Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 20.06.2005, Az.: S 25 AS 231/05 ER

Anspruch einer Empfängerin von Arbeitslosengeld II auf Gewährung finanzieller Mittel für eine Babyerstausstattung sowie ein komplettes Kinderzimmer

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
20.06.2005
Aktenzeichen
S 25 AS 231/05 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 32769
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2005:0620.S25AS231.05ER.0A

Fundstellen

  • FStBW 2006, 378-379
  • FStHe 2006, 372-374
  • ZfSH/SGB 2005, 416-417
  • info also 2005, 177-178 (Volltext mit red. LS)
  • info also 2005, 236 (Kurzinformation)

In dem Rechtsstreit
hat die 25. Kammer des Sozialgerichts Lüneburg
am 20. Juni 2005
durch
den Richter am Verwaltungsgericht C- Vorsitzender -
beschlossen:

Tenor:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin weitere einmalige Beihilfen für Umstandskleidung in Höhe von 69 EUR, für Babybekleidung in Höhe von 85 EUR und für Hausrat in Höhe von 224 EUR zu gewähren. Die Antragsstellerin ist verpflichtet, die zweckentsprechende Verwendung dieser Beihilfen durch Vorlage von Rechnungen gegenüber dem Antragsgegner nachträglich zu belegen.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners, ihr weitere einmalige Beihilfen anlässlich der Geburt ihres Kindes zu gewähren. Die Antragstellerin bezieht Arbeitslosengeld II.

2

Mit Schreiben vom 4. April 2005 beantragte sie bei der Agentur für Arbeit einmalige Beihilfen wegen ihrer Schwangerschaft (Bekleidung) und fügte ein Schreiben der Stiftung "D." bei, die ihr 50 EUR für Umstandskleidung, 150 EUR für Erstausstattung und 150 EUR zur Ergänzung der Wohnungseinrichtung gewährt hatte.

3

Mit Schreiben vom 21. April 2005 teilte die Antragstellerin der Agentur mit, dass sich der Geburtstermin auf den 15. Juli verschoben habe, und beantragte eine Babyerstausstattung sowie ein komplettes Kinderzimmer.

4

Mit drei Bescheiden vom 9. Mai 2005 lehnte die Agentur für Arbeit E. den Antrag der Antragstellerin auf Schwangerschaftsbekleidung ab, da die beantragten Gegenstände nicht unter § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II fielen und die Antragstellerin schon Leistungen von Dritten erhalten habe; ferner lehnte sie den Antrag auf eine Kinderzimmereinrichtung ab, da die beantragten Gegenstände nicht unter § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II fielen. Schließlich bewilligte sie 115 EUR für Säuglingserstausstattung (Bekleidung).

5

Am 13. Mai 2005 legte die Antragstellerin Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, die bewilligte Beihilfe sei schon für Bekleidung unzureichend; auch die Ausstattung des Kinderzimmers falle unter § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II.

6

Mit Bescheid vom 13. Juni 2005 bewilligte die Agentur für Arbeit E. eine weitere Beihilfe für Umstandskleidung in Höhe von 51 EUR.

7

Bereits am 6. Juni 2005 hat sich die Antragstellerin an das Gericht gewandt. Sie macht geltend, die bewilligten Beihilfen seien unzureichend. Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen.

8

Sie ist der Ansicht, die Ausstattung für ein komplettes Kinderzimmer falle nicht unter § 23 Abs. 3 SGB II; im Übrigen habe die Antragstellerin ausreichende Mittel auch von dritter Seite erhalten.

9

II.

Der Antrag hat Erfolg.

10

Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der

11

Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges.

12

Voraussetzung für den Erlass der hier von der Antragstellerin begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, mit der sie die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

13

Im vorliegenden Verfahren ist der Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 23 Abs. 3 SGB II werden gesondert von den Regelleistungen nur noch Leistungen für 1. Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, 2. Erstausstattungen für Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft und Geburt, 3. mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen erbracht.

14

a)

Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten kommen nach der Gesetzesbegründung zur gleich lautenden Vorschrift des § 31 SGB XII z.B. nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft in Betracht (vgl. BT-Drucks. 15/1514, 60). Gleiches soll gelten bei der Erstanmietung einer Wohnung im Falle einer Trennung oder Scheidung oder auf Grund eines Auszuges eines Kindes aus dem Haushalt der Eltern, im Falle eines neugegründeten Haushalts wegen Heirat, nach dem Zuzug aus dem Ausland oder wenn ein Wohnungsloser eine Wohnung gefunden hat (so Hofmann in LPK-SGB II, 1. Aufl. 2005, § 23 Rn. 22).

15

Kennzeichnend für alle diese Konstellationen und damit anspruchsbegründend ist der Umstand, dass der jeweilige Leistungsempfänger vor Erhalt der Beihilfe über keinerlei Wohnungseinrichtung verfügt hat; nur für diesen Fall, in dem ein besonders erhöhter, aus den Regelleistungen nicht zu deckender Bedarf vorliegt, kann noch eine einmalige Beihilfe gewährt, nicht aber bereits dann, wenn die an sich vorhandene Wohnungseinrichtung nur unvollständig oder z.T. defekt oder unbrauchbar ist.

16

Das Fall der Geburt eines Kindes stellt eine derartige, vom Gesetzgeber gemeinte Konstellation dar mit der Folge, dass für die Erstausstattung eines Kinderzimmers grundsätzlich einmalige Beihilfen zu leisten sind (so auch Hofmann a.a.O., § 23 Rn. 23, 25). Für die Einrichtung des Kinderzimmers hat die Antragstellerin bislang 150 EUR von einer Stiftung erhalten; diese sind nach § 11 Abs. 3 Nr. a SGB II als Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen (hier: Verbesserung der Lage werdender Mütter unabhängig von staatlichen Leistungen) und die Lage des Hilfeempfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, nicht als Einkommen zu berücksichtigen und können mithin nicht auf den Bedarf angerechnet werden (vgl. Brühl in LPK-SGB II, a.a.O., § 11 Rn. 46). Der Verweis auf Almosen anderer ist mithin nicht statthaft. Als Beihilfe für die Hausratsgrundausstattung ist nach den Richtlinien eines örtlichen Trägers im Bezirk des Sozialgerichts F., die auch das Gericht im Eilverfahren für angemessen erachtet, eine Beihilfe von 224 EUR zu gewähren.

17

b)

Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind ferner einmaligen Beihilfen für Erstausstattungen für Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft und Geburt zu gewähren, mithin für Schwangerschaftskleidung wie auch für Säuglingserstausstattung (vgl. Hofmann, a.a.O., § 23 Rn. 29). Für Schwangerschaftskleidung hält das Gericht ebenso wie einer der örtlichen Träger in seinem Bezirk eine Beihilfe in Höhe von 120 EUR für angemessen, wovon die Agentur für Arbeit bereits mit Bescheid vom 14. Juni 2005 einen Teilbetrag von 51 EUR bewilligt hat; die Leistungen der Stiftung können auch hier nicht angerechnet werden.

18

Für Säuglingserstausstattung ist für die ersten sechs Monate nach Einschätzung des Gerichts ein Betrag von 200 EUR anzusetzen, von dem die Antragsgegnerin schon 115 EUR bewilligt hat; nach den ersten sechs Monaten ist nach Ansicht des Gerichts eine weitere Pauschale zu bewilligen, über die derzeit noch nicht zu entscheiden ist.

19

Ein Anordnungsgrund ergibt sich aus dem nahe bevorstehenden Geburtstermin, der das Abwarten einer Hauptsacheentscheidung unzumutbar macht.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.