Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 16.05.2002, Az.: 1 A 575/01

Anschluß- und Benutzungszwang; Duldungsanordnung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
16.05.2002
Aktenzeichen
1 A 575/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 42345
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Rechtmäßigkeit der Durchsetzung eines Anschluss- und Benutzungszwanges bei vorhandener funktionstüchtiger Kleinkläranlage

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die ihm auferlegte Duldung der Herstellung eines Anschlusskanals einschließlich eines Revisionsschachts auf seinem Grundstück R. L. 48/48 a in 28879 G..

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Der Kläger ist Eigentümer des u.a. mit einem kombinierten Wohn- und Geschäftsgebäude bebauten Grundstücks R. L. 48/48 a. Er betrieb auf dem Grundstück zum Zwecke der dezentralen Abwasserbeseitigung eine dreikammerige Kleinkläranlage mit anschließender Untergrundverrieselung, über die das geklärte Abwasser in das Grundwasser eingeleitet wurde. Die diesbezüglich erforderliche wasserbehördliche Erlaubnis wurde dem Kläger vom Landkreis Osterholz unter dem 14.12.1990 widerruflich und bis zu einem möglichen Anschluss an die Ortskanalisation befristet erteilt. Inzwischen hat der Kläger die Kleinkläranlage mit einer Festbettanlage nachgerüstet, die den Überlauf aus der letzten Klärstufe einer zusätzlichen biologischen Reinigung unterzieht. Zusätzlich wird das Wasser einem geschlossenen Nachklärteich zugeführt. Das sich dort sammelnde Wasser verwendet der Kläger für die Gartenberegnung, soweit es nicht direkt verdunstet.

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Die Gemeinde G. hatte in einer Ratssitzung vom 20.06.1994 ein von einer Ingenieurgemeinschaft aufgestelltes Abwasserbeseitigungskonzept beschlossen. Zusätzlich hatte die Gemeinde den Ausbau der Schmutzwasserkanalisation in den Jahren 1995 bis 2000 als Bauprogramm beschlossen. Danach sollte der Ausbau im Bereich der R. L. im Jahre 1998 erfolgen. Zuvor hatte die Gemeinde Grasberg in einer Ratssitzung vom 21.02.1989 ein Abwasserbeseitigungskonzept beschlossen, in dem nach der zeichnerischen Darstellung der Bau eines Kanals auch für den Bereich der R. L. geplant worden war. Im Jahre 1995 übernahm der Beklagte die Aufgabe der Abwasserbeseitigung u.a. von der Gemeinde G.. Diesbezüglich wurde vom Beklagten unter dem 12.12.1995 die Satzung des W.- u. A.- O.", Landkreis O., sowie unter dem gleichen Datum die Satzung über den Anschluss über die öffentliche Abwasserbeseitigung (Abwasserbeseitigungssatzung) des W.- u. A.- O.", Landkreis O. (Amtsblatt für den Landkreis O. 1995, S. 124) - ABS -, zuletzt geändert am 08.04.1998 (Amtsblatt für den Landkreis O., 1998, S. 77) beschlossen. Nach § 3 Abs. 1 ABS ist jeder Grundstückseigentümer verpflichtet, sein Grundstück nach Maßgabe der Bestimmungen der Abwasserbeseitigungssatzung an eine öffentliche Abwasseranlage anzuschließen, sobald auf seinem Grundstück Abwasser auf Dauer anfällt. Nach § 3 Abs. 3 ABS richtet sich die vorgenannte Verpflichtung auf den Anschluss an die zentrale Abwasseranlage, soweit die öffentlichen Kanalisationsanlagen vor dem Grundstück betriebsbereit vorhanden sind, sonst auf Inanspruchnahme der dezentralen Abwasseranlage. Nach § 2 Abs. 3 ABS endet die öffentliche zentrale Abwasseranlage hinter dem Revisionsschacht auf dem zu entwässernden Grundstück.

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Mit Bescheid vom 17.08.2000 erließ der Beklagte die streitgegenständliche Duldungsverfügung und ordnete deren sofortige Vollziehung an. Der Beklagte sei gemäß dem in §§ 3, 4 ABS angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang gesetzlich verpflichtet, die Schmutzwasserkanalisation auch für das Grundstück des Klägers herzustellen. Dieser gesetzlichen Verpflichtung des Beklagten korrespondiere die Verpflichtung des Klägers, die Herstellung der zentralen Abwasserbeseitigungsanlage auf seinem Grundstück zu dulden. Zur Begründung der angeordneten sofortigen Vollziehung führte der Beklagte aus, dass die Errichtung der Schmutzwasserkanalisation dem besonders hoch einzustufenden Allgemeininteresse des Schutzes der Volksgesundheit diene. Ferner bestehe das öffentliche Interesse, die Schmutzwasserkanalisation möglichst kostengünstig durchzuführen. Dies sei nur gewährleistet, wenn die Arbeiten an mehreren Grundstücken ohne Zeitverzögerung durchgeführt werden könnten.

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Gegen die Duldungsverfügung legte der Kläger am 14.09.2000 Widerspruch ein. Der Kläger betrachte das von ihm erworbene Wirtschaftsgut Wasser als sein Eigentum, das er nicht abzugeben habe. Die Duldungsverfügung stelle eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf den Grundstücksnachbarn des Klägers, R. L. 52/52 a, dar. Die Verhältnisse dieser Grundstücke seien gleich, dennoch entfalle der Anschlusszwang für das Nachbargrundstück.

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Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 12.04.2001 zurückgewiesen. Der vom Kläger angeführte Vergleich mit dem Grundstück R. L. 52/52 a greife nicht durch. Vor diesem Grundstück verlaufe keine Kanaldruckrohrleitung, so dass insoweit auch eine Satzungsregelung nach § 149 NWG getroffen worden sei. Lediglich in der M. S., an die dieses Grundstück auch grenze, liege ein kurzes Stück Kanaldruckrohrleitung, welches aber ausschließlich für die Erschließung des dortigen Siedlungsgebietes mit dem kleinen Stichweg diene. Bei der Aufgabe der Abwasserbeseitigung könne der Beklagte im Rahmen seines Entscheidungsspielraumes frei und unabhängig entscheiden, ob in einem bestimmten Straßenbereich die zentrale Abwasserbeseitigung eingerichtet werde oder nicht. Der Beklagte sei dabei nicht gezwungen zu berücksichtigen, ob auf den anzuschließenden Grundstücken funktionstüchtige dezentrale Abwassersysteme vorhanden seien.

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Der Kläger hat am 10.05.2001 Klage erhoben. Er betreibe bereits eine moderne Abwasserentsorgungsanlage nach DIN 4261, die dem Stand der Technik entspreche; dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger sein Standardmodell mit einer Festbettanlage nachgerüstet habe. Das letztlich nach Zuführung in den Nachklärteich entstehende Endprodukt sei kein Abwasser, das eingeleitet werden müsste oder eingeleitet werde. An Wassergüte übertreffe es das aus der letzten Reinigungsstufe der öffentlichen Kläranlage der Beklagten in einen Vorfluter entlassene Abwasser haushoch. Die zentrale Abwasserbeseitigung könne den vorgefundenen Bestand an Abwasserentsorgungseinrichtungen nicht ohne konkrete Legitimation ablösen. Eine fachtechnische Gebotenheit bestehe nicht. Mit den vom W. V. und vom Ingenieurbüro S./M. verfassten Abwasserbeseitigungskonzepten halte der Beklagte bewusst hinter dem Berge. Es könne vermutet werden, dass die Entscheidung zur zentralen Abwasserbeseitigung von betriebswirtschaftlichen Interessen des Beklagten dominiert gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger darüber hinaus bezweifelt, ob der Beklagte überhaupt rechtmäßig die Aufgabe der Abwasserbeseitigung gegenüber dem Kläger wahrnimmt. Es sei nicht nachvollziehbar, ob der Beklagte als Aufgabenträger und sein Satzungsrecht rechtmäßig zustande gekommen sei.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 17.08.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2001 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte verweist auf die von der Gemeinde G. übernommenen Abwasserbeseitigungskonzepte, die aus den Beschlüssen vom 21.02.1989 und 20.06.1994 hervorgingen. Diese Konzepte seien grundsätzlich verwirklicht worden, soweit für die einzelnen Straßenzüge die Mehrheit der Grundstückseigentümer dies so gewünscht habe und dies auch wirtschaftlich vertretbar gewesen wäre.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und des Landkreises O. verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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Der Bescheid des Beklagten vom 17.08.2000 und der Widerspruchsbescheid vom 12.04.2001 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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Die Verfügung findet ihre rechtliche Grundlage in den Bestimmungen des § 3 der Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten. Den Vorschriften über den Anschluss- und Benutzungszwang korrespondiert die Befugnis der die Satzung durchführenden öffentlich-rechtlichen Körperschaft, eine Duldungsanordnung für den Fall zu erlassen, dass der satzungsrechtlich festgelegte Anschluss- und Benutzungszwang rechtmäßig ist und sich ein betroffener Grundstückseigentümer weigert, die für den Anschluss des Grundstücks erforderlichen Arbeiten auf seinem Grundstück zuzulassen (vgl. etwa VG Stade, Beschluss vom 05.05.1999, Az.: 6 B 778/99; Nds. OVG, Beschluss vom 06.10.1995, Az.: 9 M 4004/95).

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Der in der Abwasserbeseitigungssatzung festgelegte Anschluss- und Benutzungszwang ist nach § 8 Nr. 2 NGO i.V.m. § 6 Abs. 3 Zweckverbandsgesetz rechtmäßig und damit wirksam angeordnet worden.

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Das maßgebliche Satzungsrecht des Beklagten ist nicht etwa bereits deshalb rechtswidrig, weil - wie der Kläger meint - der Beklagte die Aufgabe der Abwasserbeseitigung zu Unrecht wahrnimmt. Vielmehr hat der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Aufgabe der Abwasserbeseitigung von der nach § 149 NWG vorliegend ursprünglich zuständigen Gemeinde G. übernommen. Nach § 150 Abs. 1 NWG können sich Abwasserbeseitigungspflichtige zur gemeinsamen Durchführung der Abwasserbeseitigung zusammenschließen; schließen sie sich zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zusammen, geht die Abwasserbeseitigungspflicht auf diese über, soweit sie die Abwasserbeseitigung übernimmt. Einem solchen originären Zusammenschluss ist die Übertragung der Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf eine bereits bestehende öffentlich-rechtliche Körperschaft rechtlich gleichzustellen. Der bereits bestehenden öffentlich-rechtlichen Körperschaft erwächst die Aufgabe der Abwasserbeseitigung mithin dann, wenn die Gemeinden der Körperschaft die Aufgabe übertragen und diese die Aufgabe übernimmt. Entsprechende Regelungen, die den vorgenannten Anforderungen des § 150 Abs. 1 NWG genügen, sind hier von der Gemeinde G. einerseits und dem Beklagten andererseits getroffen worden: Der Rat der Gemeinde G. hat in seiner Sitzung vom 16.11.1995 beschlossen, die Aufgabe der Abwasserbeseitigung gemeinsam mit der Samtgemeinde H. und der Gemeinde W. dem Beklagten zu übertragen; der Beklagte hat diese Aufgabe in der im Ratsbeschluss genannten Vereinbarung übernommen und unter dem 12.12.1995 dementsprechende satzungsrechtliche Bestimmungen erlassen.

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Auch die weiteren Voraussetzungen eines satzungsrechtlich rechtmäßig angeordneten Anschluss- und Benutzungszwanges liegen vor. Hinsichtlich des Erfordernisses der Feststellung eines dringenden öffentlichen Bedürfnisses nach § 8 Nr. 2 NGO für den Anschluss an eine zentrale Abwasserbeseitigungseinrichtung steht der öffentlich-rechtlichen Körperschaft eine Einschätzungsprärogative zu, auch braucht in der Satzung über den Anschluss- und Benutzungszwang nicht ausdrücklich das Vorliegen des dringenden öffentlichen Bedürfnisses festgestellt zu werden. Bei ihrer Entscheidung darüber, wie sie ihrer Abwasserbeseitigungspflicht aus § 149 Abs. 1 NWG nachkommen und die öffentliche Einrichtung Abwasserbeseitigung ausgestalten, steht den Gemeinden bzw. hier dem Verband (vgl. § 150 Abs. 1 NWG) ein weiter Ermessensspielraum zu, der seine Grenze nur im Willkürverbot findet (Nds. OVG, ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil vom 22.01.1997, Az.: 9 L 4525/95, NST-N 1997, 182). Dabei ist die Entscheidung zugunsten einer zentralen Abwasserbeseitigung gemessen an § 8 Nr. 2 NGO selbst dann rechtens, wenn sie für die einzelnen Grundstückseigentümer zu einer deutlichen finanziellen Mehrbelastung gegenüber einer Abwasserbeseitigung mittels Kleinkläranlagen führt. Die Einführung des Anschluss- und Benutzungszwanges für die Schmutzwasserkanalisation ist im Hinblick auf die wirtschaftliche Belastung der Grundstückseigentümer durch § 8 Nr. 2 NGO erst dann nicht mehr gedeckt, wenn der Anschluss zu derart finanziellen Mehrbelastungen im Vergleich zur dezentralen Abwasserbeseitigung führt, dass er - auch bei Berücksichtigung der Vorteile einer zentralen Abwasserbeseitigung und deren Bedeutung für eine effektive Gefahrenabwehr - bei objektiver Betrachtungsweise unzumutbar ist (Nds. OVG, Beschluss vom 14.06.1999, Az.: 9 L 1160/99). Für das Vorliegen einer solchen Situation spricht hier nichts. Diesbezüglich kann der Kläger nicht etwa mit Erfolg einwenden, dass bei der Entscheidung zum Anschluss- und Benutzungszwang betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle gespielt hätten. Rentabilitätsgesichtspunkte stellen nämlich durchaus Erwägungen dar, die bei der Entscheidung für einen Anschluss- und Benutzungszwang eine Rolle spielen dürfen. Auch der vom Kläger angeführte Gesichtspunkt, dass die Reinigungsleistung seiner Kleinkläranlage von der zentralen Abwasserbeseitigung nicht überboten werden könne, führt nicht zu einer Unzumutbarkeit der Entscheidung zu einem Anschluss- und Benutzungszwang bzw. zu einer Überschreitung des Ermessensspielraumes des Beklagten. Soweit der Kläger und etwaige andere Grundstückseigentümer eine dezentrale Abwasserbeseitigung für besser halten und daher bevorzugen, müssen sie sich mit diesem Anliegen an die kommunalen Entscheidungsträger wenden, um eine Korrektur des Abwasserbeseitigungskonzeptes zu erreichen. Die Verwaltungsgerichte sind nicht der richtige Adressat für ihre Forderungen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 20.05.1997, Az.: 9 L 130/96). Eine Überschreitung des Ermessensspielraumes bzw. das Ergebnis einer Unzumutbarkeit lässt sich auch nicht mit dem Verweis darauf begründen, dass der Beklagte das Abwasserbeseitigungskonzept der Gemeinde G. übernommen hat, ohne dass er im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die zugrunde liegenden Vorgänge des Wasserwirtschaftsamtes Verden und eines Ingenieurbüros vorgelegt hat. Es lässt sich vielmehr konstatieren, dass das vom Beklagten umgesetzte Konzept sich durchaus in den Beschlüssen des Rates der Gemeinde G. aus 1994 und 1989 wiederfindet. Es war stets vorgesehen, auch die R. L. bis R. an die zentrale Abwasserbeseitigung anzuschließen.

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Aus dem mithin satzungsrechtlich rechtmäßig angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang ist der Kläger nach §§ 2 Abs. 3, 3 und 4 ABS verpflichtet, sein Grundstück an die öffentliche zentrale Abwasserbeseitigungsanlage anzuschließen und diese zu benutzen. Diese Verpflichtung entstand nach § 3 Abs. 3 ABS mit dem betriebsbereiten Vorhandensein der öffentlichen Kanalisationsanlagen vor dem Grundstück. Ist der Anschluss- und Benutzungszwang nach § 8 Nr. 2 NGO (i.V.m. § 6 Abs. 3 Zweckverbandsgesetz) durch Satzung rechtmäßig angeordnet, wird den betroffenen Grundstückseigentümern nämlich die Möglichkeit genommen, auf dem Grundstück eine dezentrale Abwasserbeseitigung zu betreiben (Nds. OVG, Urteil vom 22.01.1997, Az.: 9 L 4525/95, NSt-N 1997, 182). Der Kläger kann demgegenüber nicht etwa mit Erfolg einwenden, auf seinem Grundstück falle aufgrund der guten Reinigungsleistung seiner dezentralen Abwasserbeseitigungsanlage überhaupt kein Abwasser an, das eingeleitet werden müsse. Der Kläger verkennt bei dieser Argumentation, dass Abwasser nicht erst bei der Einleitung in den Kanal entsteht, sondern bereits dann, wenn Wasser durch menschliche Eingriffe und/oder durch menschlichen (namentlich häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen) Gebrauch in seinen Eigenschaften verändert wird (Nds. OVG, Urteil vom 29.11.1996, Az.: 9 L 3406/95). Maßgeblich für das Vorhandensein von Abwasser ist daher nicht, dass eine betriebene Kleinkläranlage hervorragend gereinigtes Wasser abgibt, maßgeblich ist vielmehr, dass das, was in die Kleinkläranlage gelangt, die Voraussetzungen des Abwasserbegriffs erfüllt. Das ist bei dem klägerischen Grundstück zweifellos der Fall. Der Kläger nutzt das Grundstück sowohl zum Wohnen als auch geschäftlich, hierfür ist er auf den Gebrauch von Frischwasser angewiesen, das durch die Verwendung verändert wird und damit Abwasser darstellt.

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Mithin ist der Kläger nach §§ 3 und 4 ABS verpflichtet, sein Grundstück an die öffentliche zentrale Abwasserbeseitigungsanlage anzuschließen und diese zu benutzen. Dem korrespondiert grundsätzlich auch die Verpflichtung des Klägers, die Herstellung des Anschlusskanals einschließlich des Revisionsschachtes auf seinem Grundstück zu dulden. Eine Duldungsanordnung ist jedoch rechtswidrig, wenn die mit der Durchführung der Arbeiten auf dem Grundstück verbundenen Eigentumsbeeinträchtigungen nicht zwingend geboten und daher unverhältnismäßig sind, weil dem Grundstückseigentümer ein Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zusteht (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 21.06.1999, Az.: 9 M 2353/99). Der Kläger hat indessen einen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nach der insoweit heranzuziehenden satzungsrechtlichen Regelung des § 5 ABS. Die Befreiungsvoraussetzungen ergeben sich allein aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 ABS, wonach eine Befreiung erteilt werden kann, wenn der Anschluss des Grundstücks an die öffentliche Abwasseranlage für den Grundstückseigentümer unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls unzumutbar ist. Eine zusätzliche Befreiungsvoraussetzung aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 ABS ergibt sich nicht, da nach Artikel 2 Abs. 2 des 9. Gesetzes zur Änderung des NWG vom 16.11.1995 (Nds. GVBl. S. 425) - 9. ÄndGNWG - eine Freistellung von der Abwasserbeseitigungspflicht im Sinne dieser satzungsrechtlichen Bestimmung bis zum 31.12.1998 fortgilt, soweit nicht zuvor eine Satzung nach § 149 Abs. 4 NWG (i.d.F. des 9. ÄndGNWG) in Kraft tritt oder die Gemeinde den Anschluss an eine öffentliche Abwasseranlage und deren Benutzung nach § 8 Nr. 2 NGO vorschreibt. Soweit eine Befreiung von der Abwasserbeseitigungspflicht das Verbandsgebiet des Beklagten betrifft, hat sie folglich mit Inkrafttreten des § 3 ABS am 12.12.1995 ihre Geltung verloren. Eine Unzumutbarkeit des Anschlusses im Sinne der allein heranzuziehenden Befreiungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 ABS liegt nicht vor. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang vorliegen, ist zu berücksichtigen, dass durch die Befreiung der Zweck der Satzung nicht gefährdet und die Belange der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt werden dürfen. § 5 Abs. 1 Nr. 2 ABS ist eng auszulegen, um die Gefahren zu vermeiden, die erfahrungsgemäß für die Hygiene, Umwelt und Volksgesundheit entstehen, wenn Ort, Zeit und Form der Abwasserbeseitigung dem Einzelnen überlassen bleiben. Dabei ist zu beachten, dass der Anschluss seiner Natur nach grundstücksbezogen ist und es im Hinblick auf die mit dem Anschluss- und Benutzungszwang verfolgten Zielsetzungen auf persönliche Verhältnisse nicht ankommt. Deswegen ist eine Befreiung allein aus objektiven und grundstücksbezogenen Gründen gerechtfertigt, die sich aus einer besonderen und außergewöhnlichen Lage oder Situation des Grundstücks ergeben und der Einzelfall daher als atypisch und den Anschlusszwang daher als unzumutbar erscheinen lassen. Persönliche, insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Grundstückseigentümers, müssen bei der Beurteilung der Zumutbarkeit dagegen außer Betracht bleiben (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 29.11.1996, Az.: 9 L 3406/95). Eine atypische Fallgestaltung im vorgenannten Sinne liegt hier nicht vor. Diese folgt insbesondere nicht aus dem Umstand, dass das Grundstück des Klägers über eine funktionstüchtige Abwasserbeseitigungsanlage in Form einer Kleinkläranlage verfügt. Dies ist vielmehr der Regelfall, soweit eine zentrale öffentliche Abwasseranlage nicht vorhanden ist. Entscheidet sich die Gemeinde bzw. hier der Verband im Rahmen des ihm durch § 8 Nr. 2 NGO eröffneten Ermessenspielraumes für die Errichtung einer zentralen Einrichtung für die Abwasserbeseitigung, rechtfertigt das Vorhandensein einer Kleinkläranlage deswegen grundsätzlich nicht die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang. Ob im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes im Einzelfall eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist, kann hier dahinstehen. Der Kläger kann sich auf diesen Grundsatz vorliegend nicht mit Erfolg berufen, da er nicht schutzwürdig darauf vertrauen durfte, dass sein Grundstück nicht an die öffentliche zentrale Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen wird. Mit den Beschlüssen der Gemeinde G. über ein Abwasserbeseitigungskonzept, welches vom Beklagten übernommen wurde, war auch für den Kläger ersichtlich, dass auf einen Anschluss an die zentrale Abwasserbeseitigung für das Grundstück des Klägers nicht gänzlich verzichtet werden würde. Ein Vertrauenstatbestand folgt auch nicht aus der dem Kläger vom Landkreis O. erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis vom 14.12.1990. Diese Erlaubnis ist ausdrücklich bis zu einem möglichen Anschluss an die Ortskanalisation befristet. Der Kläger durfte sich also auch unter dem Gesichtspunkt dieser Erlaubnis nicht darauf verlassen, dass sich die Abwasserbeseitigungssituation auf seinem Grundstück auch in Zukunft nicht ändern würde. Eine atypische Situation des klägerischen Grundstücks im Hinblick auf die Befreiungsvoraussetzungen ergibt sich auch nicht aus dem von ihm angeführten Vergleich mit der Situation auf dem Grundstück R. L. 52/52 a. Der Beklagte hat diesbezüglich im Rahmen seiner Widerspruchsbegründung nachvollziehbar dargelegt, dass die Situation der beiden Grundstücke gerade nicht identisch ist. Das vor dem zum Vergleich herangezogenen Grundstück befindliche kurze Stück Kanaldruckrohrleitung dient nämlich gerade nicht zur Abwasserbeseitigung auch dieses Grundstücks. Dieser Darstellung ist der Kläger nicht entgegengetreten. Weitere Gründe, die für eine atypische Situation und damit eine Befreiung des klägerischen Grundstücks vom Anschluss- und Benutzungszwang sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.

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Mithin ist die Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwanges für das Grundstück des Klägers rechtlich nicht zu beanstanden; die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.