... unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Inspektoranwärter zur Ausbildung in den gehobenen Dienst eingestellt. Aus diesem Anlass besuchte er auch die Schulungsveranstaltungen der Beklagten. Im Frühjahr 2001 begann der Kläger mit der Laufbahnprüfung. Am 9., 10. und 11. Mai 2001 schrieb er drei Klausuren, die mit 3, 9 und 3 Punkten bewertet wurden, so dass sich eine Durchschnittsgesamtpunktzahl von 5 Punkten ergab. Anschließend wurde er zur mündlichen Prüfung zugelassen, bei der er in vier Fächern (Beteiligungsmanagement, Finanzwirtschaft, Investition und Finanzierung, Allgemeines Verwaltungsrecht) jeweils 3, 3, 2 und 5 Punkte erreichte, so dass seine Gesamtpunktzahl nach dem Berechnungssystem der Prüfungsordnung in der Prüfung insgesamt 4,17 Punkte betrug. Das Nichtbestehen der Laufbahnprüfung wurde dem Kläger mit Bescheid vom 22. Juni 2001 mitgeteilt. Zugleich wurde er zur Wiederholung des mündlichen Prüfungsteils zugelassen, die er in der Zeit vom 19. bis zum 25. Oktober 2001 absolvierte. Dabei erreichte er in den vier Prüfungsfächern Betriebswirtschaftslehre, Personalwirtschaft, Öffentliche Finanzwirtschaft und Marketing jeweils 3, 2, 2 und 5 Punkte, so dass nach der Berechnungsmethode der Prüfungsordnung er insgesamt nur 4,05 Punkte erreichte.

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Mit Bescheid vom 26. Oktober 2001 teilte ihm die Beklagte mit, dass er die Laufbahnprüfung erneut nicht bestanden habe, weil er die Mindestpunktzahl von 4,60 Punkten nicht erreicht habe. Auch sei wegen des Umstandes, dass er sich wiederholt der Laufbahnprüfung gestellt habe, eine weitere Wiederholung nicht möglich. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung dieses Bescheides angeordnet.

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Der Kläger schied daraufhin aus dem Dienst des Landkreises ... aus und nahm ein Studium auf. Mit Schreiben vom 19. November 2001 legte er gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2001 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 20. Juni 2002 begründete. Er führte aus, dass es ihm nach Abschluss der Prüfung von der Prüfungskommission verwehrt worden sei, sogleich eine mündliche Erläuterung der Bewertung der mündlichen Prüfung zu erhalten. Vielmehr seien die Erläuterungen mit dem Bemerken, es sei schon fortgeschrittene Zeit, abgetan worden. Insbesondere hätte man ihm aber Gelegenheit geben müssen, auch die beiden Klausuren, die nicht die Mindestpunktzahl von 5 Punkten erreicht hätten, aus Anlass der Wiederholungsprüfung zu wiederholen und diese nicht nur auf die mündliche Prüfung zu beschränken.

6

Mitarbeiter der Beklagten befragten daraufhin die Mitglieder der Prüfungskommission zum Ablauf der mündlichen Prüfung und hielten unter dem 22. August 2002 in einem Vermerk fest, dass nach der wegen des Zeitablaufs allerdings schwachen Erinnerung der Mitglieder der Prüfungskommission dem Begehren des Klägers auf Erläuterung der Bewertung der mündlichen Prüfung und der mündlichen Ergänzung nachgekommen worden sei.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2002 - zugestellt am 29. August 2002 - wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass den Regelungen der Prüfungsordnung über die mündliche Erläuterung des Prüfungsergebnisses ausreichend Beachtung geschenkt worden sei. Auch könne der Kläger nicht verlangen, bei der Wiederholungsprüfung auch die Klausuren erneut schreiben zu dürfen, die er mit schlechter als 5 Punkten bewertet worden seien. Denn aus der Systematik der Prüfungsordnung ergebe sich, dass die einzelnen Prüfungsteile im Wege der Abschichtung durchlaufen würden. Das heiße, eine Wiederholung der schriftlichen Prüfungsleistungen komme nur dann in Betracht, wenn auch diese nicht ausreichend mit einer Durchschnittspunktzahl von insgesamt 5 Punkten absolviert worden sei.

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Am 27. September 2002 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend: Die weitere mündliche Ergänzung der Bewertung der mündlichen Prüfung sei mit dem Hinweis auf die fortgeschrittene Zeit ihm versagt worden. Ein Mitglied der Prüfungskommission habe sich sogar schon entfernt gehabt. Insbesondere sei aber die Beschränkung seiner Wiederholungsprüfung auf den mündlichen Teil unzutreffend erfolgt. Nach den Regelungen der Prüfungsordnung hätte ihm vielmehr auch Gelegenheit gegeben werden müssen, die beiden Klausuren zu wiederholen, die schlechter als mit 5 Punkten bewertet worden seien.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verpflichten, ihn erneut zu einer Laufbahnprüfung mit einer vollständigen mündlichen Prüfung und einer Klausur im Prüfungsfeld W und einer Klausur im Prüfungsfeld Recht zuzulassen, und

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den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2001 und deren Widerspruchsbescheid vom 23. August 2002 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

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Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),

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die Klage abzuweisen.

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Sie wiederholt und vertieft die Begründung der angefochtenen Bescheide und macht geltend, dass der Kläger seinen Einwand, eine mündliche Erläuterung oder Ergänzung der Bewertung des mündlichen Prüfungsteils müsse von der Prüfungskommission erfolgen, verwirkt habe. Denn er habe diesen Einwand erstmals mit Schreiben vom 20. Juni 2002 vorgebracht, nachdem die mündliche Prüfung bereits im Oktober 2001 stattgefunden habe. Auch könne er nicht eine Wiederholung seiner Klausuren verlangen, denn insgesamt sei dieser Prüfungsteil mit der Durchschnittsnote 5 Punkte und damit in dem Sinne als bestanden bewertet worden, dass er zur mündlichen Prüfung zugelassen worden sei. Die Regelung in § 28 der Prüfungsordnung über die Wiederholung der Laufbahnprüfung müsse im Zusammenhang mit den anderen Regelungen der Prüfungsordnung gesehen werden, woraus sich das System der Abschichtung der jeweiligen Prüfungsteile ergebe. Insbesondere müsse bedacht werden, dass der Kläger sonst möglicherweise die schriftlichen Klausuren noch schlechter als in der ursprünglichen Prüfung schreibe, so dass er noch nicht einmal zur mündlichen Prüfung hätte zugelassen werden dürfen. Auch würde es einer Besserstellung des Klägers bedeuten, wenn man ihm die Möglichkeit einräumen würde, auch die schlechten Klausuren zu wiederholen, denn eine derartige Möglichkeit bestehe nicht bei denjenigen Kandidaten, die - wie er - aufgrund eines vergleichsweise schwachen Prüfungsergebnisses trotzdem zur mündlichen Prüfung zugelassen worden seien und diese gerade eben bestehen würden. So hätte sonst der Kläger die Chance, gegenüber anderen Prüfungskandidaten einen Vorteil zu bewirken.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung der Wiederholungsprüfung begegnet entgegen der Ansicht des Klägers keinen rechtlichen Bedenken. Dazu im einzelnen:

17

Zutreffend wurde im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23. August 2002 ausgeführt, dass die Wiederholung der Laufbahnprüfung durch die Beklagte korrekt abgewickelt wurde. Das Gericht verweist gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und macht sich diese zu eigen.

18

Hinsichtlich des Klagevorbringens betreffend die schriftlichen Prüfungsteile ist dem Kläger zwar einzuräumen, dass die Formulierung in § 28 Satz 3 der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienstes - APVOgehD - vom 9. Oktober 1998 (Nds.GVBl. S. 64), vielleicht Anlass zu seinem Verständnis geben kann. Denn am Ende des ersten Satzteiles von Satz 3 kann sich der Begriff „in ihrer Gesamtheit“ eventuell nur auf die mündliche Prüfung und nicht auch auf die „einzelnen Prüfungsklausuren“ im vorherigen Satzteil beziehen. Andererseits erlaubt der Wortlaut der Vorschrift auch das Verständnis, dass § 28 Satz 3 APVOgehD so zu lesen ist, dass als Prüfungsleistungen die einzelnen Prüfungsklausuren in ihrer Gesamtheit und die mündliche Prüfung in ihrer Gesamtheit gelten. Ist nach dem Wortlaut mithin ein Verständnis der Regelung in der Prüfungsordnung auch im Sinne der Beklagten möglich, so kommt es auf den Gesamtzusammenhang mit den übrigen Regelungen der Prüfungsordnung an. Danach ist der Beklagten zuzustimmen, dass der Ablauf der Prüfung im „Abschichtungssystem“ ausgestaltet ist, so dass bei einer durchschnittlichen Bewertung des gesamten Prüfungsteils „schriftliche Prüfung“ mit 5 Punkten und besser eine Wiederholung dieses Prüfungsteils deswegen nicht mehr in Betracht kommt, weil dem § 28 Satz 2 APVOgehD entgegensteht. Nur bei einem derartigen Verständnis macht es auch einen Sinn, dass gemäß § 19 APVOgehD nach der schriftlichen Prüfung und der Bewertung der drei Prüfungsklausuren eine besondere Zulassung zur mündlichen Prüfung erfolgt. Dass das hier gefundene Verständnis der Prüfungsordnung richtig ist, wird auch die Neufassung der APVOgehD vom 30. Juni 2003 (Nds.GVBl. S. 287) deutlich. Dort heißt es in § 20 Satz 3: „Als Prüfungsleistungen im Sinne des Satzes 2 gelten die Diplomarbeit, die einzelnen Aufsichtsarbeiten, sofern die Durchschnittspunktzahl der schriftlichen Prüfung insgesamt nicht mindestens 5 Punkte beträgt und die mündliche Prüfung in ihrer Gesamtheit“. Dieser nunmehr in dem betreffenden Satz vorgenommene klarstellende Zusatz gibt nur das wieder, was bislang auch schon ständige Praxis aufgrund der Systematik der Prüfungsordnung war.

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Zutreffend wurde auch im angefochtenen Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass nach sechs Monaten naturgemäß die Erinnerung der einzelnen Prüfer an Abläufe der mündlichen Prüfung verblasst, so dass die Prüfer sich nur noch an den allgemeinen Eindruck, nicht aber mehr an Einzelheiten des Prüfungsgeschehens erinnern können (vgl. dazu auch: VG Hannover, Beschluss vom 29. Januar 2003 - 6 B 5865/02 - veröffentlicht auf der Homepage der Niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit).

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Die Klage war daher mit den kostenrechtlichen Nebenentscheidungen aus §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO abzuweisen.

21

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.