Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.08.2001, Az.: 1 K 66/97

Geltendmachung der Unrechtmäßigkeit der Erhebung von Vollstreckungskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung; Rechtsbehelf gegen Abrechnungsbescheid

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
30.08.2001
Aktenzeichen
1 K 66/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 14671
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2001:0830.1K66.97.0A

Tatbestand

1

Streitig ist die Verrechnung von Kosten aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Beklagten mit Landwirtschaftskammerbeiträgen.

2

Mit Bescheid vom 14.12.1995 setzte der Beklagte den Landwirtschaftskammerbeitrag 1995 gegenüber dem Kläger auf 190,00 DM fest. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 11.01.1996 Einspruch ein. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde nicht gestellt.

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Nachdem eine Mahnung erging, schrieb der Kläger am 20.01.1996 an den Beklagten, dass er "Widerspruch" eingelegt habe, sich dieser möglicherweise mit der Mahnung gekreuzt habe und dass er davon ausgehe, dass sich die Angelegenheit für ihn erledigt habe, wenn er nichts Gegenteiliges vom Beklagten höre. Auf dieses Schreiben ging der Beklagte nicht ein. Vielmehr hatte der Sachbearbeiter in der Bewertungsstelle bereits am 19.01.1996 ein Schreiben an den Kläger übersandt, in dem er sich mit dem Einspruch inhaltlich auseinandersetzte. Darin führte er aus, dass er den Einspruch als Antrag auf Wertfortschreibung auffasse, da im Jahre 1994 verschiedene Flächen veräußert worden seien. Es würden dem Kläger in ca. 4-6 Wochen ein geänderter Einheitswertbescheid sowie ein neuer Bescheid über den Landwirtschaftskammerbeitrag zugehen. Außerdem fragte er an, ob der Einspruch zurückgenommen werde. Darauf antwortete der Kläger am 29.01.1996, dass er den Einspruch zunächst aufrecht erhalte, aber eventuell nach der Neuberechnung zurücknehmen werde.

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Nachdem am 07.02.1996 dem Kläger die Ankündigung der Zwangsvollstreckung übersandt wurde, teilte dieser unter dem Datum vom 10.02.1996 mit, dass er trotz der Mitteilung, er würde demnächst neue Bescheide erhalten, eine Ankündigung der Zwangsvollstreckung erhalten habe. Er gehe - sofern er vom Beklagten nichts Gegenteiliges höre - davon aus, dass es sich um einen Irrtum handele. Mit Schreiben vom 15.02.1996 erwiderte der Beklagte, dass sich die Ankündigung der Zwangsvollstreckung mit der zwischenzeitlich vorgenommenen Wertfortschreibung verarbeitungstechnisch überschnitten hätten. Sie sei durch die Verarbeitung überholt. Mit Datum vom 05.03.1996 würde der Kläger diverse Bescheide erhalten, u.a. Landwirtschaftskammerbescheide für 1995 und 1996. Außerdem wurde um Stellungnahme innerhalb von 4 Wochen gebeten. Am 05.03.1996 erging ein neuer Bescheid über den Landwirtschaftskammerbeitrag 1995, der - ebenso wie der Beitrag für 1996 - nunmehr auf 94,00 DM festgesetzt wurde. Der Landwirtschaftskammerbeitrag 1995 ist danach sofort fällig, der Beitrag 1996 am 25.10.1996.Diese Bescheide erklärt der Kläger nicht erhalten zu haben.

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Am 09.04.1996 erinnerte der Beklagte unter Bezug auf den Bescheid vom 05.03.1995 an die Stellungnahme zum Schreiben vom 15.02.1996 und setzte eine Frist bis zum 30.04.1996. Der Kläger rief darauf beim Beklagten an und teilte mit, dass er die fraglichen Bescheide nicht erhalten habe. Mit einer Kurzmitteilung wurden die Bescheide am 17.04.1996 dem Kläger übersandt.

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Am 22.04.1996 erfolgte beim Kläger eine Kontenpfändung über einen Betrag von 127,00 DM (94,00 DM Landwirtschaftskammerbeitrag, 2,00 DM Säumniszuschlag, 31,00 DM Kosten der Pfändung). Die Kosten wurden - ohne Rechtsbehelfsbelehrung - mit Bescheid vom 22.04.1996 festgesetzt. Für den in diesem Zusammenhang entstandenen Aufwand stellte die ... Bank dem Kläger einen Betrag von 75,00 DM in Rechnung. Die Kontenpfändung wurde auf Verlangen des Klägers am 15.04.1996 aufgehoben. Mit Schreiben vom 21.05.1996 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er die Pfändung für unrechtmäßig halte und auf Erstattung der ihm entstandenen Kosten bestehe.

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Mit Einspruchsbescheid vom 17.10.1996 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Landwirtschaftskammerbeitrag 1995 zurück. Außerdem wurde der Kläger aufgefordert, den fälligen Landwirtschaftskammerbeitrag 1995 sowie den am 25.10.1996 fälligen Landwirtschaftskammerbeitrag 1996 zur Vermeidung von Beitreibungsmaßnahmen umgehend zu entrichten. Am 13.11.1996 erfolgte die Mahnung der Beiträge für 1995 und 1996. Da der Kläger wiederum nicht zahlte, erfolgte am 04.12.1996 eine erneute Kontenpfändung, dieses Mal über einen Betrag von 221,00 DM (2 x 94,00 DM Landwirtschaftskammerbeiträge 1995 und 1996, 2,00 DM Säumniszuschläge, 31,00 DM Kosten dieser Pfändung). Auch hier waren in diesem Bescheid die Kosten der Zwangsvollstreckung ohne Rechtsbehelfsbelehrung festgesetzt worden. Am 12.12. zahlte der Kläger eine Summe von 113,00 DM (Landwirtschaftskammerbeiträge 1995 und 1996 von zusammen 188,00 DM abzüglich 75,00 DM, die ihm für die erste Kontenpfändung in Rechnung gestellt wurden und mit der er gegen den Landwirtschaftskammerbeitrag 1995 sinngemäß die Aufrechnung erklärte. Bereits am 11.12.1996 war die Kontenpfändung aufgehoben worden, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt Zahlungsbereitschaft signalisiert hatte.

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In der Folgezeit blieb zwischen den Parteien strittig, ob der Kläger mit der Zahlung von 113,00 DM sämtlichen Abgabenrückstände getilgt habe. Deshalb erließ der Beklagte am 14.01.1997 einen Abrechnungsbescheid, in dem die verbleibenden Abgabenrückstände wie folgt festgestellt wurden:

- restlicher Landwirtschaftskammerbeitrag 199575,00 DM
- Säumniszuschläge 2,00 DM
- Kosten der Pfändung vom 22.04.199631,00 DM
- Kosten der Pfändung vom 04.12.199631,00 DM
Summe:139,00 DM
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Ein gegen diesen Abrechnungsbescheid gerichteter Einspruch blieb ohne Erfolg.

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Mit der Klage macht der Kläger geltend, es würden keine Abgabenrückstände im Zusammenhang mit den Landwirtschaftskammerbeiträgen 1995 und 1996 mehr bestehen. Er habe zu Recht mit den ihm entstandenen Kontopfändungskosten aufgerechnet. Kosten der Pfändungsverfügungen könne der Beklagte nicht geltend machen, da die Pfändungsverfügungen rechtswidrig seien.

11

Zwar sei die Vollziehung des Bescheides über den Landwirtschaftskammerbeitrag durch den Einspruch nicht gehemmt gewesen. Er habe jedoch darauf vertrauen dürfen, dass Vollstreckungsmaßnahmen nicht vor dem 30.04.1996 eingeleitet würden. Das ergebe sich aus dem Verlauf der streitigen Auseinandersetzungen. Wenn ihm der Beklagte mit Schreiben vom 09.04.1996 eine Erledigungsfrist bis zum 30.04.1996 gesetzt habe, dann sei das als Stundung aufzufassen. Da die erste Kontenpfändung rechtswidrig gewesen sei, stehe ihm ein Schadensersatzanspruch in Höhe der ihm dadurch entstandenen Kosten zu, mit dem er die Aufrechnung erklären könne.

12

Im Dezember hätten entgegen der Auffassung des Beklagten keine Rückstände bestanden. Der Beklagte habe erst nach der zweiten Kontenpfändung eine Abrechnung seiner Rückstände vorgelegt. Die zuvor erfolgte Pfändung sei dem Kläger wiederum nicht angekündigt worden. Es sei unverständlich, warum während des laufenden Schriftverkehrs erneut eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme eingeleitet worden sei.

13

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Abrechnungsbescheid vom 14.01.1997 sowie den Einspruchsbescheid vom 22.01.1997 aufzuheben.

14

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

15

Zu keinem Zeitpunkt während der Auseinandersetzung über den Landwirtschaftskammerbeitrag für 1995 habe der Kläger annehmen dürfen, dass er seine Zahlungsverpflichtung vernachlässigen dürfe. Dagegen sprächen die ständigen Zahlungsaufforderungen, die der Kläger allerdings beharrlich ignoriert habe. Auch nach Erteilung der Änderungsbescheide sei die Begleichung der verminderten Beträge unterblieben. Insbesondere am Landwirtschaftskammerbeitrag 1996 werde deutlich, dass der Kläger keinerlei Zahlungsbereitschaft gezeigt habe. Obwohl die Festsetzung nicht angefochten wurde, sei der Fälligkeitstermin nicht eingehalten worden. Für die eingetretenen Zahlungsverzögerungen könnten also keine durch den Schriftwechsel verursachten Fehleinschätzungen verantwortlich gemacht werden. Im Hinblick auf die zunächst bewusst unterbliebene Tilgung der Landwirtschaftskammerbeiträge seien die beiden ausgebrachten Kontopfändungen nicht zu beanstanden. Daran würden auch die späteren Aufhebungen nichts ändern.

16

Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Klage- und die Einheitswertakte Bezug genommen.

Gründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

18

I.

Die erklärte Aufrechnung mit den dem Kläger von der ... Bank für Kosten im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung in Rechnung gestellten 75,00 DM gegen den Landwirtschaftskammerbeitrag 1995 ist nicht wirksam.

19

Nach § 226 Abs. 3 AO können die Steuerpflichtigen gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen. Die Aufrechnung scheitert hier daran, dass der Beklagte den Gegenanspruch des Klägers der Sache nach bestreitet.

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II.

Der Kläger kann mit der Klage gegen den Abrechnungsbescheid nicht erfolgreich die Festsetzung der Kosten für die beiden Kontenpfändungen angreifen.

21

Zwar bestehen hinsichtlich der ersten Kontenpfändung vom 22.04.1996 - anders als bei der zweiten Kontenpfändung vom 04.12.1996, vor der der Kläger ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass er zur Vermeidung von Beitreibungsmaßnahmen umgehend die fälligen Beträge zahlen möge - erhebliche Zweifel, ob eine richtige Sachbehandlung im Sinne des § 346 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) vorgelegen hat, da das Schreiben des Beklagten vom 15.02.1996 mit dem Hinweis, dass die "Ankündigung der Zwangsvollstreckung" durch die Verarbeitung der neuen Bescheide überholt sei, grob irreführend war. Dies gilt vor allem auch deshalb, da für den Beklagten schon aus dem Schreiben vom 20.01.1996 erkennbar war, dass der zu diesem Zeitpunkt noch steuerlich unberatene Kläger nicht wusste, dass der Einspruch die Vollziehung eines Steuerbescheides nicht hemmt.

22

Jedoch kann die unrichtige Sachbehandlung und die Unrechtmäßigkeit der Erhebung von Vollstreckungskosten nur mit dem Einspruch bzw. der Klage gegen die Festsetzung der Kosten geltend gemacht werden, nicht mit einem Rechtsbehelf gegen den Abrechnungsbescheid. Die Abgabenordnung unterscheidet zwischen dem Festsetzungs- und dem Erhebungsverfahren. Der Abrechnungsbescheid im Sinne des § 218 Abs. 2 AO wird im Erhebungs- , nicht im Festsetzungsverfahren erteilt. Er hat nur die Feststellung zum Inhalt, ob ein bestimmter Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis durch Zahlung erloschen ist, ob der Steuerpflichtige wirksam aufgerechnet hat, ob Verjährung eingetreten ist usw. Die Begründung der Zahlungsverpflichtung ist hingegen nicht Gegenstand des Abrechnungsbescheides, sie wird vorausgesetzt (BFH VII R 10/82, Urteil vom 22.Juli 1986, BFHE 147, S. 117; BStBl. II 1986, S. 776 (778). Daraus folgt, dass Gründe, die gegen die Steuerfestsetzung selbst erhoben werden, nicht im Abrechnungsverfahren geltend gemacht werden können.

23

Entstanden sind die Kostenforderungen des Beklagten - auch wenn sie rechtswidrig sein sollten - mit Bekanntgabe des entsprechenden Bescheides über die Festsetzung der Kosten der Pfändung. Die sich anschließenden Schreiben des Klägers, in denen er sich über die durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen beschwert, können möglicherweise als Einspruch gegen die Festsetzung von Kosten für die Kontenpfändungen ausgelegt werden, über die das Finanzamt bis heute noch nicht entschieden hätte. Dies würde aber nichts daran ändern, dass das Finanzamt zu Recht die entstandene Kostenforderung in den Abrechnungsbescheid eingestellt hat. Sollte der Kläger seinen (eventuellen) Einspruch weiterverfolgen und mit diesem Erfolg haben, so könnte er einen erneuten Abrechnungsbescheid beantragen, der dann für ihn einen günstigeren Saldo ausweisen würde.

24

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.