Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 24.03.2005, Az.: S 29 SO 78/05 ER
Arbeitslosengeld II; Arbeitsuchender; Ehegatte; Einrichtungsgegenstand; Erforderlichkeit; Erstausstattung; Grundsicherung; Haushaltsgerät; Möbel; möblierte Wohnung; Notwendigkeit; Scheidung; Sonderbedarf; Trennung; Umzug; Wohnung; Wohnungserstausstattung; Wohnungswechsel
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 24.03.2005
- Aktenzeichen
- S 29 SO 78/05 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 51080
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2
Tenor:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller eine Beihilfe zur Erstausstattung seiner Wohnung zu zahlen in Höhe 900,- €.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu 1/2.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., bewilligt.
Tatbestand:
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners, eine Beihilfe für die Erstausstattung seiner Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten zu gewähren.
Der Antragsteller lebt seit 1986 in Deutschland. Seine Ehe wurde im Jahr 1994 geschieden. Er erhält zur Zeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 23. Dezember 2004 beantragte er die Erstausstattung der von ihm seit 16. November 2004 angemieteten Wohnung mit dringend benötigten Haushaltsgegenständen und –geräten. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. Februar 2005 ab. Hiergegen legte der Antragsteller am 14. Februar 2005 Widerspruch ein, der vom Antragsgegner mit Bescheid vom 18. Februar 2005 zurückgewiesen wurde.
Der Antragsteller trägt vor, seit seiner Scheidung im Jahr 1994 seien ihm keinerlei Einrichtungsgegenstände verblieben. Seit diesem Zeitpunkt habe er in der Gastronomie gearbeitet, und zwar in Hotels und Restaurants. Dort habe er jeweils ein möbliertes Zimmer zur Verfügung gehabt. Er habe seit dem zu keinem Zeitpunkt über eigene Einrichtungsgegenstände verfügt. Zuletzt habe er ohne eigene Wohnung drei Wochen in seinem Pkw gelebt. Darüber hinaus sei er in Insolvenz geraten. Aus diesen Gründen verfüge er über keinerlei Hausrat.
Die in seiner Wohnung befindlichen Haushaltsgegenstände gehörten nicht ihm, sondern einer Mitbürgerin, die sich seines Schicksals angenommen und es gelindert habe. Es handele sich hierbei um eine gewisse Frau E. Diese habe die Gegenstände kurzzeitig zur Verfügung gestellt, benötige sie jedoch dringend wieder zurück.
Hinsichtlich der Höhe verweist der Antragsteller auf eine von ihm erstellte Liste mit den geschätzten Kosten für die begehrten Haushaltsgegenstände.
Der Antragsteller beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung dem Antragsgegner aufzugeben, ihm eine Beihilfe für die Erstausstattung seiner Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten in Höhe von 1.940,- € zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er trägt vor es handele sich nicht um die Erstausstattung einer Wohnung, sondern um einen Umzug aus der bisherigen in die jetzige. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsteller aus der bisherigen Wohnung kein Mobiliar und keinen Hausrat mitgenommen habe. Allein seit dem Jahr 2003 sei der Antragsteller fünfmal umgezogen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass er mindestens seit dieser Zeit ohne Wohnungsausstattungen ausgekommen sein will. Die Scheidung des Antragsteller liege nunmehr 11 Jahre zurück. In dieser Zeit habe der Antragsteller mehrere Unterkünfte angemietet, so dass eine Erstanmietung im Anschluss an eine Scheidung hier nicht mehr vorliege. Außerdem sei es erfahrungsgemäß nach Scheidungen eher selten, dass eine der Parteien ganz ohne Einrichtungsgegenstände verbleiben. Es daher in diesem Fall davon auszugehen, dass der Kläger zumindest über eine teilweise Ausstattung an Möbeln und Hausrat verfügt habe. Im Übrigen erscheine die Forderung des Klägers der Höhe nach weit überzogen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag hat Erfolg in Höhe von 900,- €.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges.
Voraussetzung für den Erlass der hier vom Antragsteller begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, mit der er die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Dabei darf die einstweilige Anordnung des Gerichts wegen des summarischen Charakters dieses Verfahrens grundsätzlich nicht die endgültige Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen, weil sonst die Erfordernisse, die bei einem Hauptsacheverfahren zu beachten sind, umgangen würden. Auch besteht die Gefahr, dass eventuell in einem Eilverfahren vorläufig, aber zu Unrecht gewährte Leistungen später nach einem Hauptsacheverfahren, dass zu Lasten des Antragstellers ausginge, nur unter sehr großen Schwierigkeiten erfolgreich wieder zurückgefordert werden könnten. Daher ist der vorläufige Rechtsschutz nur dann zu gewähren, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abzuwendende Nachteile entstünden, zur deren Beseitigung eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69, 74 [BVerfG 25.10.1988 - 2 BvR 745/88] m.w.N.).
Im vorliegenden Verfahren ist der Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es handelt sich bei der vom Antragsteller begehrten Leistung um die Erstausstattung einer Wohnung nach § 23 Abs. 3 Ziff. 1 SGB II. Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten erfolgt dann, wenn beim Hilfebedürftigen eine Wohnungsausstattung nicht vorhanden ist. Dies ist z.B. nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft sowie im Falle einer Trennung oder Scheidung der Fall (BT-Drucksache 15/1514, 60; ebenso Münder, SGB II, RN 22 zu § 23; Hauck/Noftz, SGB II, RN 20 zu § 23).
Da die Scheidung des Antragstellers bereits 11 Jahre zurückliegt, kann eine Erstausstattung der Wohnung aufgrund einer Scheidung nicht ohne weiteres angenommen werden. Die Situation ist jedoch den o. g. Beispielen gleichzusetzen. Der Antragsteller hat nach der Scheidung in wechselnden, möblierten Unterkünften gewohnt und aus diesem Grund keine eigenen Einrichtungsgegenstände angeschafft. Dies hat er glaubhaft gemacht durch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Bei der Anmietung möblierter Wohnungen oder Zimmer ist die Anschaffung von Hausrat in nennenswertem Umfang nicht notwendig, da dieser vom Vermieter gestellt wird. Im übrigen spricht auch der häufige Wohnortwechsel gerade dafür, dass kein nennenswerter Hausrat vorhanden ist, da ohne einen solchen ein Umzug wesentlich leichter zu bewerkstelligen ist. Dass der in der Wohnung vorhandene Hausrat nicht dem Antragsteller gehört, sondern einer Bekannten, ist jedenfalls in für das summarische Verfahren hinreichendem Umfang glaubhaft gemacht. Im vorliegenden Verfahren kann daher von der Erstausstattung einer Wohnung ausgegangen werden.
In der Höhe ist die Forderung des Antragstellers jedoch nicht gerechtfertigt. Zum einen sind bei ihm etliche kostenintensive Einrichtungsgegenstände bereits vorhanden, wie z.B. ein Kleiderschrank und eine Küchenzeile mit Kühlschrank und Herd etc. Zum anderen hat er in der von ihm eingereichten Liste teilweise die Kosten für die noch benötigten Haushaltsgegenstände überhöht angesetzt. Es war daher nur eine Beihilfe in Höhe von 900,- € zu gewähren.
Der Anordnungsgrund, die Eilbedürftigkeit, ergibt sich daraus, dass die zur Zeit in der Wohnung vorhandenen Gegenstände nur kurzfristig geliehen sind und demnächst an die Eigentümerin zurückgegeben werden müssen. Es ist dem Antragsteller nicht zuzumuten, ohne eine Wohnungseinrichtung eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat Erfolg (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 SGG.