Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 15.12.2004, Az.: 1 A 19/03

Aneignung von Übungsmunition; Ansehen der Bundeswehr; Bundeswehr; Disziplinlosigkeit; fristlose Entlassung; militärische Ordnung; Verhältnismäßigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
15.12.2004
Aktenzeichen
1 A 19/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50793
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Aneignung von Übungsmunition durch einen Soldaten auf Zeit rechtfertigt nicht immer die fristlose Entlassung aus der Bundeswehr gem. § 55 Abs. 5 SG.

Tatbestand:

1

Der Kläger, ein Soldat auf Zeit, wendet sich gegen seine fristlose Entlassung aus der Bundeswehr.

2

Aufgrund seiner Verpflichtungserklärung vom 21. Juni 2001 wurde der am 26. März 1981 geborene Kläger mit Wirkung vom 6. September 2001 zum Soldaten auf Zeit mit einer Verpflichtungszeit von letztlich sechs Jahren berufen und zur Laufbahn der Unteroffiziere zugelassen. Mit Wirkung vom 1. März 2002 wurde er zum Obergefreiten UA - Unteroffizieranwärter - befördert.

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Am Freitag, dem 24. Mai 2002 sammelte er am Ende einer Gefechtsausbildung im Rahmen des Unteroffizierlehrgangs Teil 1 befehlsgemäß 45 Schuss Manövermunition 5,56 mm sowie 20 Schuss Manövermunition 9 mm der Gruppe ein und nahm sie mit in die Kaserne. Dort gab er die Munition nicht ab, sondern nahm sie an dem sich anschließenden Wochenende (25./26.5.2002) mit in die Wohnung seiner Freundin, wo er sie beließ. Im Rahmen einer Durchsuchung der Wohnung der Freundin aus einem anderen Grund wurde die Munition von der Polizei gefunden und sichergestellt.

4

In seiner Vernehmung zu diesem Vorfall am 18. Juni 2002 äußerte der Kläger im Wesentlichen, dass er die eingesammelte Munition, die sich in der Seitentasche seines Rucksacks befunden habe, in der Unterkunft vergessen habe abzugeben. Ein gesondertes Antreten und eine Nachfrage hinsichtlich Ausrüstung und Munition habe nicht mehr stattgefunden. Am folgenden Wochenende sei er mit dem Rucksack zu seiner Freundin gefahren. Dort erst habe er die Munition in der Seitentasche bemerkt. Aus Angst, des Diebstahls bezichtigt zu werden, und weil er sich niemandem habe anvertrauen mögen, habe er die Munition offen auf den Schrank seiner Freundin gelegt. Dort sei sie dann gefunden worden. Am 14. Juni 2002 habe er von dem Fund bei seiner Freundin gehört. Am 18. Juni 2002 sei er dann von seinem Kompaniefeldwebel auf den Vorfall angesprochen worden. Er selbst habe ihn nicht angesprochen, da er geglaubt habe, dass der Vorfall sich so erledigen würde.

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Aufgrund des Vorfalls verhängte der Kompaniechef mit Verfügung vom 25. Juni 2002 gegen den Kläger eine Disziplinarbuße von 250 EUR wegen widerrechtlicher Aneignung von Manövermunition am 25. Mai 2002. Diese Disziplinarbuße ist unanfechtbar.

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In seinem Schreiben vom 13. August 2002 im Rahmen der Anhörung zur geplanten Entlassung gab der Kläger zum Vorfall ergänzend an, er habe die Munition seinem Gruppenführer nicht gegeben, da er Angst gehabt habe, in der letzten Woche vom Lehrgang abgelöst zu werden. Des Weiteren habe zum Gruppenführer kein Vertrauensverhältnis bestanden.

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Die gegen den Kläger wegen des Vorfalls eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurden eingestellt.

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Durch den angefochtenen Bescheid des Kommandeurs der 1. Panzerdivision vom 20. September 2002 wurde der Kläger wegen des Vorfalls gemäß § 55 Abs. 5 SG aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit der Bundeswehr erlassen. Zur Begründung war im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe durch die Mitnahme der Munition seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt. Angesichts des Unrechtsgehalts der Dienstpflichtverletzungen sei davon auszugehen, dass ein weiteres Verbleiben des Klägers in der Bundeswehr die militärische Ordnung ernsthaft gefährden würde. Denn durch den schweren Pflichtenverstoß habe der Kläger das Mindestmaß an Achtung verloren und das Vertrauen in seine persönliche Integrität irreparabel zerstört. Darüber hinaus hätte die Öffentlichkeit kein Verständnis dafür, wenn die Bundeswehr Soldaten, die aufgrund freiwilliger Verpflichtung Dienst leisteten, trotz des erheblichen Pflichtenverstoßes, wie ihn der Kläger begangen habe, noch als tragbar angesehen würden.

9

Die dagegen vom Kläger eingelegte Beschwerde wies das Heeresführungskommando mit für sofort vollziehbar erklärtem Beschwerdebescheid vom 16. Januar 2003 zurück. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt: Das Nichtabliefern und Behalten der Übungsmunition stelle einen erheblichen Pflichtenverstoß dar, der die militärische Ordnung ernstlich gefährden würde. Denn dadurch sei der Kernbereich der militärischen Ordnung berührt. Die Bundeswehr sei auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten im Umgang mit öffentlichem Gut in hohem Maße angewiesen, vor allem an besonders schutzwürdigen Gegenständen wie Munition und Sprengstoff, weil insoweit eine lückenlose Kontrolle eines jeden einzelnen Soldaten nicht möglich sei. Verletze ein Soldat auf Zeit, der in einem besonderen Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn stehe, diese Vertrauensgrundlage, indem er - sei es auch nur vorübergehend - dem Dienstherrn Gegenstände entziehe, die dieser zur Erfüllung seiner Aufgaben benötige, so erschüttere er das in ihn gesetzte Vertrauen in besonders hohem Maße. Gerade und zumal bei gefährlichen Gegenständen wie Munition, die wegen der ihnen innewohnenden Gefährlichkeit besonderen Bestimmungen unterlägen, was auch allen Soldaten aufgrund ihrer Ausbildung bekannt sei, sei der Dienstherr auf die Zuverlässigkeit und Vorschriftentreue aller, insbesondere aber der länger dienenden Soldaten angewiesen. Allein schon die Verbringung von Munition oder Munitionsteilen in den privaten Bereich und die dortige Verwahrung würden für sich betrachtet bereits so schwer wiegen, dass ein weiteres Verbleiben im Dienstverhältnis die militärische Ordnung ernstlich gefährden würde. Die geringe Disziplinarbuße und die Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ständen dieser Bewertung nicht entgegen. Darüber hinaus würde die Öffentlichkeit kein Verständnis dafür haben, wenn in der Bundeswehr als Wehrpflichtarmee Soldaten, die aufgrund freiwilliger Verpflichtung Dienst leisteten, noch im Dienst verbleiben könnten, obwohl sie, wie der Kläger, elementar gegen Dienstpflichten verstoßen hätten.

10

Am 14. Februar 2003 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung legt er im Wesentlichen dar, dass der von ihm begangene Verpflichtungsverstoß eine Entlassung nicht rechtfertige. Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit seien nicht gewahrt.

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Der Kläger beantragt,

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die Entlassungsverfügung des Kommandeurs der 1. Panzerdivision vom 20. September 2002 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Heeresführungskommandos vom 16. Januar 2003 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie vertritt weiterhin die Auffassung, die ergriffene Maßnahme sei ermessensfehlerfrei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

18

Die angefochtene Entlassungsverfügung des Kommandeurs der 1. Panzerdivision vom 20. September 2002 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Heeresführungskommandos vom 16. Januar 2003 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

19

Rechtsgrundlage der verfügten Entlassung des Klägers ist § 55 Abs. 5 Soldatengesetz - SG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Februar 2001 (BGBl. I S. 232). Nach dieser Vorschrift kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Diese Voraussetzungen sind hier nicht vollständig erfüllt.

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In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Bescheid sowie dem Beschwerdebescheid ist zwar davon auszugehen, dass der Kläger seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat. Durch das befehlswidrige Nichtabgeben der insgesamt 65 Schuss Manövermunition und das Mitnehmen dieser Munition in die Wohnung seiner Freundin sowie das dortige Aufbewahren hat er gegen die zentrale Dienstvorschrift über den Umgang mit Munition, gegen die Gehorsamspflicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SG), gegen die ihm nach § 7 SG obliegende Pflicht zum treuen Dienen sowie gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten inner- und außerhalb des Dienstes (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Satz 2 SG) verstoßen. Der Kläger hat diese zu beachtenden Dienstpflichten auch schuldhaft verletzt. Er hat mindestens fahrlässig gehandelt; denn aufgrund der allgemeinen Ausbildung ist jedem Soldaten bekannt, dass er auch Übungsmunition nicht behalten und schon gar nicht außerhalb des militärischen Geländes verbringen darf. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die insoweit zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid sowie dem Beschwerdebescheid verwiesen, denen die Kammer folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).

21

Gegen den Kläger konnte hier auch noch nach § 55 Abs. 5 SG eine Entlassungsverfügung erlassen werden, da er sich im Zeitpunkt der Entlassungsverfügung gerade erst im zweiten Dienstjahr befand.

22

Die gesetzlichen Voraussetzungen der Vorschrift im Übrigen liegen aber nicht vor. Das weitere Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit gefährdet die militärische Ordnung in der Bundeswehr sowie das Ansehen der Bundeswehr nicht ernstlich. Der vom Kläger erhobene Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Entlassung ist im Ergebnis gerechtfertigt.

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Alleiniger Zweck der fristlosen Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 SG ist es, die dort benannte drohende Gefahr für die Bundeswehr abzuwenden. Die Entlassung soll künftigen Schaden verhindern und dient allein dem Schutz der Bundeswehr. Die nach § 55 Abs. 5 SG gebotene Entlassung ist keine Disziplinarmaßnahme; vielmehr kann die Entlassung zu einer bereits verhängten Disziplinarmaßnahme hinzutreten. Die das Disziplinarverfahren bestimmenden Grundsätze finden demnach keine Anwendung. Deshalb ist im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG kein Raum für Erwägungen darüber, ob die Sanktion der dienstlichen Verfehlung angemessen ist und ob der Soldat auf Zeit im Hinblick auf die Art und Schwere der Dienstpflichtverletzung noch tragbar oder untragbar ist. Jedoch kann im Rahmen der Prüfung, ob eine ernstliche Gefahr für die militärische Ordnung besteht, zu berücksichtigen sein, ob dieser Gefahr auch durch eine Disziplinarmaßnahme als notwendiges, aber auch milderes Mittel begegnet werden kann mit der Folge, dass Schaden für die militärische Ordnung nicht zu befürchten sei. Dies hat die Rechtsprechung etwa im Falle von Affekthandlungen bei geringer Vorbildfunktion des Soldaten angenommen, also in Fällen, in denen eine Wiederholungsgefahr typischerweise nicht bestand und die Dienstpflichtverletzung nicht Teilstück einer als allgemeine Erscheinung auftretenden Neigung zur Disziplinlosigkeit zu werten war. Die in Auswirkung der Dienstpflichtverletzung des Soldaten der Bundeswehr künftig drohende Gefahr ist von den Verwaltungsgerichten in einer objektiv nachträglichen Prognose nachzuvollziehen. § 55 Abs. 5 SG setzt eine tatsächlich ernstliche Gefährdung voraus. Insoweit entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zum erstrebten Zweck und konkretisiert so den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem das Gesetz des Weiteren auch noch durch die Begrenzung der Entlassungsmöglichkeit auf die ersten vier Dienstjahre Rechnung trägt. Für zusätzliche Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist kein Raum (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 24.9.1992 - 2 C 17/91 -, NVwZ-RR 1993, 501).

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Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze würde das Verbleiben des Klägers in der Bundeswehr trotz des von ihm begangenen Pflichtenverstoßes die militärische Ordnung der Bundeswehr noch nicht ernsthaft gefährden.

25

Unter militärischer Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG ist der Inbegriff der Elemente zu verstehen, die die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr nach den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen erhalten. Dabei kann es nicht genügen, wenn nur Randbereiche des Militärischen berührt werden. Es muss sich vielmehr um Regeln und Einrichtungen handeln, die über diese Randbereiche hinausgehen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 25.3.2003 - 5 LB 3/03 -). Im vorliegenden Fall weist die Beklagte zwar zutreffend darauf hin, dass die aufgeführten Pflichtverletzungen des Klägers nicht nur den Randbereich, sondern bereits den Kernbereich der militärischen Ordnung berühren. Hierzu gehören insbesondere Verstöße gegen die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen, und die Pflicht zur Disziplin. Bereits der bloße rechtswidrige Entzug von Gegenständen, die der Auftragserfüllung der Bundeswehr dienen, wiegt grundsätzlich sehr schwer und stellt in der Regel eine verwerfliche Tat dar. Der hier zu beurteilende Einzelfall weist aber die Besonderheit auf, dass der rechtswidrige Entzug der Übungsmunition durch den Kläger sich nicht als typischer Fall jener Vermögensdelikte darstellt, die in der Bundeswehr immer wieder auftreten, Ausdruck einer allgemeinen Neigung der Soldaten zur Disziplinlosigkeit sein und daher die Annahme einer ernstlichen Gefährdung der militärischen Ordnung rechtfertigen können. Der Kläger hat nach seinen schriftlichen Angaben, die er in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bestätigt hat, die Übungsmunition am 24. Mai 2002 zunächst vergessen abzugeben und sie dann, als er dies merkte, nur deshalb behalten und nicht zurückgegeben, weil er Angst vor Bestrafung und Abberufung von dem Unteroffizierslehrgang hatte. Triebfeder und Motiv der Tat waren mithin nicht der Wille zur rechtswidrigen Aneignung der Übungsmunition. Damit ist die im Disziplinarbescheid festgestellte widerrechtliche Aneignung der Manövermunition entgegen der Ansicht der Beklagten im vorliegenden Einzelfall nicht als Teilstück einer als allgemeine Erscheinung auftretenden Neigung zur Disziplinlosigkeit zu bewerten. Gerade der sonst bei Vermögensdelikten drohende Nachahmungseffekt ist hier wegen der vorliegenden Besonderheiten nicht zu befürchten. Im Übrigen sind hier keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ob in der Ausbildungseinheit oder der Stammeinheit des Klägers überhaupt Vermögensdelikte aufgetreten sind und ein einmaliges Vermögensdelikt des Klägers deshalb als Teilstück einer allgemeinen Disziplinlosigkeit gewertet werden könnte, das zur Nachahmung und Gefährdung der Einsatzbereitschaft führt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass gegen den Kläger strafrechtliche, letztlich eingestellte Ermittlungen geführt wurden und gegen ihn eine Disziplinarbuße in Höhe von 250 EUR verhängt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass diese Maßnahmen in diesem besonderen Einzelfall nicht bereits ausreichen, um einer allgemeinen Neigung zur Disziplinlosigkeit entgegenzutreten und Nachahmung und die damit verbundene Gefährdung der Einsatzbereitschaft zu verhindern, sind nicht erkennbar. Eine andere Wertung ist hier nicht deshalb geboten, weil der Kläger sich „Munition“ angeeignet hat, die wegen der ihr grundsätzlich innewohnenden Gefährlichkeit besonderen Regelungen unterliegt und deren widerrechtliche Aneignung grundsätzlich den Kernbereich der militärischen Ordnung in besonderer Weise betrifft. Denn insoweit ist zum einen ebenfalls die oben beschriebene Besonderheit dieses Einzelfalles - Motivation der „Aneignung“ - zu berücksichtigen. Zum anderen ist der Fall dadurch gekennzeichnet, dass es sich nur um „grüne“ (lediglich „Knalleffekt“) Übungsmunition aus Plastik handelte und nicht um „blaue“ Übungsmunition oder gar scharfe Munition. Die sogenannte grüne Übungsmunition ohne Geschosskern weist nicht annähernd die Gefährlichkeit von „blauer“ Übungsmunition oder gar scharfer Munition auf.

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Die hierneben zu prüfende Frage, ob eine Wiederholung des Fehlverhaltens des Klägers zu befürchten und deshalb eine ernste Gefährdung der militärischen Ordnung anzunehmen ist, ist auf der Grundlage des hier zu beurteilenden Pflichtenverstoßes, der schriftlichen Angaben des Klägers und seiner Äußerungen in der mündlichen Verhandlung dazu, und angesichts der durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungen, der verhängten Disziplinarbuße sowie des im Übrigen tadelsfreien Verhaltens des Klägers zu verneinen. Eine derartige Wiederholungsgefahr hat auch die Beklagte nicht in Erwägung gezogen.

27

Ebenso wie aus den vorstehenden Gründen die ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung nicht angenommen werden kann, ist auch die Annahme einer ernstlichen Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr nicht gerechtfertigt. Zwar ist das Fehlverhalten des Klägers nicht ohne Einfluss auf das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Bundeswehr, jedoch rechtfertigen die besonderen Umstände dieses Einzelfalles die Annahme, dass durch die Vertrauensbeeinträchtigung eine ernstliche Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr nicht bedingt ist. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang angeführten Gründe der Tragbarkeit des Klägers als Soldaten können im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG keine Berücksichtigung finden.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.