Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 06.07.2004, Az.: 6 B 2836/04

Altersteilzeit; Beamter; Schuldienst; Vertrauensschutz

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
06.07.2004
Aktenzeichen
6 B 2836/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50663
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Auch eine frühzeitige Beantragung von Altersteilzeit bei alter Rechtslage und der Umstand, dass in Niedersachsen möglicherweise ca. 120 Anträgen von Lehrern vor Geltung des neuen Rechts stattgegeben wurde, führt nicht zu einem Anordnungsanspruch eines 56-jährigen Lehrers, ihm zum 1. August 2004 Altersteilzeit zu gewähren, denn dem steht der eindeutige Wortlaut des neuen Rechts entgegen.

Gründe

1

I. Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, ihm Altersteilzeit beginnend ab dem 1. August 2004 zu bewilligen.

2

Der Antragsteller wurde am ... geboren und steht als Oberstudienrat im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit im Lande Niedersachsen. Er ist tätig bei den Berufsbildenden Schulen in ... und unterrichtet hauptsächlich das Fach Elektrotechnik.

3

Auf seinen Antrag teilte das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung dem Antragsteller mit Schreiben vom 6. April 2000 mit, dass er voraussichtlich bei einer Inanspruchnahme von Altersteilzeit ab dem 1. August 2004 einen Ruhegehaltssatz von 75 v. H. erreichen werde. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2002, welches am gleichen Tage befürwortend von der Schulleitung an die Antragsgegnerin weitergeleitet wurde, beantragte der Antragsteller, ihm beginnend ab dem 1. August 2004 Altersteilzeit in Form des Teilzeitmodells zu gewähren. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2002 bestätigte die Antragsgegnerin den Eingang des Antrags und teilte mit, dass sie „zu gegebener Zeit“ über den Antrag befinden werde.

4

Nachdem sich in der öffentlichen Diskussion im Lande Niedersachsen abzeichnete, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Altersteilzeit sich verändern würden, erinnerte der Antragsteller mit Schreiben vom 28. September 2003 bei der Antragsgegnerin an die Bescheidung seines Antrages und wies dabei darauf hin, dass er sich sowohl hinsichtlich seines Unterrichtseinsatzes als auch hinsichtlich seiner privaten Lebensplanung auf die Bewilligung von Altersteilzeit eingestellt habe. Die Antragsgegnerin antwortete darauf hin dem Antragsteller mit Schreiben vom 1. Oktober 2003 und erläuterte die geplanten gesetzlichen Änderungen in einem formularmäßigen Schreiben.

5

Mit Bescheid vom 14. April 2004 lehnte es die Antragsgegnerin ab, dem Antragsteller ab dem 1. August 2004 Altersteilzeit zu gewähren. Zur Begründung wurde auf das Gesetz vom 31. Oktober 2003 und darauf hingewiesen, dass Lehrkräften zum 1. August 2004 lediglich nur dann Altersteilzeit gewährt werden könne, wenn diese nach Vollendung des 59. Lebensjahres liege. Diese Voraussetzung sei aber in seinem Falle nicht gegeben, so dass dem Antrag nicht entsprochen werden dürfe. Dass er seinen Antrag bereits vor Eintritt der gesetzlichen Änderung gestellt habe, führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 6. Mai 2004 Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden wurde.

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Am 2. Juli 2004 hat sich der Antragsteller an das Gericht mit dem Begehren um vorläufigen Rechtsschutz gewandt. Er macht geltend: Er habe einen Anspruch darauf, dass auch ihm Altersteilzeit ab dem 1. August 2004 bewilligt werde. Denn tatsächlich habe die Antragsgegnerin zusammen mit den anderen zuständigen Bezirksregierungen im Lande Niedersachsen 122 Beamten im Schulbereich Altersteilzeit bewilligt, die in der Zeit vom Dezember 2002 bis zum 31. Juli 2003 entsprechende Anträge gestellt hätten, ohne dass bei ihnen die Voraussetzungen nach der neuen Rechtslage bestünden. Deswegen sei es unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes im Wege der Ermessensreduzierung auf Null geboten, auch ihm die begehrte Altersteilzeit zu bewilligen. Es bestehe auch kein sachlicher Grund für ein Abweichen von der bisherigen Verwaltungspraxis, die durch die durchgängige Bewilligung von Altersteilzeit gekennzeichnet gewesen sei. Denn an seiner Schule sei eine ausreichende Unterrichtsversorgung im Fachbereich Elektrotechnik auch dann sichergestellt, wenn er in Altersteilzeit gehe. Tatsächlich habe die Antragsgegnerin auch den Anträgen zweier Kollegen an seiner Schule, bei denen die Voraussetzungen ähnlich wie bei ihm wären, stattgegeben. Dann hätte er aber auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Anspruch darauf, wie diese gleichbehandelt zu werden, zumal er sich in seinem privaten Bereich bereits auf die Bewilligung eingestellt habe. Denn er habe verbindlich seine Mitarbeit in dem bundeseinheitlichen Fachausschuss Prüfungswesen für Industrieberufe zugesagt, was bei einer Vollzeitbeschäftigung nicht möglich sei. Zudem habe es die Antragsgegnerin verabsäumt, vor der Ablehnung des Antrages auf Teilzeitbeschäftigung den Personalrat zu beteiligen.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

8

II. Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.

9

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine Regelung erlassen, wenn dies - vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen - nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher stets, dass ein Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit der Regelung) und ein Anordnungsanspruch (die materielle Schutzbedürftigkeit) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Vorliegend fehlt es an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs.

10

Nach § 80 b Abs. 1 Satz 1 NBG (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung Besoldungs- und anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 31. Oktober 2003, NdsGVBl Seite 372, in Kraft getreten am 11. November 2003) kann einem Beamten mit Dienstbezügen auf Antrag, der sich auf die Zeit bis zum Beginn des Ruhestandes erstrecken muss, eine altersabhängige Teilzeitbeschäftigung (Altersteilzeit) bewilligt werden, wenn er das 55. Lebensjahr vollendet hat, die Altersteilzeit vor dem 1. Januar 2010 beginnt und dringende dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Nach Satz 4 der Regelung ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass für Beamte im Schuldienst Altersteilzeit zum 1. Februar 2004 erst nach Vollendung des 56. Lebensjahres und zum 1. August 2004 erst nach Vollendung des 59. Lebensjahres bewilligt werden darf.

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Bereits der Wortlaut der Vorschrift macht ohne weiteres deutlich, dass der Antragsteller im gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Rechtsanspruch darauf hat, ab dem 1. August 2004 in Altersteilzeit einzutreten. Denn er hat zu diesem Zeitpunkt noch nicht das 59. Lebensjahr vollendet (da er am ... geboren wurde), so dass die Regelung in § 80 b Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 NBG die Bewilligung verbietet („...dass Altersteilzeit ab dem 1. August 2004 erst nach Vollendung des 59. Lebensjahres bewilligt werden darf“). Entgegen der Ansicht des Antragstellers wird durch diese Formulierung im Gesetz deutlich, dass insoweit der Antragsgegnerin kein Ermessen eingeräumt ist, so dass die vom Antragsteller angesprochenen Erwägungen zur Ermessensreduzierung auf Null, zum Vertrauensschutz und zum Gebot der Gleichbehandlung ohne Bedeutung sind.

12

Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht der Umstand, dass dem Antragsteller möglicherweise wegen seines bereits am 2. Dezember 2002 gestellten Antrages zum damaligen Zeitpunkt hätte Altersteilzeit nach der damaligen Rechtslage bewilligt werden können. Denn zwischenzeitlich wurde das Gesetz geändert, so dass sich die Kammer nicht in der Lage sieht, ein nicht mehr geltendes Gesetz anzuwenden. Soweit sich der Antragsteller darauf beruft, die Antragsgegnerin bzw. andere Bezirksregierungen hätten landesweit bei insgesamt 122 Anträgen von Kollegen, bei denen die gleiche Sach- und Rechtslage vorliege, stattgebend über die Altersteilzeit zum 1. August 2004 entschieden, ändert dies an der vorstehenden Beurteilung nichts. Soweit den betreffenden Anträgen vor Geltung des neuen Rechts (d. h. vor dem 8. November 2003) stattgegeben wurde, war dies möglicherweise rechtmäßig. Soweit diesen Anträgen danach stattgegeben wurde, war es in jedem Falle rechtswidrig, so dass der Antragsteller keinen Anspruch darauf hat, im Unrecht gleich behandelt zu werden. Hinzu kommt, dass der Prüfungsmaßstab der Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte nach § 48 VwVfG ein anderer ist, als der hier vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung von Altersteilzeit.

13

Schließlich steht der Gedanke des Vertrauensschutzes nicht der Ablehnung mit Bescheid vom 14. April 2004 entgegen. Es mag zwar richtig sein, dass der Antragsteller rechtzeitig am 2. Dezember 2002 seinen Antrag auf Bewilligung gestellt hat. Indessen ist die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Unzulässigkeit belastender gesetzlicher Vorschriften mit echter Rückwirkung auf die hier vorliegende Konstellation nicht übertragbar. Das maßgebliche Gesetz (§ 80 b NBG) stellte die Bewilligung von Altersteilzeit auch in der bisherigen Fassung schon in das Ermessen der Behörde und machte dies vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig. Bereits in der früheren Fassung musste also der Antragsteller damit rechnen, dass sich an den Voraussetzungen (nämlich dem Nichtentgegenstehen dringender dienstlicher Belange oder den Erfordernissen der Unterrichtsversorgung) etwas ändern würde, als auch damit, dass in der Ermessensbetätigung aus sachlichen Gründen (wozu z. B. auch fiskalische Erwägungen gehören können) eine andere Praxis Platz greifen würde. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass der Antragsteller eine rechtliche Position erlangt hätte, auf deren Bestand er durch die frühzeitige Antragstellung hätte vertrauen können. Er konnte nur die unsichere Hoffnung auf eine Fortsetzung der bisherigen großzügigen Bewilligungspraxis und des Fortbestandes der gesetzlichen Regelung hegen. Dass später - nach seiner Antragstellung im Dezember 2002 - der demokratisch legitimierte Gesetzgeber in Niedersachsen eine gesetzliche Änderung beschlossen hat, kann der Antragsteller mit dem Hinweis auf die vorzeitige Antragstellung nicht umgehen, wenn nunmehr der Gesetzgeber im öffentlichen Interesse an einer möglichst ausgeglichen Unterrichtsversorgung und an der Konsolidierung des Landeshaushalts Änderungen im Altersteilzeitrecht beschließt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. März 2004 - 5 ME 32/04 - veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts).

14

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist auch nichts dagegen zu erinnern, dass die Antragsgegnerin erst so spät über seinen Antrag entschieden hat. Typischerweise sind nämlich die Geschehnisse in der Unterrichtsversorgung im Schulbereich erst dann hinreichend überblickbar - zur Betätigung des bislang und teilweise auch jetzt noch eingeräumten Ermessens - wenn das nächste Schulhalbjahr in der Planung heransteht. Denn durch zahlreiche Faktoren wird die Unterrichtsversorgung kurzfristig beeinflusst (z. B. Dienstunfähigkeit, Teilzeitbeschäftigungen, Schwangerschaften, etc.). Es wäre daher eventuell sachwidrig gewesen, wenn die Antragsgegnerin schon im Dezember 2002 im Ermessenswege über eine begehrte Altersteilzeit entschieden hätte, die erst zum 1. August 2004 beginnen sollte.

15

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.