Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 05.10.2021, Az.: 3 A 50/21

Form des Verwaltungsaktes; Fütterungsverbot; Jagdgehege

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
05.10.2021
Aktenzeichen
3 A 50/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70708
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Untersagung der Fütterung von Schalenwild in ihrem Jagdgehege in der Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Dezember eines jeden Jahres.

Die Klägerin ist Eigentümerin von annähernd zusammenhängenden Grundstücken im Gebiet des Beklagten mit einer Gesamtgröße von ca. 1300 ha. Sie führt darauf einen Betrieb mit einem Hotel, einer Jagdschule, zwei Golfplätzen, Land- und Forstwirtschaft sowie – in einem Eigenjagdbezirk – einem etwa 200 ha großen Jagdgehege.

Das Gehege weist mit Stand vom 25. September 2015 folgende Struktur auf: Es besteht zu annähernd 100 % aus Wald und beinhaltet drei kleinflächige Wildäcker mit einer Gesamtgröße von 1,27 ha. Der Baumbestand besteht hauptsächlich aus Schwarzerlen und Eschen. 15 ha Laubholzkulturen sind aus Schutz vor Damwild eingezäunt. Der Wildbestand ist nicht erfasst.

Für den Betrieb dieses Jagdgeheges stellte die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. April 1977 einen Antrag bei der Jagdbehörde des Beklagten. Darin führte sie aus, sie beabsichtige, auf der Fläche von ca. 260 ha Damwild in biotypisch vertretbarer und wirtschaftlich optimaler Siedlungsdichte auszusetzen. Am 18. Juli 1977 stellte die Klägerin einen Bauantrag für den „Neubau einer Einfriedung zur Errichtung eines Wildgeheges“, welcher am 9. Januar 1978 antragsgemäß genehmigt wurde.

Mit Schreiben vom 27. Juli 1989 bestätigte der Kreisjägermeister des Beklagten der Klägerin eine Vereinbarung, wonach der Damwildbestand in dem Gehege maximal 50 Stück, der Schwarzwildbestand max. 100 Stück betragen darf.

Mit Schreiben vom 28. Juli 1988 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass das Jagdgehege um ca. 60 ha wegen der Anlage eines Golfplatzes verkleinert wurde. Sie bat darum, die Genehmigung für das Jagdgehege nicht zu widerrufen. Der Beklagte nahm dazu mit Schreiben vom 30. Juni 1999 Stellung und stellte fest, dass aufgrund des Antrags vom 13. April 1977 und des sich im Anschluss daraus ergebenden Schriftverkehrs das Jagdgehege im Sinne des Art. 29 LJagdG (Nds. GVBl. 1978, 217) als genehmigt anzusehen sei und die nachträgliche Verkleinerung nicht zu einem Widerruf der Genehmigung nach Art. 29 Abs. 3 LJagdG 1978 führe, weil es sich um eine „Kann-Vorschrift“ handele. Er gehe davon aus, dass selbstverständlich auch weiterhin eine waidgerechte Bejagung des Schwarz- sowie Damwildes gewährleistet werde. Die in der Vergangenheit getroffenen Aussagen und Bestimmungen zum Jagdgehege behielten unverändert ihre Gültigkeit.

Im Jahr 2014 wiesen Umweltverbände den Beklagten auf aus ihrer Sicht unrechtmäßige Zustände im Jagdgehege hin, woraufhin im Juli 2014 das Gehege von Mitarbeitern des Beklagten besichtigt wurde. Unter anderem wurde eine fest installierte Futterstelle vorgefunden.

Die Klägerin gab mit Schreiben vom 29. September 2014 an, dass sie das Schwarzwild ganzjährig in Form der Erhaltensfütterung durch dosierte Gabe von artgerechten Futtermitteln (Weizen, Mais) ernähre. Das Damwild werde lediglich im Rahmen einer Winterfütterung gefüttert.

Nach Korrespondenz mit dem zuständigen Ministerium holte der Beklagte sodann 2015 ein Gutachten eines von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Jagdwesen zur Feststellung des zulässigen, ökologisch tragfähigen Wildbestandes im Jagdgehege ein. Der Gutachter gab an, keine Feststellung zum höchst zulässigen, ökologisch tragfähigen Wildbestand im Gehege treffen zu können, weil er eine solche fachlich nicht belegen könne. Auch zu den tatsächlichen aktuellen Bestandszahlen könne er ohne Wildzählung keine Feststellungen treffen, zwischen den errechneten Zuwachsraten und den durch die Klägerin vorgelegten Abschusszahlen ergäben sich aber Diskrepanzen. Seiner Ansicht nach sei eine Zufütterung wegen der im eingezäunten Wildgehege begrenzten Möglichkeiten zur Nahrungsaufnahme jedenfalls von Dezember bis Ende März bzw. April – und somit auch außerhalb des [damalig] jagdrechtlich zulässigen Zeitraums – unbedingt erforderlich. Dies gelte unabhängig von der Höhe des Wildbestands im Gehege.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2016 untersagte der Beklagte der Klägerin die Fütterung von Schalenwild innerhalb des Jagdgeheges in der Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Dezember eines jeden Jahres (Ziffer 1.). Sollte hierdurch eine Reduzierung des Schalenwildbestandes erforderlich werden, habe die Klägerin diese bis zum Ende des Jagdjahres 2017/2018 abzuschließen. Bis dahin werde übergangsweise eine bedarfsgerechte Fütterung geduldet (Ziffer 2.). Diese Anordnung stützte der Beklagte auf § 11 NSOG i.V.m. § 32 Abs. 2 NJagdG in der damals geltenden Fassung. Zur Begründung führte er aus, dass durch die Nichteinhaltung des gesetzlichen Fütterungsverbots eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung drohe. Zwar genieße das Gehege als solches über § 42 Abs. 3 NJagdG Bestandsschutz. Damit gehe jedoch nicht einher, „dass die vormalige jagdrechtliche Regelung einer generellen Fütterungszeit vom 16.10. bis 30.04. (vgl. Art. [37] LJagdG aF) für Jagdgehege weiterhin anzuwenden [sei]“. Es sei Aufgabe der Klägerin, in Ausübung ihrer Hegepflicht nach § 3 Abs. 1 NJagdG die Wildbestände so zu regulieren, dass die natürliche Äsung ausreiche.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 27. Mai 2016 Klage.

Die Klägerin sieht sich zu einer ganzjährigen Fütterung im Jagdgehege berechtigt. Sie könne sich auf Bestandsschutz für ihr Jagdgehege im ausgeübten Umfang berufen. Zwar sei eine jagdrechtliche Genehmigung des Jagdgeheges nicht dokumentiert, sie dürfe aufgrund der Abläufe in den 1970er Jahren und der unbeanstandet gebliebenen Abschusslisten für jedes Jagdjahr aber darauf vertrauen, dass das Jagdgehege zulässig betrieben werde. Zwar sei in den Anträgen aus den 1970er Jahren kein Schwarzwild erwähnt, dies sei aber auch nicht für notwendig gehalten worden, da Schwarzwild – anders als das Damwild – bereits im Gebiet des Jagdgeheges vorhanden gewesen sei, es somit nicht habe ausgesetzt werden müssen.

Der Bestandsschutz, der aus § 42 Abs. 3 NJagdG i.V.m. Art 29 LJagdG folge, würde leerlaufen, wenn das Fütterungsverbot aus § 32 Abs. 2 NJagdG im Jagdgatter zur Geltung käme. Es sei daher eine telelogische Reduktion der Norm erforderlich. Der Bestandsschutz umfasse nicht nur den ursprünglich genehmigten Wildbestand, sondern auch die Möglichkeit, diesen Bestand durch Zufütterung aufrechtzuerhalten. Die Möglichkeit, einen erhöhten Wildbestand vorhalten zu können, mache das Wesen eines Jagdgeheges aus. Die Fütterungsbeschränkung diene einzig der Vermeidung übergroßer Wildbestände, um vermehrten Wildschäden in Nachbarrevieren vorzubeugen. Dieser Zweck greife in einem Wildgatter aber gerade nicht, da aufgrund der Einfriedung keine Gefahr von Wildschäden außerhalb des Gatters drohe. Auch aus den Gesetzesbegründungen der Jagdrechtsnovellen der Jahre 1978 und 2001 folge, dass sich die Restriktionen ausschließlich auf die freie Wildbahn beziehen sollten, worunter das klägerische Gehege nicht falle. Zudem sei ausweislich des Gutachtens eine Fütterung im Jagdgehege unabhängig von der Wilddichte erforderlich. Daraus folge, dass der Betrieb des Geheges ohne eine telelogische Reduktion des § 32 NJagdG eingestellt werden müsste, was verfassungsrechtlichen und EU-rechtlichen Maßstäben widerspräche: Zum einen läge in dem Verbot der Fütterung eine willkürliche Ungleichbehandlung der Klägerin im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG im Vergleich zu anderen Jagdgehegen (insbesondere dem Jagdgehege in H.) und zu landwirtschaftlichen Produktionsgehegen, in denen ohne Einschränkung gefüttert werde. Zum anderen würden das durch Art. 14 GG geschützte Jagdausübungsrecht und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Das Fütterungsverbot stelle eine verfassungswidrige Form der Legalenteignung dar, die durch die Verfügung des Beklagten verfassungswidrig umgesetzt werde. Auch die Handlungsfreiheit der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 GG werde unverhältnismäßig eingeschränkt, weil die vorzunehmende Interessenabwägung angesichts der Tatsache, dass der Zweck des Fütterungsverbots in einem Gatter nicht greife, zu ihren Gunsten ausgehen müsse. Die Klägerin macht zudem geltend, die Beschränkung der Jagd verstoße gegen ihr Recht auf Eigentumsschutz aus Art. 1 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK. Ferner stelle die Beschränkung einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Sinne des Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Schließlich sei die von der Klägerin durchgeführte Erhaltensfütterung auch unter dem Aspekt des § 2 TierSchG notwendig. Das TierSchG sei anwendbar, da der Begriff des Halters weit auszulegen sei. Es genüge dafür, dass sie über die Lebensbedingungen der Tiere im Gatter entscheide.

Selbst wenn die Fütterung nicht schon aus den genannten Gründen zuzulassen sei, hätte der Beklagte sie bei der Prüfung, ob eine Ausnahmegenehmigung nach § 32 Abs. 3 NJagdG zu erteilen sei, berücksichtigen und ins Ermessen einstellen müssen. Eine diesbezügliche Ermessensentscheidung könne dem Bescheid aber nicht entnommen werden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 3. Mai 2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an dem Bescheid fest. Das Fütterungsverbot des § 32 NJagdG (a.F.) gelte auch in dem räumlich abgegrenzten Bereich eines Jagdgeheges. Ein solches Gehege stelle einen besonderen Eigenjagdbezirk dar, in dem das Wild herrenlos sei und in dem folglich Jagdrecht gelte. Eine Fütterung außerhalb des zulässigen Zeitraums widerspreche auch dort den Grundsätzen einer waidgerechten Hege gemäß § 3 Abs. 1 NJagdG. Die Fütterungsbeschränkungen dienten nämlich nicht nur der Vermeidung von Wildschäden, sondern auch der waidgerechten Hege, die unter anderem verlangt, den Wildbestand so zu regulieren, dass es nicht zu einer Verknappung der natürlichen Nahrungsgrundlage im Gehege komme. Es sei Aufgabe der Klägerin, dafür zu sorgen, dass die Wildbestände an diese Anforderungen angepasst werden.

Durch den streitgegenständlichen Bescheid laufe der Bestandsschutz des Geheges nicht leer. Zum einen sei die Klägerin bei ausreichend natürlicher Äsung nicht daran gehindert, einen erhöhten Wildbestand vorzuhalten. Zum anderen setze ein Fortbetrieb des Jagdgeheges nicht zwangsläufig einen erhöhten Wildbestand voraus. Die Beeinträchtigung durch die Verfügung sei nicht unverhältnismäßig, zumal der Beklagte mit der Verfügung ohnehin nur die gesetzliche Regelung wiederholt habe. Auch Grundrechtsverletzungen lägen nicht vor. Insbesondere liege keine Verletzung des Gleichheitsgrundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG vor, da es im Zuständigkeitsbereich der Beklagten keine anderen Jagdgatter gebe, die er anders behandeln könnte, ein Vergleich mit landwirtschaftlichen Gattern sei schon aufgrund der unterschiedlichen Rechtsregime nicht möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage für die Beurteilung, ob das streitgegenständliche dauerhafte Verbot aufzuheben ist, ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2012 – 8 B 62.11 –, juris Rn. 13 zur zutreffenden Präzisierung, dass im Hinblick auf die hier nicht beantragte Feststellung der Rechtswidrigkeit für die Vergangenheit auf den jeweils geltenden Zeitpunkt abzustellen ist).

1. Das in Ziffer 1. des Bescheids ausgesprochene Fütterungsverbot für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Dezember eines jeden Jahres ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage der Untersagung ist § 11 NPOG i.V.m. § 32 Abs. 2 Satz 1 NJagdG. Nach dieser Norm können die Verwaltungsbehörden und die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren, soweit nicht die Vorschriften des dritten Teils die Befugnisse der Verwaltungsbehörden und der Polizei besonders regeln.

a. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 NPOG liegen vor.

Voraussetzung für dessen Einschreiten ist das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 11 NPOG. Eine solche Gefahr ist nach § 2 Nr. 1 NPOG gegeben, wenn eine Sachlage besteht, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird.

Vorliegend ist ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit betroffen. Die öffentliche Sicherheit umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger der Hoheitsgewalt (Möstl/Weiner, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht, 20. Edition, NPOG, § 2 Rn. 9).

Indem die Klägerin im streitgegenständlichen Jagdbezirk Schwarzwild ganzjährig und Damwild in Form einer Winterfütterung füttert, verstößt sie gegen die Fütterungsbestimmungen des § 32 NJagdG. Nach § 32 Abs. 2 NJagdG ist außerhalb der Notzeit, in der für eine ausreichende Ernährung zu sorgen ist (§ 32 Abs. 1 Satz 1 NJagdG), das Füttern von Wild unzulässig. Eine Notzeit liegt nicht vor. Diese ist nach Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift nur gegeben, wenn die Kreisjägermeisterin oder der Kreisjägermeister Beginn und Ende einer Notzeit für die betroffenen Bereiche bekannt gibt, was nicht geschehen ist und ohnehin nicht eine hier von der Klägerin begehrte grundsätzliche, ganzjährige Fütterung für eine unbestimmte Dauer zuließe. Eine Ausnahme von dem Fütterungsverbot kommt nach § 32 Abs. 2 Satz 2 bis 4 und Abs. 3 NJagdG nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen dafür offensichtlich nicht einschlägig sind. Insbesondere hat der Beklagte neben dem streitgegenständlichen Bescheid zu keinem Zeitpunkt eine Ausnahmeregelung im Sinne des § 32 Abs. 3 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 NJagdG getroffen. Danach kann aus Gründen der ordnungsgemäßen Wildbewirtschaftung im Einzelfall eine Ausnahme vom Fütterungsverbot zugelassen werden. Soweit die Klägerin meint, es müsse eine (weitergehende) Ausnahmeregelung getroffen werden, hat sie einen entsprechenden Antrag bei dem Beklagten bislang nicht gestellt und begehrt auch vorliegend nicht den Erlass einer weitergehenden Regelung, sondern die Aufhebung des Bescheides, weil sie die Auffassung vertritt, das Fütterungsverbot des § 32 Abs. 2 Satz 1 NJagdG gelte nicht im streitgegenständlichen Jagdbezirk.

Das Fütterungsverbot nach § 32 Abs. 2 Satz 1 NJagdG gilt im streitgegenständlichen Jagdbezirk, denn für den Jagdbezirk bestehen keine Sonderrechte.

aa. Die Klägerin kann sich nicht auf einen Bestandsschutz berufen, der dem Fütterungsverbot entgegenstünde. Das Jagdgehege ist weder genehmigungsfähig, noch genießt es als genehmigtes oder als genehmigt geltendes Jagdgehege Bestandsschutz.

Die Errichtung von Jagdgehegen in der freien Landschaft ist nicht mehr zulässig (§ 31 NWaldLG). Für genehmigte oder als genehmigt geltende Jagdgehege enthält § 42 Abs. 3 NJagdG eine Übergangsregelung, wonach auf diese Art. 29 des bis 31. März 2001 geltende LJagdG anzuwenden ist. Dieser lautet wie folgt:

(1) Die Anlage von Jagdgehegen, in denen Wild zur Jagd eingehegt wird, bedarf der Genehmigung der Jagdbehörde. Die Anlage darf nur genehmigt werden, wenn

1. andernfalls hohe Wildschäden zu erwarten sind,

2. das Jagdgehege eine Fläche von mindestens 250 Hektar im Eigentum ein und derselben Person oder einer Personengemeinschaft umschließt und

3. der allgemeine Zutritt zur freien Landschaft nicht unangemessen behindert wird.

(2) Jagdgehege bilden einen besonderen Eigenjagdbezirk. Sie müssen gegen den Zu- und Abgang des Schalenwildes dicht abgeschlossen sein. Die Jagdbehörde kann Anordnungen über die Beschaffenheit der Zäune treffen und die Einrichtung einer ausreichenden Zahl von Zugängen für die Allgemeinheit vorschreiben.

(3) Die Jagdbehörde kann die Genehmigung eines Jagdgeheges widerrufen, wenn eine der in Absatz 1 bestimmten Voraussetzungen nicht mehr vorliegt oder Anordnungen nach Absatz 2 nicht befolgt werden. Sie kann die Beseitigung nicht genehmigter Jagdgehege anordnen.

(4) Jagdgehege, die vor dem 1. Januar 1973 angelegt worden sind, gelten als genehmigt. Die Jagdbehörde kann im Einzelfall ihre Beseitigung anordnen, wenn entweder

1. das Jagdgehege den allgemeinen Zutritt zur freien Landschaft unangemessen behindert oder

2. das Jagdgehege eine Fläche von weniger als 75 Hektar umschließt oder

3. Anordnungen nach Absatz 2 nicht befolgt werden.

Die Voraussetzungen der Übergangsregelungen liegen für das Jagdgehege der Klägerin allesamt nicht vor. Das Jagdgehege unterfällt nicht Art. 29 Abs. 4 LJagdG. Der streitgegenständliche Jagdbezirk wurde erst nach Erteilung der Baugenehmigung vom 9. Januar 1978 angelegt, so dass die Klägerin sich nicht auf die Altbestandsregelung des Art. 29 Abs. 4 LJagdG stützen kann.

Das Jagdgehege ist auch nicht nach Art. 29 Abs. 1 LJagdG genehmigt worden. Der Antrag der Klägerin auf Genehmigung des Betriebs eines Jagdgeheges vom 13. April 1977 wurde nie beschieden. Eine entsprechende Genehmigung des Jagdgeheges findet sich weder in den Verwaltungsvorgängen, noch konnte die Klägerin eine Genehmigung vorlegen. Einzig der korrespondierende Bauantrag der Klägerin wurde 1978 genehmigt. Dieser bezieht sich ausweislich der Genehmigung allerdings nur auf den „Neubau einer Einfriedung zur Errichtung eines Wildgeheges“. Das Schreiben des Kreisjägermeisters aus 1988 und des Beklagten aus 1999 enthalten keine Aussagen, in die eine (erstmalige) Genehmigung des Jagdgeheges hineingelesen werden könnte.

Das Schreiben des damaligen Kreisjägermeisters bindet den Beklagten schon deshalb nicht, weil er nicht zuständig war. Der Kreisjägermeister tritt gemäß Art. 46 LJagdG bzw. § 38 Abs. 3 NJagdG in erster Linie als Berater der Jagdbehörde auf. Dass der Beklagte dem Kreisjägermeister seinerzeit die Befugnis übertrug, in Bezug auf die Wilddichte den Beklagten dauerhaft bindende Vereinbarungen zu treffen, ist weder vorgetragen worden noch erkennbar.

Mit Schreiben des Beklagten durch Herrn Dr. I. vom 27. Juli 1999 ist eine Genehmigung für den Betrieb des Jagdgeheges nicht erteilt worden. In dem Schreiben heißt es: „dass aufgrund des Antrags vom 13. April 1977 und des sich im Anschluss daraus ergebenden Schriftverkehrs das Jagdgehege im Sinne des Art. 29 LJagdG (Nds. GVBl. 1978, 217) als genehmigt anzusehen sei“. Der Wortlaut dieser Ausführung spricht nicht von der Erteilung einer Genehmigung. Ferner stellt Herr Dr. I. auch nicht fest, dass eine Genehmigung in der Vergangenheit bereits erteilt worden ist. Vielmehr soll das Jagdgehege („als genehmigt anzusehen sei“) so behandelt werden, als ob es eine Genehmigung hätte.

Das Jagdgehege wurde auch nicht konkludent genehmigt (§ 37 Abs. 2 Satz 1 am Ende VwVfG analog, vgl. Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 52. Edition, VwVfG, § 37 Rn. 34). Zwar bedarf es für die Genehmigung als Verwaltungsakt grundsätzlich keiner Schriftform, so dass sie auch auf andere Art und Weise erteilt werden kann. Notwendig ist aber, dass über das Schweigen der Behörde hinaus die Erteilung des Verwaltungsaktes zum Ausdruck gekommen ist. Derartiges lässt sich nicht finden. Weder wurden Kosten für das Genehmigungsverfahren erhoben, noch ist sonst eine Reaktion auf den Antrag erkennbar. An den Erlass eines Verwaltungsaktes durch konkludentes Verhalten sind insbesondere dann strenge Anforderungen zu stellen, wenn wie vorliegend die Genehmigungsvoraussetzungen nicht offensichtlich vorliegen. Daran, dass das Jagdgehege 1973 genehmigungsfähig war, bestehen Zweifel. Gemäß Art. 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LJagdG (Art. 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LJagdG zum Zeitpunkt der Antragstellung 1973) durfte ein Jagdgehege nur dann genehmigt werden, wenn andernfalls hohe Wildschäden zu erwarten sind. Die Klägerin beantragte aber die Genehmigung eines Jagdgeheges, um weiteres Wild, nämlich Damwild, aussetzen zu können und Wildbret zu gewinnen (Seite 1 Ziffer 2 des Antrags). Sie argumentierte zwar in ihrem Antrag vage damit, der Wildschaden belaufe sich schon jetzt auf eine kaum zu vertretene Höhe, ergänzte aber sogleich, Wildschäden würden sich erhöhen, wenn sie das Damwild ohne Gehege aussetzen würde (Seite 1 Ziffer 3.1 des Antrags). Die Erteilung einer Genehmigung zur Abwehr von Gefahren (Wildschaden), die der Antragsteller durch schlichtes Unterlassen (kein Aussetzen des Damwildes) ebenso hätte abwehren können, ist nicht offensichtlich.

Auch war im Jahr 1999 eine Genehmigungsfähigkeit nach Art. 29 Abs. 1 LJagdG nicht gegeben, weil das Jagdgehege nach seiner Verkleinerung auf etwa 200 ha nicht mehr die zur Genehmigung erforderliche Mindestgröße von 250 ha aufwies.

bb. Die Kammer stützt ihre Entscheidung selbständig tragend darauf, dass selbst in dem Fall, dass das Jagdgehege genehmigt worden wäre oder als genehmigt gelten würde, ein Verstoß gegen § 32 NJagdG vorläge.

Ein derartiger Bestandschutz würde – ungeachtet des Umstandes, dass der Antrag vom 13. April 1997 ohnehin kein Schwarzwild umfasst – keine Sonderrechte zum Füttern des (Dam-)Wildes beinhalten. Auch in genehmigten Jagdgehegen darf Wild nur im Rahmen der allgemeinen und aktuell geltenden Vorschriften des NJagdG gefüttert werden. Denn § 42 Abs. 3 NJagdG i.V.m. Art. 29 LJagdG enthält keine eigenständige Fütterungsregelung. Die Fütterung war in Art. 37 NJagdG geregelt. Nach Art. 37 Abs. 1 LJagdG war in der freien Wildbahn eine Sommerfütterung (Mai bis Mitte Oktober) nur in Sonderfällen zulässig. Im Übrigen, d.h. im Winter und in Gehegen, bestanden keine Fütterungsverbote. Mit Inkrafttreten des NJagdG 2001 wurde das Füttern allgemein, d.h. nicht nur in freier Wildbahn, auf die Monate Januar bis April beschränkt (§ 32 NJagdG a.F.). Seit Dezember 2018 ist die Fütterung nur in – hier nicht einschlägigen – Konstellationen möglich (§ 32 Abs. 2 NJagdG).

§ 32 Abs. 2 NJagdG ist auch nicht durch teleologische Auslegung derart einzuschränken, dass das Fütterungsverbot in Jagdgehegen nicht gilt, weil anderenfalls dadurch der Sinn und Zweck eines Jagdgeheges konterkariert würde.

Selbst wenn man mit dem Gutachten aus 2015 davon ausgeht, dass ohne eine ganzjährige Fütterung Schalenwild in dem eingefriedeten Jagdbezirk keine ausreichende Nahrungsgrundlage findet, würde eine daraus folgende Reduktion des Schalenwildbestands auf Null die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen. Die Leitentscheidung des Gesetzgebers für die vorliegende Konstellation, nämlich:

1. eine Fütterung ist grundsätzlich nur in Notzeiten möglich,

2. es besteht Bestandsschutz für Jagdgehege,

kann im Einzelfall zu einem Wegfall der jagdlichen Nutzbarkeit eines Jagdgatters führen, ohne dass der Sinn und Zweck des Jagdgeheges im Grundsatz entfiele. Betrachtet man die Funktion, die ein Jagdgatter innehaben soll, so ist dies die Wildschadensverhütung in benachbarten Revieren (vgl. Art. 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LJagdG). Für diese Funktion ist es nicht notwendig, dass sich Wild – erst recht kein zusätzlich ausgesetztes Wild – im Jagdgatter aufhält und gefüttert wird. Es ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar, dass in einem Jagdgatter die Jagd nicht ausgeübt werden darf (OVG Schleswig, Beschluss vom 4. Oktober 2019 – 4 LB 11/18 –, juris Rn. 28 zur diesbezüglichen Regelung in § 29 Abs. 5 Nr. 5 LJagdG S-H). Dass es das Wesen eines Wildgeheges sei, einen überhöhten Wildbestand vorhalten zu können, um Jägern den Abschuss von Wild zu ermöglichen, lässt sich diesen gesetzgeberischen Wertungen nicht entnehmen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Fütterung von Wild auch nicht deshalb untersagt, um erhöhten Wildschaden zu vermeiden, welcher durch Wild in eingefriedeten Jagdbezirken ohnehin nicht droht. Der niedersächsische Gesetzgeber sieht das Füttern von Wild vielmehr als Ausnahme von der Regel, dass Wild sich aus der Kulturlandschaft ernährt (vgl. LT-Drs. 18/1369, S. 9).

Im Ergebnis sieht das Gericht keine Notwendigkeit für eine teleologische Reduktion des § 32 Abs. 2 NJagdG.

Die Tatsache, dass der Wildbestand der Klägerin bei uneingeschränkter Geltung der Fütterungsbeschränkungen voraussichtlich erheblich, wenn nicht vollständig reduziert werden muss, stellt auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Grundrechte dar.

Das seit 2001 bestehende und seit 2018 verschärfte Fütterungsverbot stellt in Bezug auf bestehende Jagdgehege keine grundrechtswidrige Enteignung dar. Es handelt sich nicht um eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern um eine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsrechts im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 1 Abs. 2 des Zusatzprotokolls der EMRK (vgl. zum noch umfassenden Jagdgatterverbot OVG Schleswig, Beschluss vom 2. März 2018 – 4 LA 107/17 – juris Rn. 12ff.). Der Jagdbezirk der Klägerin wird lediglich gleichgestellt mit fast allen anderen Jagdbezirken in Niedersachsen, in denen seit Jahrzehnten keine Sommerfütterung und seit 2018 auch keine Winterfütterung mehr zulässig ist.

Auch soweit die Klägerin eine Art. 3 GG- und Art. 20 GRCh-widrige Ungleichbehandlung mit aus ihrer Sicht vergleichbaren landwirtschaftlichen Produktionsgattern rügt, überzeugt ihre Argumentation nicht. Es handelt sich um vollkommen andere Regelungsgegenstände. Die Klägerin vermochte nicht darzustellen, welche Verbindung die landwirtschaftliche Tierhaltung in Wildgehegen zu dem verfolgten Ziel des Gesetzgebers aufweist, die Jagdausübung möge so wenig wie möglich in die natürlichen Lebensbedingungen von herrenlosen Wildtieren eingreifen (vgl. zu diesem Aspekt und auch zur unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenz OVG Schleswig, Beschluss vom 2. März 2018 – 4 LA 107/17 –, juris Rn. 28-35).

In der durch die Klägerin vorgenommenen Fütterungspraxis liegt somit ein Verstoß gegen § 32 Abs. 2 NJagdG. Der Tatbestand des § 11 NPOG ist erfüllt und der Beklagte zum Einschreiten berechtigt.

b. Der Beklagte hat mit den streitgegenständlichen Anordnungen nicht die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Ermessensfehler hinsichtlich der Entscheidung, einzuschreiten (Entschließungsermessen) und hinsichtlich der Wahl der konkreten Maßnahme (Auswahlermessen) sind nicht ersichtlich.

aa. Der Beklagte ist nicht durch die Vereinbarung aus 1989 daran gehindert, einzuschreiten. Die Vereinbarung zu Wildobergrenzen wurde nicht mit dem Beklagten, sondern dem damaligen Kreisjägermeister getroffen, sie bindet den Beklagten damit nicht (s.o.).

Die Beklagte ist auch nicht daran gehindert, einzuschreiten, weil es andernorts in Niedersachsen Jagdgehege geben soll, in denen ganzjährig gefüttert wird. Zunächst ist der Beklagte nicht an die (nach Auffassung der Klägerin rechtswidrige) Verwaltungspraxis anderer unterer Jagdbehörden gebunden. Darüber hinaus handelt es sich vorliegend nicht um ein rechtmäßiges Jagdgehege. Zuletzt ist auch nicht erkennbar, ob nicht andernorts Ausnahmegenehmigungen nach § 32 Abs. 3 NJagdG erteilt wurden.

Des Weiteren hindert weder § 2 TierSchG noch die Existenz von landwirtschaftlichen Gattern (§ 11 Abs. 6 TierSchG) ein Einschreiten des Beklagten. Die Klägerin ist nicht Halterin des im Jagdgehege freilebenden Wildes. Freilebende Wildtiere – und diese zugegeben eingeschränkte Freiheit ist das Konzept von Jagdgehegen – unterliegen nicht der menschlichen Bestimmungsmacht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Februar 2005 – 1 S 2673/04 –, juris Rn. 10), so dass das Jagdrecht Anwendung findet, nicht die weit strengeren Regelungen der Nutztierhaltung.

bb. Die vom Beklagten gesetzte Rechtsfolge ist nicht zu beanstanden. Nach § 11 NPOG darf die zuständige Behörde die „notwendigen Maßnahmen“ zur Abwehr der Gefahr ergreifen, ihr steht somit bei der Auswahl der Rechtsfolge Ermessen zu. Die gerichtliche Überprüfung hat sich nach § 114 S. 1 VwGO darauf zu beschränken, ob der Beklagte das ihm zustehende Ermessen fehlerfrei, also entsprechend dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage und innerhalb der gesetzlichen Grenzen, ausgeübt hat. Dies ist hier der Fall, nach dem aktuell geltenden Recht hätte der Beklagte sogar noch restriktivere Fütterungsregeln vorgeben können.

Dass die starre Übergangsregelung im streitgegenständlichen Bescheid zwischenzeitlich verstrichen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Sollte es nicht möglich sein, unmittelbar nach Vollziehbarkeit des streitgegenständlichen Bescheids eine tierschutzkonforme Bestandsreduktion (ggfs. auf Null) durchzuführen, so steht es der Klägerin offen, eine Ausnahmeregelung nach § 32 Abs. 3 NJagdG für die notwendige Dauer einer tierschutzkonformen Reduktion zu beantragen.

2. Auch die Anordnungen zur Reduzierung des Bestands und zur Dokumentation der Abschüsse in Ziffer 2. des Bescheids sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Die Vorgaben stellen „erforderliche Maßnahmen“ im Sinne des § 11 NPOG dar und sind zur tierschutzkonformen Umsetzung der Ziffer 1. unerlässlich. Die Beschränkung des Fütterns macht es erforderlich den Wildbestand so weit zu reduzieren, dass das natürliche Äsungsangebot im Gehege ausreicht, um das Wild zumindest in der Zeit von Mai bis Dezember zu ernähren. Die Dokumentationspflicht ist Voraussetzung dafür, dass der Beklagte die Umsetzung seiner Anordnungen überwachen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 Zivilprozessordnung.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.