Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 07.12.2021, Az.: 3 A 65/19

Abwasserbeseitigung; Abwassersatzung; Anhörung; Anschluss- und Benutzungszwang; Anschlusszwang; Befreiung; Benutzungszwang; Bestimmtheitsgebot; Druckentwässerung; Enteignung; Erschließungsanlage; Gemeinsam anschließbar; Inhalts- und Schrankenbestimmung; Privatweg; Satzung über den Anschluss der Grundstücke an die öffentliche Abwasseranlage der Schmutzwasserbeseitigung; Ungleichbehandlung; Volksgesundheit

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
07.12.2021
Aktenzeichen
3 A 65/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70977
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz


1. Eine Satzungsregelung, welche die Anschlusspflicht – vorbehaltlich von Spezialregelungen – nur bei mehr als 60 m von der öffentlichen Straße entfernt gelegenen Hinterliegergrundstücken ausschließt, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
2. Eine Satzungsregelung, wonach mehrere an einem Privatweg liegende Grundstücke bzw. Hinterliegergrundstücke für die Frage der Anschlusspflicht in der Regel gemeinsam betrachtet werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
3. Mehrere Grundstücke sind über eine gemeinsame Leitung anschließbar, wenn der Anschluss rechtlich und tatsächlich möglich ist.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung, ihr Grundstück D. in A-Stadt (E.) an den Schmutzwasserkanal anschließen zu müssen, und gegen die Aufforderung, einen Antrag für die Genehmigung des Anschlusses einzureichen.

Die Klägerin ist alleinige Eigentümerin des im Grundbuch von E., Amtsgericht F. (G.), Blatt H., verzeichneten Grundstücks in der Gemarkung E., Flurstück I. (ehemals Flurstücke J. und K.), Flur L. in dem Wohngebiet „M.“. Die nördliche Grundstückshälfte ist mit einem Wohngebäude bebaut.

Das klägerische Grundstück liegt am Ende eines ca. 110 m langen Privatwegs. An den Privatweg grenzen unter anderem auch die Grundstücke mit den Flurstücksnummern N. (O.) und P. (Q.), jeweils Flur R., in der Gemarkung E. an.

Der Privatweg setzt sich – von Norden nach Süden in Richtung des klägerischen Grundstücks – zusammen aus den Flurstücken S., T. und U., jeweils Flur R. in der Gemarkung E.. An dem Flurstück S., Flur R., Gemarkung E., besteht in Abteilung II unter der laufenden Nr. V. eine im Grundbuch von E., Amtsgericht W., Blatt X., eingetragene Grunddienstbarkeit (Ver- und Entsorgungsleitungsrecht, Wegerecht) für die Eigentümer der Flurstücke mit den Flurstücksnummern P., N., I. und Y. als Gesamtberechtigte im Sinne des § 428 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). An dem Flurstück T., Flur L. Gemarkung E. (Grundbuch von E., Blatt X.), besteht in Abteilung II für den jeweiligen Eigentümer der Flurstücke Z. und J., Flur R., Gemarkung E. unter der laufenden Nr. AA. ein Wegerecht und unter der laufenden Nr. AB. eine Grunddienstbarkeit (Bau und Betrieb von Versorgungsleitungen). Zusätzlich ist unter der laufenden Nr. AC. eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Bestellung einer Grunddienstbarkeit (Leitungsrecht) für die jeweiligen Eigentümer des Flurstücks K., Flur R., eingetragen. In Abteilung II ist zu der laufenden Nr. AD. auf dem Grundstück mit der postalischen Anschrift Q., bestehend aus den Flurstücken U. und P., Flur L. Gemarkung E. (Grundbuch von E., Blatt AE.), ebenfalls eine Grunddienstbarkeit (hier: Wegerecht; Leitungsrecht) zugunsten der Eigentümer der Flurstücke K. und J., jeweils Flur R., Gemarkung E., eingetragen. Durch Verschmelzung wurde aus den Flurstücken J. und K., Flur R., Gemarkung E., das Flurstück I., Flur R., Gemarkung E..

Auf dem klägerischen Grundstück befindet sich eine dezentrale Kläranlage. Für die Kläranlage bestand eine sogenannte Kalkulationssicherheit, d.h. Bestandsschutz, bis zum 6. Mai 2018, sodass die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt unstreitig von der Anschluss- und Beitragspflicht befreit war.

Der Gemeindeteil E. ist eine Ortschaft der Gemeinde A-Stadt, welche im Landkreis AF., dem Beklagten, liegt. Die Gemeinde A-Stadt hat die Abwasserbeseitigungspflicht in Form der Abwasserentsorgung durch die Kanalisation für den Bereich, in welchem das klägerische Grundstück liegt, auf den Beklagten übertragen.

Im April AG. lud der Beklagte die Klägerin – gemeinsam mit ihrem Ehemann Herrn AH. A. – zu einer Informationsveranstaltung über den geplanten Anschluss des Gebiets „M.“ in E. an die öffentliche (zentrale) Schmutzwasserkanalisation ein. Der Beklagte teilte in diesem Schreiben mit, dass die Baumaßnahmen in der Straße AI. noch im Jahr AG. stattfinden sollen.

Im Mai AG. versandte der Beklagte ein Rundschreiben zum Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage im Landkreis AF.. Hiermit informierte er die Eheleute A. darüber, dass das Grundstück D. in Kürze an den Schmutzwasserkanal angeschlossen werde. Aus technischen Gründen führe der Landkreis AF. die Entwässerung im Bereich des klägerischen Grundstücks mittels einer Druckentwässerung durch. Bei dem Grundstück D. handele es sich um ein sogenanntes Hinterliegergrundstück. Daher sei es erforderlich, dass die Eheleute A. eine Leitung über den Privatweg als Vorderliegergrundstück bis zu der Anschlussstelle verlegen. Abschließend wies der Beklagte darauf hin, dass für die Kläranlage der Eheleute A. eine Kalkulationssicherheit bis zum 6. Mai 2018 bestehe, sodass die Anschluss- und Beitragspflicht erst ab diesem Zeitpunkt bestehe.

Ende 2010 wurde in der Straße AI., soweit es sich um öffentliche Flächen handelt, eine Druckrohrleitung verlegt, um über diese den Anschluss der umliegenden Grundstücke an die zentrale Abwasserkanalisation herzustellen. Der Privatweg – ebenfalls mit dem Namen AI. – mündet in diese öffentliche Fläche. Die Anschlussstelle für die am Privatweg anliegenden Grundstücke wurde über die öffentliche Straße hinaus in den Anfang des Privatwegs vorgezogen und befindet sich auf dem Flurstück S., Flur R., Gemarkung E..

Mit E-Mail vom 21. Juni 2016 informierte der Beklagte die Klägerin über mögliche Firmen für die Anschlussherstellung. Er wies erneut auf den Ablauf des Bestandschutzes für die Kläranlage zum 6. Mai 2018 hin.

Im August 2016 holte Herr A. von der Firma AJ. ein Angebot für die Herstellung eines „Schmutzwasser-Sielanschluss[es] für das Grundstück ‚D. ‘ in AK.“ ein. Hiernach sollten sich die Gesamtkosten auf 29.122,66 EUR belaufen.

Mit Bescheid vom 14. August 2018 teilte der Beklagten der Klägerin mit, dass die Kalkulationssicherheit für die Kläranlage am 6. Mai 2014 (gemeint ist offenkundig: 2018) abgelaufen sei. Da der Abwasserkanal nunmehr verlegt worden sei, müsse das Grundstück gemäß § 3 Abs. 1 der Abwassersatzung des Landkreises AF. vom 13. Februar 2006 – im Folgenden: ABS – an die öffentliche (zentrale) Abwasseranlage angeschlossen werden. Hierzu habe die Klägerin binnen zwei Monaten nach Erhalt des Bescheides den Antrag auf Erteilung der Genehmigung des Anschlusses auszufüllen und einzureichen. Nach Erteilung der Genehmigung müsse das Grundstück innerhalb von zwei Monaten angeschlossen werden (§ 4 Abs. 2 ABS).

Mit Schreiben vom 21. August 2018 bat der Beklagte um weitere Ausführungen und die Vorlage eines Kostenvoranschlages der Firmen AL., AM. oder AN. für die Herstellung des Anschlusses, um zu prüfen, ob im vorliegenden Einzelfall eine Befreiung nach § 17 ABS in Betracht komme.

Mit Schreiben vom 28. August 2018 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. August 2018 ein.

Im März 2019 teilte Herr A. mit, dass seine Ehefrau ein Angebot der Firma AL. über 40.000,00 EUR für den Kanalanschluss erhalten habe. Diese Kosten könne sie sich nicht leisten. Der Beklagte hielt sodann Rücksprache mit Herrn AL. und erfuhr, dass sich das Angebot auf ca. 27.000,00 EUR belaufe. Anschließend wandte sich auch die Klägerin persönlich an den Beklagten. Sie kritisierte eine fehlende „Obergrenze“ für die Kosten des Anschlusses. Der Anschluss sei ihr aktuell zu teuer. Sie werde aber, sobald ihre Kläranlage erneuert werden müsse, den Anschluss vornehmen.

Im weiteren Schriftverkehr wies die Klägerin erstmals mit E-Mail vom 5. April 2019 daraufhin, dass ein gemeinsamer Anschluss von drei benachbarten Grundstücken technisch nicht möglich sei.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2019 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, dass eine unbefristete Ausnahme vom Anschluss- und Benutzungszwang bezüglich der öffentlichen Abwasseranlage nicht erteilt werden könne. Dem Grundstückseigentümer sei keine Wahlmöglichkeit eingeräumt, ob er sein Grundstück an den öffentlichen Schmutzwasserkanal anschließe oder das anfallende Abwasser einer grundstückseigenen Abwasserbehandlungsanlage zuführen wolle. Eine Befreiung sei nach der Rechtsprechung selbst dann nicht geboten, wenn die grundstückseigene Abwasserbehandlungsanlage einwandfrei arbeite.

Mit weiterem Schreiben von demselben Tag teilte der Beklagte mit, dass er den Schriftverkehr aus März 2019 als Antrag auf Fristverlängerung interpretiere. Der Beklagte wies erneut darauf hin, dass eine unbefristete Befreiung nicht in Betracht komme. Stattdessen verlängerte er die Frist zum Anschluss des klägerischen Grundstücks an den öffentlichen Schmutzwasserkanal um fünf Jahre bis zum 30. Juni 2024.

Im Frühjahr AO. erhielten die Eigentümer des Grundstücks mit der postalischen Anschrift O. nach Ablauf der Kalkulationssicherheit Ende AP. die Aufforderung, ihr Grundstück an den öffentlichen Schmutzwasserkanal anzuschließen. Das Grundstück O. ist seit Oktober/November 2020 an den öffentlichen Schmutzwasserkanal angeschlossen. Für das Grundstück mit der postalischen Anschrift Q. endet die Frist, bis zu der der Anschlusszwang nicht durchgesetzt werden kann, am 8. Juli 2025.

Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2019 hat die Klägerin Klage erhoben und macht im Wesentlichen geltend, dass eine gemeinsame „Anschließbarkeit“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS nicht gegeben sei. Bei teleologischer Auslegung setze die Vorschrift voraus, dass ein gemeinsamer Anschluss zu zumutbaren Bedingungen tatsächlich und rechtlich möglich sein müsste. Beides sei vorliegend nicht gegeben. Zum einen sei eine gemeinsame Leitung technisch nicht sicher funktionsfähig. Aufgrund der Druckentwässerung bestehe das Risiko, dass Verstopfungen entstünden oder eine der drei Hebeanlagen ausfalle und damit nicht mehr genug Druck aufgebaut werden könne. Eine dezentrale Abwasserentsorgung sei hier vorzugswürdig. Zudem seien die Eigentümer des Grundstücks O. bereits angeschlossen, so dass ein gemeinsamer Anschluss auch unter diesem Gesichtspunkt ausscheide. Es fehle darüber hinaus an einer Rechtsgrundlage, um einen gemeinsamen Anschluss zu erzwingen. Die rein „theoretische“ Anschließbarkeit, wie sie der (bloße) Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS fordere, würde das Kostenrisiko einseitig zu Lasten des Hinterliegergrundstückseigentümers verlagern, weil dieser, wenn seine Nachbarn eine Zusammenarbeit verweigerten, die vollen Kosten für den Anschluss seines über 60 m von der Anschlusstelle entfernt liegenden Grundstücks zu tragen habe. Dies sei nicht mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar. Denn durch die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS werde die Klägerin schlechter gestellt, weil ihr Grundstück 110 m von der Anschlussstelle entfernt sei. Wäre mit dem Privatweg nur ihr Grundstück angeschlossen, hätte sie keine Kosten zu tragen. Daher führe die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS zu einer Ungleichbehandlung; die Regelung sei unverhältnismäßig. Dessen ungeachtet müsse § 3 Abs. 1 Satz 4 a.E. ABS angewandt werden, so dass für das klägerische Grundstück auch unter diesem Gesichtspunkt keine Anschlusspflicht bestehe. Jedenfalls habe die Klägerin aber einen Anspruch auf Befreiung von dem Anschlusszwang gemäß § 17 ABS, weil ansonsten in unverhältnismäßiger Weise in das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG eingegriffen werde. Die Klägerin müsse nämlich circa 30.00,00 EUR für den Anschluss zuzüglich dem Beitrag für den Kanalbau zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 14. August 2018 und 7. Mai 2019 aufzuheben.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er tritt der Argumentation der Klägerseite entgegen und verteidigt die angefochtenen Bescheide. Der Anschluss mehrerer Grundstücke über eine gemeinsame Druckrohrleitung sei sowohl praktisch möglich als auch gängige Praxis. Der finanzielle Aufwand, welchen die Klägerin anhand des Angebots der Firma AJ. ermittelt habe, treffe nicht zu. Zudem stehe der Kostenaufwand selbst bei einem separaten Anschluss der Durchsetzung des Anschlusszwangs nicht entgegen. Eine Wahlmöglichkeit zwischen dezentraler und zentraler Entwässerung bestehe für die Grundstückseigentümer nicht. Sinn und Zweck der hinreichend bestimmten, arithmetisch gemittelten 60-m-Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS sei die Vermeidung unbilliger Härten. Sofern die Anlieger einen gemeinsamen Anschluss ablehnen würden, sei dies nicht von dem Beklagten zu vertreten. Sollte ein Anlieger von einem gemeinsamen und technisch möglichen Anschluss Abstand nehmen, könne er die Arbeiten auch allein vornehmen. Die dabei entstehenden Mehrkosten würden die Anschlusspflicht nicht berühren. Für den Fall, dass ein Vorderlieger seine private Anschlussleitung bereits realisiert habe, könne die Klägerin sich an diese Leitung anschließen oder auf der gesamten Strecke eine separate Leitung legen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Das Gericht konnte gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trotz Abwesenheit eines Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage entscheiden, weil die Beteiligten in der Ladung zum Termin auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Die Klage ist zulässig, insbesondere liegt ein erforderliches Rechtsschutzbedürfnis vor. Der Umstand, dass der Beklagte mit Schreiben vom 7. Mai 2019 „die Frist für den Anschluss des Grundstücks an den öffentlichen Schmutzwasserkanal um 5 Jahre bis zum 30.6.2024“ verlängert hat, betrifft lediglich die Vollziehbarkeit des streitgegenständlichen Bescheides. Die Verpflichtung der Klägerin, ihr Grundstück an das zentrale Kanalisationssystem anzuschließen und dies zu benutzen, wird dadurch nicht berührt. Folglich liegt ein gegenwärtiges Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin vor.

Die Klage ist unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 14. August 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Mai 2019 ist sowohl hinsichtlich der grundsätzlichen Aufforderung zum Anschluss (dazu unter A.) als auch hinsichtlich der Aufforderung zur Einreichung eines Antrags auf Erteilung der Genehmigung (dazu unter B.) und der Aufforderung zur Herstellung des Anschlusses innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Genehmigung (dazu unter C.) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist der Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung, da es sich bei der streitgegenständlichen Aufforderung, den Anschluss an die Abwasserkanalisation des Beklagten herzustellen, um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 4.4.2017 - 9 LB 102/15 -, juris Rn. 20 m.w.N.; VG Lüneburg, Urt. v. 30.4.2003 - 6 A 256/01 -, juris Rn. 22).

A. Die Aufforderung zum Anschluss des klägerischen Grundstücks an die öffentliche Abwasseranlage ist rechtmäßig.

I. Soweit die Klägerin zum Anschluss aufgefordert worden ist, beruht dies auf einer geeigneten Rechtsgrundlage.

Die Pflicht der Klägerin zum Anschluss ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 3 der Satzung über den Anschluss der Grundstücke an die öffentliche Abwasseranlage der Schmutzwasserbeseitigung (Abwassersatzung – ABS –) vom 13. Februar 2006 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 25. Mai 2014 in Verbindung mit §§ 10,13 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG).

Diese Ermächtigungsgrundlage ist wirksam. Im Rahmen der inzidenten Satzungskontrolle ist das Gericht lediglich gehalten, die Satzung insoweit zu überprüfen, als die Klägerin Bedenken gegen die formelle oder materielle Rechtmäßigkeit der Satzung erhoben hat. Der Amtsermittlungsgrundsatz verlangt von dem Gericht nicht, sich ungefragt auf Fehlersuche zu begeben (BVerwG, Beschl. v. 11.1.2008 - 9 B 54.07 -, juris Rn. 7).

1. Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Abwassersatzung ergibt sich §§ 10 Abs. 1, 13 NKomVG in Verbindung mit § 96 f. Niedersächsisches Wassergesetz (NWG). Denn nach § 10 Abs. 1 NKomVG können Kommunen (vgl. § 1 Abs. 1 NKomVG) ihre eigenen Angelegenheiten durch Satzung regeln. Zu den eigenen Angelegenheiten einer Gemeinde gehört gemäß § 96 Abs. 1 NWG auch die Pflicht zur Abwasserbeseitigung.

Demnach können Kommunen die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen durch den Erlass von Satzungen regeln. Nach § 13 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) und Nr. 1 Buchst. b) NKomVG können sie für die Grundstücke ihres Gebiets den Anschluss an die Abwasserbeseitigung anordnen (Anschlusszwang) sowie deren Benutzung vorschreiben (Benutzungszwang), wenn sie dafür ein dringendes öffentliches Bedürfnis feststellen. Bei der Entscheidung darüber, wie sie ihrer Abwasserbeseitigungspflicht genügen, und die öffentliche Einrichtung Abwasserbeseitigung ausgestalten wollen, steht den Kommunen ein weiter Ermessensspielraum zu, der seine Grenzen erst im Willkürverbot findet und gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist (BVerwG, Beschl. v. 13.6.1997 - 8 B 104.97 -, juris Rn. 2; Nds. OVG, Urt. v. 22.1.1997 - 9 L 4525/95 -, juris Rn. 4; VG Stade, Urt. v. 16.5.2002 - 1 A 575/01 -, juris Rn. 19).

2. Die vorliegend maßgeblichen Satzungsbestimmungen sind formell rechtmäßig. Der Beklagte ist insbesondere für den Erlass der Satzung zuständig. Denn nach § 97 Abs. 2 Satz 1 NWG kann ein Landkreis auf Antrag einer Gemeinde die Abwasserbeseitigung ganz oder teilweise übernehmen. Soweit ein Landkreis die Abwasserbeseitigung übernommen hat oder nach § 97 Abs. 2 Satz 1 NWG übernimmt, ist er anstelle der Gemeinde zur Abwasserbeseitigung verpflichtet, § 97 Abs. 2 Satz 2 NWG. Vorliegend hat der Beklagte die Abwasserbeseitigung übernommen, vgl. § 1 Abs. 1 ABS. Er ist daher zur Abwasserbeseitigung verpflichtet und zum Erlass der Satzung befugt.

3. Die maßgeblichen Satzungsbestimmungen sind – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch materiell rechtmäßig. Satzungsbestimmungen sind materiell rechtmäßig, wenn sie von den Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sind (dazu unter a.) und nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen (dazu unter b.). Beides ist hier der Fall.

a. Die in § 3 Abs. 1 ABS geregelte Anschlusspflicht ist von der Satzungsermächtigung gedeckt. Soweit gerichtlich überprüfbar, ist insbesondere ein dringendes öffentliches Bedürfnis für den Anschluss- und Benutzungszwang im Sinne des § 13 Satz 1 a.E. NKomVG gegeben.

Der Einwand der Klägerin, die vorhandenen dezentralen Abwasseranlagen im Umkreis des klägerischen Grundstücks seien dem zentralen Kanalisationssystem vorzuziehen, greift nicht durch. Die Klägerin kann sich diesbezüglich nicht mit Erfolg auf das Schreiben von Herrn Prof. Dr. Ing. AQ. vom 9. Juli 2010 an Herrn AR., wohnhaft Q., berufen, in dem dieser die Gründe für und gegen eine zentrale Entwässerung darlegte. Denn die dem Bescheid vorgelagerte Entscheidung des Beklagten für die Errichtung einer zentralen Abwasseranlage ist nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 23.11.1994 - 9 L 1458/93 -, juris Rn. 33).

Die gerichtliche Überprüfung des dringenden öffentlichen Bedürfnisses für einen Anschluss- und Benutzungszwang im Sinne des § 13 Satz 1 a.E. NKomVG beschränkt sich darauf, ob nach den örtlichen Gegebenheiten der Sinn und Zweck der Ermächtigung verkannt worden ist (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 8.1.1991 - 9 L 280/89 -, juris Rn. 25). Dafür findet sich vorliegend bereits deshalb kein Anhaltspunkt, weil der Beklagte gemäß § 97 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 96 Abs. 1 NWG im Interesse der Volksgesundheit als besonderer Fallgestaltung des Allgemeinwohls abwasserbeseitigungspflichtig ist, solange er nicht gemäß § 96 Abs. 4 NWG hinsichtlich des Schmutzwassers von der Beseitigungspflicht freigestellt worden ist (vgl. zu § 149 NWG a.F. Nds. OVG, Urt. v. 23.11.1994 - 9 L 1458/93 -, juris Rn. 33). Letzteres ist hier nicht der Fall.

b. Weder § 3 Abs. 1 Satz 1 ABS (dazu unter aa.) noch § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS (dazu unter bb.) sind verfassungsrechtlich zu beanstanden.

aa. Die Satzungsregelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 ABS, insbesondere die Anschlusspflicht eines einzeln an einem Privatweg liegendem Grundstück, ist verfassungskonform.

(1) Der Anschlusszwang verstößt nicht gegen das Grundrecht aus Art. 14 GG.

Es ist bereits höchstrichterlich geklärt (st. Rspr. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2013 - 8 BN 5.13 -, juris Rn. 6 m.w.N.), dass der durch Ortssatzung begründete Zwang, Grundstücke an die öffentliche Wasserversorgungsanlage anzuschließen und diese zu benutzen, für den betroffenen Grundstückseigentümer grundsätzlich keine unzulässige Enteignung darstellt (vgl. Art. 14 Abs. 3 GG), sondern eine zulässige Beschränkung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums, die durch die Sozialbindung des Eigentums gerechtfertigt wird (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG). Dies gilt auch dann, wenn der betroffene Grundstückseigentümer sein Abwasser bisher mit einer eigenen, einwandfrei funktionierenden Anlage gedeckt hat. Denn die Einrichtung eines Abwasserkanals mit Anschluss- und Benutzungszwang gehört seit langem zu den aus Gründen des Allgemeinwohls, insbesondere der Volksgesundheit, gesetzlich zugewiesenen Aufgaben der Gemeinden. Die Eigentumsrechte des Grundeigentümers, der eine private Anlage betreibt, sind daher von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine Anlage nur so lange benutzen darf, bis die Gemeinde von der ihr – vorliegend gemäß §§ 10, 13 NKomVG (siehe oben unter I. 1.) – gesetzlich zustehenden Befugnis Gebrauch macht, die Wasserversorgung im öffentlichen Interesse in ihre Verantwortung zu übernehmen und hierfür zulässigerweise den Anschluss- und Benutzungszwang zu begründen. Besonderen Ausnahmefällen, in denen die Ausübung des Anschluss- und Benutzungszwangs möglicherweise unverhältnismäßig wäre, kann durch die vorgesehene Möglichkeit der Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang Rechnung getragen werden (vgl. § 13 Satz 2 Alternative 1 NKomVG).

(2) Die Entfernungsregelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 ABS wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist ebenfalls geklärt, dass eine Satzungsregelung, welche die Anschlusspflicht – vorbehaltlich von Spezialregelungen – (nur) bei mehr als 60 m von der öffentlichen Straße entfernt gelegenen Hinterliegergrundstücken ausschließt, nicht gegen höherrangiges Recht verstößt (vgl. zu § 3 Abs. 1 Satz 1 ABS in der Fassung vom 18. Dezember 2000 [Amtsblatt für den Landkreis Harburg 2000, Seite 1037] Nds. OVG, Beschl. v. 7.5.2004 - 9 LA 111/04 -, n.v.).

Die Entfernung von 60 m wird in der Rechtsprechung als taugliches Kriterium angesehen, um einen zumutbaren und damit verhältnismäßigen Ausgleich zwischen dem Zweck des Anschlusszwanges und der Kostenbelastung des einzelnen Grundstückseigentümers zu gewährleisten.

Die zentralisierte Abwasseranlage dient der Sicherheit der Schmutzwasserbeseitigung und liegt daher im Interesse aller Grundstückseigentümer unabhängig davon, ob diese unmittelbar an der öffentlichen Straße anliegen. Bei der Anschlusspflicht für Grundstücke an Privatwegen, an denen ein öffentlicher Kanal nicht verlegt ist, ist zwar zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Grundstückseigentümer neben dem Kanalbaubeitrag und dem Aufwand für die Grundstücksentwässerungsanlage auch die häufig erheblichen Kosten der Kanalstrecke zwischen seinem Grundstück und dem Kanal in der öffentlichen Straße tragen muss. Doch steht der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde hinsichtlich der Ausgestaltung der öffentlichen Einrichtung Abwasserbeseitigung und folglich auch bei der Festlegung der Frage, wie weit der Anschlusskanal bei Hinterliegergrundstücken verlegt werden muss, ein weites Organisationsermessen zu. Unter finanziellen Gesichtspunkten ist es für die Eigentümer von Hinterliegergrundstücken nicht generell unzumutbar, neben dem Kanalbaubeitrag und den Kosten für die Grundstücksentwässerungsanlage auch den Aufwand für eine Verbindung über das Vorderliegergrundstück zu tragen (zu Vorstehendem Nds. OVG, Urt. v. 26.7.2000 - 9 L 4640/99 -, juris Rn. 4 m.w.N.). Der Rechtsprechung lässt sich ein Grundsatz, wonach eine Anschlusspflicht für sehr weit entfernte Grundstücke generell nicht bestehe, nicht entnehmen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 3.2.2004 - 9 LA 338/03 -, n.v.). Um die Zumutbarkeitsgrenze nicht zu überschreiten, sieht die Satzung eine Anschlusspflicht nicht einschränkungslos vor. Die finanzielle Belastung hängt insbesondere von der Länge der Anschlusstrecke im Privatweg und von der Entfernung des jeweiligen Grundstücks zur öffentlichen Straße ab (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 18.12.1995 - 9 L 1973/94 -, n.v.). Die Zumutbarkeitsgrenze bei 60 m festzulegen, begründet nach der zitierten Rechtsprechung daher keine Bedenken.

bb. Die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS verstößt – entgegen der Ansicht der Klägerin – ebenfalls nicht gegen höherrangiges Recht (offen gelassen Nds. OVG, Beschl. v. 7.5.2004 - 9 LA 111/04 -, n.v.).

(1) § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS ist hinreichend bestimmt. Der Beklagte hat in § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS geregelt, dass bei „mehreren Grundstücken, die über eine gemeinsame Leitung anschließbar sind, als Entfernung die Leitungslänge zum letzten Grundstück maßgebend [ist], und zwar geteilt durch die Anzahl der anschließbaren Grundstücke“ (Hervorhebung durch das Gericht). Die Regelung ist insoweit auslegungsbedürftig, als dort nicht ausdrücklich geregelt ist, wie lang die errechnete Entfernung sein darf, um eine Anschlusspflicht (noch) zu begründen.

Hierin liegt jedoch kein Verstoß gegen das sich aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG ergebende Bestimmtheitsgebot. Das Bestimmtheitsgebot verlangt vom Gesetz- bzw. Satzungsgeber, Vorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Der Betroffene muss die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung so erkennen können, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.7.2003 - 2 BvL 1/99 -, juris Rn. 172). Die Auslegungsbedürftigkeit einer Regelung nimmt ihr jedoch nicht die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit.

In Zusammenschau mit § 3 Abs. 1 Satz 1 ABS ergibt sich bei systematischer Auslegung klar und eindeutig, dass eine Anschlusspflicht aller nach § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS gemeinsam betrachteten Grundstücke nicht besteht, wenn die errechnete Strecke (Strecke bis zum letzten Grundstück geteilt durch die Anzahl der anschließbaren Grundstücke) von der Anschlussstelle bis zur Grundstücksgrenze des letzten einbezogenen Grundstücks über 60 m beträgt.

(2) Die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gleichheitswidrig, wenn mehrere an einem Privatweg liegende Grundstücke bzw. Hinterliegergrundstücke für die Frage der Anschlusspflicht in der Regel gemeinsam betrachtet werden (§ 3 Abs. 1 Satz 3 ABS), während bei Einzelgrundstücken allein auf die Entfernung zu diesem Grundstück abgestellt wird (§ 3 Abs. 1 Satz 1 ABS).

Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn der Normgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Hierbei werden, insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und im Grundsatz als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2005 - 2 BvF 2/01 -, juris Rn. 126, 179 m.w.N.). Für eine Ungleichbehandlung bedarf es eines sachlichen Grundes (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8.4.2008 - 4 K 95/07 -, juris Rn. 27). Dieser liegt hier vor.

Dass nach § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS für die Berechnung der Zumutbarkeitsgrenze von 60 m mehrere über eine Leitung anschließbare Grundstücke gemeinsam betrachtet werden, ist nicht gleichheitswidrig.

Der Satzungsgeber unterstellt, dass der Anschluss – im Fall der gemeinsamen (tatsächlichen und rechtlichen) Anschließbarkeit – in der Regel auch gemeinsam und zu anteiligen Kostenteilen realisiert wird. Diese Annahme stellt einen sachlichen Grund für die gemeinsame Betrachtung mehrerer Grundstücke im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS dar.

Ob dies im konkreten Einzelfall tatsächlich der Fall ist, ist dem Einflussbereich des Satzungsgebers entzogen und stellt die grundsätzliche Annahme der Beklagten nicht in Frage.

(3) Die in § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1 ABS vorgesehene Anschlusspflicht verstößt – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht gegen Art. 14 GG.

Die 60 m Entfernungsregelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 ABS ist – wie oben dargestellt – verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Für die Kammer drängt sich nicht auf, dass eine andere Berechnung der Entfernung bei gemeinsam anschließbaren Grundstücken, z.B. mithilfe der Durchschnittsentfernung (Summe der jeweiligen Entfernungen der einzelnen Grundstücke von der Anschlussstellte geteilt durch die Anzahl der gemeinsam anschließbaren Grundstücke) verfassungsrechtlich zwingend geboten wäre. Durch die Berechnung „Strecke bis zum letzten Grundstück geteilt durch Anzahl der gemeinsam anschließbaren Grundstücke“ wird unterstellt, dass die jeweiligen Grundstückseigentümer die Kosten für die private Leitung anteilig tragen. Zugunsten eines besonders großen/tiefen Grundstück, bei dem der Anschluss- und Benutzungszwang aufgrund der Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS möglicherweise unverhältnismäßig wäre, greift § 3 Abs. 1 Satz 4 ABS zur Vermeidung unzumutbarer Härten.

II. Die Aufforderung zum Anschluss war formell rechtmäßig.

Zwar ist die Klägerin vor Erlass des Bescheides von dem Beklagten nicht im Sinne des § 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz (NVwVfG) in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) angehört worden. Weder das Rundschreiben vom 31. Mai 2021 noch die E-Mail des Beklagten vom 21. Juni 2021 gaben der Klägerin hinreichend Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Ob von einer Anhörung gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 4 Alternative 2 VwVfG abgesehen werden konnte oder ob die Korrespondenz, die zwischen den Beteiligten im behördlichen Vorverfahren geführt wurde, zur Heilung des Verfahrensfehlers gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG geführt hat, kann offengelassen werden.

Die fehlende Anhörung ist jedenfalls nach § 46 VwVfG unbeachtlich. Nach dieser Regelung kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die Annahme der „Offensichtlichkeit“ ist bereits dann ausgeschlossen, wenn nach den Umständen des Falls die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.11.2013 - 2 B 60.13 -, juris Rn. 11). Bei Verfahrensfehlern kann grundsätzlich nur bei einem gebundenen Verwaltungsakt oder bei einer Ermessensreduzierung auf Null von einem mangelnden Einfluss dieser Fehler auf die Sachentscheidung ausgegangen werden (VG Lüneburg, Beschl. v. 7.3.2019 - 6 B 17/19 -, juris Rn. 18). Vorliegend handelt es sich um eine gebundene Entscheidung (vgl. „sind verpflichtet“, § 3 Abs. 1 Satz 1 ABS), sodass die fehlende Anhörung die Rechtmäßigkeit des Bescheids nicht berührt.

III. Die Aufforderung zum Anschluss ist auch materiell rechtmäßig, denn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 ABS liegen vor.

1. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 ABS liegen vor.

Nach dieser Vorschrift sind Eigentümer bebauter Grundstücke verpflichtet, ihr Grundstück an die Abwasseranlage anzuschließen, sobald der Anschlusskanal betriebsfertig an das Grundstück, an die vereinbarte Anschlussstelle oder an einen zum Grundstück führenden Privatweg herangeführt worden ist, es sei denn, die Entfernung bis zum Grundstück (Hinterliegergrundstück) beträgt mehr als 60 m oder der Privatweg hat öffentlich-rechtlichen Erschließungscharakter.

Die Klägerin ist Alleineigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks.

Das klägerische Grundstück liegt an einem Privatweg an, sodass es sich um ein Hinterliegergrundstück im Sinne der Satzung handelt. Der Privatweg hat – wovon auch die Beteiligten unstreitig ausgesehen – keinen öffentlich-rechtlich Erschließungscharakter im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ABS. Ein Privatweg hat öffentlich-rechtlichen Erschließungscharakter, wenn er nach seinem Erscheinungsbild, seiner Funktion und seiner tatsächlichen Nutzung aus Sicht eines unbefangenen Beobachters einer öffentlich-rechtlichen Straße entspricht (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 ABS; vgl. VG Lüneburg, Urt. v. 7.12.2016 - 3 A 142/15 -; Urt. v. 1.9.2011 - 6 A 250/09 -, jeweils n.v.). Entsprechend der Definition im Erschließungsbeitragsrecht ist ein Erschließungscharakter anzunehmen, wenn der die Zufahrt zum Grundstück vermittelnde Privatweg nach seiner Länge, seinem sonstigen Erscheinungsbild und der Zahl der erschlossenen Grundstücke eine selbständige Erschließungsanlage darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.1.1970 - IV C 151.68 -, juris Rn. 8 f.; VG Lüneburg, Urt. v. 7.12.2016 - 3 A 142/15 -; n.v.).

Ausgehend von diesen Kriterien ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es sich bei dem Privatweg um eine selbstständige Erschließungsanlage handelt. Mit Ausnahme des gleichbleibenden Straßennamens und einer Länge von knapp über 100 m, welche nicht automatisch, sondern nur im Regelfall für eine selbständige Erschließungsanlage spricht (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 16.10.2007 - 9 LC 54/05 -, juris Rn. 18), gewinnt ein am Beginn der Sackgasse am Hauptstraßenzug stehender objektiver Beobachter den Eindruck einer unselbstständigen Zufahrt. Nach den Schilderungen der Klägerin ist der Weg nicht vollständig asphaltiert. Auch Luftbildaufnahmen bei Google maps und ALKIS bestätigen, dass der Privatweg nur vor den hinteren beiden Grundstücken AS. eine Asphaltdecke aufweist. Die nicht verzweigte Sackgasse verläuft gerade und erschließt lediglich die drei Grundstücke AT. (zu Letzterem, vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 21.11.2005 - 9 ME 178/05 -, juris Rn. 5). Eine darüberhinausgehende, besondere Nutzung hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Der Anschlusskanal wurde unstreitig betriebsfertig an einen zum Grundstück führenden Privatweg herangeführt, § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ABS. Die Anschlussstelle befindet sich sogar auf dem Privatweg. Zugunsten der Klägerin sind im Grundbuch zusätzlich Wegerechte an den Flurstücken, welche den Privatweg bilden, eingetragen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 ABS).

2. Die Entfernung zum klägerischen Grundstück beträgt nicht „mehr als 60 m“, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 ABS.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS ist bei mehreren Grundstücken, die über eine gemeinsame Leitung anschließbar sind, als Entfernung die Leitungslänge zum letzten Grundstück maßgebend, und zwar geteilt durch die Anzahl der anschließbaren Grundstücke.

a. Für die Frage der Anschlusspflicht der Klägerin sind mehrere Grundstücke zu beachten. An dem Privatweg liegen die Grundstücke mit der postalischen Anschrift AU. an.

b. Diese Grundstücke sind auch gemeinsam „anschließbar“ im Sinne der Satzung.

Ausgangspunkt für die zwischen den Beteiligten umstrittene Auslegung der Formulierung „über eine gemeinsame Leitung anschließbar“ in § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS ist der Wortlaut. Eine Anschließbarkeit setzt eine Möglichkeit des Anschlusses und nicht bereits dessen Realisierung voraus. Mit anderen Worten muss der Anschluss tatsächlich (dazu unter aa.) und rechtlich möglich sein (dazu unter bb.) (vgl. im Ergebnis VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.10.2015 - 1 S 1130/15 -, juris Rn. 14 m.w.N.). Dies ist hier der Fall.

aa. Ein Anschluss ist tatsächlich möglich.

Bei leitungsgebundenen Einrichtungen setzt die tatsächliche Anschlussmöglichkeit eines Grundstücks nur voraus, dass es nahe genug an der öffentlichen Einrichtung liegt, um unter gewöhnlichen Umständen an diese angeschlossen zu werden. Maßgeblich für die Frage der Anschlussmöglichkeit unter gewöhnlichen Umständen sind die örtlichen Verhältnisse der betreffenden Gemeinde (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.10.2015 - 1 S 1130/15 -, juris Rn. 15).

Hiernach ist die tatsächliche Anschlussmöglichkeit des klägerischen Grundstücks gegeben. Besondere Unebenheiten oder Bodenmaterialien sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit die Klägerin pauschal behauptet, ein gemeinsamer Anschluss sei technisch nicht möglich und aufgrund der Druckentwässerung bestehe das Risiko, dass Verstopfungen entstehen oder eine der drei Hebeanlagen ausfalle und damit nicht mehr genug Druck aufgebaut werde, überzeugt dies nicht. Der Beklagte hat nachvollziehbar vorgetragen, dass eine gemeinsame Druckrohleitung technisch möglich ist und der üblichen Vorgehensweise entspricht. Etwas Anderes ist für das Gericht nicht ersichtlich. Vielmehr ist § 6a Abs. 1 ABS zu entnehmen, dass der Beklagte aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen die Entwässerung mittels einer Druckentwässerung vornehmen kann. Nach § 6a Abs. 2 Satz 1 ABS entscheidet der Beklagte über Art, Ausführung, Bemessung und Lage der Druckentwässerungsanlage. Den Verwaltungsvorgängen ist zu entnehmen, dass der Beklagte sich in dem streitgegenständlichen Gebiet für eine Druckentwässerung entschieden hat. Dies hat die Klägerin im gerichtlichen Verfahren nicht substantiiert in Frage gestellt.

bb. Das Grundstück der Klägerin ist auch unter rechtlichen Gesichtspunkten anschließbar.

Ein Hinterliegergrundstück ist zunächst nur dann rechtlich anschließbar, wenn die Möglichkeit, Wasser durch Fremdgrundstücke zu leiten, dauerhaft gesichert ist (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 20.9.2012 - 1 S 3072/11 -, juris Rn. 32).

Der Anschluss ist auf den Privatweg (Flurstück S.) vorgezogen worden. Der Privatweg setzt sich über das Flurstück T. und das Flurstück U. bis zum klägerischen Grundstück fort. Eine rechtliche Durchquerung des Privatwegs ist der Klägerin auf gesamter Länge möglich, obgleich dieser nicht in ihrem Eigentum steht. Der Abschnitt, der an ihr Grundstück grenzt, also das Flurstück U., gehört der Eigentümerin des Grundstücks Q.. Die Flurstücke S. und T. gehören den Eigentümern des Grundstücks O..

Neben der Eintragung einer ausdrücklichen dinglichen Sicherung einer Leitungsführung erlaubt bereits die Eintragung eines Geh- und Fahrtrechts (Wegerecht) im Grundbuch eine rechtlich zulässige Durchquerung des Vorderliegergrundstücks mit einem Entwässerungskanal sowie dessen dauerhafter Belassung. Damit wird dem Eigentümer des Hinterliegergrundstücks die auf Dauer privatrechtlich gesicherte Handhabe gegeben, den Anschluss an das zentrale Entsorgungssystem auch gegen den Willen des Eigentümers des Vorderliegergrundstücks durchzusetzen (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 21.5.2019 - 4 L 44/17 -, juris Rn. 28 m.w.N.).

Ausweislich des vorgelegten Grundbuchauszugs ist das (Vorderlieger-)Flurstück S., Flur R., mit einer Grunddienstbarkeit (Ver- und Entsorgungsrecht; Wegerecht) für die jeweiligen Eigentümer des Flurstücks I. belastet. Ferner ist das Flurstück T., Flur R., Gemarkung E., mit einer Grunddienstbarkeit (Wegerecht; Bau und Betrieb von Versorgungsleitung) für den jeweiligen Eigentümer der Flurstücke Z. und J., Flur R., Gemarkung E., belastet. Schließlich besteht an dem Grundstück Q. im Grundbuch eine Grunddienstbarkeit (Wegerecht; Leitungsrecht) für die jeweiligen Eigentümer der Flurstücke K. und J., Flur L. Gemarkung E.. Die Flurstücke J. und K. existieren nicht mehr; sie wurden verschmolzen. Die beiden Flurstücke wurden durch das Flurstück I. ersetzt, womit die Klägerin an der Herstellung des Grundstücksanschlusses insoweit nicht gehindert ist.

Der bereits im Verwaltungsverfahren erhobene Einwand, die Nachbarn hätten einen gemeinsamen Anschluss verweigert und ließen sich nicht dazu zwingen, ist somit unerheblich.

Die Klägerin ist befugt, den Privatweg mit einem Entwässerungskanal zu durchqueren. Sollten die Nachbarn versuchen, dies zu verhindern, berührt dies die Aufforderung zum Anschluss nicht. Denn wenn der Pflichtige zur Erfüllung seiner Anschlusspflicht aufgrund von Rechten Dritter gehindert ist, handelt es sich um eine Frage der Vollstreckung von Verwaltungsakten, welche nicht zu einer Rechtswidrigkeit des – hier allein streitgegenständlichen – Grundverwaltungsaktes führen würde und durch eine vollziehbare Duldungsverfügung gegenüber dem Dritten aufgefangen werden könnte (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 21.5.2019 - 4 L 44/17 -, juris Rn. 28 m.w.N.). Zivilrechtliche Hindernisse machen die Anschlussverfügung nicht rechtswidrig (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 2.12.2014 - OVG 9 N 114.13 -, juris Rn. 9). Die auferlegte Verpflichtung wäre lediglich nicht vollziehbar (vgl. VG Göttingen, Urt. v. 5.11.2018 - 3 A 248/17 -, juris Rn. 21).

Darüber hinaus setzt § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS nur die rechtliche Möglichkeit der Durchquerung der fremden Flurstücke bis zur Anschlussstelle voraus. Ein Anschluss, nicht ein gemeinsamer Anschluss muss rechtlich erzwingbar sein. Den betroffenen Grundstückseigentümern bleibt es auch bei gemeinsamer Anschließbarkeit unbenommen, die Verlegung mehrerer Anschlussleitungen oder die Entwässerung mehrerer Grundstücke durch eine gemeinsame Anschlussleitung zu realisieren. Dies zeigt sich in § 3 Abs. 4 Buchst. b) Satz 1 ABS, wonach grundsätzlich jedes Grundstück selbstständig anschließbar ist. Nur bei Vorliegen besonderer Verhältnisse und auf Antrag kann der Landkreis nach § 3 Abs. 4 Buchst. b) Satz 2 und Satz 3 ABS gestatten, dass mehrere Grundstücke durch einen gemeinsamen Anschluss entwässert werden. Somit ist das Argument, die Nachbarn wollen keinen gemeinsamen Anschluss, für die Anschlusspflicht des klägerischen Grundstücks unerheblich.

Gleiches gilt für das Argument der Klägerin, die Eigentümer des Grundstücks O. hätten ihren Anschluss bereits hergestellt. Dies steht der Anschlusspflicht ebenfalls nicht entgegen. Zum einen ist es der Klägerin – wie soeben ausgeführt – freigestellt, die gesamte Strecke durch eine eigene Leitung zu überbrücken. Zum anderen ist ein gemeinsamer Anschluss weiterhin nicht ausgeschlossen. Der Beklagte hat diesbezüglich nachvollziehbar ausgeführt, dass eine Nutzung des bereits hergestellten Leitungsabschnitts möglich ist. Dem hat die Klägerin durch ihr Vorbringen im gerichtlichen Verfahren nichts Durchgreifendes entgegengehalten. Eine andere Auslegung der Regelung würde zudem mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG bedenklichen Ergebnissen führen, wenn im Falle einer gemeinsamen Anschließbarkeit die Anschlusspflicht umgangen werden könnte, indem lediglich bis zur Realisierung des Anschlusses eines Nachbarn gewartet wird.

c. Die Entfernung von der Anschlusstelle bis zum letzten Grundstück geteilt durch die gemeinsam anschließbaren Grundstücke beträgt gleich bzw. weniger als 60 m.

aa. Die Beteiligten sind – jedenfalls bis zur mündlichen Verhandlung – unstreitig davon ausgegangen, dass die Entfernung von der Anschlusstelle bis zum letzten, hier dem klägerischen Grundstück, bei 110 m liegt.

Daher genügt bereits die Einbeziehung der Grundstücke AV., um die Beschränkung von 60 m zu unterschreiten (110 m / 2 = 55 m).

Soweit der Beklagte ausführt, dass die „60-Meter-Regelung“ des § 3 Abs. 1 Satz 3 arithmetisch berechnet (Durchschnittswert) wird, ist damit nicht die durchschnittliche Leitungsstrecke gemessen vom Anschlusskanal bis zum jeweiligen Grundstück, sondern entsprechend der Satzungsregelung 110 m („Leitungslänge zum letzten Grundstück“) geteilt durch die „Anzahl der anschließbaren Grundstücke“ gemeint. Mit der Berechnung wird aufzeigt, welche Strecke die jeweiligen Grundstückseigentümer anteilig zu überbrücken hätten, wenn sie sich für eine gemeinsame Leitung entschließen würden.

bb. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen hat, dass die Entfernung insgesamt 121 m betrage, überzeugt dies nicht. Sie berief sich dazu auf eine vom Eigentümer des Grundstücks Q. vorgenommene Privatvermessung mit Hilfe eines 50-m-Bandes. An der Richtigkeit dieses Messergebnisses bestehen für das Gericht erhebliche Zweifel.

Dem Messergebnis liegen Ungenauigkeiten zugrunde. Zum einen begann die Vermessung am Flurstück AW.. Dies widerspricht dem Umstand, dass die Anschlusstelle unstreitig in das Flurstück S. vorgezogen worden ist. Die Flurstücke AW. und AX., welche im Eigentum der Gemeinde A-Stadt stehen, wurden daher unzutreffend mit vermessen. Zum anderen ist nicht ersichtlich bis zu welcher Stelle vor bzw. auf dem klägerischen Grundstück – z.B. Grundstücksgrenze oder Grundstückszufahrt D. – gemessen worden ist. Eine überschlägige Prüfung anhand von ALKIS hat ergeben, dass die Flurstücke AX., T. und U. insgesamt eine Länge von ca. 105 m aufweisen. Selbst unter zusätzlicher Berücksichtigung der Flurstücke AW. und AX. ergibt sich eine Entfernung von ca. 111 m. Darüber hinaus birgt die durchgeführte Messmethode naturgemäß erhebliche Ungenauigkeiten. Denn eine Wegstrecke von etwa 110 m Länge mit einem 50-m-Band zu vermessen, setzt das mehrfache Verschieben des Messbandes und das Fixieren des jeweiligen Messpunktes voraus. Weitere Nachweise für die Richtigkeit des vom Nachbarn privat ermittelten Messergebnisses hat die Klägerin nicht vorgelegt.

cc. Die Entscheidung selbstständig tragend, kann auch das Grundstück Q. (Flurstück P.) in die Berechnung nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS einbezogen werden. Unter Einbeziehung der Grundstücke AY., bliebe die 60 m Grenze unterschritten (121 m / 3 = 40,33 m).

Dem steht nicht entgegen, dass für den Eigentümer dieses Grundstücks derzeit (noch) keine Anschlusspflicht besteht. Wie den Verwaltungsvorgängen zu entnehmen ist, läuft die Kalkulationssicherheit für die Nutzungsberechtigten dieses Grundstücks erst 2025 ab. § 96 Abs. 6 Satz 3, Abs. 4 NWG ordnet an, dass dann, wenn zunächst die Benutzung von Kleinkläranlagen vorgeschrieben war, eine Anschlusspflicht an die öffentliche Abwasseranlage erst 15 Jahre nach der Errichtung oder wesentlichen Änderung dieser Kleinkläranlage entsteht. Diese Regelung normiert einen Bestandsschutz für Anlagen. Dieser Bestandsschutz wird allgemein als Kalkulationssicherheit bezeichnet (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 21.3.2002 - 7 KN 233/01 -, juris Rn. 22 und 33).

In den Begriff der gemeinsamen Anschließbarkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS können auch Grundstücke einbezogen werden, welche der Anschlusspflicht im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 ABS (noch) nicht unterliegen und nur ein freiwilliger Anschluss in Betracht kommt. Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, welcher nach den obigen Ausführungen auf die Möglichkeit, nicht auf die tatsächliche Realisierung eines gemeinsamen Anschlusses abstellt. Hinzu kommen Gründe der Verwaltungspraktikabilität. Wie dargelegt, endet der Bestandsschutz je nach dem Datum der Errichtung zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Würde dies dazu führen, dass das jeweilige, bisher dezentral entwässerte Grundstück separat betrachtet werden muss, würde hinsichtlich der Anschlusspflicht in einem eigentlich insgesamt zentral zu entwässernden Gemeindegebiet ein Flickenteppich entstehen. Würde der Beklagte stattdessen warten, bis für sämtliche an dem Privatweg anliegende Grundstücke der Bestandsschutz abgelaufen ist, um die Anschlusspflicht durch Verwaltungsakt zu konkretisieren, würde dies eine faktische Verlängerung der Kalkulationssicherheit bedeuten, welche mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG bedenklich wäre.

Eine Einbeziehung freiwillig anschließbarer Grundstücke in § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS ist allerdings nur dann möglich, wenn sie für die betroffenen Grundstückseigentümer zumutbar, also verhältnismäßig, ist. Dies ist hier der Fall. Zwar sind weder der Gerichtsakte noch den Verwaltungsvorgängen hinreichende Anhaltspunkte für einen vorzeitigen Anschluss des Grundstücks Q. zu entnehmen. Vorliegend hat der Beklagte aber die zwangsweise Durchsetzung der Anschlusspflicht für die Klägerin bis zum 30. Juni 2024 aussetzt. Er hat zusätzlich angekündigt, die der Klägerin gewährte Frist anzupassen, wenn glaubhaft gemacht wird, dass eine gemeinsame Beauftragung und Durchführung der Bauarbeiten beabsichtigt ist. Da die Klägerin mit dem tatsächlichen Anschluss somit warten kann, bis auch ihr Nachbarn der Anschlusspflicht unterliegt, bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken an der Einbeziehung von drei Grundstücken.

d. Im Übrigen ist das klägerische Grundstück bei der Berechnung nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS auch nicht nach § 3 Abs. 1 Satz 4 ABS unbeachtlich.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 4 ABS sind Grundstücke, die dafür ursächlich sind, dass bei ihrer Einbeziehung die „nach Satz 3 maßgebende Entfernung überschritten“ wird, außer Acht zu lassen. § 3 Abs. 1 Satz 4 ABS ist auf den vorliegenden Einzelfall nicht anwendbar, da bei der Berechnung „die maßgebende Entfernung“ nicht überschritten wird. Die Kammer geht davon aus, dass für die „maßgebende Entfernung“ auf die in § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS hineingelesene 60-m-Grenze aus § 3 Abs. 1 Satz 1 a.E. ABS abgestellt werden soll. Die Norm ist vorliegend nicht einschlägig, da nach den vorherigen Ausführungen die 60-m-Zumutbarkeitsgrenze nicht überschritten wird.

3. Die Anschlussforderung ist schließlich nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Klägerin ein Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zustünde, den sie der Forderung einredeweise entgegenhalten könnte (vgl. zum „Einredecharakter“ VG Düsseldorf, Urt. v. 8.4.2009 - 5 K 3247/07 -, juris Rn. 54 f. m.w.N.).

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 ABS kann von den Bestimmungen der Abwassersatzung des Beklagten eine Befreiung erteilt werden, um im Einzelfall nicht beabsichtigte besondere Härten zu vermeiden. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ABS dürfen durch die Befreiung der Zweck der Satzung nicht gefährdet und Belange der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt werden. Die Vorschrift ist dabei eng auszulegen, weil der Gesetzgeber dem Grundstückseigentümer eine Wahlmöglichkeit, ob er sein Grundstück an den öffentlichen Schmutzwasserkanal anschließen will, gerade nicht eingeräumt hat. Im Rahmen der Prüfung, ob eine Befreiung zu erteilen ist, steht bereits verbindlich fest, dass der zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage der Vorzug einzuräumen ist, ohne dass eine Abwägung der Argumente, die für und gegen die verschiedenen Entsorgungssysteme sprechen, stattfindet (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 17.9.2001 - 9 L 829/00 -, juris Rn. 7; VG Braunschweig, Urt. v. 30.1.2002 - 8 A 452/01 -, juris Rn. 19).

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin einen Antrag auf Befreiung gestellt hat. Darüber hinaus rechtfertigen weder die von der Klägerin vorgelegten, zumindest veralteten und in den Einzelpositionen nicht näher begründeten Anschlusskosten noch der letztlich auf einem freien Willensentschluss der Klägerin beruhende Umstand, dass sie bei einem selbstständigen statt eines gemeinsamen Anschlusses eine Strecke von über 60 m überbrücken muss, eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang, weil diese Situation auf eine größere Anzahl von Fällen zutreffen kann.

Eine zur Befreiung von der Anschlusspflicht führende Unzumutbarkeit kann nur bei objektiven und grundstücksbezogenen Gründen, die sich aus einer besonderen und außergewöhnlichen Lage oder Situation des Grundstücks ergeben und den Einzelfall insoweit als gänzlich atypisch erscheinen lassen, angenommen werden (Nds. OVG, Beschl. v. 3.2.2004 - 9 LA 338/03 -, n.v.). Eine solche atypische Situation hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen und ist für das Gericht auch nicht ersichtlich. Bei Zugrundlegung von drei Grundstücken würde ein Privatweg mit einer Gesamtlänge von 180 m noch einen vom Normgeber gezielt erfassten Fall abbilden. Die Entfernung des klägerischen Grundstücks von der Anschlusstelle ist gerade ein typischerweise von § 3 Abs. 1 Satz 3 ABS erfasster Fall. Hinweise auf einen Sonderfall, wie etwa unebenes Gelände oder außergewöhnliche Bodenverhältnisse, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Angesichts der Lage des klägerischen Grundstücks ist ebenso wenig naheliegend, dass die prognostizierten Anschlusskosten in Relation zum Grundstückswert außer Verhältnis stehen (vgl. VG Potsdam, Beschl. v. 21.1.2020 - 8 L 238/19 -, juris Rn. 62).

B. Die Aufforderung zur Ausfüllung und Einreichung des Antrags zur Genehmigung des Anschlusses binnen zwei Monaten ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 6 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz Buchst. a ABS in Verbindung mit § 13 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) NKomVG. Im Rahmen der ihnen verliehenen Rechtsetzungsbefugnis dürfen die Gemeinden auch Bestimmungen erlassen, die Art und Weise des Anschlusses an den Abwasserkanal festlegen und ein Genehmigungsverfahren einschließlich vom Anschlusspflichtigen einzureichender Anträge vorsehen. Die Pflicht zur Antragstellung resultiert aus dem Unterworfensein unter den Anschluss- und Benutzungszwang. Auf diese Weise können die Gemeinden eine ordnungsgemäße und den Allgemeininteressen Rechnung tragende Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtung Abwasserbeseitigung sicherstellen und diejenigen Erklärungen von den Grundstückseigentümern verlangen, die aus gemeindlicher Sicht erforderlich sind, um Grundstücke ordnungsgemäß nach den anerkannten Regeln der Technik an den öffentlichen Schmutzwasserkanal anschließen zu können (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 15.3.2002 - 9 LA 93/02 -, n.v.). Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz Buchst. a ABS sind erfüllt, da die Klägerin gemäß § 4 ABS anschlusspflichtig geworden ist. Welche Unterlagen im Einzelnen einzureichen sind, ergibt sich aus § 6 Abs. 2 Satz 2 ABS.

C. Die Aufforderung zur Herstellung des Anschlusses innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Genehmigung ist ebenfalls rechtmäßig. Sie hat ihre Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 2 ABS, wonach bebaute Grundstücke nach Aufforderung innerhalb von zwei Monaten nach Erteilung der Genehmigung anzuschließen sind. Die Vorschrift ist rechtmäßig, da sie der zeitnahen Erfüllung der Anschlusspflicht dient.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO).

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.