Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.07.2001, Az.: 15 V 140/01
Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.07.2001
- Aktenzeichen
- 15 V 140/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 14594
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0712.15V140.01.0A
Fundstellen
- DStRE 2001, 1380-1381 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2001, 1411-1412 (Volltext mit red. LS)
Tatbestand
Mit Verfügung vom 26. Oktober 2000 hat der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) den Antragsteller zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unter Vorlage eines Vermögensverzeichnisses für den 6. Dezember 2000 geladen. In einer Anlage zu dem Bescheid bezifferte das FA die Abgabenrückstände des Antragstellers mit [mehr als 500.000 DM].
Gegen diesen Verwaltungsakt legte der Antragsteller am 15. November 2000 Einspruch ein. Er begründete den Einspruch zunächst im wesentlichen unter Bezugnahme auf einen Erlassantrag, den er am 14. November 2000 bei der OFD Hannover ... gestellt habe. Gleichzeitig beantragte er, das Verfahren solange auszusetzen, bis die OFD über den Erlassantrag entschieden habe.
Das FA hob am 29. November 2000 den Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf und gewährte dem Antragsteller eine Frist bis zum 31. Dezember 2000 zur weiteren Begründung des Einspruchs. Am 7. Februar 2001 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Ebenfalls am 7. Februar 2001 lehnte das FA den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 15. November 2000 ab. Das FA begründete seine Entscheidung damit, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes. Soweit der Antragsteller davon ausgehe, dass das Einspruchsverfahren gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eine aufschiebende Wirkung erzeuge, bis über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden sei, verkenne er, dass das FA seine Einwendungen bereits im Einspruchsbescheid vom 28. August 2000 zurückgewiesen und diese Entscheidung mit Ablauf des 2. Oktober 2000 Bestandskraft erlangt habe. Neue, dem FA in dem früheren Verfahren nicht genannte Einwendungen seien nicht vorgetragen worden. Die Einwendungen dieses Rechtsbehelfsverfahrens seien vielmehr denen des Erlassverfahrens inhaltsgleich. Für das FA bestehe nach alledem keine Veranlassung, die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bis zur Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung zurückzustellen. Gleichzeitig bestimmte das FA einen erneuten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, und zwar auf den 15. März 2000.
Am 7. März 2001 hat der Antragsteller Klage gegen die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 26. Oktober 2000 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 7. Februar 2001 erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt.
Der Antragsteller begründet seine Klage im wesentlichen unter Bezugnahme auf das Erlassverfahren, dessen Durchführung er am 14. November 2000 gegenüber der OFD beantragt habe. Er hält die Entscheidung des Antragsgegners, ihn zum gegenwärtigen Zeitpunkt - und damit noch vor Ergehen einer Entscheidung im Erlassverfahren - die eidesstattliche Versicherung abnehmen zu wollen, aber auch für ermessensfehlerhaft. Denn die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung sei für einen ehrbaren Kaufmann wie ihn ein Makel, der sich nicht mehr rückgängig machen lasse (Blatt 21 der Gerichtsakte).
Der Antragsteller beantragt,
die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 26. Oktober 2000 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 7. Februar 2001 so lange auszusetzen, bis über den Antrag des Antragstellers auf Erlass von Steuerschulden vom 14. November 2000 bestandskräftig entschieden worden ist.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner ist nach wie vor der Auffassung, dass die Klage des Antragstellers gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung keine aufschiebende Wirkung entfalte, weil über die auch in diesem Verfahren erhobenen Einwendungen des Antragstellers bereits in dem bestandskräftigen Einspruchsbescheid vom 28. August 2000 über den ersten Antrag auf Erlass unanfechtbar entschieden worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Steuerakten des Antragsgegners verwiesen.
Gründe
Der Antrag ist zulässig.
Insbesondere hat der Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis an einer Entscheidung über diesen Antrag. Zwar entfaltet eine Klage gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 284 Abs. 6 Satz 2 Abgabenordnung (AO) grundsätzlich bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung aufschiebende Wirkung. Bestreitet indes die Vollstreckungsbehörde, dass die vom Vollstreckungsschuldner eingelegte Klage die Voraussetzungen des § 284 Abs. 6 Satz 2 AO erfülle, kann der Antrag des Vollstreckungsschuldners auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht schon wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen werden. In solchen Fällen steht Vollstreckungsschuldnern vorläufiger Rechtsschutz entsprechend den Regelungen über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) zu (vgl. BFH-Beschluss vom 25. November 1997 VII B 188/97, BFHE 184, 248, BStBl. II 1998, 227).
Der Antragsteller durfte sich mit seinem Antrag gem. § 69 Abs. 4 Nr. 1 FGO auch an das Finanzgericht wenden, da das FA vor Antragstellung einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurückgewiesen hatte.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist insoweit begründet, als die vom Antragsteller erhobene Klage aufschiebende Wirkung gem. § 284 Abs. 6 Satz 2 AO hat.
Nach § 284 Abs. 6 Satz 2 AO ist ein Vollstreckungsschuldner, der gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung einen Rechtsbehelf einlegt und begründet, grundsätzlich erst nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Rechtsbehelf zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Denn der Antragsteller hat fristgerecht Einspruch und Klage erhoben und diese auch inhaltlich begründet.
Ausnahmsweise hat ein Rechtsbehelf gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 6 Satz 3 AO dann keine aufschiebendes Wirkung, wenn und soweit die mit der Klage geltend gemachten Einwendungen bereits in einem früheren Verfahren unanfechtbar zurückgewiesen worden sind.
Eine solche Ausnahme liegt nicht vor. Denn ein früheres Verfahren in diesem Sinne ist nach Auffassung des erkennenden Senates nur ein Verfahren in dem sich ein Vollstreckungsschuldner gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wendet. Diese einschränkende Auslegung folgt aus dem besonderem Schutzgedanken des § 284 Abs. 6 Satz 2 AO, der die Aussetzung der Vollziehung für qualifizierte, d.h. inhaltlich begründete Rechtsbehelfsverfahren gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bis zu deren Bestands- bzw. Rechtskraft kraft Gesetzes anordnet, weil für den Vollstreckungsschuldner mit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung regelmäßig erhebliche Nachteile verbunden sind. Einen Rechtsbehelf des Antragstellers gegen die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hat der Antragsgegner aber bisher nicht unanfechtbar zurückgewiesen.
Im übrigen hat der Antragsteller seine Klage auch nicht nur mit Argumenten begründet, die schon Gegenstand eines bestandskräftig abgeschlossenen Rechtsbehelfsverfahrens wegen Erlass von Steuern und steuerlichen Nebenleistungen gewesen sind. Der Antragsteller hat vielmehr in seiner Klagebegründung durch ausdrückliche Bezugnahme auf seinen Einspruch vom 2. März 2001 (bezeichnet als Anlage 6) Fehler in der Ausübung des Ermessens durch das FA bei der Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung behauptet, die bisher noch nicht Gegenstand eines unanfechtbar abgeschlossenen Rechtsbehelfsverfahrens gewesen sind. Auf die Frage, ob die Einwendungen des Antragstellers im Ergebnis durchgreifen, kommt es im Rahmen des § 284 Abs. 6 AO nicht an.
Der weitergehende Antrag des Antragstellers, nämlich die Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erlass zu gewähren, ist unbegründet, weil es hierfür an einer entsprechenden Rechtsgrundlage fehlt. Insbesondere handelt es sich bei dem Verfahren wegen des beantragten Erlasses nicht um ein vorgreifliches Verfahren im Sinne von § 74 FGO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.