Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 19.01.2006, Az.: L 8 AS 395/05
Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe; Kürzung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe durch das neue Arbeitslosengeld II als Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht; Folgen der Abgabe einer Erklärung nach § 428 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 19.01.2006
- Aktenzeichen
- L 8 AS 395/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 17837
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2006:0119.L8AS395.05.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 65 Abs. 4 SGB II
- § 198 S. 2 Nr. 3 SGB III
- § 428 Abs. 1 SGB III
- § 428 Abs. 2 SGB III
- Art. 14 GG
Redaktioneller Leitsatz
Die Abschaffung der früheren Arbeitslosenhilfe zum 31.12.2004 und Neueinführung des Arbeitslosengeldes II ist verfassungsgemäß.
Die Erwartung, dass das Arbeitslosengeld II genauso hoch ist, wie die frühere Arbeitslosenhilfe ist nicht schutzwürdig und begründet daher keinen Vertrauenstatbestand.
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 26. September 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob die Beklagte den Klägern für die Zeit ab 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe der der Klägerin zu 1) zuvor gezahlten Arbeitslosenhilfe (Alhi) zahlen muss.
Die im Jahre 1945 geborene Klägerin zu 1) bezog bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 25. Mai 2004 Arbeitslosengeld (Alg), zuletzt in Höhe von 327,53 EUR wöchentlich, anschließend bis zum 31. Dezember 2004 Anschluss-Alhi (nach Abzug eines wöchentlichen Anrechnungsbetrages von 164,50 EUR) in Höhe von zuletzt 88,76 EUR wöchentlich. Bereits am 10. September 2003 hatte sie eine Erklärung zu § 428 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) unterzeichnet, wonach sie Alhi "unter erleichterten Voraussetzungen" erhalten kann. In dem von der Klägerin unterzeichneten Vordruck sind die "erleichterten Voraussetzungen" dahin umschrieben, dass sie auch Leistungen erhalten könne, wenn sie nicht mehr arbeiten möchte; außerdem müsse sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt Altersrente beantragen.
Der 1935 geborene und mit der Klägerin zu 1) verheiratete Kläger zu 2) erzielte 2004 folgende monatlichen Einkünfte: Betriebsrente von 183,35 EUR, Unfallrente von 618,71 EUR und Altersrente von 1.149,50 EUR, zusammen 1.951,56 EUR. Er ist auf Grund eines am 31. Januar 2001 vor dem Familiengericht G. geschlossenen Vergleichs verpflichtet, an seine geschiedene Ehefrau monatlich 741,37 EUR Unterhalt zu zahlen.
Mit Bescheid vom 23. November 2004 lehnte die Beklagte (Agentur für Arbeit H.) den Antrag der Kläger auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab, da die Kläger nicht hilfebedürftig i.S. der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II seien. Dem Gesamtbedarf der Klägerin zu 1) von monatlich 428,81 EUR (345,00 EUR Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 SGB II und 76,81 EUR Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs. 1 SGB II) stünde ein Einkommen von 1.533,74 EUR pro Monat gegenüber (Einkünfte des Klägers zu 2) von 1.951,56 EUR abzüglich 30,00 EUR Versicherungspauschale gemäß § 3 Nr. 1 der Arbeitslosengeld II-/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) vom 20. Oktober 2004 sowie Regelleistung von 345,00 EUR und 76,81 EUR Kosten der Unterkunft).
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch beanspruchten die Kläger ab 1. Januar 2005 Leistungen in der Höhe, wie sie bis Ende 2005 an die Klägerin zu 1) gezahlt worden seien. Die Beklagte habe auf der Grundlage des § 428 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) mit der Klägerin zu 1) einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen, von dem sie jetzt nicht einseitig abrücken könne. § 65 Abs. 4 SGB II könne nicht in die getroffene vertragliche Vereinbarung eingreifen. Die Leistungskürzung verstoße gegen Verfassungsrecht. Im Übrigen genieße die Klägerin zu 1) im Hinblick auf die Weiterzahlung von Leistungen in Höhe der zuletzt gewährten Alhi über den 1. Januar 2005 hinaus Vertrauensschutz.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 08. Februar 2005 zurück: Dem Gesamtbedarf der Klägerin zu 1) von 387,82 EUR (311,00 EUR Regelsatz und 76,82 EUR anteilige Kosten der Unterkunft) stünde unter Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an die geschiedene Ehefrau des Klägers zu 2) in Höhe von 741,37 EUR ein Einkommensüberhang bei diesem und damit ein bei der Klägerin zu 1) zu berücksichtigendes Einkommen von 822,37 EUR gegenüber. Nach Absetzung einer Versicherungspauschale von 30,00 EUR und nachgewiesener Kosten für eine Kraftfahrzeugversicherung in Höhe von 82,74 EUR monatlich ergäbe sich ein "Sonstiges Einkommen" in Höhe von 709,63 EUR und damit keine Bedürftigkeit seitens der Klägerin zu 1). Durch die Erklärung nach § 428 SGB III seien die bisherigen Leistungen nicht festgeschrieben worden. Eine entsprechende Vereinbarung zur Höhe und Dauer der Leistungen sei nicht getroffen worden.
Hiergegen haben die Kläger am 23. Februar 2005 Klage erhoben. Sie haben ergänzend vorgetragen, dass die gemäß § 428 SGB III gewährte Alhi einen ganz anderen Sinn und Zweck - nämlich die Sicherung der sozialen Stellung älterer Arbeitsloser - als das nach dem SGB II gewährte Arbeitslosengeld II habe. Anders als das Alg II orientiere sich die Alhi deshalb nicht nur am Bedarf der Antragsteller, sondern auch an deren bisher erzieltem Arbeitseinkommen.
Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat die Klage mit Urteil vom 26. September 2005 abgewiesen. Die Klägerin zu 1) habe keinen Anspruch auf Leistungen in Höhe der bis zum 31. Dezember 2004 gewährten Alhi, weil die hierzu ergangene Rechtsgrundlage mit dem 1. Januar 2005 weggefallen sei. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sei zwischen den Beteiligten nicht zu Stande gekommen, denn lediglich die Klägerin zu 1) habe eine einseitige Erklärung abgegeben. Die Zusage einer bestimmten Leistungsart oder -höhe sei damit nicht verbunden gewesen. Vielmehr setze die Erklärung einen Alg- oder Alhi-Anspruch voraus. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, welcher Nachteil der Klägerin zu 1) wegen der nach § 428 SGB III abgegebenen Erklärung bisher entstanden sei. Ihr stünde es frei, diese Erklärung zu widerrufen und sich dem Arbeitsmarkt erneut zur Verfügung zu stellen.
Die Kläger haben gegen das ihnen am 10. Oktober 2005 zugestellte Urteil vom 9. November 2005 Berufung eingelegt.
Die Kläger beantragen,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 26. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 23. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2005 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, ihnen - den Klägern - Leistungen nach dem SGB II in der Höhe zu zahlen, die die Klägerin zu 1) bis zum 31. Dezember 2004 als Arbeitslosenhilfe bezogen habe.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 in Verbindung mit § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft. Die Kläger wollen offensichtlich die Weiterzahlung der der Klägerin zu 1) bis zum 31. Dezember 2004 gewährten Alhi bis zum Eintritt in den ungekürzten Rentenbezug. Bei einer Alhi-Leistung in Höhe von 88,76 EUR wöchentlich ist der Berufungsbeschwerdewert von 500,00 EUR des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erreicht.
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG und die Beklagte haben zu Recht entschieden, dass die Kläger keinen Anspruch auf Alg II in Höhe der zuletzt bewilligten Alhi ab 1. Januar 2005 haben. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Ab dem 1. Januar 2005 kann Alhi nicht mehr gezahlt werden, weil die entsprechenden Vorschriften aufgehoben sind. Diese waren im 7. Unterabschnitt (§§ 190 ff) SGB III enthalten. Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (4.ModDienstlG) vom 24. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 2003, Seite 2954, Artikel 3 Nr. 1d und Nr. 15) wurden diese Vorschriften mit Wirkung ab 1. Januar 2005 aufgehoben (Art 61 Abs. 1 4.ModDienstlG). Ab dem 1. Januar 2005 wird daher nach der Entscheidung des Gesetzgebers Alhi nicht mehr gewährt. An Stelle dessen haben Antragsteller die Möglichkeit, Leistungen nach dem SGB II (Art 1 4.ModDienstlG) oder nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I Seite 3022) zu beantragen.
In § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III, hier in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des Art 3 Nr. 14 4.ModDienstlG, war geregelt, dass Alhi längstens bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden darf. Dementsprechend hatte die Agentur für Arbeit H. im Bescheid vom 5. Mai 2004 die Bewilligung der Alhi bis zum 31. Dezember 2004 befristet. Dies ist nicht zu beanstanden.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Entscheidung des Gesetzgebers bestehen nicht. Er war insbesondere nicht daran gehindert, diese Leistungsart abzuschaffen und für die Sicherstellung des Lebensunterhalts ein anderes Regelungswerk einzuführen (zum Wegfall der originären Alhi ab 1. Januar 2000 vgl. BSG SozR 4-4300 § 434b Nr. 1). Die Klägerin zu 1) steht ab 1. Januar 2005 nicht mittellos ohne Sozialleistungen da. Sie hat im Falle der Bedürftigkeit bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Sie konnte sich spätestens nach Erhalt des Bescheides vom 5. Mai 2004 auf diese neue Situation einstellen. Andere Hindernisse sind nicht ersichtlich, weil der Anspruch auf Alhi nicht dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs. 1 GG unterfällt (ausführlich Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 13 Rdnrn 31 - 37). Deshalb ist die Argumentation, die Kürzung des Alhi-Anspruchs durch das neue Alg II greife in erworbene Rechte ein, die dem Eigentumsschutz nach Art 14 GG unterlägen, verfehlt (zu dieser Argumentation: Mayer, Fordern statt Fördern - ältere Arbeitslose unter Hartz IV, NZS 2005, S 568). Die Alhi ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und fällt daher nicht in den Schutzbereich des Art 14 GG (vgl BVerfG, Beschluss vom 26. September 2005 - 1 BvR 1773/03 - zur Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen bei der Bemessung von Alhi).
Darüber hinaus kann sich der Gesetzgeber für die Zusammenführung von Alhi und Sozialhilfe ab 1. Januar 2005 auf gewichtige Gründe berufen. Er hat im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz als reformbedürftig angesehen, dass allein die unterschiedliche Art des Leistungsbezuges bei Arbeitslosigkeit trotz Erwerbsfähigkeit (Sozialhilfe einerseits bzw. Alhi andererseits) den Zugang zu den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen prägte, zu unterschiedlicher sozialer Sicherung (Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rente), zu unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten (Sozialgerichte/Verwaltungsgerichte) und immer wieder zu Versuchen der Leistungsverschiebung zwischen den Körperschaften geführt hatte. Diese Entscheidung liegt im Rahmen der Gesetzgebungsprärogative und ist von den Gerichten nicht unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu überprüfen. Sollte es bei diesen übergeordneten Zielen in einigen Einzelfällen zu einer Reduzierung der finanziellen Transferleistung kommen, muss dieser Umstand hingenommen werden (vgl zu den vorstehenden Ausführungen Senatsbeschluss vom 26. Januar 2005 - L 8 AL 8/05 ER -; Senatsurteil vom 30. Juni 2005 - L 8 AL 57/05 -).
Die Kläger können aus der am 10. September 2003 von der Klägerin zu 1) unterschriebenen Erklärung zu § 428 SGB III zu ihren Gunsten nichts herleiten. Nach dieser Vorschrift, die gemäß § 198 Satz 2 Nr. 3 SGB III auch für die Alhi galt, haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Alg allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Nach § 428 Abs. 2 SGB III soll die Beklagte dem Arbeitslosen, der nach Unterrichtung über die Regelung des Satzes 2 drei Monate Alg nach Abs. 1 bezogen hat und in absehbarer Zeit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Altersrente voraussichtlich erfüllt, auffordern, innerhalb eines Monats Altersrente zu beantragen; dies gilt nicht für Altersrenten, die vor dem für den Versicherten maßgebenden Rentenalter in Anspruch genommen werden können.
In Kenntnis dieser Voraussetzungen hat die Klägerin zu 1) die Erklärung zu § 428 SGB III unterschrieben.
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB III war u.a. die objektive und subjektive Arbeitsbereitschaft der Leistungsbezieher. Durch die Erklärung nach § 428 Abs. 1 SGB III wurde auf die subjektive Arbeitsbereitschaft verzichtet; das heißt, wer ein bestimmtes Alter erreicht hat und nicht mehr arbeiten wollte, konnte gleichwohl weiterhin Leistungen nach dem SGB III erhalten, obwohl er selber nicht mehr arbeiten wollte. Diese Regelung trug dem Umstand Rechnung, dass ältere Arbeitslose in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit kaum zu vermitteln waren. Sie sollte dem Arbeitslosen den Druck nehmen, eine Arbeitsbereitschaft gegenüber den Arbeitsämtern vortäuschen zu müssen und sollte zu einer Entlastung der Arbeitsämter sowie der Arbeitslosenstatistik führen (vgl Brand in Niesel, Kommentar zum SGB III, 3. Auflage 2005, § 428 Rdnr 1). Die Regelung des § 428 Abs. 1 SGB III verzichtete demnach allein auf das Vorliegen der subjektiven Arbeitsbereitschaft, sonstige Anspruchshindernisse wurden von dieser Regelung nicht erfasst. Wenn sie vorlagen - etwa das Fehlen der objektiven Verfügbarkeit - konnten sie den zugrunde liegenden Anspruch ausschließen (vgl BSG, Urteil vom 30. März 2004 - B 1 KR 30/02 R - SozR 4-2500 § 44 Nr. 1 = Breithaupt 2005, Seite 157).
Mithin erstreckte sich die Erklärung nach § 428 Abs. 1 SGB III allein darauf, dass auf die subjektive Verfügbarkeit - das Arbeiten wollen der Antragsteller - verzichtet wurde, aber gleichwohl Fürsorgeleistungen des Staates - Alhi - weiter erbracht wurden. Allein hierauf kann sich ein Vertrauenstatbestand der Klägerin zu 1) stützen.
Dieses berücksichtigend hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 65 Abs. 4 SGB II geschaffen. Danach haben abweichend von § 2 SGB II auch erwerbsfähige Hilfebedürftige Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu beenden. Vom 1. Januar 2006 (jetzt 1. Januar 2008, Art 2 Gesetz vom 22. Dezember 2005, BGBl. I S 3676) an gilt Satz 1 nur noch, wenn der Anspruch vor dem 1. Januar 2006 (jetzt 1. Januar 2008, s.o.) entstanden ist und der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor diesem Tag das 58. Lebensjahr vollendet hat; § 428 SGB III gilt entsprechend.
Die Regelung des § 65 Abs. 4 SGB II wurde auch im Hinblick auf Bezieher von Alhi geschaffen, welche die Möglichkeiten des § 428 Abs. 1 SGB III in Anspruch genommen hatten. Dies ergibt sich aus der amtlichen Begründung zu § 65 SGB II (Bundestagsdrucksache 15/1749). Die erleichterte Bezugsmöglichkeit der Alhi kann zu Lebensplanungen geführt haben, deren Änderungen unzumutbar wären. Mit § 65 Abs. 4 SGB II ist daher eine Vertrauensschutzbestimmung geschaffen worden, durch die zeitlich begrenzt bis Ende 2005 (jetzt 2007) sichergestellt wird, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige, die auf die bisherige Rechtslage - § 428 Abs. 1 SGB III - vertrauten, ihre Lebensplanung nicht mehr ändern müssen. Ältere Arbeitslose werden auch unter Geltung des SGB II von der Obliegenheit des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft befreit (vgl dazu Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, Loseblattsammlung, § 65 Rdnr 37; Blüggel in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2005, § 65 Rdnr 16; Mayer in Oestreicher, Kommentar zum SGB XII/SGB II, Loseblattsammlung, § 65 SGB II Rdnrn 35ff).
Damit ist auch unter Geltung des SGB II das Vertrauen dahingehend geschützt, dass für die Gewährung der Leistungen nach dem SGB II für die älteren Arbeitslosen, die von der Regelung des § 428 Abs. 1 SGB III Gebrauch gemacht hatten, keine subjektive Arbeitsbereitschaft mehr erwartet wird. Für weitergehenden Vertrauensschutz bestand kein Anlass. Insbesondere kann die Erwartung nicht schützenswert sein, dass die neue Leistung des Alg II in gleicher Höhe wie zuvor die frühere Alhi erbracht wird. Denn der Gesetzgeber hätte, da es sich bei der Alhi wie beim Alg II um eine steuerfinanzierte Sozialleistung handelt, die Leistung jederzeit - bis auf das Niveau der Sozialhilfe - absenken können (vgl Mayer, a.a.O., Rdnr 39).
Im Übrigen wurde auch unter Geltung des SGB III die Höhe der Alhi jährlich vermindert. Denn nach § 200 Abs. 3 SGB III wurde das Bemessungsentgelt für die Alhi jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Bestehen des Anspruchs auf Alhi um 3% abgesenkt. Dies verdeutlicht, dass ein Vertrauensschutz auf die Beibehaltung der Höhe der Alhi zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung nach § 428 Abs. 1 SGB III zu keiner Zeit bestanden hat, zumal die Höhe der Alhi weiterhin abhängig von Einkommen und Vermögen war, §§ 193, 194 SGB III.
Jedenfalls im Widerspruchsverfahren hat die Beklagte den Bedarf der Klägerin zu 1) mit 387,82 EUR zutreffend ermittelt. Diesem Bedarf steht, wenn zu Gunsten der Kläger davon ausgegangen wird, dass der Kläger zu 2) die Unterhaltsleistungen an seine geschiedene Ehefrau tatsächlich erbringt, ein Einkommensüberschuss seitens des Klägers zu 2) in Höhe von 709,63 EUR gegenüber, so dass keine Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 1) vorliegt.
Zwar hat die Klägerin zu 1) neben dem eigenen Bedarf in Höhe von 387,82 EUR bis zum 25. Mai 2006 einen Anspruch auf den befristeten Zuschlag nach Bezug von Alg gemäß § 24 SGB II, da sie bis zum 25. Mai 2004 Alg bezogen hatte. Ein solcher Anspruch kommt nach der Rechtsprechung des Senats (ua Beschluss vom 5. Juli 2005 - L 8 AS 71/05 ER ) auch dann in Betracht, wenn der Klägerin - wie vorliegend - kein Alg II i.S. des § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II gezahlt wird, weil das ihrer Bedarfsgemeinschaft insgesamt zur Verfügung stehende Einkommen höher ist als deren Bedarf (ohne Berücksichtigung des Zuschlages nach § 24 SGB II). Der befristete Zuschlag nach dem Bezug von Alg ist gemäß § 24 SGB II Bestandteil der Leistung Alg II und daher dem Grundbedarf zuzurechnen. Da der Zuschlag gemäß § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB II jedoch bei Partnern im ersten Jahr nach Ende des Bezugs von Alg auf 320,00 EUR begrenzt ist und im zweiten Jahr jedenfalls nicht höher sein kann, ergibt sich unabhängig von der Berechnung des Zuschlags (vgl hierzu u.a. Herrmann/Söhngen in SozSich 2004, 411) kein das zu berücksichtigende Einkommen übersteigender Bedarf: Dieser beträgt demnach höchstens 707,82 EUR (387,82 EUR zzgl 320,00 EUR) und liegt unter dem Einkommensüberschuss von 709,63 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Kläger unterliegen, tragen sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beimisst. Zwar gibt es bisher - soweit bekannt keine von diesem Urteil abweichende sozialgerichtliche Entscheidung zu der Frage, ob aus der Erklärung zu § 428 SGB III Auswirkungen auf die Leistungshöhe nach dem SGB II folgen können. Klärungsbedürftig erscheint jedoch in einer Vielzahl anhängiger Verfahren, ob die (fehlende) gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist (vgl zur Klärungsbedürftigkeit in solchen Fällen BSG Beschluss vom 22. August 1975, BSGE 40, 158).-