Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 26.09.2005, Az.: S 24 AS 31/05

Voraussetzungen des Anspruchs auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
26.09.2005
Aktenzeichen
S 24 AS 31/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 37211
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2005:0926.S24AS31.05.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LSG Niedersachsen-Bremen - 19.01.2006 - AZ: L 8 AS 395/05

...
hat die 24. Kammer des Sozialgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung
am 26. September 2005
durch
den Richter am Verwaltungsgericht E. - Vorsitzender
sowie
die ehrenamtlichen Richter Herr F. und Herr G.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihr weiterhin Leistungen in Höhe der bis zum 31.12.2004 gewährten Arbeitslosenhilfe zu bewilligen.

2

Die am 29.11.1945 geborene Klägerin ist seit Anfang April 2001 arbeitslos und bezog seit dem Leistungen der Beklagten. Am 10.09.2003 unterzeichnete die Klägerin eine Erklärung zu§ 428 SGB III. In dem Vordruck der Bundesanstalt für Arbeit heißt es:

"Wer 58 Jahre und älter ist, kann Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe unter den erleichterten Voraussetzungen beziehen (§ 428 SGB III - Gesetzestext siehe Anlage). Die Regelung ist für Arbeitnehmer gedacht, die in fortgeschrittenem Alter ihren Arbeitsplatz verloren haben, zum frühest möglichen Zeitpunkt aus dem Erwerbsleben ausscheiden wollen und deshalb nicht mehr an der Aufnahme einer neuen Beschäftigung interessiert sind. Sie können Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe - abweichend von den sonst geltenden Regeln - auch dann erhalten, wenn Sie gar keine Beschäftigung mehr aufnehmen möchten. Außerdem sind Sie nicht mehr verpflichtet, sich selbst um eine neue Beschäftigung zu bemühen und dies dem Arbeitsamt auf Verlangen nachzuweisen. Darüber hinaus können Sie sich nach vorheriger Absprache mit dem Arbeitsamt bis zu 17 Wochen (alle anderen Arbeitslosen bis zu 3 Wochen) im Kalenderjahr außerhalb Ihres Wohnortes (z.B. auch im Ausland) aufhalten, ohne dass deshalb Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe entfällt. Wenn Sie es wünschen, unterstützt Sie das Arbeitsamt aber weiterhin bei der Suche nach einer Beschäftigung, die Ihren Vorstellungen entspricht. Wenn Sie alsbald aus dem Erwerbsleben ausscheiden wollen, müssen Sie bereit sein, zum frühest möglichen Zeitpunkt eine abschlagsfreie Altersrente in Anspruch zu nehmen. Eine Altersrente, die um Abschläge vermindert wird, weil Sie das für Sie maßgebende - individuelle - Rentenalter noch nicht erreicht haben, brauchen Sie also nicht zu beantragen. Die Voraussetzungen für den Bezug von Altersrente, die voraussichtliche Höhe und den Rentenbeginn ohne Rentenabschläge erfragen Sie bitte bei Ihrem Rentenversicherungsträger. Wenn Sie eine entsprechende Erklärung unterschreiben, können Sie diese innerhalb von drei Monaten ohne nachteilige Folgen widerrufen. Wenn bzw. sobald Sie Arbeitslosenhilfe beziehen, müssen Sie ohnehin, d.h. unabhängig von der Inanspruchnahme der o.a. Erleichterungen, zum frühest möglichen Zeitpunkt eine abschlagsfreie Altersrente beantragen. Deshalb ergibt sich in diesem Fall durch die Inanspruchnahme von Leistungen unter erleichterten Bedingungen keine zusätzliche Verpflichtung.

Erhalten Sie - z.B. wegen einer Abfindung - kein Arbeitslosegeld oder wegen Einkommen oder Vermögen keine Arbeitslosenhilfe, wenden Sie sich bitte an Ihren Arbeitsvermittler. Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug können nämlich Ihren Rentenversicherungsträger nur mitgeteilt werden, wenn Sie unter anderem uneingeschränkt arbeitsbereit sind und sich regelmäßig bei Ihrem Arbeitsamt arbeitssuchend melden."

3

In der Folgezeit bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen der Arbeitslosenhilfe; mit Bescheid vom 05.05.2004 zuletzt bis zum 31.12.2004 einen Leistungsbetrag von wöchentlich 88,76 ?.

4

Am 12.09.2004 beantragte die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23.11.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, mit den von der Klägerin nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei sie nicht hilfebedürftig im Sinne desSGB II. Denn ihr Ehemann verfüge über monatliche Gesamteinkünfte von 1.951,56 ? aus einer Betriebsrente, einer Unfallrente und seiner Altersrente. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2005 zurück. Zur Begründung führte sie aus, ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosenhilfe bestehe nicht mehr, wenn die Leistung als solche nicht mehr existiere. Ein Festschreiben der gewährten Leistungen zum Zeitpunkt der Erklärung für die Zukunft habe nicht stattgefunden.

5

Zur Begründung ihrer am 23. Februar 2005 erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, Arbeitslosenhilfe stehe ihr auch weiterhin zu, weil die seinerzeit erfolgte Zusage weiterhin Bestand haben müsse. Die getroffene Vereinbarung stelle einenöffentlich-rechtlichen Vertrag da, so dass ihr die entsprechenden Ansprüche weiter zustünden. Ein Grund zur Kündigung des Vertrages sei nicht gegeben. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Initiative zum Abschluss der Vereinbarung gemäß § 428 SGB III a.F. von der Beklagten ausgegangen sei. Ihr sei dringend zum Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung geraten worden.

6

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 23.11.2004 und ihren Widerspruchsbescheid vom 08.02.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr weiterhin den Betrag zu zahlen, den sie bis zum 31.12.2004 als Arbeitslosenhilfe erhalten hat, hilfsweise, für den Fall der Klageabweisung die Sprungrevision zuzulassen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie verweist zur Begründung auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

9

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsfahrer

10

Die Klage hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Leistungen in Höhe der ihr bis zum Jahreswechsel gewährten Arbeitslosenhilfe.

11

Der Anspruch kann nicht mehr auf die gesetzlichen Grundlagen zur Gewährung von Arbeitslosenhilfe gestützt werden, denn diese wurden vom Gesetzgeber mit Wirkung zum 01. Januar 2005 aufgehoben und im Wesentlichen durch die im SGB II vorgesehenen Sozialleistungen ersetzt. Der Anspruch kann auch nicht mit einem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Beklagten begründet werden, denn die Klägerin hat - wie andere Arbeitslose, die von der sogenannten 58er-Regelung Gebrauch gemacht haben - keinen zweiseitig verpflichtenden Vertrag abgeschlossen, sondern lediglich eine einseitige Erklärung des Inhalts abgegeben, dass sie nicht mehr arbeitsbereit ist und nicht alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden, gleichwohl im Rahmen des§ 428 SGB III Arbeitslosenhilfe beziehen will und sich deshalb bereit erklärt, gemäß § 428 Abs. 2 SGB III baldmöglichst Altersrente zu beantragen. Die Zusage einer bestimmten Leistungsart oder Leistungshöhe durch einen Sozialleistungsträger ist mit dieser Erklärung nicht verbunden. Sie setzt im Gegenteil einen Leistungsanspruch - z.B. auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe - voraus. Eine Änderung von Leistungshöhe und Leistungsgrund durch eine Rechtsänderung steht daher die von der Klägerin abgegebene Erklärung nach § 428 SGB III nicht entgegen. Dies wird offensichtlich, wenn man sich vorstellt, der Gesetzgeber hätte - etwa auf Grund einer günstigeren gesamtwirtschaftlichen Situation als derzeit vorliegt - die Arbeitslosenhilfe erhöht bzw. durch eine höhere andere Sozialleistung ersetzt. In einer derartigen Situation würden die bisherigen Leistungsbezieher im Rahmen der 58er-Regelung es sicherlich nicht akzeptieren, von dieser Leistungsverbesserung unter Hinweis auf die von ihnen abgegebene Erklärung ausgeschlossen zu werden. Für das Gericht ist darüber hinaus der geltend gemachte Vertrauensschutz auch deshalb nicht nachvollziehbar, da nicht ersichtlich ist, welchen Nachteil die Inanspruchnahme der 58er-Regelung der Klägerin gebracht haben soll. Die Regelung hat es ihr im Gegenteil ermöglicht, Arbeitslosenhilfe trotz fehlender subjektiver Verfügbarkeit zu beziehen. Im Gegenzug hat die zuständige Agentur für Arbeit zwar keine Vermittlungsleistungen erbracht, was aber - in Anbetracht fehlenden Interesses an einer Beschäftigung - für die Klägerin keinen Nachteil darstellte. Vertrauensschutz besteht im Rahmen des neuen Rechts insoweit, als ihr auch der Bezug von Leistungen nach dem SGB II unter den entsprechenden Voraussetzungen möglich ist (§ 65 Abs. 4 SGB II). Will die Klägerin stattdessen ihren Entschluss revidieren, so steht es ihr frei, ihre Erklärung auf Grund der Änderung der Gesetzeslage zu widerrufen und in die Arbeitsvermittlung zurückzukehren. Schließlich würde es eine möglicherweise verfassungsrechtlich unzulässige, da sachlich nicht zu rechtfertigende (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG), Privilegierung derjenigen älteren Arbeitslosen darstellen, die sich aus dem Arbeitsmarkt im Rahmen der 58er Regelung zurückgezogen haben, wenn dieser Personengruppe ein Vertrauensschutz hinsichtlich Art und Höhe der bis zum 31. Dezember 2004 bezogenen Entgeltersatzleistungen zugebilligt würde, nicht aber den über 58-jährigen Arbeitslosen, die in der Vermittlung geblieben sind. Diese würden andernfalls gleichsam für ihre Arbeitsbereitschaft bestraft. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die zum 01. Januar 2005 vorgenommenen Rechtsänderungen für eine Vielzahl von Sozialleistungsberechtigten, namentlich die bisherigen Bezieher von Arbeitslosenhilfe, zu spürbaren Einbußen geführt haben, die insbesondere bei älteren Arbeitslosen zu unvorhergesehenen und schmerzhaften Eingriffen in die Lebensplanung führen können. Dieses Problem trifft aber den auf Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit angewiesenen Personenkreis insgesamt und nicht etwa in besonderer Weise die Unterzeichner von Erklärungen gemäß § 428 SGB III (vgl. Sozialgericht Freiburg, Beschluss vom 18.05.2005 - S 9 AS 1581/05 ER -).

12

Die Sprungrevision war nicht zuzulassen, da es an der nach § 161 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen schriftlichen Zustimmung des Gegners fehlt. Hinzu kommt, dass die Zulassungsvoraussetzungen des § 161 Abs. 2 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 8. September 2005, L 8 AL 218/05).

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.