Landgericht Göttingen
Beschl. v. 10.10.2000, Az.: 10 T 128/00

Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ; Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
10.10.2000
Aktenzeichen
10 T 128/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 31037
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2000:1010.10T128.00.0A

Fundstellen

  • KTS 2001, 270
  • NZI 2001, 54
  • Rpfleger 2001, 95
  • Rpfleger 2001, 260
  • ZInsO 2000, 619-620 (Volltext mit red. LS)

Gründe

1

Die Antragstellerin hat am 8.2.2000 den Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gestellt und für diesen Antrag PKH begehrt. Das AG hat mit Beschl. v. 9.2.2000 einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, den es sogleich mit der Erstattung eines Gutachtens zu der Frage, ob ein Insolvenzgrund vorliegt und ob eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse vorhanden ist, beauftragt hat. In seinem Gutachten ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass der Nachlass zahlungsunfähig und überschuldet ist und keine die Kosten des Verfahrens deckende Masse vorhanden ist. Mit Beschl. v. 14.7.2000 hat das AG den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von PKH für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass zurückgewiesen. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, dass der Gesetzgeber von einer Bereitstellung der Massekosten aus öffentlichen Mitteln bewusst abgesehen habe und daher PKH selbst dann nicht zu bewilligen sei, wenn der Schuldner das Insolvenzverfahren mit dem Ziel der Restschuldbefreiung durchführe. Erst recht könne dann keine PKH bewilligt werden, wenn das Ziel des Verfahrens - wie hier - nicht die Erreichung der Restschuldbefreiung sei. Insofern bestehe für die Antragstellerin kein Rechtsschutzbedürfnis. Keinesfalls könnten die vom Sachverständigen ermittelten Verfahrenskosten i.H.v. ca. 4.000 DM dem Staat aufgebürdet werden.

2

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde. Sie verweist darauf, dass § 4 InsO auf die Vorschriften der ZPO und damit auch auf die Vorschriften über die Gewährung von PKH verweise. Entgegen der Auffassung des AG gehe es hier auch nicht um PKH für das eröffnete Verfahren, vielmehr begehre die Antragstellerin nur PKH im Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Das Interesse der Antragstellerin sei darauf beschränkt, ihre Haftung auf den Nachlass begrenzen zu können. Gem. § 1990 BGB könne jedoch die Antragstellerin die Unzulänglichkeitseinrede nur dann erheben, wenn die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens entsprechenden Masse abgelehnt werde. Die Antragstellerin habe damit ein rechtliches Interesse an dem gestellten Antrag, so dass ihr insoweit PKH zu bewilligen sei.

3

Die Beschwerde der Antragstellerin ist gem. § 4 InsO i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig, sie ist auch begründet. Der Antragstellerin ist für den Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens PKH zu bewilligen. Dass für die Stellung von Insolvenzanträgen PKH in Anspruch genommen werden kann, ist grds. anerkannt, denn die §§ 114 ff. ZPO sind aufgrund der Generalverweisung in § 4 InsO auf das Insolvenzverfahren anwendbar (vgl. Kübler/Prütting/Pape, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 13 Rn. 14; Nerlich/Römermann/Mönning, InsO, § 13 Rn. 31 ff.). Bereits unter der Geltung der KO bestand Einigkeit darüber, dass ein Gläubiger für den Konkursantrag gegen den Schuldner PKH erhalten konnte (AG Göttingen, ZIP 1992, 637; Uhlenbruck, ZIP 1982, 288 ff.).

4

Für Schuldneranträge wurde hingegen sowohl im Anwendungsbereich der KO als auch der GesO die Bewilligung von PKH abgelehnt, weil insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners bzgl. der Durchführung eines Konkursverfahrens über sein Vermögen verneint wurde (Kübler/Prütting/Pape, a.a.O., Rn. 16; Uhlenbruck, ZIP 1982, 288). Hier handelt es sich indes nicht um einen Schuldnerantrag, denn Schuldner des Nachlassinsolvenzverfahrens ist der Nachlass. Die Antragstellerin als Erbin hat hier - anders als der Schuldner im Insolvenzverfahren - auch ein rechtliches Interesse an dem Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Die Antragstellerin muss, um die Einrede der Unzulänglichkeit des Nachlasses gem. § 1990 BGB geltend machen zu können, darlegen, dass die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse nicht tunlich ist. Diese Darlegung ist ihr indes erst möglich, wenn im Nachlassinsolvenzverfahren die entsprechende Feststellung getroffen worden ist. Mithin verfolgt die Antragstellerin mit dem Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nachvollziehbare rechtliche Interessen, so dass kein Grund ersichtlich ist, der Antragstellerin für dieses Verfahrensstadium PKH zu versagen. Zwar ist dem AG insoweit Recht zu geben, als der nach § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO zu zahlende Vorschuss nicht durch PKH zu decken ist (LG Koblenz, MDR 1997, 1169 [LG Koblenz 26.05.1997 - 2 T 272/97]; Kilger/K. Schmidt, KO, § 72 Anm. 4). Die Deckung dieses Vorschusses durch PKH begehrt die Antragstellerin hier jedoch nicht, vielmehr ist ihr Ziel die Feststellung im Insolvenzverfahren, dass eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse nicht vorhanden ist.

5

Der Antragstellerin ist für das Antragsverfahren RA X. gem. § 121 Abs. 2 ZPO beizuordnen. Zwar ist grds. eine Anwaltsbeiordnung abzulehnen, wenn es sich um einen einfach gelagerten Fall handelt, in dem sich beispielsweise der Antragsteller an die Rechtsantragsstelle wenden könnte. In einem solchen Fall würde die Beiordnung eines RA der gebotenen sparsamen Verwendung der PKH-Mittel widersprechen (vgl. Pape, EWiR 1992, 513; AG Göttingen, ZIP 1992, 637). Hier ist die Situation jedoch anders zu beurteilen, denn hier gebietet bereits der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit die Beiordnung eines RA. Vorliegend hatte ein weiterer Miterbe Einwendungen gegen den Antrag der Antragstellerin erhoben und sofortige Beschwerde gegen den Beschl. des AG Osterode v. 9.2.2000 eingelegt. Dieser Miterbe war durch einen RA vertreten, so dass der Antragstellerin schon unter diesem Gesichtspunkt ebenfalls ein RA beizuordnen ist. Darüber hinaus ist hier zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin den Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht nur durch Einreichung eines Formulars gestellt hat, vielmehr bedurfte der Antrag hier einer Begründung. Da im Übrigen zum Nachlass ein Grundstück gehört, das jedoch über Wert mit Grundpfandrechten belastet ist, war die Begründung des Antrags und die damit zusammenhängende Beratung für die Antragstellerin nicht ohne weiteres überschaubar. Die Inanspruchnahme eines RA war deshalb hier geboten.