Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 06.10.2020, Az.: VgK-33/2020

Ausschluss des Angebots eines Bieters aufgrund von unzulässigen Änderungen an den Vergabeunterlagen von der weiteren Wertung (hier: Umbau der biologischen Restabfallbehandlung)

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
06.10.2020
Aktenzeichen
VgK-33/2020
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 47592
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
...
wegen
Vergabeverfahren xxxxxx Bauarbeiten für Lagerhäuser und Industriebauten, xxxxxx, "Umbau biologische Restabfallbehandlung, Umstellung von Nass- auf Trockenvergärung"
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Sozialwirt Tiede und den ehrenamtlichen Beisitzer MR Weyer auf die mündliche Verhandlung vom 24.09.2020 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war für den Antragsgegner notwendig.

Begründung

I.

Der Antragsgegner hat mit EU-Bekanntmachung vom xxxxxx.2019 den Umbau der biologischen Restabfallbehandlung sowie die Umstellung von Nass- auf Trockenvergärung für die Mechanisch-Biologische Vorbehandlungsanlage xxxxxx in einem offenen Verfahren ausgeschrieben.

Unter Ziffer II.2.6 der Bekanntmachung gab der Antragsgegner den geschätzten Auftragswert mit xxxxxx € ohne Mehrwertsteuer an. Die entsprechende ex-ante-Schätzung hatte der Antragsgegner im Rahmen der Vorbereitung des Vergabeverfahrens vorgenommen und sich dazu der Dienste des xxxxxx bedient.

Die Bekanntmachung wurde zweimal - am xxxxxx.2019 und am xxxxxx.2020 - berichtigt. Mehrere Hauptangebote wurden ausdrücklich zugelassen. Varianten/Altemativangebote wurden nicht zugelassen. Als Zuschlagskriterien für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes wurden die Kriterien "Gewichteter Angebotspreis" mit einer Gewichtung von 80 % und "Technischer Wert" mit einer Gewichtung von 20 % festgelegt.

Bis zum Ablauf der Angebotsfrist am xxxxxx.2020 gingen 3 Angebote ein. Die Antragstellerin hatte das preislich niedrigste Angebot abgegeben. Sämtliche Angebotspreise lagen jedoch erheblich über dem vom Antragsgegner vorab ermittelten und bekannt gemachten Schätzwert. Bereits am xxxxxx.2020 wurde die Verbandsversammlung des Antragsgegners im Wege einer Telefonkonferenz über das Ergebnis der Ausschreibung informiert. Die Teilnehmer erörterten ausführlich, welche Optionen dem Zweckverband angesichts der deutlich höheren, das Budget überschreitenden Kosten zur Verfügung stehen. Es wurde zum einen erörtert, ob es möglich sei, die Haushaltsmittel im Wege einer kurzfristigen Anpassung des Wirtschaftsplans zu erhöhen. Zum anderen wurden die Möglichkeiten einer rechtssicheren Aufhebung des Vergabeverfahrens diskutiert. Das ausführliche Protokoll des Antragsgegners vom xxxxxx.2020 über die Information der Verbandsversammlung am xxxxxx.2020 liegt der Vergabekammer mit der Vergabeakte vor.

Mit Schreiben vom 09.04.2020 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, einer Verlängerung der Bindefrist bis zum xxxxxx.2020 zuzustimmen. Mit gleichem Schreiben wies er darauf hin, dass aktuell keine Haushaltsmittel für die Bezuschlagung zur Verfügung stünden, da die Angebote "weit über der Kostenprognose" des Antragsgegners lägen. Ferner wies er darauf hin, dass die Angebotsprüfung noch nicht abgeschlossen sei und Nachforderungs- oder Aufklärungsbedarf gesondert mitgeteilt würde. Die Antragstellerin erteilte daraufhin die Zustimmung zur Bindefristverlängerung.

Mit Verwaltungsvorlage vom xxxxxx.2020 empfahl die Stadt xxxxxx ihren Vertretern, in der Verbandsversammlung am xxxxxx.2020 unter anderem der Budgetaufstockung im Wege der Änderung der Haushaltssatzung 2020 und des Wirtschaftsplans 2020 zuzustimmen.

Die anzubietende Leistung und der Leistungsumfang sind in der Leistungsbeschreibung zur Ausschreibung definiert. Unter Nr. 1. 7 sind die einzureichenden Angebotsunterlagen aufgeführt. Dort heißt es unter anderem:

...

(3) Fließbilder

Alle Fließbilder der Ausschreibung sind vom AN zu prüfen und herstellerbedingte Abweichungen sind handschriftlich zu kennzeichnen und zu nummerieren. Detaillierte Fließbilder des AN zu einzelnen Teilgewerken können informativ beigefügt werden.

(4) Verfahrensbeschreibung

Bei herstellerbedingten Besonderheiten bzw. Abweichungen von der Leistungsbeschreibung ist eine schriftliche Erläuterung unter Bezugnahme auf den entsprechenden Punkt der Leistungsbeschreibung beizulegen.

...

(10) Ausgefüllte GAEB Datei "Preisangaben und Bietereintragungen"

(11) Konzepte zu den einzelnen Bereichen (siehe Kap. 3)

a. Reinigungskonzept Spigotrohrsystem (Fermentertunnel, Rottetunnel) inkl. Angaben zum Zeitaufwand und zu erwartender Reinigungsfrequenz

b. Reinigungskonzept Perkolatfermenter (Beräumung)

inkl. Angaben zum Zeitaufwand und zu erwartender Reinigungsfrequenz

c. Konzept zur Perkolataufbereitung (Entschlammung, Entsandung)

d. Vermeidungskonzept bzgl. fester Ablagerungen (Struvite, Kalk) im Perkolatsystem und Konzept der Säurespülung

e. Bilanzierung Abluft und Wassertransport (Bereich Abluft und Rotte)

f. Wartung von Gurtförderern in Bereichen ohne Laufsteg

(12) Aussagekräftige Datenblätter (inkl. technischer Kenndaten und Abmessungen) und Darstellungen zu den Hauptkomponenten

a. Fermenter

b. Rottetunnel

c. Sieb

d. Dosierer und Förderbänder

e. Mischer

f. Tunneleintragssystem

g. Muldengurtförderer

h. Gaskühlung / Entschwefelung / Fackel

i. Prozessleitsystem (Hardware und Software)

Unter Nr. 2.1.1.2 werden die Abweichungen vom Planungsentwurf beschrieben und das Höchstmaß der nach Ziffer 10.4 der Besonderen Vertragsbedingungen zulässigen Abweichungen im Planungsentwurf konkretisiert:

- Alternativ zum Planungsansatz "Überbauung der vorhandenen Bestandsfundamente, Schächte, Leitungen, Asphaltflächen" kann auch ein Rückbau der vorhandenen "Bestandsfundamente, Schächte, Leitungen und Asphaltflächen" erfolgen. Bei Wahl eines alternativen Ansatzes durch den Bieter kann der Bieter dann die Höhenentwicklung der Bauteile frei wählen. Die sich durch eine alternative Höhenentwicklung des Bieters ergebenen abweichenden Massen für die Geländemodellierung hat der Bieter bei seiner Kalkulation pauschal einzurechnen. Eine Abrechnung nach tatsächlichen Massen erfolgt nicht.

- Alternativ zu den in den Plänen dargestellten Gefällen (innerhalb und außerhalb des neuen Baukörpers; Richtung und Maß des Gefälles) kann der Bieter die Gefälle gemäß seinem Planungsansatz ändern. Die Funktion der Gefälle muss gleichwertig zum Planungsansatz sein und die Anschlüsse zum Bestand hinreichend berücksichtigen. Eine Anordnung ohne Gefälle ist nicht zulässig. Die sich durch eine alternativeGefälleanordnung des Bieters ergebenen abweichenden Massen hat der Bieter bei seiner Kalkulation pauschal einzurechnen. Eine Abrechnung nach tatsächlichen Massen erfolgt nicht.

- Alternativ zu den in den Plänen dargestellten Breiten und Längen der Fermenter- und Rottetunnel kann der Bieter die Breiten und Längen frei wählen. Die im Planungsansatz sich ergebene Grundfläche der Fermenter- und Rottetunnel ist als Mindestfläche zu verstehen und darfauch bei alternativen Ansätzen durch den Bieter nicht unterschritten werden. Die sich durch eine alternative Anordnung des Bieters ergebenen abweichenden Massen hat der Bieter bei seiner Kalkulation pauschal einzurechnen. Eine Abrechnung nach tatsächlichen Massen erfolgt nicht.

- Alternativ zur Breite des Logistikbereichs zwischen den Fermenters und Rottetunneln in den Plänen kann der Bieter die Breite aufgrund seines Planungsansatz ändern. Alternativen des Bieters müssen dem Radladerbetrieb (Befüllung und Entleerung Fermenter; Entleerung Rottetunnel; Wenderadius Radlader 5 m3-Schaufel: 15 m) genüge tun. Die sich durch eine alternative Anordnung des Bieters ergebenen abweichenden Massen hat der Bieter bei seiner Kalkulation pauschal einzurechnen. Eine Abrechnung nach tatsächlichen Massen erfolgt nicht.

- Alternativ zum Planungsansatz der Anordnung von Technik- und Wartungsgängen hinter den Fermenter- und Rottetunnel kann der Bieter eine Anordnung auf den Fermenter- und Rottetunnel wählen. Die sich durch eine alternative Anordnung des Bieters ergebenen abweichenden Massen hat der Bieter bei seiner Kalkulation pauschal einzurechnen. Eine Abrechnung nach tatsächlichen Massen erfolgt nicht.

- Alternativ zum Planungsansatz der Anordnung der Materialbeschickung des Tunneleintragssystems tunnelmittig von oben kann der Bieter auch eine seitliche Materialzuführung im Logistikbereich zwischen Fermenter- und Rottetunnel wählen. Die damit einhergehenden Planänderungen an der Fördertechnik ergeben sich dann aus dem Planungsansatz des Bieters. Die sich durch eine alternative Anordnung des Bieters ergebenen abweichenden Massen hat der Bieter bei seiner Kalkulation pauschal einzurechnen. Eine Abrechnung nach tatsächlichen Massen erfolgt nicht.

- Alternativ zum Planungsansatz der Anordnung von ebenerdigen Technikflächen oder -gebäuden im Bereich der Perkolatspeicher kann der Bieter diese auch anderorts anordnen oder diese Flächen teilweise oder gänzlich entfallen lassen, wenn diese für das Bieterkonzept nicht oder nur teilweise erforderlich sind. Weiterhin kann der Bieter dann ggf. auch die Breiten und Längen der Perkolatspeicher selbst neu wählen. Die Grundfläche der Perkolatspeicher ist als Mindestforderung zu verstehen und darf nicht unterschritten werden. Die sich durch eine alternative Anordnung des Bieters ergebenen abweichenden Massen hat der Bieter bei seiner Kalkulation pauschal einzurechnen. Eine Abrechnung nach tatsächlichen Massen erfolgt nicht.

- Alternativ zum Planungsansatz der Lage Prozesswasserbehälter (B01/B02, Bauabschnitt 5) kann eine Anordnung nach Wahl des Bieters erfolgen. Die sich durch eine alternative Anordnung des Bieters ergebenen abweichenden Massen hat der Bieter bei seiner Kalkulation pauschal einzurechnen. Eine Abrechnung nach tatsächlichen Massen erfolgt nicht.

Mit Schreiben des Antragsgegners vom 02.06.2020 erfolgte eine Nachforderung von Unterlagen, zudem erfolgte eine Einladung zu einem Aufklärungsgespräch am 17.06.2020. In Bezug auf einzelne Angaben bestünden aus seiner Sicht Unklarheiten und Widersprüche, die einer Aufklärung bedürfen. Er bat insbesondere um Aufklärung zu folgenden Positionen der Leistungsbeschreibung und den entsprechenden Angaben der Antragstellerin im Angebot:

- Ziffer 3.11.1 der Leistungsbeschreibung zum Anlagenteil "Abluft"

- Ziffer 3.10.2 zum Prozesswassersystem

- Ziffer 3.7.2 zum Anlagenteil "Eintragslinie Rotte"

- Ziffer 3.13.3 hinsichtlich der Angaben zur geforderten Software (Visualisierungsebene) für das Prozessleitsystem.

Nach dem Bietergespräch teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Schreiben vom xxxxx.2020 mit, dass ihr Angebot aufgrund Abweichungen von den Ausschreibungsbedingungen von der Wertung ausgeschlossen worden sei. Da keine wertbaren Angebote vorlägen, sei das Vergabeverfahren aufgehoben worden.

Daraufhin rügte die Antragstellerin den Ausschluss. Ihr Angebot entspreche den Ausschreibungsbedingungen, Gründe für einen Ausschluss lägen nicht vor. Nach der Leistungsbeschreibung Ziffer Nr. 2.1.1.2 seien Abweichungen vom Planungsentwurf erlaubt und das Höchstmaß der nach Ziffer 10.4 der Besonderen Vertragsbedingungen zulässigen Abweichungen im Planungsentwurf würde konkretisiert.

Die Antragstellerin habe die niedrigste Angebotssumme angeboten. In der Drucksache "Verbandsversammlung des xxxxxx - Änderungsvereinbarung Pachtvertrag, xxxxxx, Änderung Wirtschaftsplan 2020 vom xxxxxx.2020 Vorlage Nr. xxxxxx" (Anlage, Vorlage an die Verbandsversammlung) werde wörtlich ausgeführt:

"... Das über einen Wettbewerb erzielte Ausschreibungsergebnis erfüllt die kommunal-abgabenrechtlichen Voraussetzungen des NKAG, wodurch sich eine Angemessenheit und Erforderlichkeit der Kosten ergibt. Es besteht kein Grund die Ausschreibung aufzuheben, nur weil die vor Durchführung des Vergabeverfahrens erstellte Wirtschaftlichkeitsabschätzung unter den tatsächlichen Angebotssummen der Ausschreibung liegt.

..."

Die Prüfung und Wertung des Angebotes sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 1, 2, 6 GWB. Das in der EU-Bekanntmachung bekannt gemachte Verfahren sei nicht entsprechend den Vorgaben der EU-VOB/A durchgeführt worden. Selbst wenn die Vergabeunterlagen rechtmäßig wären (was offen sei), wäre die Prüfungs- und Wertungsentscheidung rechtswidrig durchgeführt worden. Der Antragsgegner habe die Ausschlussmaßstäbe weder ordnungsgemäß bekannt gemacht noch rechtmäßig angewandt. Das Offene Verfahren sei intransparent durchgeführt worden.

Der vorgenannten Drucksache sei zu entnehmen, dass zumindest am xxxxxx.2020 noch an der Ausschreibung festgehalten werden sollte. Die Ausschlussgründe seien somit erkennbar frei erfunden. Es stehe zu befürchten, dass die genannten Ausschlussgründe willkürlich angewandt worden seien, um ein vermeintlich zu teures Projekt nicht mehr durchführen zu müssen.

Ein Ausschlussgrund aufgrund einer Veränderung der Vergabeunterlagen liege erkennbar bei der hier vorliegenden funktionalen Leistungsbeschreibung nicht vor. Der Antragsgegner sei daran festzuhalten, dass mit anwaltlicher Beratung festgestellt worden sei, dass das Angebot zuschlagsfähig sei.

Die Fragen des Antragsgegners zum Anlagenteil Abluft, dem Prozesswassersystem, dem Rottetunnel und dem Prozessleitsystem seien im Rahmen des technischen Aufklärungsgespräches geklärt worden.

Der Zuschlag sei zu erteilen, weil in der Vorlage zur Verbandsversammlung ausgeführt wurde, dass eine vergäbe- oder kommunalabgabenrechtliche Verpflichtung zur Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht bestehe. Die jetzige Aufhebung werde daher auch als treuwidrig gerügt. Zudem würde genau die technische Anlage erbaut werden, die vom Auftraggeber gewünscht worden sei.

Ein Ausschluss sei auch nicht möglich, da der Auftraggeber mehrere Hauptangebote zugelassen habe. Als weiteres Hauptangebot ist die alternative Offerte des Bieters hingegen anzusehen, wenn sie inhaltlich nicht von der Leistungsbeschreibung abweiche, also etwa ein erkennbar gleichwertiges Produkt anbiete. Mehrere Hauptangebote können aber nur dann zulässig (und zuschlagsfähig) sein, wenn Abweichungen möglich seien, was gegen die grundsätzliche Anwendbarkeit der geltend gemachten Ausschlussgründe spreche.

Zudem sei im Hinblick auf die bisherige Durchführung des Vergabeverfahrens zu bezweifeln, dass eine ordnungsgemäße Dokumentation des gesamten Verfahrens nebst sicherer Speicherung der Daten und Wahrung der Vertraulichkeit stattgefunden habe.

Mit Schreiben vom 07.08.2020 teilte der Antragsgegner mit, dass er der Rüge nicht abhelfe. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens sei zu Recht erfolgt.

Daraufhin stellte die Antragstellerin am 18.08.2020 ihren Nachprüfungsantrag. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre bereits im Rügeschreiben ausführlich dargelegte Rechtsauffassung.

Der Ausschluss der Antragstellerin sowie die Aufhebung des Vergabeverfahrens seien rechtswidrig und verletzten diese in ihren Rechten. Sowohl der Wettbewerbsgrundsatz als auch das Gebot zur diskriminierungsfreien und transparenten Ausschreibung würden durch die angefochtene Ausschluss- und Aufhebungsentscheidung verletzt. Der Antragstellerin drohe hierdurch ein konkreter Schaden. Die Aufhebungsentscheidung sei rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A nicht erfüllt seien. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners entspreche das Angebot der Antragstellerin den Ausschreibungsbedingungen und sei zu Unrecht ausgeschlossen worden. Ein Ausschluss sei im Übrigen schon deswegen nicht möglich, weil unter Nummer 2.1.1.2 Abweichungen vom Planungsentwurf erlaubt sind. Zudem sei das Höchstmaß der nach Ziffer 10.4 der Besonderen Vertragsbedingungen zulässigen Abweichungen im Planungsentwurf konkretisiert worden. Damit seien Abweichungen, sofern sie überhaupt vorliegen würden, zugelassen worden. Eine rechtswidrige Veränderung der Vergabeunterlagen läge nicht vor.

Aus der Vorlage an die Verbandsversammlung vom xxxxxx.2020 ergebe sich, dass der Antragsgegner, selbst auch unter Berücksichtigung des unstreitig die vorab geschätzten Kosten deutlich überschreitenden Angebotspreises der Antragstellerin, weiterhin von einer Wirtschaftlichkeit des ausgeschriebenen Projekts ausgehe. Der wirtschaftliche Vorteil der Verfahrensumstellung bei den Behandlungskosten gegenüber der derzeitigen Situation werde lediglich voraussichtlich von den ursprünglich geschätzten xxxxxx €/Mg um ca. xxxxxx €/Mg reduziert, so dass weiterhin noch eine Vorteilhaftigkeit von ca. xxxxxx €/Mg bestehe. Des Weiteren sei mit dem Umbau der Anlage der dauerhafte Weiterbetrieb der Anlage und die Entsorgungssicherheit für die Verbandsmitglieder bis 2046 gesichert.

Vorliegend sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 20.03.2014 - X ZB 18/13) eine Aufhebung der Aufhebung geboten. Der Antragsgegner habe vom Beschaffungsentschluss noch nicht Abstand genommen, so dass er weiter fortbestehe. Aus der Vorlage aus der Verbandsversammlung ergebe sich, dass der Wirtschaftsplan und die Haushaltssatzung aufgrund des Mehrbedarfs in Höhe von rund xxxxxx € netto (xxxxxx € brutto) angepasst werden müssten und könnten.

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Entscheidung des Antragsgegners vom xxxxxx 2020, die Antragstellerin vom Vergabeverfahren auszuschließen, rechtswidrig war.

  2. 2.

    Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben des Antragsgegners vom xxxxxx 2020 erklärte Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war und die Rechte der Antragstellerin verletzt hat.

  3. 3.

    Der Antragsgegner ist verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht, Dienstleistungen in dem o.g. Bereich nur nach einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer unter Einbeziehung des Angebots der Antragstellerin zu vergeben.

  4. 4.

    Der Antragstellerin wird Einsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners gewährt (§ 165 Abs. 1 GWB).

  5. 5.

    Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

  6. 5.

    Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.

Der Antragsgegner beantragt,

  1. 1.

    den Antrag der Antragstellerin, festzustellen, dass die Entscheidung des Antragsgegners vom xxxxxx 2020, die Antragstellerin auszuschließen, rechtswidrig war, zurückzuweisen;

  2. 2.

    den Antrag der Antragstellerin, festzustellen, dass die mit Schreiben des Antragsgegners vom xxxxxx 2020 erklärte Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war und die Rechte der Antragstellerin verletzt hat, zurückzuweisen;

  3. 3.

    den Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegner zu verpflichten bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht Leistungen in dem oben genannten Bereich nur nach einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer unter Einbeziehung des Angebots der Antragstellerin zu vergeben, zurückzuweisen;

  4. 4.

    der Antragstellerin nur insoweit Akteneinsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners zu gewähren, als die Wertung der Angebote der Antragstellerin sowie die Gründe für die Entscheidung über den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin und die Aufhebung des Vergabeverfahrens betroffen sind und den Antrag auf Akteneinsicht gemäß § 165 Abs. 1 GWB übrigen zurückzuweisen;

  5. 5.

    die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragsgegners der Antragstellerin aufzuerlegen;

  6. 6.

    die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Antragsgegners festzustellen.

Der Antragsgegner habe auf der Grundlage des Aufklärungsgesprächs mit der Antragstellerin die Prüfung und Wertung des Angebotes fortgesetzt mit dem Ergebnis, dass das Angebot gegen mehrere Vorgaben der Vergabeunterlagen verstößt und gemäß § 16 EU Nr. 2 in Verbindung mit § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 1, 2 VOB/A zwingend auszuschließen gewesen sei.

- Der Antragsgegner sei hinsichtlich des Anlagenteils Abluft zu der Feststellung gelangt, dass die Antragstellerin in dem mit dem Angebot eingereichten Fließbild "Abluft" einige vorgesehene Messpunkte gestrichen hatte, obwohl die Bieter gemäß Ziffer 3.11.1 der Leistungsbeschreibung die Durchflussmessung für den Anlagenteil Abluft mindestens an den in Fließbild aufgeführten Positionen planen sollten.

- Hinsichtlich des Prozesswassersystems habe der Antragsgegner festgestellt, dass die Antragstellerin eine getrennte Erfassung des hoch belasteten Prozesswassers in einem der beiden Speicher und des weniger belasteten Prozesswassers in dem anderen Speicher angeboten hatte, obwohl Ziffer 3.10.2 der Leistungsbeschreibung die gemeinsame Erfassung sämtlicher im Prozess der BA anfallenden der Wässer in beiden Prozesswasserspeichern fordere.

- Er habe hinsichtlich des Anlagenteil Eintragslinie Rotte festgestellt, dass durch die von der Antragstellerin mit dem Angebot eingereichten Mechanik-Schnitte 1 - 3 und A - C hervorgehe, dass nach der im Plan dargestellten Bauweise mit einer nominalen Füllhöhe von 2.548 mm die maximale Füllhöhe von 3,20 m nicht erreicht werden könne. Dies sei erst nach einer Verschiebung der Höhe des Tunneleintragssystems und des damit verbundenen Trägers um ca. 30 cm möglich. Nach Ziffer 3.7.2 der Leistungsbeschreibung sei der Anlagenteil Eintragslinie Rotte allerdings so auszulegen, dass die Rottetunnel bis zu einer maximalen Füllhöhe von 3,20 m befüllt werden können.

- Hinsichtlich des Prozessleitsystems habe der Antragsgegner festgestellt, dass in Ziffer 3.13.3 der Leistungsbeschreibung Softwareversion xxxxxx.5 gefordert war, die Antragstellerin in dem eingereichten Datenblatt indes die Softwareversion xxxxxx.4 angegeben und dies nach Ihren Angaben im Aufklärungsgespräch auch bewusst getan habe.

Da auch die Auswertung der Angebote der Bieter Nr. 2 und 3 ergeben hatte, dass diese ebenfalls jeweils gegen Vorgaben der Vergabeunterlagen verstoßen hatten und zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen gewesen seien, habe der Antragsgegner am xxxxxx.2020 festgestellt, dass das Vergabeverfahren in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens gemäß § 17 EU Abs. 2 Nr. 1 VOB/A aufgehoben wird.

Der Antragsgegner weist den Vorwurf der willkürlichen Verfahrensführung und des sittenwidrigen Vorschiebens der einschlägigen Ausschlussgründe zurück. Soweit die Antragstellerin zur Begründung eines vermeintlichen Verstoßes gegen Treu und Glauben die Tatsache bemühe, dass er ein Aufklärungsgespräch durchgeführt habe, anstatt direkt einen Ausschluss auszusprechen, sei darauf hinzuweisen, dass die obergerichtliche Rechtsprechung von einer regelmäßig zwingenden Durchführung einer Aufklärung vor Angebotsausschluss ausgehe. Der Antragsgegner habe sämtliche Wertungsstufen sorgfältig und vergaberechtsgemäß durchgeführt und dokumentiert.

Darüber hinaus habe der Antragsgegner das Vergabeverfahren auch aufgrund der Unwirtschaftlichkeit der Angebote zu Recht aufgehoben. Insbesondere stünden dem Antragsgegner nicht die erforderlichen Haushaltsmittel zur Verfügung. Mangelnde Wirtschaftlichkeit werde von der Rechtsprechung als schwerwiegender Grund für die Aufhebung eines Vergabeverfahrens im Sinne von § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A anerkannt. Erforderlich sei dafür einerseits eine ordnungsgemäße Auftragswertschätzung durch den öffentlichen Auftraggeber und andererseits, dass sämtliche Angebote deutlich oberhalb der Kostenschätzung liegen. Der Antragsgegner habe die Auftragswertschätzung ordnungsgemäß erstellt. Der Auftragswertschätzung liege eine umfassende Markterkundung zugrunde, in der das vom Antragsgegner beauftragte xxxxxx eine Richtpreisanfrage betreffend den Bau einer Vergärungs- und Rotteanlage zur Behandlung einer organischen Hausmüllfraktion an mehrere Unternehmen (unter anderem an ein mit der Antragstellerin verbundenes Unternehmen) gerichtet hatte. Unter Einbeziehung weiterer Marktbeobachtungen und externen Sachverstandes habe der Antragsgegner eine Ausschreibungssumme von xxxxxx € ermittelt und ordnungsgemäß dokumentiert. Die Auftragswertschätzung sei methodisch und rechnerisch richtig. Die Preise aller beim Antragsgegner eingegangenen Angebote würden deutlich über der Auftragswertschätzung liegen. Das Angebot der Antragstellerin übersteige die Auftragswertschätzung um ca. 37,5 %, das Angebot von Bieter Nr. 2 um ca. 41,4 % und das Angebot von Bieter Nr. 3 sogar um ca. 77,1 %. Die Überschreitungen der Angebotspreise seien selbst unter Zugrundelegung eines restriktiven Auslegungsmaßstabs dergestalt hoch, dass es dem Antragsgegner nicht zumutbar wäre, einem dieser Angebote den Zuschlag zu erteilen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung des Antragsgegners, die Ausschreibung gemäß § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A aufzuheben, weil kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht, nicht in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Der Antragsgegner hat das Angebot der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht aufgrund von unzulässigen Änderungen an den Vergabeunterlagen von der weiteren Wertung gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A i. V. m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A ausgeschlossen, wobei die Vergabekammer nicht alle vom Antragsgegner beanstandeten Positionen als unzulässige Abweichung von den Vergabeunterlagen bewertet (im Folgenden 2 a). Es ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich, dass darüber hinaus die Voraussetzungen für eine Aufhebung aus anderen schwerwiegenden Gründen gemäß § 17 EU Nr. 3 VOB/A nicht vorliegen. Zwar wurde der geschätzte Auftragswert, den der Antragsgegner unter Ziffer II.2.6 der Bekanntmachung auch den Bietern offengelegt hatte, durch alle drei eingegangen Angebote weit überschritten. Die in der Vergabeakte gemäß § 20 EU VOB/A i. V. m. § 8 Abs. 1 und 2 Nr. 1 VgV zu dokumentierende ex-ante-Schätzung gemäß § 1 EU Abs. 2 VOB/A i. V. m. § 3 VgV genügt vorliegend jedoch nicht den Anforderungen der Rechtsprechung für eine vergaberechtsgemäße Aufhebung mangels wirtschaftlicher Angebote (im Folgenden 2 b).

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen kommunalen Zweckverband und damit um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 3 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzte Auftrags- oder Vertragswerte ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreichen oder überschreiten, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag i. S. des § 1 EU VOB/A, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2004/24/EU in der bis 31.12.2019 und damit zum Zeitpunkt der Bekanntmachung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens geltenden Fassung ein Schwellenwert von 5.548.000 € gilt. Die geschätzten und bekannt gemachten Kosten für den Auftrag in Höhe von xxxxxx € überschreiten den Schwellenwert deutlich.

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren in vergaberechtswidriger Weise aufgehoben habe, da die Vorrausetzungen für eine gerechtfertigte Aufhebung des Vergabeverfahrens gemäß § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 VOB/A ihrer Auffassung nach in Ermangelung eines Grundes für den Ausschluss ihres ausschreibungskonformen Angebotes und einer ordnungsgemäßen ex-ante-Schätzung des Auftragswertes nicht vorliegen.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergabe-recht, § 107, Rn. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt, zumal sie unstreitig das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat.

Die Antragstellerin hat auch ihrer Pflicht genügt, den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.

Vorliegend teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Schreiben vom xxxxxx.2020 mit, dass ihr Angebot aufgrund Abweichungen von den Ausschreibungsbedingungen von der Wertung ausgeschlossen worden sei. Da keine wertbaren Angebote vorlägen, sei das Vergabeverfahren aufgehoben worden.

Daraufhin rügte die Antragstellerin am 23.07.2020 mit per E-Mail übersandtem Anwaltsschreiben vom gleichen Tage den Ausschluss. Ihr Angebot entspreche den Ausschreibungsbedingungen, Gründe für einen Ausschluss lägen nicht vor. Nach der Leistungsbeschreibung Ziffer Nr. 2.1.1.2 seien Abweichungen vom Planungsentwurf erlaubt und das Höchstmaß der nach Ziffer 10.4 der Besonderen Vertragsbedingungen zulässigen Abweichungen im Planungsentwurf würde konkretisiert. Die Rüge erfolgte innerhalb der gesetzlichen 10-Tages-Frist und damit rechtzeitig.

Der Nachprüfungsantrag ist somit zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.

a. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung des Antragsgegners, die Ausschreibung gemäß § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A aufzuheben, weil kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht, nicht in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Der Antragsgegner hat das Angebot der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht aufgrund von unzulässigen Änderungen an den Vergabeunterlagen von der weiteren Wertung gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A i. V. m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A ausgeschlossen, wobei die Vergabekammer nicht alle vom Antragsgegner beanstandeten Positionen als unzulässige Abweichung von den Vergabeunterlagen bewertet.

Gemäß § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A und § 53 Abs. 7 Satz 1 VgV sind Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig. Das betreffende Angebot ist gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A zwingend von der Wertung auszuschließen. Der Regelungszweck dieser Vorschriften besteht darin, das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages mit übereinstimmenden Willenserklärungen zu gewährleisten (OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 02.12.2014-11 Verg 7/14 = VergabeR 2015, Seite 591 ff., 595). Der öffentliche Auftraggeber braucht sich nicht auf einen Streit über den Inhalt des Angebots bzw. des gegebenenfalls abgeschlossenen Vertrages einzulassen. Gleichermaßen betrifft diese Regelung jedoch auch die Transparenz des Vergabeverfahrens und die Gleichbehandlung der Bieter: Dadurch, dass jeder Bieter nur das anbieten darf, was der öffentliche Auftraggeber auch tatsächlich nachgefragt hat, und sich keinen Wettbewerbsvorteil dadurch verschaffen darf, dass er von den Ausschreibungsvorgaben abweicht (Ausnahme: Nebenangebot), ist gewährleistet, dass nur solche Angebote gewertet werden, die in jeder sich aus den Vergabeunterlagen ergebenden Hinsicht miteinander vergleichbar sind (BGH, Urteil vom 16.04.2002 - X ZR 67/00). Andernfalls wäre es dem Auftraggeber nicht möglich, unter sämtlichen Angeboten dasjenige zu ermitteln, dass im Vergleich zu den anderen das wirtschaftlichste im Sinne der §§ § 16d EU Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 VOB/A, 58 Abs. 2 VgV, 127 GWB ist (vgl. Dittmann in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 57 VgV, Rn. 50, m. w. N.).

Unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen liegen immer dann vor, wenn ein Bieter etwas anderes anbietet, als vom öffentlichen Auftraggeber nachgefragt. In solchen Fällen ist nicht gewährleistet, dass nur solche Angebote gewertet werden, die in jeder Hinsicht miteinander vergleichbar sind, vgl. Dittmann in Kulartz/Kus/Marx/ Portz/Prieß, VgV, 2017, § 57 VgV Rn. 50 ff. Irrelevant ist, ob sich die Änderungen in den Vergabeunterlagen selbst manifestieren oder in anderer Weise, etwa dadurch, dass in einem zusätzlichen Begleitschreiben Vorbehalte oder Einschränkungen (dieses Angebot gilt unter der Annahme, dass ...) formuliert werden (vgl. Voppel in Vop-pel/Osenbrück/Bubert, VgV, 4. Auflage 2018, § 53, Rn. 33).

Wie bereits aus dem Wortlaut der §§ 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2, 16 EU Nr. 2 VOB/A deutlich wird, kommt es bei diesem Tatbestand auf die Wettbewerbsrelevanz, Wesentlichkeit oder Geringfügigkeit einer Änderung der Vergabeunterlagen nicht an (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19.02.2015 -13 Verg 12/14 = VergabeR 2015, S. 580 ff., 587, m. w. N.). Der Bieter ist vielmehr ohne Einschränkungen an die in den Vergabeunterlagen im Einzelnen präzisierte Nachfrage des öffentlichen Auftraggebers gebunden (vgl. Dittmann in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 57 VgV, Rn. 56).

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs bewertet die Vergabekammer nicht alle vom Antragsgegner beanstandeten Positionen als unzulässige Abweichung von den Vergabeunterlagen. Während die Ausführungen der Antragstellerin in ihrem Angebot hinsichtlich des Anlagenteils Abluft und hinsichtlich des Prozesswassersystems mit den Vorgaben gemäß Ziffer 3.11.1 und Ziffer 3.10.2 der Leistungsbeschreibung vereinbar sind, teilt die Vergabekammer die Auffassung des Antragsgegners, dass das Angebot im Hinblick auf den Anlagenteil Eintragslinie Rotte (Ziffer 3.7.2 der Leistungsbeschreibung) und hinsichtlich des Prozessleitsystems (Ziffer 3.13.3 der Leistungsbeschreibung) von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht. Dazu im Einzelnen:

- Anlagenteil Abluft

Der Antragsgegner ist hinsichtlich des Anlagenteils Abluft zu der Feststellung gelangt, dass die Antragstellerin in dem mit dem Angebot eingereichten Fließbild "Abluft" einige vorgesehene Messpunkte gestrichen hatte, obwohl die Bieter gemäß Ziffer 3.11.1 der Leistungsbeschreibung die Durchflussmessung für den Anlagenteil Abluft mindestens an den im Fließbild aufgeführten Positionen planen sollten. Unter Ziffer 3.11.1 (Seite 170) der Leistungsbeschreibung heißt es dazu:

"Mindestanforderung bezüglich der zu erfassenden Messwerte (s. A. MSR Technik):

- Durchflussmessung mindestens an den im Fließbild aufgeführten Positionen inklusive Temperatur- und Druckanzeige

- indirekte Durchflussmessungen bei Gebläse (sogenannte in-visu-Messung über Drehzahl, Druck, Kennlinie) ist bei Nebenströmen nach Freigabe durch den AN erlaubt

- die kontinuierliche Methanmessung und Methansensor (ZA +) für das Schwachgas aus der Vergärung"

Die Antragstellerin hat in ihrem mit dem Angebot eingereichten Fließbild Abluft (Dok. 1.7.3 f) unstreitig einige vorgegebene Methan-Messpunkte gestrichen. Im Aufklärungsgespräch am 17.06.2020 (Protokoll über das Aufklärungsgespräch, S. 2 und 3, unter II. 2.) hat die Antragstellerin dies gegenüber dem Antragsgegner wie folgt begründet:

"Der Bieter gab an, dass die Mindestanforderungen an die Durchflussmessungen (inklusive Temperatur- und Druckanzeige) in seinem Angebot eingehalten würden. In "einzelnen Fällen" habe man allerdings für Nebenströme die in der Ausschreibung vorgesehene Möglichkeit der indirekten Durchflussmessung über die Gebläse vorgesehen. Eine Detailabstimmung erfolge mit dem Auftraggeber im Rahmen der Ausführungsplanung.

Der Auftraggeber wies darauf hin, dass für ihn unverständlich sei, wieso im vom Bieter eingereichten Fließbild Abluft (Dok. 1.7.3. f) einige Messpunkte gestrichen worden seien. Er betonte, dass für ihn ein hoher Anteil direkter Messungen Sicherheit im Rahmen der Vertragsabwicklung geben solle. Der Bieter gab an, dass die Darstellung in dem Fließbild Abluft seiner möglichen technischen Ausführung entspreche. Er könne jedoch in den Fällen, in denen für Nebenströme keine direkte Messung zwingend sei, jeweils über alternative technische Lösungen sicherstellen, dass auch diese Nebenströme über vergleichende Messungen indirekt erfasst werden könnten. Wenn der Auftraggeber auch in Bezug auf die Nebenströme auf einer direkten Messung bestehe, sei dem Bieter klar, dass diese an jedem einzelnen Strom umzusetzen seien. Dies habe er auch einkalkuliert."

In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin erläutert, dass sie im Bereich Abluft tatsächlich Methansonden gestrichen habe, weil sie nach ihrem Konzept nicht erforderlich waren. Nach ihrem Konzept wird das Methan nicht wie vom Planungsentwurf vorgesehen durch die Kompostierung geführt, sondern direkt via Bypass zur Abluftbehandlung zugeführt. Dort seien dann auch entsprechende Sensoren vorhanden. Die Antragstellerin wies weiter darauf hin, dass sie teilweise auch direkte durch indirekte Messmethoden und Messstellen ersetzt habe. Dies sei durch Seite 170 des Leistungsverzeichnisses unter 3.11.1 auch ausdrücklich zugelassen worden mit der Maßgabe, dass der Antragsgegner dies freigibt. Die Antragstellerin hat auf den dortigen Wortlaut und die entsprechenden Möglichkeiten aufgrund der Festlegung in der Leistungsbeschreibung verwiesen.

Sie hat erläutert, dass sich dies zwar nicht detailliert und unmittelbar aus dem Fließbild ergibt. Denn dort seien keine Messpunkte, sondern Ventilatoren eingetragen worden. Daraus könne man allerdings den indirekten Ansatz ableiten.

Der Antragsgegner seinerseits hat darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der Methanmessung nicht nur auf die Methankonzentration in der Abluftanlage selbst ankommt, sondern dass es hier auch um die Methangase geht, die durch die Kompostierung in der Rotte entstehen. Bei dem gewählten Konzept der Antragstellerin wird das Methangas gerade nicht durch die Rotte geführt, und etwaige Messungen im Bypass berücksichtigen dann nicht die Gaskonzentrationen in der Rotte.

Die Vergabekammer versteht die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses allerdings auch so, dass die Gase, die (erst) in der Rotte selbst entstehen, vorliegend nicht zwingend Gegenstand der Leistungsbeschreibung waren. Dies folgt daraus, dass zum einen nach der Mindestanforderung bezüglich der zu erfassenden Messwerte unter 3.11.1 (Seite 170) der Leistungsbeschreibung ausdrücklich "indirekte Durchflussmessungen bei Gebläse (sogenannte in-visu-Messung über Drehzahl, Druck, Kennlinie) bei Nebenströmen nach Freigabe durch den AN erlaubt" sind, zum anderen die Methankontrolle auf das Abgas aus der Vergärung zu beziehen ist.

Genau dies aber ist Gegenstand des mit dem Angebot der Antragstellerin unterbreiteten Konzepts. Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt somit diesbezüglich nicht vor.

- Prozesswassersystem

Der Antragsgegner hat hinsichtlich des Prozesswassersystems festgestellt, dass die Antragstellerin eine getrennte Erfassung des hoch belasteten Prozesswassers in einem der beiden Speicher und des weniger belasteten Prozesswassers in dem anderen Speicher angeboten hatte. Er vertritt die Auffassung, dass dies nicht mit Ziffer 3.10.2 der Leistungsbeschreibung vereinbar ist, wonach ausdrücklich "die gemeinsame Erfassung sämtlicher im Prozess der BA anfallenden Wässer in beiden Prozesswasserspeichern" gefordert wird.

Im Aufklärungsgespräch am 17.06.2020 (Protokoll über das Aufklärungsgespräch, S. 6 und 7, unter VI) hat die Antragstellerin dies gegenüber dem Antragsgegner wie folgt begründet:

"Der Bieter stellte daraufhin das von ihm angebotene Prozesswassersystem näher dar. Es seien alle für die vollständige Bilanzierung des Wassersystems notwendigen Messstellen zur Durchflussmessung enthalten. Herstellerspezifisch seien nur dort Durchflussmessungen eingespart worden, wo mit einer Messung verschiedene Volumenströme gemessen werden könnten, beispielsweise da, wo der Weg über Automatikventile eindeutig gestellt werde. Der Bieter habe zwei Bereiche für Prozesswasser vorgesehen: in den Speicher 1 solle hoch belastetes und in den Speicher 2 weniger belastetes Prozesswasser geleitet werden. Die Messmethode sei aktuell noch unklar; hierfür komme es auf die technische Umsetzung in der Ausführungsplanung an. Eine Brauchwassereinspeisung erfolge in beiden Speichern.

...

Der Auftraggeber fragte nach, warum der Bieter die Möglichkeit der Brauchwassereinspeisung direkt auf die Tunnelbefeuchtung ausgestrichen habe. Außerdem bestünde die Anforderung, jeweils einen Speicher isoliert als Redundanz betreiben zu können. Der Bieter erwiderte, ihm sei dies nicht als Anforderung aus der Leistungsbeschreibung bewusst gewesen. Dies sei aber problemlos im Rahmen der Ausführungsplanung händelbar, zum Beispiel könne für die gewünschte Redundanz auch ein Handventil zwischengesetzt werden, so dass wieder beide Ströme in einen Speicher gehen könnten. Auch sei es kein Problem, eine direkte Brauchwasserbeaufschlagung vorzusehen."

Der Ansatz und der Einwand des Antragsgegners, dass er gewährleisten wollte, dass der Betrieb auch mit nur einem Speicher durchführbar sein muss, was zum Beispiel im Falle von Wartungsarbeiten und damit Nichtverfügbarkeit eines Speichers der Fall sein könne, ist für die Vergabekammer nachvollziehbar.

Diese Forderung einer jederzeit gewährleisteten Redundanz geht jedoch aus der Leistungsbeschreibung nicht hervor. In Ziffer 3.10.2 der Leistungsbeschreibung heißt es zum Prozesswassersystem:

"... Im Wesentlichen bestehend aus 2 Prozesswasserspeichern und der Prozesswasserführung. Der Anlagenteil muss so ausgelegt werden, dass:

- alle im Prozess der BA anfallenden Wässer in den beiden Prozesswasserspeichern gesammelt werden.

...

- im Betrieb eine Differenzierung bezüglich dem Inhalt der beiden Speicher, in "stark" und "leicht" belastetes Prozesswasser möglich ist mit dem Ziel, die Zugabe der jeweiligen Rottephase anpassen zu können (zum Beispiel weniger belastetes Wasser zum Ende der Rotte)."

Gerade diese Differenzierung wird bei dem Ansatz der Antragstellerin ohne weiteres gewährleistet. Die Antragstellerin verweist auch zu Recht darauf, dass unstreitig auch nach ihrem Angebot sämtliches anfallendes Abwasser, egal welcher Qualität, - ausschließlich - in den beiden Speichern gespeichert wird. Es geht aus den Anforderungen aber nicht hervor, dass dies gemischt sein muss und nicht getrennt erfolgen darf.

Dass der Antragsgegner mit seiner Forderung über den Wortlaut in Ziffer 3.10.2 der Leistungsbeschreibung bezweckt hat, eine ständige Redundanz zu gewährleisten, um auch im Falle von Wartungsarbeiten an einem Speicher den Betrieb fortsetzen zu können, war aus Sicht des verständigen Bieters nicht erkennbar.

Vielmehr hatte der Antragsgegner in den grundlegenden Anforderungen unter 2.3.3 (Verfügbarkeit wesentlicher Anlagenteile, S. 34 der Leistungsbeschreibung) ausdrücklich erklärt:

"Eine (echte) Redundanz von Anlagenteilen wird nicht gefordert und ist nicht vorgesehen."

Der Antragsgegner hätte sich daher bei der Formulierung der Ziffer 3.10.2 der Leistungsbeschreibung klarer ausdrücken müssen, wenn er hier ausnahmsweise auf eine redundante Ausführung Wert gelegt hatte. Eine mangelnde Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung darf nicht zulasten der Bieter ausgelegt werden.

Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt somit auch bezüglich dieser Beanstandung des Antragsgegners nicht vor.

- Anlaqenteil Eintraqslinie Rotte

Die Antragstellerin ist jedoch in ihrem Angebot im gemäß §§ 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2, 16 EU Nr. 2 VOB/A von den Festlegungen des Antragsgegners in den Vergabeunterlagen abgewichen, indem sie nach der im mit ihrem Angebot eige-reichten Plan dargestellten Bauweise die in der Leistungsbeschreibung unter Ziffer 3.7.2 für die Rottetunnel festgelegte maximale Füllhöhe von 3,20 m deutlich unterschreitet. Dort heißt es:

"Der Anlagenteil muss so ausgelegt werden, dass:

...

- Die Rottetunnel optimal für die Belüftung gefüllt werden bis zu einer Füllhöhe von 3,2 m . . ."

Der Antragsgegner hat hinsichtlich des Anlagenteils Eintragslinie Rotte festgestellt, dass aus den von der Antragstellerin mit dem Angebot eingereichten Mechanik-Schnitten 1-3 und A - C hervorgeht, dass nach der im Plan dargestellten Bauweise mit einer nominalen Füllhöhe von 2.548 mm die maximale Füllhöhe von 3,20 m nicht erreicht werden kann.

Die maximale Füllhöhe wurde seitens der Antragstellerin nicht eingetragen. In dem Plan ist jedoch erkennbar, dass nach der dargestellten Bauweise mit einer nominalen Fülle Höhe von 2.548 mm die maximale Füllhöhe von 3,20 m nicht erreicht werden könnte, weil nach oben hin nicht ausreichend Platz eingeplant war. Dies ist erst nach einer Verschiebung der Höhe des Tunneleintragssystems und des damit verbundenen Trägers um ca. 30 cm möglich, was die Antragstellerin erstmals in ihrem überarbeiteten Maschinenaufstellungsplan der Tunneleintragstechnik, der im Rahmen des Aufklärungsgesprächs überreicht wurde, ausführlich dargestellt hatte.

Die Antragstellerin hat diese Abweichung in der Darstellung der Mechanik-Schnitte eingeräumt. Sie hat jedoch erklärt, dass diese Abweichung auf einen Übertragungsfehler zurückzuführen sei, der bei der Erstellung dieser Schnitte erfolgt sei und den sie anlässlich der Präsentation im Aufklärungsgespräch vollständig und ihrer Auffassung nach auch zulässigerweise und rechtswirksam korrigiert habe.

Die Feststellung und Bewertung des Antragsgegners, dass die Einhaltung der maximalen Füllhöhe von 3,20 m nur durch eine Verschiebung des Trägers um 30 cm und somit durch eine Änderung des ursprünglichen Angebotes der Antragstellerin eingehalten werden könnte, die gemäß § 15 EU Abs. 3 VOB/A unzulässig wäre, ist jedoch nicht zu beanstanden. Gemäß § 15 EU Abs. 3 VOB/A sind Verhandlungen, besonders über Änderung der Angebote oder Preise unstatthaft, außer, wenn sie bei Nebenangeboten oder Angeboten aufgrund eines Leistungsprogramms nötig sind, um unumgängliche technische Änderungen geringen Um-fangs und sich daraus ergebende Änderungen der Preise zu vereinbaren. Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um eine Ausschreibung mit Leistungsprogramm, sondern um eine teilfunktionale Ausschreibung, die den Bietern nur in dem durch Nr. 10.4 der Besonderen Vertragsbedingungen und Nr. 2.1.1.2 der Leistungsbeschreibung festgelegten Rahmen Abweichungen vom Planungsentwurf ermöglicht. Die Abweichung von in der Leistungsbeschreibung festgelegten Mindestanforderungen und Mindestmaßen ist davon nicht erfasst.

Es liegen demnach unzulässige Änderungen der Vergabeunterlagen vor, so dass ein Ausschluss des Angebots gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A i. V. m. § 13 EU Abs.1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A gerechtfertigt war.

- Prozessleitsvstem

Auch die vom Antragsgegner im Angebot der Antragstellerin festgestellte Abweichung von den Vorgaben bezüglich des einzusetzenden Prozessleitsystems ist nicht mit § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A zu vereinbaren.

Hinsichtlich des Prozessleitsystems hat der Antragsgegner beanstandet, dass die Antragstellerin in dem eingereichten Datenblatt unstreitig die Softwareversion xxxxxx.4 angegeben hat und dies nach ihren Angaben im Aufklärungsgespräch auch bewusst getan habe, obwohl in Ziffer 3.13.3 der Leistungsbeschreibung die Softwareversion xxxxxx.5 gefordert war. Dort heißt es:

"Der Lieferumfang umfasst mindestens nachfolgende Positionen, ist aber nicht darauf beschränkt:

...

Software:

- Visualisierungsebene: xxxxxx.5)

o Dokumentation und Archivierung der Betriebsdaten

-Wartungsmanagement

..."

Die Antragstellerin hat in ihrem eingereichten Datenblatt Prozessleitsystem demgegenüber die Softwareversion xxxxxx.4 angegeben. Im Aufklärungsgespräch (Protokoll über das Aufklärungsgespräch am 17.06.2020, Seite 9, unter X) hat die Antragstellerin erläutert, dass ihre Anlagen bisher auch unter xxxxxx und xxxxxx.4 problemlos liefen. Eine Umstellung sei nach einer Erprobungsphase vorgesehen, und xxxxxx.5 werde dann auch geliefert.

Sie hat diese Verfahrensweise in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer damit erklärt, dass sie nicht ohne weiteres jeweils auf die aktuelle Software aufspringe, sondern abwarte, ob dort noch entsprechende "Kinderkrankheiten" vorliegen, und erst dann umsattle, wenn die Funktion der Software als gesichert gelten kann. Sie habe deshalb im Aufklärungsgespräch (dortiges Protokoll, unter X.) dann auch erläutert, dass ihre Anlagen zwar unter xxxxxx und xxxxxx.4 problemlos liefen, eine Umstellung sei aber nach einer Erprobungsphase vorgesehen und xxxxxx.5 werde dann auch geliefert. Die Antragstellerin räumte nach Anfrage der Vergabekammer ein, dass dies nicht unmittelbar aus dem Angebot hervorgehe.

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass sich aus der entsprechenden Position im Leistungsverzeichnis ihrer Auffassung nach ergebe, dass nicht unbedingt lediglich eine Version xxxxxx.5 angeboten werden konnte. Dort heißt es zwar eingangs: "Der Lieferumfang umfasst mindestens nachfolgende Positionen, ist aber nicht darauf beschränkt." Dort heißt es dann unter Softwarevisualisierungsebene: "xxxxxx.5". Die Antragstellerin interpretiert dies so, dass nicht zwingend davon auszugehen sei, dass die Vorgaben nicht durch xxxxxx.4 erfüllt werden könnten. Die Antragstellerin hat auf die Formulierung eingangs zu Position 3.13.3 Automatisierung hingewiesen. Dort heißt es:

"Die Gesamtanlage inklusive aller Nebengewerke ist über ein Prozessleitsystem zu autorisieren. Das Leitsystem besteht im Wesentlichen aus den Teilbereichen der Steuerungstechnik xxxxxx und der Visualisierungsebene xxxxxx"

Im Kontext mit den Ausführungen unter "Der Lieferumfang umfasst mindestens nachfolgende Positionen, ist aber nicht darauf beschränkt", könne das aus Bietersicht auch so interpretiert werden, dass nicht jegliche Abweichung ausgeschlossen werden sollte, insbesondere dadurch, dass es dort heißt: "im Wesentlichen dargestellt in der Prinzipskizze, Abbildung 19". Im Ergebnis wertet die Antragstellerin die Anforderung "xxxxxx.5" nicht als Mindestanforderung, sondern als eine Anforderung, die im Rahmen der teilfunktionalen Ausschreibung interpretiert werden konnte.

Die Vergabekammer vertritt jedoch die Auffassung, dass sich aus der Formulierung "aber nicht darauf beschränkt ist" aus der Sicht eines Bieters lediglich ergibt, dass auch höhere Entwicklungsstufen angeboten werden konnten, nicht aber eine zurückliegende Entwicklungsstufe. Sie teilt die Auffassung des Antragsgegners, dass aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Ziffer 3.13.3 der Leistungsbeschreibung hinsichtlich der Software für das Prozessleitsystem von einer Mindestanforderung auszugehen ist, die die Bieter in ihren Angeboten nicht unterschreiten durften.

Soweit sich die im Nachprüfungsverfahren von Anfang an durch ihren Verfahrensbevollmächtigten vertretene Antragstellerin nunmehr erstmals aufgrund der Erörterung in der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich darauf beruft, dass vorliegend von einem vergaberechtswidrigen Leitfabrikat auszugehen ist, ist sie mit diesem Vortrag bereits gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, weil sie diesen vermeintlichen Verstoß gegen Vergabevorschriften nicht bis zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat, obwohl die Anforderung und damit auch der vermeintliche Verstoß aus den Vergabeunterlagen erkennbar war. Es ist vor allem aber auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin durch die ausdrückliche und unmissverständliche Forderung einer aktuellen Version der auch nach ihrem bisherigen Vortrag grundsätzlich unstrittigen Software für das Prozessleitsystem in ihren Rechten verletzt sein könnte.

Die Entscheidung des Antragsgegners, das Angebot der Antragstellerin wegen unzulässiger Änderungen der Vergabeunterlagen gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A i. V. m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A auszuschließen, ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

b. Es ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich, dass darüber hinaus die Voraussetzungen für eine Aufhebung aus anderen schwerwiegenden Gründen gemäß § 17 EU Nr. 3 VOB/A nicht vorliegen. Zwar wurde der geschätzte Auftragswert, den der Antragsgegner unter Ziffer II.2.6 der Bekanntmachung auch den Bietern offengelegt hatte, durch alle drei eingegangen Angebote weit überschritten. Die in der Vergabeakte gemäß § 20 EU VOB/A i. V. m. § 8 Abs. 1 und 2 Nr. 1 VgV zu dokumentierende ex-ante-Schätzung gemäß § 1 EU Abs. 2 VOB/A i. V. m. § 3 VgV genügt vorliegend jedoch nicht den Anforderungen der Rechtsprechung für eine vergaberechtsgemäße Aufhebung mangels wirtschaftlicher Angebote.

Die Voraussetzungen für eine berechtigte Aufhebung der Ausschreibung wegen anderer schwerwiegender Gründe im Sinne des § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 Nr. 3 VOB/A liegen nicht vor. Die in der Vergabeakte dokumentierte und vom Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren weiter erläuterte Schätzung des Auftragswertes im Vorfeld des Vergabeverfahrens genügt weder hinsichtlich der Aktualität der dazu eingeholten Angebote noch hinsichtlich der Dokumentation den vergaberechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße, gemäß § 20 EU VOB/A 1. V. m. § 8 Abs. 1 und 2 Nr. 1 VgV in der Vergabeakte zu dokumentierende ex-ante-Schätzung gemäß § 1 EU Abs. 2 VOB/A i. V. m. § 3 VgV.

Nach der Rechtsprechung des OLG Celle muss sich die Aufhebung eines Vergabeverfahrens wegen vermeintlich unangemessen hoher Angebotspreise an den Voraussetzungen des § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A messen lassen (OLG Celle Be-schluss vom 10.03.2016 -13 Verg 5/15, zitiert nach ibr-online). Danach kann eine Ausschreibung von Bauleistungen dann aufgehoben werden, wenn - bezogen auf die Tatbestände in § 17 EU Abs. 1 Nr. 1, 2 VOB/A - andere schwerwiegende Gründe hierfür bestehen. Ob ein anderer schwerwiegender Grund vorliegt, ist im Rahmen einer am Einzelfall orientierten Interessenabwägung zu ermitteln, wobei, weil die Verfahrensaufhebung die Ausnahme bleiben muss, strenge Anforderungen an das Aufhebungsinteresse zu stellen sind (BGH, Beschluss vom 20. März 2014, a. a. O.). Ein schwerwiegender Grund besteht nur dann, wenn er die bisherige Vergabeabsicht des Auftraggebers entscheidend beeinflusst. So ist die Aufhebung nicht schon dann gerechtfertigt, wenn die eingegangenen Angebote wirtschaftlich nicht den Vorstellungen des Auftraggebers entsprechen. Berücksichtigungsfähig sind grundsätzlich nur solche Mängel, die die Durchführung des Verfahrens und die Vergabe des Auftrags selbst ausschließen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.01.2005-Verg 72/04).

Eine derartig begründete Aufhebung setzt nach einer Grundsatzentscheidung des BGH (BGH, Beschluss vom 20.11.2012 - X ZR 108/10) in jedem Fall eine deutliche Überschreitung des durch den Auftraggeber vertretbar geschätzten Auftragswertes voraus. Eine vertretbare Auftragswertschätzung liegt danach nur dann vor, wenn diese wirklichkeitsnah ist. Des Weiteren müssen - ohne dass hier Prozentangaben vorgegeben werden können - alle Angebote deutlich höher liegen als die objektiv vertretbare Auftragswertschätzung des Auftraggebers (Portz, a. a. O., Rn. 36, m. w. N). Dabei lässt sich nicht durch allgemein verbindliche Werte nach Höhe oder Prozentsätzen festlegen, wann ein vertretbar geschätzter Auftragswert so deutlich überschritten ist, dass eine sanktionslose Aufhebung der Ausschreibung gerechtfertigt ist. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine alle Umstände des Einzelfalles einbeziehende Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei ist davon auszugehen, dass einerseits zwar den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung weit jenseits einer vertretbaren Schätzung der Auftragswerte zugewiesen werden darf, sondern sie in solchen Fällen zur sanktionsfreien Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt sein müssen. Andererseits darf aber die Möglichkeit der Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht zu einem für die Vergabestellen latent verfügbaren Instrument zur Korrektur der in öffentlichen Ausschreibungen erzielten Submissionsergebnisse geraten. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass § 17 EU Abs. 1 VOB/A nach Sinn und Zweck der Regelung eng auszulegen ist und dass auch mit angemessener Sorgfalt durchgeführte Schätzungen nur Prognoseentscheidungen sind, von denen die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen. Das Ausschreibungsergebnis muss deshalb in der Regel ganz beträchtlich über dem Schätzungsergebnis liegen, um die Aufhebung zu rechtfertigen (BGH, a. a. O.).

Das Erfordernis strenger Anforderungen folgt insbesondere daraus, weil sich Bewerber und Bieter im Vertrauen darauf auf die Ausschreibung eingelassen haben, dass auch tatsächlich eine Vergabe erfolgt. Sie sollen daher in ihren Aufwendungen von Zeit und Kosten für die Erstellung ihrer Angebote nicht enttäuscht werden (vgl. Portz in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 17, Rn. 28, m.w.N.). Auch geht die Rechtsprechung nahezu einhellig davon aus, dass die Aufhebung gemäß § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A voraussetzt, dass der Auftraggeber bei Beginn des Verfahrens das Vorhandensein oder den nachträglichen Eintritt des maßgeblichen Um-standes nicht erwartet hat bzw. ihn nicht schuldhaft herbeigeführt hat (vgl. Glahs in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 3. Auflage, § 17 VOB/A, Rn. 12; Dieck-Bogatzke, Probleme bei der Aufhebung der Ausschreibung, VergabeR 2a/2008, S. 392 ff., 393, m.w.N.). Ein durch § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A gedeckter Grund zur Aufhebung wegen eines nicht wirtschaftlichen Ergebnisses oder wegen einer Budgetüberschreitung ist nicht gegeben, wenn der Auftraggeber den Preis nur subjektiv für überhöht hält, obwohl er den gegebenen Marktverhältnissen entspricht.

Vorliegend hat der Antragsgegner weder durch die Dokumentation in der Vergabeakte noch im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens die Vertretbarkeit seiner Kostenschätzung im Sinne der Rechtsprechung des BGH dargelegt. Die in der Vergabeakte dokumentierte und vom Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren weiter erläuterte Schätzung des Auftragswertes im Vorfeld des Vergabeverfahrens genügt weder hinsichtlich der Aktualität der dazu - über ein Jahr vor Einleitung des streitbefangenen Vergabeverfahrens - eingeholten Angebote noch hinsichtlich der Dokumentation den vergaberechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße, gemäß § 20 EU VOB/A i. V. m. § 8 Abs. 1 und 2 Nr. 1 VgV in der Vergabeakte zu dokumentierende ex-ante-Schätzung gemäß § 1 EU Abs. 2 VOB/A i. V. Rn. § 3 VgV.

Voraussetzung für eine Aufhebung der Ausschreibung bei einem nicht wirtschaftlichen Ergebnis ist stets, dass der Auftraggeber die Kosten für die Ausführung der Leistung vorab ordnungsgemäß kalkuliert hat (vgl. VK Baden-Württemberg, Be-schluss vom 28.02.2008, 1 VK 39/08; VK Südbayern, Beschluss vom 21.08.2003 -32-07/03 = IBR 2004, 41; VK Bund, Beschluss vom 11.06.2008 - VK 1-63/08). Erforderlich sind eine korrekte und zeitnahe sowie vor der Bekanntmachung stets anzupassende Kostenschätzung des Auftraggebers im Vorfeld des Vergabeverfahrens sowie gegebenenfalls Kostenvergleichslisten (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.07.2009 -15 Verg 3/09 = VergabeR 2010 S. 96 ff. mit Anm. v. Härtung). Zweckmäßig, wenn auch nicht immer erforderlich, ist eine vorherige Markterkundung durch den Auftraggeber. Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Kostenschätzung des Auftraggebers ist aber stets, dass dieser von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und alle zu vergebenden Leistungen in die Kostenberechnung mit einbezieht (Portz, a. a. O., Rn. 36). Eine objektiv ordnungsgemäße Kostenschätzung durch den Auftraggeber muss daher auf der Grundlage aller verfügbaren sowie kostenrelevanten Faktoren und Daten angemessen und methodisch vertretbar erfolgen (OLG Celle, Beschluss vom 13.01.2011 -13 Verg 15/10; Portz, a. a. O., Rn. 36).

Die vorliegende ex-ante-Schätzung, die der Antragsgegner im Rahmen der Vorbereitung des Vergabeverfahrens vorgenommen und sich dazu der Dienste des xxxxxx bedient hatte, genügt diesen Anforderungen der Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Kostenschätzung schon deshalb nicht, weil ihr keine zeitnah im Vorfeld der Vergabebekanntmachung ermittelten Marktdaten oder Angebote zugrunde gelegt wurden.

Dies ist jedoch nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 5 Abs. 4 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2014/24/EU (Abi. der EU L 94/99 vom 28.03.2014) zwingend erforderlich. Dort heißt es:

"Für den geschätzten Auftragswert ist der Wert zum Zeitpunkt der Absendunq des Aufrufs zum Wettbewerb maßgeblich, oder, falls ein Aufruf zum Wettbewerb nicht vorgesehen ist, zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens durch den öffentlichen Auftraggeber, beispielsweise gegebenenfalls durch Kontaktaufnahme mit Wirtschaftsteilnehmern im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe." (Hervorhebung durch die Vergabekammer).

In der vorgelegten Vergabeakte fehlt darüber hinaus das als Grundleistung verbindlich in Leistungsphase 6d (vgl. Anlage 10 zu § 34 HOAI) vorgesehene bepreiste Leistungsverzeichnis und der nach Leistungsphase 6e danach vorgesehenen Kostenkontrolle. Das bepreiste Leistungsverzeichnis ist die dem Beginn der Vergabe zeitlich nächstgelegene Dokumentation (so auch VK Nordbayern, Beschluss vom 05.07.2019, RMF SG21- 3194-4-23; VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.01.2020 -1 VK 69/19) der aktuellen Kostenermittlung. Sie ist daher mit deutlichem Abstand das beste Instrument, um zu dokumentieren, ob die Preise der Submission deutlich über den berechtigten Erwartungen des Auftraggebers liegen.

Der Antragsgegner kann die Aufhebung daher vorliegend nicht vergaberechtskonform ergänzend auf die deutliche Überschreitung des Kostenbudgets stützen.

Da der Antragsgegner das Angebot der Antragstellerin jedoch aus den oben unter II. 2. a. erörterten Gründen zu Recht wegen unzulässiger Änderungen der Vergabeunterlagen gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A i. V. m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A ausgeschlossen hat und die beiden anderen am Vergabeverfahren beteiligten Bieter den Ausschluss ihrer Angebote akzeptiert haben, hat der Antragsgegner zu Recht entschieden, das Vergabeverfahren mangels Vorliegen von Angeboten, die den Ausschreibungsbedingungen entsprechen, gemäß § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A aufzuheben.

Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB in der seit dem 18.04.2016 geltenden Fassung (Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz - VergRModG) vom 17.02.2016 (BGBl. I, S. 203), in Kraft getreten gemäß dessen Art. 3 am 18.04.2016).

Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zugrunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx €. Dieser Betrag entspricht der vom Antragsgegner geprüften Angebotssumme (brutto) der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

Bei einer Gesamtsumme von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag in der Hauptsache keinen Erfolg hatte.

Aufwendungen des Antraqsqegners:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war erforderlich. Die anwaltliche Vertretung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Daher kann die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner regelmäßig nicht als notwendig ansehen. Allerdings handelte es sich im vorliegenden Vergabeverfahren nicht durchgängig um einfach gelagerte vergaberechtliche Rechtsfragen. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner nach eigenen Angaben nicht über eine Rechtsabteilung oder juristisch hinreichend geschultes Personal verfügt. Aus diesem Grunde waren die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten offenbar vom Antragsgegner bereits mit der juristischen Begleitung des Vergabeverfahrens selbst betraut, was in der Vergabeakte u. a. durch eine umfangreiche anwaltliche Stellungnahme vom 12.05.2020 im Vorfeld des Aufklärungsgesprächs mit der Antragstellerin dokumentiert ist. Es erscheint daher angemessen, das anhand der regelmäßigen Linienarbeit bemessene Personal dann erst Recht auch für das Nachprüfungsverfahren anwaltlich zu verstärken. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für den Antragsgegner insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit in diesem Fall als notwendig anzuerkennen (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 31.01.2012, VgK-58/2011; Beschluss vom 18.09.2012, VgK-36/2012).

Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten des Antragsgegners zu tragen.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

Gemäß § 171 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese ist beim Oberlandesgericht Celle, Schloßplatz 2, 29221 Celle, schriftlich einzulegen. Die Beschwerde ist gemäß § 172 GWB binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 2 GWB mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Kammer angefochten wird und eine abweichende Entscheidung beantragt wird,

2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer.

Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.

Gause
Tiede
Weyer