Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 16.12.2021, Az.: 2 A 100/20

Baugenehmigung; Schädliche Bodenveränderung; Verdacht

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
16.12.2021
Aktenzeichen
2 A 100/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 71004
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zum Verhältnis der Pflicht der zuständigen Behörde, Untersuchungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG auf einem Grundstück durchzuführen, und dem Anspruch eines Bauherrn auf Erteilung einer Baugenehmigung für das betroffene Grundstück.

Zur Frage, ob im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach der Niedersächsischen Bauordnung Bodenschutzrecht zu prüfen ist.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine bodenschutzrechtlich begründete Nebenbestimmung zu einer Baugenehmigung.

Die Klägerin ist Eigentümerin des unbeplanten, im Innenbereich befindlichen Grundstücks A-Straße in A-Stadt und bewohnt das dort befindliche Einfamilienhaus. Auf dem fast 3.000 m² großen Grundstück hat die Klägerin für sich und ihre Familie einen Bauerngarten mit Obstbäumen, eine Terrasse sowie einen Gartenteich angelegt.

Früher, bis etwa 1982, wurde das Grundstück der Klägerin u.a. von der Spedition E. und F. gewerblich genutzt. Unternehmensgegenstand war ausweislich der Eintragungen im Altlastenkataster u. a. der Handel mit festen und flüssigen Brennstoffen sowie die Durchführung von Mineralöltransporten (Tankwagenspedition). In diesem Zusammenhang wurden Tankfahrzeuge auf dem Grundstück gewaschen sowie Innenreinigungen der Behälter durchgeführt. Auf dem Grundstück befanden sich deshalb früher verschiedene Anlagen, die im Zusammenhang mit diesem Gewerbebetrieb standen und in denen mit Mineralölprodukten umgegangen wurde, so etwa ein Heizöltank, eine Dieseltankstelle mit Zapfsäule und 20 m³-Tank sowie eine LKW-Montage-/Wartungsgrube. Ob und welche Anlagen dort im Übrigen an welcher Stelle vorhanden waren, ist aufgrund einer offenbar unvollständigen Aktenlage im Einzelnen unklar.

Die Klägerin erwarb das Grundstück 1991 und bezog das dort bereits befindliche Wohnhaus. Um das Grundstück für ihre ausschließlich privaten Wohnzwecke nutzbar zu machen, ließ die Klägerin eine etwa in der Mitte des Grundstücks befindliche LKW-Halle abbrechen. Im Zuge der Abbrucharbeiten traten Bodenverunreinigungen und der Verdacht einer Grundwasserverunreinigung zutage. Ausweislich eines Vermerks des Beklagten vom 9. November 1992 (BA 001 zu 2 B 36/21 – Schadenfall –, Bl 1) wurden u. a. ein gemauerter Ölabscheider, ein unterirdischer Stahltank mit ca. 2.000 l an Karbolineum und ein weiterer unterirdischer Stahltank ebenfalls mit 2.000 l Inhalt mit einem Gemisch aus Öl, Wasser und Lösungsmitteln vorgefunden. In dem Vermerk heißt es weiter, der Abscheider wie auch die beiden Tanks seien teilweise beschädigt gewesen, so dass die zuvor genannten Stoffe hätten auslaufen können.

Die Klägerin ließ daraufhin Untersuchungen über Umfang und Ursache der Verunreinigungen sowie Sanierungsarbeiten durchführen. Ausweislich des diesbezüglich erstellten Zwischenberichts des Ingenieurbüros G. vom 23. November 1992 (BA 001 zu 2 B 36/21 – Schadenfall –, Bl. 15 ff.) hätten Verunreinigungen in der Mitte des Grundstücks im Bereich der LKW-Pflegegrube nordwestlich parallel zur südlichen Grundstücksgrenze vorgelegen sowie im Bereich der daneben befindlichen Abscheideranlage, die nicht nach der DIN-Norm erstellt worden sei. Die Untergrundverunreinigung habe eine Fläche von insgesamt 150 m³ aufgewiesen. Als Sanierungsmaßnahmen seien „in Abstimmung mit dem Landkreis“ die LKW-Waschgrube und die Abscheideranlage abgebrochen sowie die alten Behälter und das alte 200-Liter-Fass ausgebaut worden. Insgesamt seien 129,39 m³ verunreinigter Boden entsorgt worden (vgl. Schlussbericht des Ingenieurbüros G. vom 23. Februar 1993, BA 001 zu 2 B 36/21 – Schadenfall –, Bl. 23). Drei Bodenproben wurden in Abstimmung bzw. auf Anordnung des Beklagten auf PAK, Mineralkohlenwasserstoffe (H 18), BTEX, EOX und Phenol-Index untersucht (vgl. Vermerk des Beklagten vom 12.11.1992, BA 001 zu 2 B 36/21 Schadenfall, Bl. 14). Ausweislich eines handschriftlichen Vermerks eines Mitarbeiters des Beklagten vom 25. Februar 1993 wurde die Sanierungsmaßnahme am 24. Februar 1993 abgenommen; Mängel seien nicht festgestellt worden (BA 001 zu 2 B 36/21 – Schadenfall –, Bl. 24). Ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Klägerin wurde nicht eingeleitet. Der Beklagte begründete dies in einem Vermerk vom 22. März 1994 damit, die Klägerin habe die Gefahr nicht selbst verursacht und den Boden zudem schnell ausgekoffert. Eine Grundwasserverunreinigung habe nicht stattgefunden; es habe lediglich ein diesbezüglicher Verdacht bestanden (Vermerk vom 22. März 1994, BA 001 zu 2 B 36/21 – Schadenfall –, Bl. 29).

Über die Sanierung des Bereichs um die LKW-Waschgrube hinaus ließ die Klägerin zudem weitflächig um die Schadensfläche herum auf etwa 2/3 ihres Grundstücks den Boden austauschen; während die Klägerin vorträgt, der Boden sei bis zu einer Tiefe von 2,8 m ausgetauscht worden, geht der Beklagte von einer Rekultivierung bis zu einer Tiefe von 0,5 bis 1 m aus.

In den Folgejahren gab es keine weiteren bodenschutzrechtlichen Verfahren. Auf den Nachbargrundstücken, die teilweise ebenfalls gewerblich genutzt worden waren und unter Altlastenverdacht standen, wurden Baugenehmigungen zur Errichtung von Wohnhäusern erteilt.

Im Jahr 2018 wurde in einem Feuerlöschbrunnen in etwa 200 m Entfernung vom Grundstück der Klägerin eine erhöhte Konzentration von leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen (LCKW) unklaren Ursprungs festgestellt. Der Beklagte gab daraufhin eine historische Recherche zur Quellensuche der LCKW-Grundwasserbelastung an insgesamt 13 Altstandorten, darunter das Grundstück der Klägerin, in Auftrag. Nach einer ersten Sichtung kam die von dem Beklagten hiermit beauftragte H. I. GmbH zu dem Ergebnis, dass für vier Altstandorte, darunter wiederum das Grundstück der Klägerin, weiterer Untersuchungsbedarf bestehe.

Für die vier betroffenen Grundstücke beauftragte der Beklagte die H. I. GmbH mit der Durchführung einer historischen Recherche. Für das Grundstück der Klägerin wurde der entsprechende Bericht unter dem 28. November 2019 vorgelegt (im Folgenden: HR). In dem Bericht wird ausgeführt, die historischen Nutzungen (Tankwagenspedition) hätten zu einem Eintrag von wassergefährdenden Stoffen in den Boden und somit zu einer schädlichen Bodenveränderung geführt. Diese sei im Jahr 1992 zwar durch Bodenaustausch saniert worden; es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass dies nicht auskömmlich gewesen sei. Dies treffe im Besonderen auf die Bereiche der ehemaligen Eigenverbrauchstankstelle, der unterirdischen Tankanlagen und der Klärgrube mit dem gesamten Verlauf der Abwasserleitungen bis in den als Graben dienenden Vorfluter auf der südöstlichen Seite der J. Straße zu. An diesen Punkten sei mit Kontaminationen durch Mineralölkohlenwasserstoffe, polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, BTEX-Aromaten, LCKW und diverse weitere Schadstoffe, die aus den gereinigten Tankwagen stammten, zu rechnen. Die HR kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass das Gefährdungspotential auf dem Grundstück der Klägerin als hoch einzustufen sei und empfiehlt die Durchführung weiterer orientierender und eingrenzender Untersuchungen.

Parallel zu den von der Beklagten durchgeführten Untersuchungen hatte die Klägerin Bauanträge gestellt, zum einen unter dem 7. Juni 2019 für den Neubau einer Fertiggarage mit Glasüberdachung (siehe Verfahren 2 A 284/21), zum anderen unter dem 11. Dezember 2019 den hier streitgegenständlichen Bauantrag zur Erweiterung ihres Wohnhauses. Die Klägerin möchte das bestehende Wohnhaus um einen Anbau erweitern. Dieser soll an der westlichen, rückwärtigen Gebäudeseite errichtet werden. Im Zuge der Bauantragstellung wies sie darauf hin, schon im Jahr 1995 sei eine Baugenehmigung für den betroffenen Grund erteilt worden, und äußerte ihre Erwartung, dass dies nun auch der Fall sein werde.

Unter dem 20. Januar 2020 gab die Abteilung Boden/Luft/Wasser ihre Stellungnahme zu dem hier streitgegenständlichen Bauvorhaben ab. Sie vertrat die Auffassung, die Baugenehmigung könne wegen des bestehenden Altlastenverdachts nicht erteilt werden. Sie stimme der Erteilung der Baugenehmigung aber zu, sofern die Baugenehmigung unter die aufschiebende Bedingung gestellt würde, dass die nach dem BBodSchG erforderlichen, kostenmäßig vom Landkreis zu tragenden Untersuchungen auf dem Baugrundstück abgeschlossen sind.

Am 25. März 2020 hat die Klägerin zunächst Untätigkeitsklage erhoben.

Unter dem 13. März 2020 erteilte der Beklagte die Baugenehmigung zur Errichtung einer Garage und unter dem 1. April 2020 die hier streitgegenständliche Baugenehmigung für die Erweiterung des Wohnhauses. Die Baugenehmigung enthielt – der Stellungnahme der Abteilung Boden/Luft/Wasser folgend – folgende Nebenbestimmungen:

„1. Mit dem geplanten Bauvorhaben darf erst begonnen werden, wenn die untere Bodenschutzbehörde schriftlich gegenüber der Klägerin erklärt hat, dass gesunde und Wohn- und Arbeitsverhältnisse und/oder kein sanierungspflichtiger Schaden die bodenschutzrechtlichen Schutzgüter betreffend vorliegen.

2. Die Klägerin hat zunächst in Absprache mit dem Landkreis Harburg, Abteilung 72, einen Gutachter mit nachweisbaren Kenntnissen auf dem Gebiet der Altlastenerkundung und -sanierung mit den für das Bauvorhaben notwendigen Untersuchungen zu beauftragen. Der vom Gutachter festzulegende Untersuchungsumfang ist mit dem Landkreis Harburg abzustimmen.

3. Die aus dem Ergebnis der Untersuchungen ggf. für das Bauvorhaben zu ergreifenden Maßnahmen sind zwischen dem Gutachter und dem Landkreis Harburg, Abteilung 72, vor Beginn jeglicher mit dem geplanten Bauvorhaben im Zusammenhang stehenden Bautätigkeiten abzustimmen.

4. Nach Mitteilung durch den Landkreis Harburg, dass die aufschiebende Bedingung erfüllt wurde, sind die daraufhin ggf. durchzuführenden Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen durch den Gutachter zu begleiten, zu überwachen und zu dokumentieren.“

Unter der Überschrift „Hinweise“ schreibt der Beklagte der Klägerin in Ziff. 1 überdies vor, dass im Rahmen notwendiger Tiefbaumaßnahmen gefördertes Grundwasser analytisch zu überprüfen sei, bevor es in den nächsten Vorfluter oder in die Regenkanalisation eingeleitet werde. Ferner behält sich der Beklagte unter Ziff. 2 der „Hinweise“ vor, weitere Auflagen in die Baugenehmigung aufzunehmen, welche sich nach Vorlage und Prüfung der jeweiligen Untersuchungen zur Umsetzung des geplanten Bauvorhabens ggf. ergäben.

Zur Begründung der Nebenbestimmungen führte der Beklagte aus, der Gutachter der HR komme zu dem Ergebnis, dass der begründete Verdacht einer Grundwasserverunreinigung vorliege. Es werde Handlungsbedarf in Form von orientierenden Untersuchungen gesehen. Deshalb dürfe mit dem Bau erst begonnen werden, wenn orientierende Untersuchungen durchgeführt worden seien und nach den gewonnenen Erkenntnissen die Bebauung zulässig sei. Im Bescheid heißt es weiter, orientierende Untersuchungen würden in der Regel im Rahmen der Amtsermittlungen auf Kosten des Landkreises gemäß § 9 Abs. 1 BBodSchG durchgeführt. Der Klägerin sei bekannt, dass er, der Beklagte, die orientierenden Untersuchungen durchführen würde. Insofern habe er zunächst zu prüfen, inwieweit die Möglichkeit bestehe, Fördermittel für die notwendigen orientierenden Untersuchungen einzuwerben. Der Auftrag werde dann nach Ausschreibung vergeben werden. Sofern die Klägerin nicht in Erwägung ziehe, die für das Bauvorhaben erforderlichen Untersuchungen selbst durchzuführen, habe sie das Ergebnis der Untersuchungen durch den Landkreis abzuwarten.

Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2020 hat die Klägerin ihren Klageantrag umgestellt und nunmehr hauptsächlich die Aufhebung der als „Aufschiebende Bedingung“ und „Hinweise“ bezeichneten Regelungen begehrt.

Parallel zu dem laufenden Klageverfahren wurden weitere Untersuchungen durchgeführt.

Im Sommer bzw. Herbst 2020 wurden bei von dem Beklagten beauftragten weiteren Untersuchungen LCKW-Belastungen an verschiedenen Grundwasseraufschlüssen festgestellt (vgl. H. I. GmbH, Bericht vom 4. November 2020, BA 002, 2 A 248/21, im Folgenden: Grundwasserbericht). Nach Auffassung der H. I. GmbH im Grundwasserbericht lassen die Untersuchungsergebnisse eine räumliche Eingrenzung der Grundwasserverunreinigung zu. Die LCKW-Konzentrationen seien im Abstrom der Altstandortverdachtsflächen A-Straße – dem Grundstück der Klägerin – und K. 16 festgestellt worden, im Anstrom hingegen nicht. Basierend auf den historischen Recherchen sei für beide Standorte ein potentieller Umgang mit LCKW festgestellt worden. Aus gutachterlicher Sicht sei darum Handlungsbedarf gegeben, um die Quelle der Verunreinigung zu lokalisieren. Zudem sei die räumliche Ausdehnung sowie die Konzentrationsverteilung der LCKW im Grundwasser zu erkunden.

Die Klägerin, die mit den Ergebnissen der Gutachter nicht einverstanden war, legte mit Schreiben vom 16. Februar 2021 einen Bericht des Ingenieurbüros L. (IBL) vom Februar 2021 vor, in dem die HR kritisch analysiert wurde: Zahlreiche Nutzungen und Anlagen könnten aufgrund der unvollständigen Aktenlage nicht verifiziert werden; auch aus den Dokumenten der Baubehörde lasse sich nicht erkennen, welche Anlagen tatsächlich existiert hätten und in Gebrauch gewesen seien; der Umgang mit LCKW sei nicht einwandfrei nachweisbar. Die einzige Anlage, in der relevante Mengen an LCKW angefallen sein könnten, sei die Abwassersammelanlage, die 1980 zusammen mit dem 50.000 l Dieseltank beantragt worden sei. Die Unterlagen hierzu seien aber so lückenhaft, dass nicht klar sei, ob diese Anlage gebaut worden sei oder nicht. Das vermöge auch der Autor der HR nicht zu sagen. Angesichts der ordnungsgemäß durchgeführten Sanierung des Grundstücks und einer unvollständigen bzw. nicht ausreichend genauen HR könne nicht nachvollzogen werden, weshalb ein von der Behörde als saniert ausgewiesener Altstandort etwa 25 Jahre später wieder als mögliche Ursache für eine Grundwasserverunreinigung in Betracht gezogen werde. Es werde empfohlen, die historische Recherche zu überarbeiten und Zeitzeugen zu befragen. Im Bericht vom 17. Mai 2021 kritisiert das IBL die Annahme der Gutachter des Beklagten, dass die Verunreinigungen schon räumlich eingrenzbar seien. Das sei nicht möglich, weil der Beklagte die Grundwasserfließrichtung nicht ordnungsgemäß geprüft hätte. Namentlich seien die Tide-Einflüsse der Elbe nicht berücksichtigt.

Der Beklagte beauftragte daraufhin das Ingenieurbüro M. Ingenieursgesellschaft mbH (M.), die HR sowie den Bericht des Ingenieurbüros L. zu vergleichen und ein eigenes Fazit hieraus zu ziehen. Die IGB kam in ihrem Bericht vom 20. Mai 2021 zu dem Ergebnis, dass es sich empfehle, eine systematische Erkundung der altlastenverdächtigen Teilfläche des Grundstücks vorzunehmen; parallel solle eine Zeitzeugenbefragung durchgeführt werden.

Auf dieser Grundlage versuchte der Beklagte, seine Erkundungsmaßnahmen für das Grundstück der Klägerin voranzutreiben. Nach Anhörung gab er der Klägerin durch Duldungsverfügung vom 29. Juni 2021 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 1.000,- EUR je Zuwiderhandlung auf, auf ihrem Grundstück die Durchführung von orientierenden Untersuchungen durch Bedienstete des Beklagten bzw. das Gutachterbüro M. zu dulden. Die Untersuchungen sollten auf Kosten des Beklagten durchgeführt werden. Insbesondere sollten neun Kleinrammbohrungen bis ca. 10 m unter der Geländeoberfläche durchgeführt werden, zudem Boden-, Bodenluft- und Grundwasserproben entnommen werden. Der Beklagte begründete seine Verfügung damit, das Grundstück der Klägerin sei vormals gewerblich genutzt worden. Diese Nutzung habe zu einem Eintrag von wassergefährdenden Stoffen geführt, was 1992 durch einen Bodenaustausch saniert worden sei. Aufgrund fehlender Belege könne aber weder ausgeschlossen werden, dass alle verunreinigten Bereiche auskömmlich saniert worden seien, noch könne ausgeschlossen werden, dass das nicht geschehen sei oder sich die Situation nochmals verändert habe. Zudem hätten sich die bisherigen Untersuchungen auf wenige Bodenproben beschränkt. Weitere potentielle Schadstoffe sowie die betroffenen Medien Bodenluft und Grundwasser seien nicht berücksichtigt worden.

Die Klägerin suchte wegen des Duldungsbescheids um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach; das Verfahren war bei dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen 2 B 36/20 und im Beschwerdeverfahren beim Niedersächsischen Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 7 ME 142/21 anhängig. Im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens legte die Klägerin weitere gutachterliche Stellungnahmen vor, in denen ihr Gutachter, das N.; sich mit den fachlichen Annahmen des Beklagten auseinandersetzte. Zudem ließ die Klägerin selbst Grundwasser- und Bodenuntersuchungen auf ihrem Grundstück durchführen. Ausweislich des hierzu ebenfalls vorgelegten Kurzberichts des N. vom 20. August 2021 sei im November 2020 und im Juli/August 2021 der Boden, am 10. Juni und 16. Juli 2021 das Grundwasser untersucht worden. Der Untersuchungsumfang gehe damit deutlich über den einer orientierenden Untersuchung hinaus. Festzuhalten sei, dass der vom Beklagten herangezogene Gutachter M. den 1992 entsorgten Bereich falsch darstelle; es sei damals ein Großteil des Betriebsgeländes bis mindestens 1 m Tiefe, lokal sogar bis 3 m durch Bodenaustausch saniert worden. Die nunmehr durchgeführte Untersuchung der oberflächennahen Bodenschicht habe gezeigt, dass die Gehalte der Bestimmungsgrößen MKW, PAK und LCKW unauffällig seien. Zwar seien auf dem Grundstück der Klägerin LCKW in Spuren nachgewiesen worden (max. 0,29 mg/kg TS), allerdings sei aufgrund der geringen Gehalte eine nachteilige Beeinflussung der Grundwasserbeschaffenheit nicht zu erwarten. Auch das Grundwasser müsse aufgrund der Untersuchungsergebnisse, die entweder Konzentrationen unterhalb der Bestimmungsgrenze oder nur in geringen Spuren aufgewiesen hätten, als nicht verunreinigt gelten. Zu den hydrologischen Gegebenheiten sei festzustellen, dass die Grundwasserfließrichtung wegen der Tideeinflüsse der Elbe wechsele. Aufgrund der Ergebnisse werde dringlicher Untersuchungsbedarf vornehmlich bei Flächen sowohl westlich, nördlich bzw. östlich als auch südlich des Feuerlöschbrunnens gesehen.

Auf entsprechende Aufforderung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts im Beschwerdeverfahren prüfte der Beklagte, ob sich weitere orientierende Untersuchungen infolge der von der Klägerin veranlassten Untersuchungen durch das N. erübrigt hätten. Der Beklagte verneinte dies: Ausweislich des Berichts des N. seien im Boden auf dem Grundstück der Klägerin LHKW festgestellt worden. Dass nur niedrige Konzentrationen festgestellt worden seien, stehe der fortdauernden Notwendigkeit orientierender Untersuchungen nicht entgegen. Denn angesichts der hohen Flüchtigkeit von LHKW komme es für die Bewertung vorgelegter Proben im besonders hohen Maße darauf an, dass die Probe fachgerecht entnommen und dies auch ordnungsgemäß dokumentiert worden sei. Daran fehle es hier. Die Klägerin weigere sich, die für eine endgültige Prüfung unentbehrlichen ergänzenden Informationen zum Vorgehen des N. vorzulegen. Das von ihm beauftragte IGB habe in seiner Stellungnahme vom 17. September 2019 (vgl. GA 2 A 36/21 Bl. 295) aufgezeigt, dass trotz der insgesamt intensiven Untersuchungen durch die Klägerin der Bedarf für die orientierenden Untersuchungen nicht entfallen sei und auch bei einer unterstellt ordnungsgemäß erfolgten Probenahme durch das N. jedenfalls für die von der Klägerin errichtete Grundwassermessstelle 1, für die keine Ergebnisse vorgelegt seien, und den Bereich der Grundstücksentwässerung am Rande des Grundstücks aller Voraussicht nach fortbestehen werde. Es zeichne sich überdies ab, dass nach dem aktuellen Wissensstand auch Detailuntersuchungen gemäß § 9 Abs. 2 BBodSchG erforderlich werden würden. Das betreffe namentlich den Montagegraben südlich der ehemaligen LKW-Halle.

Das erkennende Gericht lehnte den vorläufigen Rechtsschutzantrag der Klägerin mit Beschluss vom 23. Juli 2021 ab (- 2 B 36/21 -); diese Entscheidung wurde vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. September 2021 im Ergebnis im Wesentlichen bestätigt (- 7 ME 142/21 -). Die Gerichte teilten nach summarischer Prüfung die Auffassung des Beklagten, wonach Anhaltspunkte nach § 9 Abs. 1 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) dafür vorlägen, dass eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast gegeben sei. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht führte in seinem Beschluss aus, dieser Schluss sei selbst dann gerechtfertigt, legte man allein die Ergebnisse des von der Klägerin herangezogenen N. zugrunde. Der Einwand der Klägerin, eine erhöhte Belastung mit LCKW sei aufgrund der Stellungnahme des N. nicht zu erkennen, treffe nicht zu. Die an der Bohrstelle 1/8 am 3. November 2020 in einer Tiefe von 6,0 bis 6,5 m entnommene Probe weise einen Gehalt von 1,2.cis-Dichlorethen von 1,8 g/kh Trockenmasse auf und überschreite damit den für die Einstufung des Bodens als unbelastet maßgeblichen Grenzwert von 1,0 g/kh Trockenmasse nach der TR Boden der LAGA M20.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2021 änderte der Beklagte die streitgegenständliche Nebenbestimmung ab. Anstelle der bisher auf Seite 3 angeordneten aufschiebenden Bedingung lautet die Nebenbestimmung nun wie folgt:

Aufschiebende Bedingung

Mit dem Bau der Wohnhauserweiterung darf erst begonnen werden, wenn die untere Bodenschutzbehörde gegenüber der Antragstellerin nach Umsetzung ihrer vollziehbaren Duldungsverfügung vom 29. Juni 2021 betreffend die in Ziff. 1 geregelten orientierenden Untersuchungen gemäß § 9 Abs. 1 BBodSchG auf dem Grundstück der Antragstellerin Az. 72.1 O., A-Stadt Al) und etwaig erforderlicher weiterer Maßnahmen gemäß § 9 Abs. 2 und/oder § 10 BBodSchG schriftlich erklärt hat, dass auf dem Grundstück der Antragstellerin keine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt.“

Die Klägerin hat den Änderungsbescheid des Beklagten vom 2. Dezember 2021 in das laufende Klageverfahren einbezogen. Sie führt zur Begründung ihrer Klage aus: Sie habe Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung ohne die bodenschutzrechtlich begründete Nebenbestimmung. Dies sei schon deshalb der Fall, weil das Bodenschutzrecht nicht zum Prüfprogramm der Bauaufsichtsbehörde im hier einschlägigen vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gehöre. Das Bodenschutzrecht regele die Zulässigkeit von Bauvorhaben nicht. Diese richte sich allein nach Baurecht. Im Bauordnungsrecht seien Altlasten im Baugenehmigungsverfahren im Rahmen des § 13 Satz 2 NBauO zu berücksichtigen. Diese Vorschrift dürfe im Rahmen des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens aber nicht geprüft werden, weil sie gemäß § 63 NBauO nicht zum Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gehöre. Auch in der Sache seien die Nebenbestimmungen, sowohl in der ursprünglichen als auch in der veränderten Fassung, verfehlt: Sofern die Regelungen des BBodSchG im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren überhaupt zu prüfen seien, seien auch seine Wertungen anzuwenden, insbesondere die des § 9 BBodSchG. Auf Grundlage des von dem Beklagten herangezogenen § 9 Abs. 1 BBodSchG dürfe ihr in einem Baugenehmigungsverfahren keine Mitwirkung zur weiteren Sachverhaltsaufklärung abverlangt werden. Genau das habe der Beklagte aber mittels der Nebenbestimmungen in ihrer ursprünglichen Fassung getan, weshalb ihre Rechtswidrigkeit im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage festzustellen sei. Dies habe der Beklagte letztlich selbst erkannt und die Nebenbestimmung deshalb überarbeitet. Auch die geänderte Nebenbestimmung sei jedoch rechtswidrig. In tatsächlicher Hinsicht sei ein Anfangsverdacht im Sinne des § 9 Abs. 1 BBodSchG für eine schädliche Bodenverunreinigung nicht gegeben. Dafür genüge es nicht, dass auf dem Grundstück früher mit einem schädlichen Stoff umgegangen worden sei. Sie habe das Grundstück 1992 umfassend saniert, was der Beklagte damals bestätigt habe. Offenbar sei die Aktenlage beim Beklagten unvollständig, weil er anscheinend verschiedene Verwaltungsvorgänge vernichtet habe. Das Vorgehen des Beklagten sei willkürlich und lasse auf eine Voreingenommenheit der Amtsträger schließen. Auf den Nachbargrundstücken (K. 16/16A, P. 2a-c, J. Str. 13/13a) habe der Beklagte im Jahr 1992 ebenfalls Verunreinigungen festgestellt, aber keine Sanierung veranlasst, so dass dort – anders als auf ihrem Grundstück – Bodenverunreinigungen noch vorhanden sein dürften. Gleichwohl habe der Beklagte dort verschiedene Wohnbauvorhaben genehmigt; diese seien dort auch verwirklicht worden, zuletzt im Jahr 2014. Bezüglich dieser Nachbargrundstücke beabsichtige der Beklagte sogar, die Grundstücke aus dem Altlastenverzeichnis zu löschen. Demgegenüber sei das Grundstück der Klägerin trotz der vorgenommenen umfangreichen Sanierung als Altstandort-Verdachtsfläche ins Altlastenverzeichnis aufgenommen worden. Dies sei mit der HR vom 28. Oktober 2019 begründet worden. Es sei indes nicht ersichtlich, wieso der Beklagte namentlich die Deponie A-Stadt nicht als Verursacher der festgestellten Grundwasserverunreinigung in Betracht ziehe. Auch bei dem Grundstück K. 16 zeige sich das willkürliche Verhalten des Beklagten. Sie habe den Beklagten bezüglich dieses Grundstücks schon im Jahr 1993 auf eine Belastung mit Schadstoffen hingewiesen. Diese Verunreinigungen dürften mangels Sanierung noch heute auf dem Grundstück K. 16 vorhanden sein und seien deshalb als Ursache für die 2019 aufgefundenen LCKW-Verunreinigungen in Betracht zu ziehen. Demgegenüber dürften weitere Untersuchungen ihres eigenen Grundstücks keinen Befund bringen, weil der Boden des gewerblich genutzten Teils des Grundstücks in Abstimmung mit dem Beklagten vollständig entsiegelt und das vorgefundene Material durch Mutterboden ersetzt worden sei. Indem der Beklagte andere Ursachen für die Verunreinigung im Feuerlöschbrunnen – wie etwa die nahegelegene Deponie – ausblende und sogar Nachbargrundstücke ohne jegliche Untersuchungen aus dem Altlastenverzeichnis lösche, müsse sein Vorgehen gegenüber ihrem Grundstück geradezu als willkürlich bezeichnet werden.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die in der Baugenehmigung des Beklagten vom 1.4.2020 (Az.:60-BA-2019-Q.) auf Seite 3 ursprünglich als „Aufschiebende Bedingung (der Abteilung Bodenschutz)“ (1. bis 4.) und „Hinweise“ (1. und 2.) bezeichneten Regelungen bis zum Erlass des Änderungsbescheids vom 2.12.2021 rechtswidrig gewesen sind;

die auf Seite 3 in der Baugenehmigung des Beklagten vom 1.4.2020 (Az.: 60-BA-2019-Q.) in der Fassung des Änderungsbescheids des Beklagten vom 2.12.2021 als „neue aufschiebende Bedingung (der Abteilung Bodenschutz)“ bezeichnete Regelung aufzuheben;

hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, eine von der Klägerin unter dem 10. Dezember 2019 beantragte Baugenehmigung für eine Erweiterung des Wohnhauses auf dem Grundstück der Gemarkung A-Stadt, Flur 16, Flurstück 15/2 (postalische Anschrift: A-Straße in A-Stadt) ohne die in Ziffer 2 genannte Regelung „neue aufschiebende Bedingung (der Abteilung Bodenschutz)“ zu erteilen;

hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, den unter Ziffer 3 genannten Bauantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt aus: Es sei zulässig, die Bodenschutzproblematik im Rahmen des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens abzuarbeiten. Denn das städtebauliche Planungsrecht finde auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren Anwendung und § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB sehe vor, dass die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben müssten. Dies sei bei dem Grundstück der Klägerin infolge des Altlastenverdachts nicht sichergestellt. Zudem sei das Bundesbodenschutzgesetz als Teil des sonstigen öffentlichen Rechts gemäß § 2 Abs. 17 NBauO Teil des Prüfprogramms. Die bodenschutzrechtlichen Vorgaben stünden der Erteilung einer unbeschränkten Baugenehmigung entgegen. Bei der Sanierung 1992 seien Grundwasserproben nicht entnommen worden. Vielmehr hätten sich die damaligen Untersuchungen auf wenige Bodenproben beschränkt, die lediglich auf MKW, EOX und Schwermetalle analysiert worden seien. LCKW und weitere potentielle Schadstoffe sowie die vermutlich betroffenen Medien Bodenluft und Grundwasser seien nicht untersucht worden.

Ihm sei bewusst, dass in der Regel die orientierenden Untersuchungen von der Bodenschutzbehörde auf deren Kosten durchgeführt würden. Die Klägerin habe jedoch ihr Einverständnis mit der Durchführung der Untersuchungen nicht erteilt. Ihm sei es insofern nicht möglich gewesen, entsprechende Untersuchungen vor seiner Entscheidung über den Bauantrag zu beauftragen. Statt die Baugenehmigung zu versagen und hinsichtlich der durch den Beklagten durchzuführenden Untersuchungen eine Duldungsverfügung gegenüber der Klägerin zu erlassen, sei – als milderes Mittel – die Baugenehmigung erteilt, aber mit den streitgegenständlichen Nebenbestimmungen versehen worden.

Das Gericht hat die Gerichtsakten zu den Verfahren 2 B 36/21, 2 B 39/21, 2 A 248/21 und 2 A 284/21 sowie die zugehörigen Beiakten beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere auch wegen des umfangreichen Vortrags der Beteiligten, wird auf den Inhalt der beigezogenen und der das vorliegende Verfahren betreffenden Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat sowohl mit den Haupt- als auch den Hilfsanträgen keinen Erfolg. Die Klägerin hat im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung ohne Nebenbestimmung (I.). Vor diesem Hintergrund sind ihre Anträge unzulässig bzw. jedenfalls unbegründet (dazu II.)

I. Gemäß § 70 Abs. 1 NBauO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn die Baumaßnahme, soweit sie genehmigungsbedürftig ist und soweit eine Prüfung erforderlich ist, dem öffentlichen Baurecht entspricht. Umgekehrt darf eine Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung nicht erteilen, sofern das Bauvorhaben Vorschriften widerspricht, die von ihr im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.

Hier widerspricht das Bauvorhaben aufgrund des bestehenden Verdachts auf das Vorliegen von Bodenverunreinigungen von dem Beklagten zu prüfenden Vorschriften.

1. Auf dem Grundstück der Klägerin liegen Anhaltspunkte im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG dafür vor, dass eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast gegeben ist. Diese lösen gemäß § 9 Abs. 1 BauGB behördliche Ermittlungspflichten aus, was der Erteilung einer Baugenehmigung entgegensteht.

Schädliche Bodenveränderungen sind gemäß § 2 Abs. 3 BBodSchG Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Eine Altlast bezeichnet eine bestimmte Ursache für eine schädliche Bodenveränderung. Nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 5 Nr. 2 BBodSchG sind Altlasten im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes unter anderem Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist (Altstandorte), durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.

Wann Anhaltspunkte im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast gegeben sind, ergibt sich aus den konkretisierenden Vorschriften in der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV). Nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BBodSchV bestehen solche Anhaltspunkte bei einem Altstandort insbesondere dann, wenn auf Grundstücken über einen längeren Zeitraum oder in erheblicher Menge mit Schadstoffen umgegangen wurde und die jeweilige Betriebs-, Bewirtschaftungs- oder Verfahrensweise oder Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs nicht unerhebliche Einträge solcher Stoffe in den Boden vermuten lassen. Bei Altablagerungen sind die für ein Tätigwerden erforderlichen Anhaltspunkte insbesondere dann gegeben, wenn die Art des Betriebs oder der Zeitpunkt der Stilllegung den Verdacht nahelegen, dass Abfälle nicht sachgerecht behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind. Für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung ergeben sich darüber hinaus gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BBodSchV Anhaltspunkte durch allgemeine oder konkrete Hinweise auf 1. den Eintrag von Schadstoffen über einen längeren Zeitraum und in erheblicher Menge über die Luft oder Gewässer oder durch eine Aufbringung erheblicher Frachten an Abfällen oder Abwässer auf Böden, 2. eine erhebliche Freisetzung naturbedingt erhöhter Gehalte an Schadstoffen in Böden, 3. erhöhte Schadstoffgehalte in Nahrungs- oder Futterpflanzen am Standort, 4. das Austreten von Wasser mit erheblichen Frachten an Schadstoffen aus Böden oder Altablagerungen und 5. erhebliche Bodenabträge und -ablagerungen durch Wasser oder Wind.

Insbesondere aus den genannten Vorschriften der § 3 Abs. 1 und 2 BBodSchV folgt, dass einerseits der Umstand allein, dass über Jahre hinweg mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen wurde, es sich also um einen Altstandort handelt, nicht genügt, um den für die Anwendung des § 9 Abs. 1 BBodSchG und einen Eingriff in die Rechte Dritter erforderlichen Gefahren(Anfangs-)verdacht zu begründen. Vielmehr muss hinzukommen, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass beim Umgang mit den umweltgefährdenden Stoffen Schadstoffe durch anthropogene Prozesse im Sinne von § 3 Abs. 1 oder 2 BBodSchV in den Boden gelangt sind (Hamb. OVG, Urt. v. 12.10.2017 - 2 Bf 1/16 -, juris Rn. 38). Andererseits erfordern tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG aber auch keine „konkreten“ Anhaltspunkte; diese sind erst nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG erforderlich, damit die zuständige Behörde von den potentiell Pflichtigen selbst (und auf deren Kosten) verlangen kann, die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen. Für den Gefahrenverdacht und das Tätigwerden auf Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG genügen vielmehr tatsächliche Indizien, was aber über bloße Vermutungen, die „ins Blaue“ hinein gemacht werden, hinausgeht. Die dem Gefahrenverdacht zugrunde liegenden Tatsachen müssen dabei nicht bereits weitgehend geklärt sein. Vom Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG ist somit auszugehen, wenn eine – auch nur geringe – Tatsachenbasis vorliegt, die zu dem Schluss berechtigt, dass das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast nicht ganz unwahrscheinlich ist (so Hamb. OVG, Urt. v. 12.10.2017 - 2 Bf 1/16 -, juris Rn. 39; VG Karlsruhe, Urt. v. 16.5.2018 - 5 K 1951/16 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.12.2012 - 10 S 744/12 -, juris Rn. 27; Rh.-Pf. OVG, Urt. v. 11.10.2007 - 1 A 10281/07 -, juris Rn. 19; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.6.2009 - OVG 11 S 62.08 -, juris Rn. 7).

Der Beklagte ist gemessen an diesen Vorgaben zutreffend und aufgrund umfassender Vorermittlungen zu dem Ergebnis gelangt, dass Anhaltspunkte im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG für eine schädliche Bodenveränderung vorliegen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der jüngsten von der Klägerin vorgelegten Untersuchungen der IBL. Zur Begründung wird vollumfänglich auf die Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts Bezug genommen (7 ME 142/21, S. 5):

„Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes sind Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer schädlichen Bodenveränderung gegeben. Dies gilt selbst dann, wenn man ausschließlich die von dem von der Antragstellerin beauftragten Ingenieurbüro L. (nachfolgend: N.) erzielten tatsächlichen Erkenntnisse heranzieht.

Auch das N. hat festgestellt, dass auf dem Grundstück der Antragstellerin in ganz erheblichem Maße mit Mineralölprodukten umgegangen wurde, dass nämlich unter anderem und außerhalb des 1992/93 sanierten Grundstücksbereichs (mindestens) ein Heizöltank mit einem Fassungsvermögen von 13 m³ – das N. -Gutachten vom 16. Februar 2021 spricht ausgehend von der Genehmigungslage insoweit von einem 10 m³-Tank –, eine Dieseltankstelle mit Zapfsäule und 20 m³-Tank sowie eine LKW-Montage-/Wartungsgrube vorhanden waren und das Grundstück von einem Unternehmen genutzt wurde, das mit vor Ort abgestellten und dort reparierten/gewarteten Tankfahrzeugen insbesondere Heizöltransporte durchführte. Vor diesem Hintergrund mit der Antragstellerin anzunehmen, es sei auf dem Grundstück nicht mit relevanten Mengen an Lösungsmitteln umgegangen worden, widerspricht jeder Lebenserfahrung. Schon die Durchführung der Wartungs- und Reparaturarbeiten an den Tankfahrzeugen muss den Einsatz fett- und öllösender Substanzen erfordert haben.

Berücksichtigt man zusätzlich, dass

- für den Bereich der ehemaligen LKW-Montage-/Wartungsgrube die Genehmigung zur Errichtung einer Autowaschanlage erteilt wurde, von der unklar ist, ob diese jemals errichtet wurde,

- eine Genehmigung für eine Heißdampfreinigungsanlage für LKW-Tanks erteilt wurde, hinsichtlich derer ebenfalls ungewiss ist, ob von ihr Gebrauch gemacht wurde,

- auf der 1992/93 sanierten Grundstücksfläche Tankwagen – auch die Innenräume der Tanks – gereinigt wurden,

- im Rahmen der Sanierungsarbeiten 1992/93 nicht nur der rechtswidrig nicht mit einem geschlossenen Boden versehene Ölabscheider und ein eine Mischung aus Öl, Wasser und Lösungsmittel enthaltender 2.000 l-Erdtank entfernt wurden, sondern man auch auf in keinen Genehmigungen oder sonstigen Unterlagen verzeichnete Behältnisse – ein mit belastetem Boden gefülltes 1.000 l-Jauchefass, einen mit Bo-den gefüllten 1.800 l-Altölbehälter und ein leeres einbetoniertes 200 l-Fass – sowie vergrabene Bitumen- und Corbolineumreste gestoßen ist,

lässt sich nicht von der Hand weisen, dass

- neben den angeführten Reparatur- und Wartungsarbeiten an den LKW auch die Reinigung der Tankinnenräume den Einsatz von Lösungsmitteln erfordert haben muss,

- das auf dem Grundstück ehemals angesiedelte Unternehmen sorglos mit Schadstoffen umgegangen ist und

- die Ungewissheiten in der Historie der Grundstücksnutzung ausreichend Raum für bisher unbekannte Einträge von Lösungsmitteln in das Erdreich lassen.

Der Einwand der Antragstellerin, die in der Stellungnahme des N. vom 20. August 2021 bewerteten Bodenproben ließen eine erhöhte Belastung mit LCKW nicht erkennen, ist unzutreffend. Die an der Bohrstelle 1/8 am 3. November 2020 in einer Tiefe von 6,0 m bis 6,5 m entnommene Probe weist einen Gehalt von 1, 2-cis-Dichlorethen von 1,8 g/kg Trockenmasse auf und überschreitet – dies räumt die Antragstellerin selbst ein – damit den für die Einstufung des Bodens als unbelastet (Z 0) maßgeblichen Grenzwert von 1,0 g/kg Trockenmasse nach der TR Boden der LAGA M20.“

2. Bei dieser Sachlage, in der behördliche Ermittlungspflichten nach § 9 Abs. 1 BBodSchG gegeben sind, kann die Baugenehmigung nicht erteilt werden. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin ist die dargestellte bodenschutzrechtliche Problematik auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren abzuarbeiten (a)). Das Vorhaben verstößt gegen im Rahmen des vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfende Vorschriften: Aufgrund der bestehenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Altlast steht zum einen nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt sind (dazu b) aa)). Zum anderen verstößt das Vorhaben gegen § 2 Abs. 17 NBauO in Verbindung mit § 9 Abs. 1 BauGB (dazu b) bb)).

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind bodenschutzrechtliche Belange vorliegend zu prüfen.

Für das Bauvorhaben findet das vereinfachte Genehmigungsverfahren Anwendung. Das Prüfprogramm für die Bauaufsichtsbehörde ergibt sich somit aus § 63 Abs. 1 Satz 2 NBauO, wonach die Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren die Bauvorlagen nur auf ihre Vereinbarkeit mit dem städtebaulichen Planungsrecht, den §§ 5 bis 7, 33 Abs. 2 Satz 3, 41 Abs. 2 Satz 2 und den §§ 47 und 50 NBauO sowie den sonstigen Vorschriften des öffentlichen Rechts im Sinne des § 2 Abs. 17 NBauO prüft. Aus dem Prüfprogramm ausgeklammert ist damit ein wesentlicher Teil der bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Wegen eines Verstoßes gegen im Prüfungsprogramm nicht enthaltene Vorschriften darf die Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung nicht verweigern. Das gilt nach dem klaren und in § 63 Abs. 1 Satz 2 eindeutig zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers auch dann, wenn es um Vorschriften geht, die vor der Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit von Menschen schützen sollen (Stiel/Lenz, in: Große-Suchsdorf, 10. Aufl. 2020, NBauO § 63 Rn. 13). Nicht eingeschränkt ist die präventive Kontrolle aber, soweit bundesrechtliche Vorschriften Anforderungen an das Bauvorhaben stellen. So sind die Vorschriften des städtebaulichen Planungsrechts ebenso umfassend zu prüfen wie die sonstigen Vorschriften des öffentlichen Rechts im Sinne des § 2 Abs. 17 NBauO.

Insofern ist der Klägerin beizupflichten, dass namentlich die Vorschrift des § 13 Satz 2 NBauO im Rahmen des vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen ist. § 13 Satz 2 NBauO sieht vor, dass das Baugrundstück für die bauliche Anlage entsprechend geeignet sein muss. Diese Anforderung zielt auf die Altlastenproblematik und die damit verbundenen Gefahren für die Benutzer baulicher Anlagen auf Altlastenstandorte ab. Aus § 13 Satz 2 NBauO ergibt sich das Verbot, Gebäude und andere bauliche Anlagen (z. B. Spielplätze) an Stellen zu errichten, wo Bodenverunreinigungen die Gesundheit der Bewohner oder Benutzer der Bauwerke gefährden oder sie unzumutbar belästigen können. Die Errichtung baulicher Anlagen auf kontaminierten Flächen ist nur dann mit § 13 Satz 2 NBauO vereinbar, wenn entweder festgestellt ist, dass die abgelagerten oder in den Boden gelangten Stoffe für die Bewohner oder Benutzer unschädlich sind, oder wenn die Flächen vorher ausreichend saniert wurden. Darüber hinaus verbietet § 13 Satz 2 NBauO das Bauen auch dann, wenn die Stoffe im Baugrund das Grundwasser zu verunreinigen drohen oder sonst die Umgebung gefährden und der Neubau die Sanierungsmaßnahmen, die zur Abwehr dieser Gefahr notwendig sind, verhindert; der Bau würde sonst für die Gefahr mitursächlich (Kammeyer, in: Große-Suchsdorf, 10. Aufl. 2020, NBauO § 13 Rn. 51).

§ 13 Satz 2 NBauO ist im eingeschränkten Prüfungskatalog des § 63 Abs. 1 Satz 3 NBauO nicht genannt; insbesondere handelt es sich hierbei nicht um eine „sonstige“ Vorschrift des öffentlichen Baurechts, die nach § 63 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 NBauO zu prüfen wäre. § 63 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NBauO nimmt nur die „sonstigen“ Vorschriften des öffentlichen Rechts im Sinne des § 2 Abs. 17 in Bezug. § 2 Abs. 17 NBauO differenziert aber gerade zwischen den Vorschriften der NBauO und des städtebaulichen Planungsrechts sowie den „sonstigen Vorschriften des öffentlichen Rechts“ (Nds. OVG, Beschl. v. 16.7.2019 - 1 LA 144/18 -, juris Rn. 18). Das schließt es aus, § 13 Satz 2 NBauO (auch) als „sonstige“ Vorschrift des öffentlichen Rechts zu verstehen.

Der Ausschluss des § 13 Satz 2 NBauO als zu prüfende Vorschrift im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren führt jedoch nicht dazu, dass von dieser Vorschrift erfasste Themenbereiche wie namentlich bodenschutzrechtliche Belange auch im Rahmen anderer Vorschriften außen vor bleiben müssten. Abgesehen davon, dass sich eine derartige „Sperrwirkung“ aus dem Wortlaut des § 13 Satz 2 NBauO nicht ableiten lässt, ist eine solche in Bezug auf bundesrechtliche Vorgaben schon aus kompetenziellen Gründen ausgeschlossen. Insofern können und müssen bodenschutzrechtliche Belange unbeschadet des § 13 Satz 2 NBauO geprüft werden, wenn und soweit sich dies aus dem Rechtsanwendungsbefehl von im Rahmen des vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Vorschriften ergibt.

b) Uneingeschränkt zu prüfen sind deshalb namentlich die Vorschriften des § 34 Abs. 1 Satz 2 NBauO als Teil des städtebaulichen Planungsrechts, dessen Prüfungsrelevanz § 63 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 NBauO auch für das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren anordnet, sowie des § 2 Abs. 17 NBauO in Verbindung mit dem BBodSchG, das gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 NBauO zu prüfen ist. Beide Vorschriften stehen der Erteilung der Baugenehmigung entgegen.

aa) Soll das Bauvorhaben, wie hier, im unbeplanten Innenbereich verwirklicht werden, richtet sich seine Zulässigkeit in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nach § 34 BauGB. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung ist hier vorliegend offen, weshalb es vor Beginn des Bauvorhabens weiterer Aufklärung bedarf.

Der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB bezeichnet als Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz GG) für Grundstücke im Innenbereich, die grundsätzlich zur Bebauung anstehen, eine äußerste Grenze der Zulässigkeit ihrer Bebauung. Seine Anwendung ist darum auf die Abwehr städtebaulicher Missstände im Sinne des § 136 Abs. 3 Nr. 1 BauGB beschränkt (BVerwG, Urt. v. 12.12.1990 - 4 C 40.87 -, juris Rn. 28). Neben dem Gebot des Einfügens (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) und dem darin enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme kommt dieser Zulässigkeitsvoraussetzung eine eigenständige Bedeutung dann zu, wenn zum einen lediglich Nutzer des betreffenden Vorhabens und nicht auch Nachbarbelange berührt sind, und zum anderen wenn Belange betroffen sind, die in den § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu prüfenden Zulässigkeitsmerkmalen von Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und überbaubaren Grundstücksfläche nicht enthalten sind. Dies ist namentlich bei belasteten Böden der Fall. Dementsprechend gehen die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und Kommentarliteratur, soweit ersichtlich übereinstimmend, davon aus, dass vorhandene schädliche Bodenveränderungen zu ungesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen führen und einem Bauvorhaben entgegengehalten werden können (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.11.2018 - OVG 10 S 57.17 -, juris Rn. 30; VG Berlin, Urt. v. 15.12.2016 - 10 K 250.13 -, juris Rn. 33; EZBK/Söfker, 142. EL Mai 2021, BauGB § 34 Rn. 66a-67; Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 34 Rn. 39; Möller, UmwR und LandnutzungsR, 6. Aufl. 2016, 61.1.3 - § 3 BBodSchG Ziff. 9). Auch der Bodenbelastungen/Altlasten-Mustererlass der Fachkommission „Städtebau“ der ARGEBAU vom 26. September 2001 (im Folgenden: Mustererlass) sieht vor, dass im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB Bodenbelastungen zu prüfen sind, und zwar im regulären wie im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gleichermaßen (vgl. Ziff. 3.1.1.1 und 4.1.1 Mustererlass).

Vorliegend ist zwar nicht geklärt, dass aufgrund der bestehenden Anhaltspunkte für das Vorliegen schädlicher Bodenveränderungen bzw. Altlasten ungesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse in der Größenordnung eines städtebaulichen Missstands gegeben sind. Dies ist jedoch auch nicht ausgeschlossen, zumal die Grundwasserverunreinigungen bereits an verschiedenen Stellen in A-Stadt festgestellt und die Quelle der Verunreinigung noch nicht gefunden worden ist. Insofern wären weitere Ermittlungen erforderlich, um den bestehenden Verdacht entweder zu entkräften oder zu erhärten. Außerhalb des Baugenehmigungsverfahrens ist der Beklagte hierzu nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG verpflichtet. Im Baugenehmigungsverfahren obliegt es dem Bauherrn, den Nachweis darüber zu führen, dass ein städtebaulicher Missstand infolge von schädlichen Bodenveränderungen oder Altlasten nicht gegeben ist. Zwar dürfte angesichts des als Versagensgrund ausgestalteten § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB und dem Charakter der Baugenehmigung als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. dazu Breuig, in: BeckOK, VwGO, 59. Ed. 1.10.2021, § 108 Rn. 18 f.) grundsätzlich die Behörde die Darlegungs- und Beweislast dafür tragen, dass der Versagensgrund des § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB der Erteilung einer Baugenehmigung entgegensteht. Dieser Last genügt die Behörde aber bereits durch den Nachweis, dass ein Verdacht im Sinne des § 9 Abs. 1 BBodSchG gegeben ist. Denn auch wenn sich die baurechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens allein nach dem Baurecht richtet (vgl. § 3 Nr. 9 BBodSchG), sind seine Wertungen, soweit es im Baugenehmigungsverfahren um das Schutzgut Boden geht, zu berücksichtigen. Es wäre nach dem Sinn und Zweck der ausdrücklichen Kodifizierung im BBodSchG verfehlt, wenn – je nach Verfahrensart – identische Tatsachen in einem Verfahren konkrete Anhaltspunkte für einen Verdacht begründen würden, dieser Umstand im Baugenehmigungsverfahren aber ausgeblendet werden könnte. Es läge dann ein Verstoß gegen den verfassungskräftigen Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung vor (Posser, in: BeckOK UmweltR, 59. Ed. 1.1.2021, BBodSchG § 9 Rn. 8). Insofern wäre es nun an der Klägerin, den Verdacht zu entkräften und den Nachweis zu führen, dass die Anforderungen des § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB erfüllt sind; ohne diesen Nachweis kann die Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen § 34 Abs. 1 Satz 2 NBauO nicht erteilt werden (so ebenfalls Ziff. 4.1.2.2 Mustererlass).

bb) Überdies ist das Vorhaben mit § 9 Abs. 1 BBodSchG unvereinbar, das als sonstiges öffentliches Recht im Sinne des § 2 Abs. 17 NBauO gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 NBauO Prüfungsgegenstand im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ist. Denn aus § 9 Abs. 1 BBodSchG folgt hier die behördliche Pflicht, orientierende Untersuchungen durchzuführen; das schließt es aus, ein potentiell mit den orientierenden Untersuchungen, sowie ggf. mit darüber hinaus erforderlichen Detailuntersuchungen oder gar Sanierungsarbeiten kollidierendes Bauvorhaben zuzulassen.

Das BBodSchG ist sonstiges öffentliches Recht im Sinne des § 2 Abs. 17 NBauO. Denn es enthält Anforderungen an die Bebaubarkeit von Grundstücken. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die geltenden bodenschutzrechtlichen Anforderungen je nach Art der Bodennutzung unterschiedlich streng ausgestaltet sind (vgl. § 4 Abs. 4 BBodSchG, § 8 BBodSchG) und im Rahmen der Erteilung einer Baugenehmigung über die Bodennutzung mitentschieden wird. Die für die jeweilig beantragte Bodennutzung erforderliche Bodenqualität ist deshalb im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu berücksichtigen. Davon geht auch die einschlägige Kommentarliteratur aus (vgl. die Aufzählung bei Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 2 Rn. 38).

Die Berücksichtigung des § 9 Abs. 1 BBodSchG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 9 BBodSchG das Bundesbodenschutzgesetz nur subsidiär Anwendung findet, nämlich „soweit Vorschriften des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts Einwirkungen auf den Boden nicht regeln“. Ausweislich des Wortlauts des § 3 Abs. 1 Nr. 9 BBodSchG ist die Subsidiarität des BBodSchG keine generelle, sondern sie greift nur, soweit das enumerativ aufgeführte Fachrecht keine den Boden betreffende Regeln enthält, aufgrund derer es seinerseits Bodenschutz gewährt. Da das „benachbarte“ Fachrecht den Bodenschutz in der Regel aber gerade nicht materiell regelt, ist der Anwendungsbereich des BBodSchG weit (Schwartmann, in: Nomos-BR, BBodSchG, 1. Aufl. 2012, BBodSchG § 3 Rn. 2; Posser, in: BeckOK UmweltR, 59. Ed. 1.1.2021, BBodSchG § 9 Rn. 8). So enthalten weder Bauplanungsrecht noch die Bauordnungen der Länder spezielle Vorschriften zum Bestehen einer Gefahr für den Boden oder zu den vorgelagerten Verdachtsstufen und entsprechenden Verantwortlichkeiten. Diese Regelungen hat indes der Bundesgesetzgeber im BBodSchG getroffen. In § 9 BBodSchG sind Verdachtsgrade in Bezug auf bodenschutzrelevante Umstände und eine entsprechende Verantwortlichkeit konkretisiert. Diese sind darum unbeschadet der in § 3 Abs. 1 Nr. 9 BBodSchG vorgesehenen Subsidiarität als bundesrechtliche Vorgaben auch für das Baugenehmigungsverfahren maßgeblich (vgl. Posser, in: BeckOK UmweltR, 59. Ed. 1.1.2021, BBodSchG § 9 Rn. 7). Soweit der Bodenschutz, hier über § 2 Abs. 17 NBauO, zu prüfen ist, sind deshalb die Regelungen des BBodSchG heranzuziehen (Posser, in: BeckOK UmweltR, 59. Ed. 1.1.2021, BBodSchG § 9 Rn. 8; vgl. auch BT-Drs. 13/6701, S. 32).

Das Vorliegen eines Verdachts im Sinne des § 9 Abs. 1 BauGB steht vorliegend der Erteilung einer Baugenehmigung entgegen. Sind Anhaltspunkte im Sinne des § 9 Abs. 1 BBodSchG für eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast gegeben, soll die Behörde geeignete Maßnahmen treffen, insbesondere orientierende Untersuchungen durchführen (vgl. § 3 Abs. 3 BBodSchV). Soweit und solange diese Rechtsfolge mit dem Bauvorhaben kollidiert, kann die Baugenehmigung nicht erteilt werden. Denn die Bauaufsichtsbehörde hat über § 2 Abs. 17 NBauO die Einhaltung des gesamten öffentlichen Baurechts zu überwachen. Sie darf die „Schranke“ in Gestalt der Baugenehmigung erst dann hochziehen, wenn sie sich davon überzeugt hat, dass alle Anforderungen erfüllt sind, die das öffentliche Baurecht an das Vorhaben stellt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 30.4.2014 - 1 LB 200/12 -, juris Rn. 32).

Hier steht die für das Grundstück der Klägerin greifende Rechtsfolge des § 9 Abs. 1 BBodSchG der Erteilung der Baugenehmigung entgegen, weil die Durchführung des Bauvorhabens mit den bodenschutzrechtlichen Pflichten nach § 9 Abs. 1 BBodSchG kollidieren würde. Dies gilt zum einen, weil die Verwirklichung des Bauvorhabens zumindest in Teilbereichen die geplanten Untersuchungen vereiteln oder jedenfalls erschweren würde; so befindet sich etwa die von der M. geplante KRB 2 zumindest in unmittelbarer Nähe des geplanten Anbaus. Zum anderen kollidiert die Verwirklichung des Bauvorhabens mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BBodSchG, weil die orientierenden Untersuchungen einen weitergehenden Untersuchungsbedarf (Detailuntersuchungen nach § 9 Abs. 2 BBodSchG) oder sogar Sanierungspflichten zutage fördern können. Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass die ggf. erforderlichen weitergehenden Maßnahmen erschwert würden, wenn das Bauvorhaben verwirklicht werden würde, ohne dass zuvor der nach § 9 Abs. 1 BBodSchG bestehende Verdacht geklärt, d. h. entkräftet oder erhärtet worden ist.

II. Vor diesem Hintergrund haben die Anträge der Klägerin keinen Erfolg.

1. Mit ihrem Hauptantrag zu 2. begehrt die Klägerin die isolierte Aufhebung der auf Seite 3 in der Baugenehmigung des Beklagten vom 1. April 2020 in der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 2. Dezember 2021 als „neue aufschiebende Bedingung (der Abteilung Bodenschutz)“ bezeichnete Regelung. Diese Klage ist als isolierte Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig (a)), vor dem Hintergrund der Ausführungen unter I. aber unbegründet (b)).

a) Die als Hauptantrag erhobene gegen die Nebenbestimmung Nr. 4 gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, ist gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts die Anfechtungsklage gegeben (BVerwG, Urt. v. 22.11.2000 - 11 C 2.00 -, juris Rn. 25; VG Halle (Saale), Urt. v. 23.11.2010 - 4 A 43/10, juris Rn. 20, juris; VG Lüneburg, Urt. v. 30.4.2021 - 2 A 219/19 -, juris Rn. 31). Dies gilt nicht nur für Auflagen und Auflagenvorbehalte, sondern auch für eine Befristung, eine Bedingung oder einen Widerrufsvorbehalt (BVerwG, Urt. v. 13.12.2000 - 6 C 5.00 - juris Rn. 13). Ob die Klage tatsächlich zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, hängt davon ab, ob der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoller und rechtmäßiger Weise bestehen bleiben kann; dies indes ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet. Einer gesonderten Anfechtung von vornherein nicht zugänglich ist lediglich eine sog. Inhaltsbestimmung (modifizierende Auflage) (BVerwG, Urt. v. 30.9.2009 - 5 C 32.08 -, juris Rn. 11). Hierbei handelt es sich um eine Einschränkung, die den Inhalt der Hauptregelung qualitativ ändert, indem sie das genehmigte Verhalten oder Vorhaben selbst näher bestimmt. Sie ist weder eine Auflage, also eine gesonderte Leistungsverpflichtung, noch macht sie die Wirksamkeit der Regelung vom Eintritt eines künftigen Ereignisses abhängig, wie es für eine Bedingung oder Befristung kennzeichnend ist (BVerwG, Urt. v. 17.1.1999 - 3 C 20.98 -, juris Rn. 24 und v. 30.9.2009 - 5 C 32.08 -, juris Rn. 11).

Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die als aufschiebende Bedingung ausgestaltete Nebenbestimmung zulässig. Sie betrifft nicht den Inhalt der Hauptregelung, so dass ihre Aufhebbarkeit nicht von vornherein ausscheidet, sondern macht lediglich die Wirksamkeit der Genehmigung vom Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig. Die aufschiebende Bedingung ist daher von der Genehmigung logisch abtrennbar, ohne dass sich am Inhalt der Hauptregelung etwas ändert, und damit selbständig anfechtbar (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 17.9.2008 -2 M 153/08 -, juris Rn. 7).

Die Klage ist nicht wegen der fehlenden Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig. Die Klage ist ursprünglich als Untätigkeitsklage erhoben worden, so dass die Klage gemäß § 75 Satz 1 VwGO zulässig ist, ohne dass zuvor ein Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO durchgeführt werden müsste. Da das Gericht das Verfahren nach Ergehen der Baugenehmigung nicht nach § 75 Satz 3 VwGO ausgesetzt hat, bleibt die nach § 75 Satz 1 VwGO erhobene Klage auch nach Erlass des Bescheids ohne Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.6.1991 - 1 C 42.88 -, juris Rn. 10). Ob dies auch für die durch Klageänderung einbezogene Nebenbestimmung in ihrer durch Bescheid vom 2. Dezember 2021 überarbeiteten Fassung gilt, kann offenbleiben, denn insoweit ist die Klage jedenfalls unbegründet.

b) Die isolierte Anfechtungsklage ist unbegründet. Die angefochtene Nebenbestimmung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

aa) Die Beklagte war bzw. ist befugt, die Baugenehmigung mit einer Nebenbestimmung zu versehen.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 36 Abs. 1 VwVfG, wonach ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden darf, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Letzteres ist hier der Fall. Die Nebenbestimmungen durften hier der Baugenehmigung beigefügt werden, weil anderenfalls, wie unter I. ausgeführt, der Beklagte die Baugenehmigung nicht hätte erteilten dürfen.

bb) Ob und inwieweit die Regelungen in den Nebenbestimmungen im Einzelnen den rechtlichen Vorgaben entsprechen, kann dahinstehen, denn jedenfalls verletzen diese Regelungen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Eine Rechtsverletzung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO setzt voraus, dass der Kläger einen Anspruch auf Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts hat (Decker, in: BeckOK VwGO, 59. Ed. 1.10.2021, VwGO § 113 Rn. 17). Einen solchen Anspruch hat die Klägerin hier nicht. Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der isolierten Anfechtung von Nebenbestimmungen im Rahmen der Begründetheit zu prüfen, ob und inwieweit die Nebenbestimmungen tatsächlich isoliert aufgehoben werden können. Eine isolierte Aufhebung scheidet im Ergebnis dann aus, wenn der Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung nicht sinnvoller und rechtmäßiger Weise bestehen bleiben kann. Die Anfechtungsklage ist dann unbegründet, weil ein Aufhebungsanspruch nicht gegeben ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.1.2019 - 8 B 10.18 -, juris Rn. 5; VG Lüneburg, Urt. v. 30.4.2021 - 2 A 210/19 -, juris).

Die Aufhebung der Nebenbestimmung scheidet hier darum aus. Denn ohne die Nebenbestimmung hätte die Klägerin eine sogleich ausnutzbare Baugenehmigung, was § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB und § 2 Abs. 17 NBauO in Verbindung mit 9 Abs. 1 BBodSchG zuwiderlaufen würde (s. dazu oben unter I.).

2. Der Hauptantrag zu 1. festzustellen, dass die in der Baugenehmigung des Beklagten ursprünglich vorgesehenen Nebenbestimmungen bis zum Erlass des Änderungsbescheides vom 2. Dezember 2021 rechtswidrig gewesen sind, ist bereits unzulässig.

Erledigt sich der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung, so kann der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklären oder gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO von seiner ursprünglich auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts gerichteten Klage zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergehen und beantragen, dass der Verwaltungsakt bis zu seiner Erledigung rechtswidrig gewesen ist. Die Umstellung auf die Fortsetzungsfeststellungsklage stellt wegen § 173 VwGO in Verbindung § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO dar, wenn der Streitgegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage von dem bisherigen Antrag umfasst war. Das Klageziel ändert sich dann von einem Gestaltungsbegehren in ein bloßes Feststellungsbegehren (Decker, in: BeckOK VwGO, 59. Ed. 1.10.2021, VwGO § 113 Rn. 81).

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch – neben der (hier zu bejahenden, s. oben) Zulässigkeit der ursprünglichen Anfechtungsklage –, dass sich der Verwaltungsakt tatsächlich erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Das berechtigte Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung lässt sich nicht mit dem von der Klägerin angestrengten Amtshaftungsverfahren begründen. Zwar ist als Fallgruppe, in der ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bestehen kann, die Vorbereitung eines nicht offensichtlich aussichtslosen Amtshaftungsprozesses anerkannt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage soll verhindern, dass die Früchte der bisherigen Prozessführung (der Anfechtungsklage), die Präjudizialität für die Amtshaftungsklage entfaltet, zunichte gemacht werden. Als hier im Rahmen des Amtshaftungsverfahrens geltend zu machender Schaden kommen jedoch, soweit ersichtlich, lediglich Einbußen aus der verzögerten Umsetzung des Bauvorhabens in Betracht. Derartige Schadensersatzansprüche vermögen indes das Fortsetzungsfestsetzungsinteresse nicht zu begründen, weil die diesbezügliche Beschwer für die Klägerin nicht weggefallen ist: Denn die Klägerin ist auch aufgrund der neu gefassten Nebenbestimmungen derzeit weiterhin gehindert, von der Baugenehmigung Gebrauch zu machen. Präjudiziell für den von der Klägerin angestrengten Amtshaftungsprozess ist hier deshalb nicht die Frage, wie die Nebenbestimmung im Einzelnen ausgestaltet ist, sondern nur, ob die Baugenehmigung überhaupt mit einer solchen Nebenbestimmung versehen werden darf. Diese Frage kann aber weiterhin im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die Nebenbestimmung in ihrer aktualisierten Fassung geklärt werden. Ein Interesse an der Feststellung, dass (auch) die ursprüngliche Fassung der Nebenbestimmung rechtswidrig gewesen ist, lässt sich mit dem Argument der Präjudizialität deshalb nicht begründen.

Auch im Übrigen ist ein berechtigtes Interesse nicht zu erkennen. Eine das berechtigte Interesse begründenden Wiederholungsgefahr setzt die konkrete bzw. hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen bzw. ein begehrter Verwaltungsakt erneut abgelehnt wird. Die nur vage Möglichkeit einer Wiederholung reicht ebenso wenig aus wie der Wunsch nach einer Klärung abstrakter Rechtsfragen. Hier ist eine derartige Wiederholungsgefahr angesichts der besonderen Konstellation des gesamten Sachverhalts nicht ersichtlich.

Jedenfalls ist die Fortsetzungsfeststellungsklage auch unbegründet, denn die die zuvor auf Aufhebung der ursprünglichen Nebenbestimmungen gerichtete Anfechtungsklage hätte ebenfalls keinen Erfolg gehabt.

Dabei kann wiederum dahinstehen, ob die Nebenbestimmung im Einzelnen rechtswidrig gewesen ist. Denn jedenfalls verletzte die Nebenbestimmung die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung ohne Nebenbestimmung hatte (dazu siehe oben unter II.2 b)).

Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Kammer es – anders als die Klägerin – nicht grundsätzlich für bedenklich hält, dass die Nebenbestimmung in ihrer ursprünglichen Fassung vorsah, dass die Klägerin die erforderlichen Untersuchungen auf eigene Kosten veranlassen sollte. Aus der Begründung des Bescheids wird deutlich, dass der Beklagte damit nicht die ihm nach § 9 Abs. 1 BBodSchG obliegenden Pflichten mit Kostenfolge auf die Klägerin abwälzen wollte. Vielmehr trug diese Regelung dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin im Baugenehmigungsverfahren die Nachweispflicht dafür traf, dass gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB gegeben waren, und es deshalb an ihr lag, den bestehenden und von dem Beklagten dargelegten Verdacht im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG zu entkräften (vgl. dazu unter I. 2. b) aa)).

3. Die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung ohne Nebenbestimmung ist wegen § 75 Satz 1 VwGO auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig. Sie ist aber unbegründet, weil die Klägerin auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung ohne Nebenbestimmung hat. Auf die Ausführungen unter I. wird vollumfänglich verwiesen.

Soweit die Verpflichtungsklage als Minus auch den Antrag enthält, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Baugenehmigung mit einer weniger einschränkenden Nebenbestimmung zu erteilen, ist auch diese Klage unbegründet.

Es ist bereits nicht ersichtlich, dass es überhaupt einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung unter einer aufschiebenden Bedingung anstelle einer Versagung gibt, solange Versagensgründe vorliegen, die der Erteilung der Baugenehmigung entgegenstehen. Nach Auffassung der Kammer kommt ein solcher Anspruch allenfalls dann in Betracht, wenn sich aus dem materiellen Recht klar ergibt, dass es sich lediglich um einen vorübergehenden Versagensgrund handelt. Lediglich ein solcher bringt den Genehmigungsanspruch nicht zum Erlöschen, sondern schiebt ihn auf, so dass ein Anspruch auf Genehmigung unter einer entsprechenden aufschiebenden Bedingung in Betracht kommen könnte (vgl. zu einer entsprechenden Konstellation Schl.-Holst. VG, Urt. v. 22.11.2017 - 6 A 599/17 -, juris). Hier liegt ein solcher Fall indes schon deshalb nicht vor, weil es aufgrund der vorliegenden Gutachten zumindest nicht ausgeschlossen erscheint, dass das Genehmigungshindernis nicht nur vorübergehender, sondern dauerhafter Natur ist, insbesondere wenn umfangreiche Sanierungsarbeiten notwendig werden.

Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass, selbst wenn es einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung unter einer aufschiebenden Bedingung anstelle einer Versagung geben sollte, der Beklagte diesen Anspruch bereits erfüllt hätte. Denn er hat die innere Wirksamkeit der Baugenehmigung durch die angegriffene Nebenstimmung an Voraussetzungen geknüpft, die Bestandteil des Prüfprogramms der Baugenehmigung sind. Die Bedingung, dass die hierzu berufene Stelle, nämlich die untere Bundesbodenschutzbehörde, festgestellt hat, dass eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast auf dem Grundstück der Klägerin nicht gegeben ist, ist auch nicht überschießend, denn sie knüpft nur an das derzeit bestehende Genehmigungshindernis – das Vorliegen eines Verdachts im Sinne des § 9 Abs. 1 BBodSchG – an. Auch soweit der Beklagte die Ausnutzbarkeit der Baugenehmigung dadurch bedingt, dass „auf dem Grundstück“ der Antragstellerin keine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt, ohne dies in räumlicher Hinsicht einzuschränken, begegnet dies zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem erst noch festzustellen ist, wo genau etwaig weitergehender Untersuchungs- und Sanierungsbedarf besteht, keinen Bedenken.

4. Schließlich muss auch der hilfsweise geltend gemachte Antrag der Klägerin, ihren Bauantrag neu zu bescheiden, ohne Erfolg bleiben. Ein Bescheidungsurteil anstelle eines Verpflichtungsurteils ergeht dann, wenn die Sache nicht spruchreif ist (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO), insbesondere, weil der Behörde ein eigenständiger Entscheidungsspielraum zusteht oder es sich um ein sog. steckengebliebenes Genehmigungsverfahren handelt. Im Übrigen setzt ein Bescheidungsurteil aber – wie ein Verpflichtungsurteil auch – für seine Begründetheit voraus, dass die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Wie gezeigt, ist hier die Ablehnung einer unbeschränkten Baugenehmigung aber nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, weshalb auch ein Bescheidungsanspruch der Klägerin nicht gegeben ist.

III. Die Kammer hat die Berufung gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Frage zu, ob und inwieweit bodenschutzrechtliche Belange der Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren entgegenstehen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.