Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.08.2001, Az.: 13 K 513/96

Steuerliche Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen; Erkennbarkeit eines wirtschaftlichen Grundes für die Darlehensgewährung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
22.08.2001
Aktenzeichen
13 K 513/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 14636
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2001:0822.13K513.96.0A

Fundstellen

  • DStRE 2002, 686-687 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZEV 2002, 520

Tatbestand

1

Streitig ist, ob ein Darlehensverhältnis mit den Kindern der Kläger anzuerkennen ist.

2

Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute. Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1995 reichten sie eine Darlehensvereinbarung vom 20. Juni 1993 ein, die folgenden Inhalt hat:

"Darlehensvereinbarung zwischen A. und M. S., Darlehensgeber, und I. und D. S., Darlehensnehmer (= Kläger)

Frau M. K. hat im Mai 1993 ihren Enkelkindern A. und M. S. je 25.000,00 DM zugedacht. Dieses Geld wurde mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt, dass die Enkelkinder den auf sie entfallenden Betrag den Eltern (= Kläger) als Darlehen zur Verfügung stellen. Die Darlehen über je 25.000,00 DM sind mit 6 % p.a. zu verzinsen. Die Zinsen sind fällig nach Ablauf eines Jahres jeweils zum 31. Mai. Die Darlehen sind rückzahlbar jeweils sofort nach erfolgreichem Abschluss des Studiums der Darlehensgeber."

3

Sicherheiten für das Darlehen sind nicht vereinbart worden.

4

Die Kläger erklärten aus dem ihnen von den Kindern gewährten Darlehen Schuldzinsen als Werbungskosten aus Kapitalvermögen in Höhe von 3.000,00 DM (6 % von 50.000,00 DM), die der Beklagte - ebenso wie den gesamten Darlehensvertrag - nicht anerkannte, weil keine Sicherheiten vereinbart worden waren.

5

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben. Sie tragen vor, den Kindern sei der Betrag von 50.000,00 DM nachweislich von der Großmutter geschenkt worden. Neben den geltend gemachten Zinsen erhalte jedes Kind monatliche Unterhaltsleistungen von 1.500,00 DM. Es sei kein Grund ersichtlich, der eine Nichtanerkennung der gezahlten Zinsen rechtfertige.

6

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 1995 dahingehend zu ändern, dass die Werbungskosten aus Kapitalvermögen um 3.000,00 DM erhöht werden.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Er hält an der im Einspruchsbescheid vertretenen Auffassung fest.

Gründe

9

Die Klage ist unbegründet.

10

Die Anerkennung der geltend gemachten Schuldzinsen aus Kapitalvermögen scheidet aus.

11

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Verträge unter nahen Angehörigen der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Maßgebend für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Dabei kann einzelnen dieser Beweisanzeichen je nach Lage des Falles im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dementsprechend schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Dabei sind an den Nachweis, dass es sich um ein ernsthaftes Vertragsverhältnis handelt, umso strengere Anforderungen zu stellen, je mehr die Umstände auf eine private Veranlassung hindeuten (BFH-Urteile vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196; vom 28. Januar 1997 IX R 23/94, BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655).

12

Im Streitfall ist für die Darlehensgewährung der Kinder der Kläger an ihre Eltern kein wirtschaftlicher Grund ersichtlich. Die Kinder hätten eigene Einkünfte aus dem von der Großmutter zur Verfügung gestellten Kapital entweder selbst erzielen können, indem sie selbst es - wie die Kläger - in festverzinslichen Wertpapieren anlegten, oder die Großmutter hätte das Kapital den Klägern unmittelbar zur Verfügung stellen können. Die vorgenommene Übertragung des Kapitals von der Großmutter auf die Enkelkinder und die darauffolgende Darlehensgewährung an die Kläger ist mit wirtschaftlichen Argumenten nicht zu rechtfertigen und deshalb steuerlich unbeachtlich. Dass die Transaktion erzieherischen Hintergrund haben kann und offenbar haben sollte, verkennt das Gericht nicht. Dafür spricht die Rückzahlungsverpflichtung der Eltern nach erfolgreichem Studienabschluss. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Schuldzinsenabzug bei den Kapitaleinkünften der Kläger.

13

Vielmehr ist im Streitfall eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) gegeben.

14

Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. des § 42 AO 1977 ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 1990 IV R 36/90, BFHE 161, 321). Eine Rechtsgestaltung ist unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1990 II R 88/87, BFHE 160, 57, BStBl II 1990, 446). Die Unangemessenheit einer Rechtsgestaltung tritt deutlich hervor, wenn sie überhaupt keinem wirtschaftlichen Zweck dient, also ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund nicht zu entdecken ist (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 42 AO 1977 Rdnr.13, mit Nachweisen der BFH-Rechtsprechung). So liegt es im Streitfall.

15

Auch eine Rückgängigmachung der Einnahmen aus den von den Klägern erworbenen festverzinslichen Wertpapiere kommt nicht in Betracht. Die Kläger haben die Wertpapiere im eigenen Namen angeschafft. Dafür, dass die Kläger als Treuhänder für ihre Kinder gehandelt hätten, gibt der Akteninhalt nichts her. Die Einkünfte aus der Verwendung der Darlehenssumme sind daher den Klägern zuzurechnen.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.