Landgericht Göttingen
Beschl. v. 21.08.2000, Az.: 10 T 105/99
Wirksamkeit der pauschalen Anordnung einer Aufenthaltsbestimmung an einem bestimmten Ort; Voraussetzungen für Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts; Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Anordnung der Anwesenheit des Schuldners
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 21.08.2000
- Aktenzeichen
- 10 T 105/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 30863
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2000:0821.10T105.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - 21.03.2000 - AZ: 74 IN 272/99
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs. 3 InsO
- § 6 Abs. 1 InsO
- § 98 Abs. 3 InsO
- § 101 Abs. 1 KO
Fundstelle
- ZInsO 2001, 44-45 (Volltext mit red. LS)
Redaktioneller Leitsatz
1. Die pauschale Anordnung einer Aufenthaltsbestimmung an einem bestimmten Ort wird1. der flexiblen Regelung des § 97 Abs. 3 InsO nicht gerecht. Vielmehr hat die Anordnung ort-und zeitbezogen auf den Einzelfall bzw. hinsichtlich bestimmter Zeiträume zu ergehen.
2. Ein Rechtsmittel gegen eine Anordnung nach § 97 Abs. 3 InsO ist erst dann gegeben,wenn das Gericht die dem Schuldner auferlegten Pflichten mit Zwangsmittel durchzusetzen versucht.
In dem Insolvenzverfahren
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht Pape sowie
die Richterinnen am Landgericht Voellmecke und Merrem
auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 27.03.2000
gegen den den Aufenthalt des Schuldners in Göttingen anordnenden Beschluss
des Amtsgerichts Göttingen vom 21.03.2000
- 74 IN 272/99 -
am 21.08.2000
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Schuldners wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: bis zu 20.000,00 DM.
Gründe
Am 09.12.1999 hat das Finanzamt Göttingen den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt. Mit Beschluss vom 21.03.2000 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eröffnet und den Steuerberater M. zum Insolvenzverwalter bestellt. Ferner hat das Amtsgericht in diesem Beschluss angeordnet, dass sich der Schuldner unter der Adresse B. in Göttingen aufzuhalten habe, soweit nicht das Gericht anderes gestatte. Gegen diese vom Gericht angeordnete Aufenthaltsbestimmung wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde. Insoweit trägt er vor, er habe schon seit Jahren seinen Lebensmittelpunkt nicht mehr in Göttingen. Er besitze hier weder einen Wohnsitz noch übe er hier wirtschaftliche Tätigkeiten aus. Unter diesen Umständen sei es völlig unverhältnismäßig, den Schuldner zum Aufenthalt in Göttingen zu verpflichten. Im Übrigen stehe der Schuldner über seine Verfahrensbevollmächtigten zur Verfügung. Sämtliche Auskünfte und Unterlagen seien über die Verfahrensbevollmächtigten zu beschaffen, so dass auch kein praktisches Interesse gegeben sei, das Aufenthaltsbestimmungsrecht des Schuldners auf Göttingen zu beschränken.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und insoweit ausgeführt, nach Mitteilung des Insolvenzverwalters sei der Schuldner bislang seinen Auskunftspflichten nicht vollständig nachgekommen. Die Anwesenheit des Schuldners in Göttingen sei deshalb erforderlich gem. § 97 Abs. 3 InsO.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist unzulässig. Gem. § 6 Abs. 1 InsO unterliegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht.
Das Amtsgericht hat seine Entscheidung, den Aufenthalt des Schuldners auf Göttingen zu beschränken auf § 97 Abs. 3 InsO gestützt. Nach dieser Vorschrift ist der Schuldner verpflichtet, sich auf Anordnung des Gerichts jederzeit zur Verfügung zu stellen, um seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen. Ferner hat er alle Handlungen zu unterlassen, die der Erfüllung dieser Pflichten zuwiderlaufen. Das Gesetz sieht indes gegen die Anordnung der Anwesenheit des Schuldners kein Rechtsmittel vor. Vielmehr ist ein Rechtsmittel erst statthaft, wenn das Gericht die nach § 97 Abs. 3 InsO getroffene Anordnung nach § 98 InsO durchsetzen will. Hier ist in § 98 Abs. 3 InsO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde vorgesehen. Daraus folgt, dass dem Schuldner erst dann ein Rechtsmittel zur Verfügung steht, wenn das Gericht die dem Schuldner auferlegten Pflichten mit Zwangsmitteln durchzusetzen versucht. Gegen die Anordnung als solche hat der Gesetzgeber keinen Rechtsbehelf vorgesehen, so dass gem. § 6 InsO die sofortige Beschwerde nicht zulässig ist.
Das Gericht merkt jedoch Folgendes an:
Die vom Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss gewählt Formulierung erscheint zu weit gehend. Mit der Regelung in § 97 Abs. 3 S. 1 InsO hat der Gesetzgeber die Residenzpflicht des bisherigen § 101 Abs. 1 KO abgelöst. Während § 101 Abs. 1 KO eine starre Regelung enthielt, die den Schuldner verpflichtete, sich an seinem Wohnort aufzuhalten und ihm nur gestattete, sich mit Erlaubnis des Gerichts zu entfernen, ist § 97 Abs. 3 InsO flexibler. Nach dieser Vorschrift wird dem Schuldner nicht mehr generell die Ausübung seines Freizügigkeitsrechts untersagt, vielmehr wird ihm nur geboten, sich zur Erfüllung seiner Pflichten aus § 97 Abs. 1 und 2 InsO dann zur Verfügung zu stellen, wenn es erforderlich ist. Deshalb dürfte eine pauschale Anordnung mit einzuholenden Ausnahmen - wie das Amtsgericht sie hier vorgenommen hat - unstatthaft seien. Vielmehr wird die Anordnung orts- und zeitbezogen auf den Einzelfall bzw. auf bestimmte Zeiträume zu ergehen haben (vgl. Heidelberger Kommentar zur InsO/Eickmann, § 97 Rdnr. 14 ff.; Grub in Kölner Schrift, S. 513, Rdz. 48).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Den Beschwerdewert hat die Kammer gem. § 3 ZPO festgesetzt und ist dabei vom Interesse des Schuldners an uneingeschränkter Freizügigkeit ausgegangen.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: bis zu 20.000,00 DM.
Voellmecke
Merrem