Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 30.04.2003, Az.: 6 A 256/01
Wegerecht
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 30.04.2003
- Aktenzeichen
- 6 A 256/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48004
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 8 Nr 2 GemO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Nicht durch Privatweg erschlossenes Grundstück ist nicht anschlusspflichtig.
Tatbestand:
Mit ihrer Klage wehren die Kläger sich gegen den vom Beklagten verfügten Anschluss ihres Grundstückes an die öffentliche Wasserversorgungsanlage des Beklagten.
Die Kläger sind Eigentümer des im Grundbuch von (F.) verzeichneten Grundbesitzes (D.) ((G.) von einer Größe von 828 m²). Dieses mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück hatten die Kläger durch notariellen Kaufvertrag im Jahre 1998 von Frau (H.) erworben. Frau (H.) hatte Teile des Grundstückes bereits 1982 erworben und nach Hinzukauf eines weiteren Grundstücks- teils dort das Wohnhaus errichtet. Dieser Neubau erfolgte auf dem hinteren Grundstücksteil eines Grundstücks, dessen vorderen Teil den Eltern der Frau (H.) (Eheleute (I.)) gehörte. Der vordere Teil des Grundstückes ((J.)) war an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen. Der Anschluss des von Frau (H.) errichteten Hauses erfolgt in der Weise, dass eine Wasserleitung aus dem Hause des Wohnhauses (I.) (hinter dem Wasserzähler) zum Neubau geführt wurde.
Die Eheleute (I.) veräußerten - zeitlich vor dem Kaufvertrag (H.)/(B.)- ihr Grundstück an die Eheleute (K.).
Im Grundbuch des Grundstücks (K.) sind zugunsten des Grundstücks der Kläger zwei Grunddienstbarkeiten eingetragen und zwar ein Wegerecht und ein Versorgungsleitungsrecht.
Diese Rechte sind auch in das Baulastenverzeichnis des Landkreises Lüchow-Dannenberg aufgenommen worden, wobei der Verlauf der Trassen in einen Lageplan eingezeichnet ist.
Im Jahre 1984 stellte der Beklagte fest, dass der auf dem hinteren Teil des Grundstücks errichtete Neubau über die Hausanschlussleitung des Vorderhauses versorgt wurde. Der Verbandsvorsteher teilte den Eheleuten (H.) mit, dass ein separater Anschluss hergestellt werden müsse. Es erging gegenüber Frau (H.) unter dem 26. November 1985 eine Anschlussverfügung. Ob hiergegen Widerspruch eingelegt worden ist, lässt sich den Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen. Jedenfalls wurde die Anschlussverpflichtung in der Folgezeit gegenüber Frau (H.) nicht durchgesetzt. Gegenüber Frau (H.) ergingen Wassergeldbescheide und Wasserbeitragsbescheide. In den Verwaltungsvorgängen findet sich dann ein Vermerk darüber, dass mit einem Herrn Seide (Mitarbeiter des Verbandes) eine Änderung des Anschlusses dergestalt abgesprochen war, dass der Anschluss vor dem Wasserzähler (von der Straße aus gesehen) vorgenommen werden sollte, dass dies aber nicht durchgesetzt worden ist.
Im Oktober 1999 wandte sich der Beklagte an den Kläger zu 1. und wies ihn darauf hin, dass ein separater Anschluss mit eigener Wasseruhr im Haus herzustellen sei.
In der Folgezeit scheiterte ein Versuch des Beklagten, einen Vertrag über die Verlegung der Wasserleitung zwischen den Eheleuten (K.) und den Klägern abzuschließen. Weiter führten die Kläger mit der Verkäuferin ihres Grundstücks (im Ergebnis erfolglose) Verhandlungen, weil ihrer Ansicht nach diese die Anschlussverpflichtung verschwiegen und deshalb die Kosten für den Anschluss zu tragen habe.
Da die Eheleute (K.) dem Verband gegenüber erklärten, dass sie nicht mehr bereit seien, die Wasseranschlussleitung für die Kläger in ihrem Haus und auf ihrem Grundstück zu dulden, drängte der Beklagte weiter auf den Anschluss. Nach mehreren Mahnschreiben erging der hier streitbefangene Anschlussbescheid vom 25. Januar 2001. Für die Nichtabgabe einer Zustimmungserklärung bis zum 15. Februar und Herstellung des Hausanschlusses bis zum 15. März 2001 wird ferner ein Zwangsgeld in Höhe von 300,-- DM angedroht.
Auf den Widerspruch der Kläger erging der Widerspruchsbescheid vom 20. März 2001, durch den der Widerspruch unter wesentlicher Bezugnahme auf die Vorkorrespondenz als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Daraufhin haben die Kläger am 18. April 2001 Klage erhoben.
Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor:
Die Wasserversorgungsleitung zu ihrem hinten auf dem Grundstück liegenden Haus verlaufe so, wie sie seit 1972 verlaufe. Ihnen sei bei Kauf des Grundstückes nicht bewusst gewesen und auch nicht von der Verkäuferin klar gemacht worden, dass diese Art des Anschlusses nicht rechtmäßig sein sollte. Zudem habe es der Beklagte über Jahre hinaus geduldet, dass der Anschluss so verlaufe. Hinsichtlich des Verhaltens der Eheleute (K.) sei darauf hinzuweisen, dass zu Gunsten ihres (der Kläger) Grundstückes im Grundbuch ein Wegerecht und ein Versorgungsleitungsrecht bestehe und eine Eintragung im Baulastenverzeichnis vorliege. Deshalb sei die Behauptung des Beklagten, die Eheleute (K.) machten ihnen, den Klägern, das ihnen zustehende Leitungsrecht streitig, unverständlich. Wenn es sich bei den Grundstücken Hausnummer 26 und 26 a um zwei selbständige wirtschaftliche Einheiten im Sinne des § 2 der Anschlusssatzung handele, so habe dieser Zustand schon bereits seit der Grundstücksteilung im Jahre 1982 bestanden. Die seither erfolgte Duldung durch den Beklagten stehe einer Anschlussverpflichtung heute entgegen. Die Nichtanzeige der jetzt vorhandenen Art des Anschlusses müsse bestritten werden. Überdies sei durch die Form der Wasserablesung im Nachbarhaus die Art des Anschlusses dem Beklagten bekannt gewesen.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 25. Januar 2001 und den Widerspruchsbescheid vom 20. März 2001 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und führt seinerseits zur Begründung aus:
Sowohl die Eheleute (I.) als auch Frau (H.) hätten den Bau des Wohnhauses dem Verband nicht angezeigt. Vielmehr sei ohne Mitwirkung und Zustimmung des Verbandes eine Wasserversorgungsleitung im Jahre 1979 vom Vorderhaus zum Haus der Kläger verlegt worden. Frau (H.) habe Wasserversorgungsbeiträge, aber keine Kosten für einen Hausanschluss gezahlt. Die seinerzeit bekannt gewordene Anschließung des Hauses der Frau (H.) über das Haus der Eheleute (I.) sei vom Verband geduldet worden, weil es sich um ein Eltern-Kind-Verhältnis gehandelt habe. Die Kläger und Frau (H.) hätten den Eigentumswechsel des Grundstückes dem Verband nicht angezeigt. Die Originalbaulastvereinbarung liege dem Verband nicht vor. Die vorhandene Trinkwasserleitung sei zudem nicht voll von der Baulastvereinbarung gedeckt. Im Übrigen rechtfertigten weder Baulastvereinbarungen noch persönliche Dienstbarkeiten eine Abweichung vom Satzungsrecht des Verbandes. Letztlich sei festzuhalten, dass die Eheleute (K.) die Entfernung der Leitung und damit auch des Wasserzählers aus ihrem Hause verlangten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und das Baulastenverzeichnis des Landkreises Lüchow-Dannenberg Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger dem Anschlusszwang unterliegen. Dies beurteilt sich nach der „Satzung des Zweckverbandes Wasserbeschaffungsverband Dannenberg-Hitzacker über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und ihre Benutzung - (Anschluss- und Benutzungszwang)“ in der zum gegenwärtigen Zeitpunkt geltenden Fassung. Denn die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides beurteilt sich nach heute geltendem Recht. Bei der zum Vollzug des satzungsmäßigen Anschlusszwanges erforderlichen Anschlussverpflichtung handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dessen Wirkung besteht solange vor Ort, wie die allgemeine Pflicht begründet bleibt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.1.1993 - 9 L 297/89 - dng 1993 S. 178). Die somit maßgebliche Satzungsvorschrift des § 4 Abs. 1 der Satzung lautet:
Die Eigentümer von Grundstücken (gemäß gem § 2), auf denen Wasser verbraucht wird, sind verpflichtet, diese Grundstücke an die öffentliche Abwasserversorgung anzuschließen, wenn sie an öffentliche oder private Straßen, Wege, Plätze oder Grundstücke mit einer betriebsfertigen Versorgungsleitung grenzen oder ihren unzumittelbaren Zugang zu einer solchen Straße, einem solchen Weg, Platz oder Grundstück durch einen Privatweg haben. Befinden sich auf dem Grundstück mehrere Gebäude zum dauernden Aufenthalt von Menschen, so ist jedes Gebäude anzuschließen.
§ 2 Abs. 1 der Satzung lautet:
Grundstück im Sinne dieser Satzung ist unabhängig von der Eintragung im Liegenschaftskataster und im Grundbuch und ohne Rücksicht auf die Grundstücksbezeichnung jeder zusammenhängende Grundbesitz, der eine selbständige wirtschaftliche Einheit bildet.
Das Grundstück der Kläger ist eine selbständige wirtschaftliche Einheit. Etwas anderes kann auch nicht aus der Anlage 1 zur Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (ABVWasserV v. 20. Juni 1980) geleitet werden. Dort ist in Erläuterung von § 10 ABVWasserV ausgeführt, dass jedes Grundstück oder jedes Haus grundsätzlich einen eigenen Anschluss haben muss, das aber der Wasserbeschaffungsverband Ausnahmen mit der Möglichkeit des Widerrufs erteilen kann. Weiter wird als Grundstück im Sinne dieser Bestimmung definiert: Jeder zusammenhängende Grundbesitz unabhängig von der Eintragung im Liegenschaftskataster und im Grundbuch und ohne Rücksicht auf die Grundstücksbezeichnung, der eine selbständige wirtschaftliche Einheit bildet. „Befinden sich auf dem Grundstück mehrere zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmte Gebäude, so sind dem WBV für jedes dieser Gebäude, insbesondere dann, wenn eine eigene Hausnummer zugeteilt ist, sie räumlich oder baulich durch Brandwände getrennt sind, die Kosten gemäß der Bestimmungen analog der Regelungen für „wirtschaftliche Einheiten“ zu erstatten.“
Nach diesen Vorgaben spricht nichts dafür, das Grundstück der Kläger etwa zusammen mit dem Grundstück der Eheleute (K.) als wirtschaftliche Einheit anzusehen. Vielmehr ist das Grundstück der Kläger eine selbständige wirtschaftliche Einheit und somit ein Grundstück im Sinne des § 2 Abs. 1 der Anschlusssatzung.
Daraus folgt, dass der Anschluss nicht verlangt werden kann. Denn das Grundstück der Kläger grenzt weder an eine öffentliche noch an eine private Straße. Es grenzt lediglich an ein privates Grundstück, das bereits angeschlossen ist. Die auf diesem Grundstück liegende Leitung ist jedoch keine „betriebsfertige Versorgungsleitung“ im Sinne der Satzung, die diese Leitung wie folgt definiert (§ 4 Abs. 3 Anschlusssatzung):
Versorgungsleitung im Sinne dieser Satzung ist die Haupttransportleitung oder Verteilungsleitung, ausschließlich der Anbohrstelle und des Hausanschlussschiebers.“
Diese Haupttransportleitung liegt auf der öffentlichen Straße ((L.)) vor dem Grundstück der Eheleute (K.). Auf dem Grundstück (K.) befindet sich nur deren Hausanschlussleitung.
Das Grundstück der Kläger hat auch keinen unmittelbaren Zugang zu einem solchen mit betriebsfertiger Versorgungsleitung versehenen Grundstück durch einen Privatweg. Das bestehende Wegerecht ist lediglich eine Grunddienstbarkeit und kein Privatweg. Von einem solchen kann nur gesprochen werden, wenn es eine eigene Wegeparzelle gibt. Die vom Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretene Auffassung, ein Wegerecht sei zwanglos dem „Privatweg“ i. S. der Satzung gleichzusetzen folgt die Kammer nicht. Eine Satzung, aufgrund derer eine Anschlussverpflichtung geltend gemacht wird muss eine eindeutige Norm sein. Dem Beklagten wäre es unbenommen gewesen, eine Formulierung in die Satzung aufzunehmen wie etwa: „Der aufgrund eines Wegerechts gesicherte Zugang ist dem Privatweg gleichzusetzen“, wie sie beispielsweise in der Abwassersatzung des Landkreises Harburg enthalten ist.
Nach der Satzung des Beklagten sind somit die Voraussetzungen für den geforderten Anschluss nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11,711 ZPO.
Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen.