Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 14.07.2020, Az.: VgK-13/2020
Europaweiter Aufruf zum Wettbewerb für die Vergabe des Labormanagements einer Krankenhaus gGmbH im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb; Wiederholung des Vergabeverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 14.07.2020
- Aktenzeichen
- VgK-13/2020
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 33552
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 99 Nr. 2 GWB
- § 160 Abs. 3 Nr. 2, 3 GWB
- § 121 GWB
- § 122 Abs. 4 S. 2 GWB
- § 38 Abs. 4 VgV
- § 10 VgV
- § 53 VgV
In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtiqte: xxxxxx,
- Antragstellerin
-gegen
die xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtiqte: xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtiqte: xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Vergabe Labormanagement xxxxxx-Krankenhaus (Vergabenummer: xxxxxx),
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, die hauptamtliche Beisitzerin ORR'in von dem Knesebeck und den ehrenamtlichen Beisitzer Samtgemeindebürgermeister Dr. Dörsam auf die mündliche Verhandlung vom 09.07.2019 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Das Vergabeverfahren wird in den Stand vor Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe zurückversetzt. Die Antragsgegnerin wird bei fortbestehender Vergabeabsicht verpflichtet, das Vergabeverfahren ab diesem Zeitpunkt zu wiederholen. Dabei hat sie die aus den Gründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) werden auf xxxxxx € festgesetzt.
- 3.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Entrichtung ihres Kostenanteils persönlich befreit.
- 4.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben der Antragstellerin als Gesamtschuldner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin erforderlich.
Begründung
I.
Die Antragsgegnerin hat mit Vorinformation vom xxxxxx.2020 europaweit zum Wettbewerb für die Vergabe des Labormanagements der xxxxxx-Krankenhaus gGmbH im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb aufgerufen.
In Abschnitt I.3) "Kommunikation" der Vorinformation benannte die Antragsgegnerin folgende Anschrift, an die Angebote und Teilnahmeanträge einzureichen waren:
"xxxxxx"
In der Vorinformation wurden in "Abschnitt III: Rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Angaben" keine Eintragungen durch die Antragsgegnerin vorgenommen. Das Feld in Abschnitt II.2.7) "Laufzeit des Vertrags" enthielt ebenfalls keine Angaben. Im Rahmen einer E-Mail (09.01.2020) der die Antragsgegnerin vertretenden Vergabestelle teilte diese der Antragstellerin mit:
"[...] Im weiteren Verlauf des Verfahrens erhalten dann alle Unternehmen die eine Interessenbekundung übermittelt haben, im Rahmen der Aufforderung zur Interessenbestätigung (unter Berücksichtigung der gesetzlichen Fristen), Zugang zu allen erforderlichen Ausschreibungsunterlagen (u.a. Vertragsdauer, Eignungsnachweise, Leistungsverzeichnis) über ein e-Vergabeportal mittels entsprechendem Link [...]."
Eine Auftragsbekanntmachung der geplanten Auftragsvergabe im EU-Amtsblatt erfolgte im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht.
Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene gaben fristgerecht ihre Interessensbekundung ab und wurden in der Folge am xxxxxx.2020 zur Abgabe einer Interessensbestätigung bis zum xxxxxx.2020, 12:00 Uhr aufgefordert. Den Bewerbern wurde im Rahmen der Aufforderungsmail mitgeteilt:
"[...] Im Anhang finden Sie einen entsprechenden Leitfaden zur Registrierung des Portals. Bitte beachten Sie unbedingt die dortigen Hinweise, um die Einreichung einer wirksamen Interessenbestätigung sicherzustellen [...]."
Im Rahmen des Vergabeportals xxxxxx wurden die Bewerber unter "Rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle Angaben" daraufhingewiesen, dass Einzelheiten den Vergabeunterlagen/Leistungsverzeichnis zu entnehmen seien (vgl. Anlage xxxxxx).
Ziffer 11 des Anhangs des Dokuments "Aufforderung der Interessensbestätigung" konnten die Bewerber entnehmen, welche (Eignungs-)anforderungen durch die Bewerber erfüllt werden müssen. Ziffer 13 regelte hinsichtlich der Abgabe von Interessensbestätigungen und Angeboten, dass die Vorgaben aus den Leitfäden zur Nutzung des Portals zu beachten waren. Im Vergabeportal konnten die Bewerber einen Leitfaden zum Hochladen von Teilnahmeanträgen finden.
Im Rahmen der Interessenbestätigungsphase stellte ein Bewerber folgende Frage:
"Wir möchten unseren Teilnahmeantrag gerne auf das Portal hochladen. Das Portal bietet allerdings nur die Option das Angebot mit Preisblatt hochzuladen jedoch nicht den Teilnahmeantrag. Auf welchem Weg können wir Ihnen die Teilnahmeunterlagen zukommen lassen?"
Die Antwort der von der Auftraggeberin beauftragten Vergabestelle gegenüber dem Bewerber lautete wie folgt:
"Aus technischen Gründen des Portal-Betreibers ist hier mit "Angebotsabgabe Preisblatt" die Einreichung Ihrer Interessensbestätigung in dieser Phase des Vergabeverfahrens gemeint. Die Abgabe verbindlicher indikativer Angebote ist erst im Anschluss an die Eignungsprüfung der jeweiligen Bieter nach Fristablauf vorgesehen."
Einen entsprechenden Hinweis auf diese Problematik enthielten weder die Vergabeunterlagen noch der Leitfaden zum Hochladen von Teilnahmeanträgen des Portalbetreibers.
Die Antragstellerin reichte ihren Teilnahmeantrag mit Nachricht vom 05.03.2020 über das Nachrichtenmodul des Vergabeportals ein. Die Nachricht wurde von einem Mitarbeiter der Vergabestelle am selben Tag gelesen.
Nach Fristablauf wurden alle Interessensbestätigungen gesichtet und die Bewerber auf ihre Eignung geprüft. Der Vergabevermerk enthält zu diesem Verfahrensstadium einen Hinweis, dass die Antragstellerin ihre Interessensbestätigung unverschlüsselt über das Nachrichtenmodul des xxxxxx Vergabeportals am 05.03.2020 übermittelt hat. Weitergehende Dokumentation hinsichtlich des Umgangs mit dieser Tatsache sowie ein Ausschluss der Antragstellerin vom weiteren Verfahren ist nicht erfolgt.
Die Antragstellerin, die Beigeladene und weitere Bewerber, die die Anforderungen des Teilnahmewettbewerbs erfüllten, wurden am xxxxxx.2020 zur Abgabe eines indikativen Angebots aufgefordert. Einen Vertragsentwurf stellte die Vergabestelle den Unternehmen dabei nicht zur Verfügung. Nach fristgemäßem Eingang der Angebote führte die Antragsgegnerin mit den Bietern jeweils ein erstes Verhandlungsgespräch.
Eine Aufforderung zur Abgabe eines zweiten Angebots sowie die Übersendung der Gesprächsprotokolle mit der Gelegenheit zur Stellungnahme erfolgte am xxxxxx.2020. Die Antragstellerin reichte keine Anmerkungen zum Gesprächsprotokoll ein. Mit der zweiten Aufforderung zur Angebotsabgabe stellte die Antragsgegnerin den Bietern erneut keinen Vertragsentwurf zur Verfügung, übersandte einen solchen mit Kommentaren jedoch am 20.04.2020 an alle Bieter über das Nachrichtenmodul. Mit Abgabe des zweiten Angebots reichte die Beigeladene eine Übersicht über ihrerseits festgestellte Mängel und Lücken des Vertrages ein. Als Punkt, der aus Sicht der Beigeladenen noch fehlte bzw. nicht ausreichend beschrieben wurde, benannte sie unter Ziffer 4 das "Liquidationsrecht der GOP 437".
Nach der Durchführung einer zweiten Verhandlungsrunde wurden am 30.04.2020 die Gesprächsprotokolle der zweiten Verhandlungsrunde mit der Gelegenheit zur Stellungnahme an die Bieter übersandt. Die Antragstellerin hatte keine Anmerkungen zum Gesprächsprotokoll. Das Gesprächsprotokoll der Beigeladenen enthielt keinen Passus zum Thema "Liquidationsrecht der GOP 437".
Die Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe erfolgte am xxxxxx.2020. Die Antragsgegnerin stellte den Bietern dabei unter anderem einen Vertrag mit dem Stand xxxxxx.2020 final zur Verfügung. Gemäß Ziffer 4 des Anhangs der Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe galt hinsichtlich der Vertragsbedingungen Folgendes:
"Die Anbieter sind aufgefordert ihr Angebot auf Basis des beigefügten Vertrages [Vertrag xxxxxx Vergabe Labormanagement final (xxxxxx.2020)] zu erstellen."
Der beigefügte Vertrag regelt in § 3 unter anderem zum Leistungsumfang:
Abs. 4:
"Die Klinik stellt gem. Anlage "xxxxxx Artikel xxxxxx" Entnahmematerialien für Blutproben unentgeltlich zur Verfügung. Sämtliche weiteren, für die Erfüllung des Vertrages notwendigen laborspezifischen Entnahmematerialien stellt der Anbieter auf eigene Kosten zur Verfügung."
Abs. 15:
"Für alle vertragsbestandlichen ärztlichen Laborleistungen, die im Labor für die Klinik abgearbeitet werden, übt der Anbieter ein uneingeschränktes Liquidationsrecht gegenüber Wahlarztpatienten und Selbstzahlern aus. Insbesondere für Laborleistungen, die im Präsenzlabor erbracht werden, tritt die Klinik bzw. die Ärzte der Klinik ggf. bestehenden Liquidationsrechte an den Anbieter ab."
§ 8 Abs. 1 Eigenliquidation des Anbieters des Vertrags lautet wie folgt:
"Der Anbieter liquidiert bei Wahlleistungspatienten (sofern zur Leistungserbringung beauftragt) im Rahmen der Wahlarztkette Basislabor, Laborleistungen zur Untersuchung körpereigener oder körperfremder Substanzen und körpereigener Zellen sowie zum Nachweis und zur Charakterisierung von Krankheitserregern (Abschnitte M II, M IM und M IV des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ) im eigenen Namen gegenüber den Patienten."
Im Rahmen der Angebotsphase reichte die Beigeladene mit Nachricht vom 06.05.2020 unter anderem folgende Bieterfragen ein:
- "Wir haben festgestellt, dass eine Auflistung der (Mit)Geltenden Dokumente des zu bezugschlagenden Angebots in Rang und Reihenfolge im Vertrag fehlt. Sehen Sie dies auch so bzw. wird es diesbzgl. noch ein Update des Vertragswurfs geben?
- Weiterhin ist das Kriterium einer zu erfolgenden Nachbesetzung mit "gleichbleibender Qualität der Führung des Laborbetriebs" (§ 6 Abs. (4)) zu unscharf.
- Zu diesen Punkten sowie zu § 5 Abs. (1) und § 7 Abs. (6) sind die Regelungs- und Verständnislücken so groß, dass wir dazu im Vertragsentwurf dies entsprechend kommentieren werden."
Die Vergabestelle der Antragsgegnerin beantwortete am 06.05.2020 die zuletzt genannten Fragen lediglich bilateral der Beigeladenen gegenüber. Ihre Teilantwort auf die letzte Frage lautete:
"Eine Berücksichtigung einer Kommentierung des finalen Vertragstextes inkl. einer etwaigen Gültigkeit für eine eventuelle Bezuschlagung ist aus vergaberechtlicher Sicht leider nicht mehr möglich."
Die Antragstellerin reichte mit ihrem fristgemäßen finalen Angebot unter anderem den Vertragsentwurf, Stand 20.04.2020, mit von ihr aufgenommenen Kommentaren ein.
Das Angebot der Beigeladenen enthielt unter Ziffer 2. hinsichtlich des Versorgungsmodells die Regelung:
"Die Liquidationsrechte für alle im Präsenzlabor erbrachten Laborleistungen der Kapitel M2 und M3 sowie für die GOÄ-GOP 437 werden auf xxxxxx übertragen."
Und regelte unter Ziffer 2.3 zu den Entnahmematerialien Folgendes:
"Das xxxxxx-Krankenhaus beschafft alle notwendigen Entnahmematerialien für Laborproben für das Präsenzlabor in eigener Verantwortung und trägt die Kosten dafür."
Die finale Prüfung und Wertung der Angebote durch die Antragsgegnerin ergab, dass auf das Angebot der Antragstellerin als wirtschaftlichstes Angebot der Zuschlag zu erteilen sei.
Das Angebot der Beigeladenen sei hingegen wegen unzulässiger Abweichungen von den Vergabeunterlagen von der Wertung auszuschließen. In § 8 des finalen Vertrags sei geregelt, dass der Anbieter bei Wahlleistungspatienten im Rahmen der Wahlarztkette Leistungen der Abschnitte M II, M III und M IV des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ im eigenen Namen gegenüber dem Patienten liquidiere. Die GOÄ GOP 437 sei hier explizit nicht benannt. Abweichend davon regele das finale Angebot der Beigeladenen, dass die Liquidationsrechte für alle im Präsenzlabor erbrachten Laborleistungen der Kapitel M II und M III sowie für die GOÄ-GOP 437 auf sie übertragen werden würden. Nach Ansicht der Antragsgegnerin sei die GOÄ-GOP 437 im Vertrag nicht vorgesehen und habe daher auch bei der Kalkulation nicht berücksichtigt werden dürfen. Alle übrigen am Vergabeverfahren beteiligten Bieter hätten die GOÄ-GOP 437 nicht in die Gesamtkalkulation einbezogen. Zudem sei in dem finalen Angebot der Beigeladenen ausgeführt, dass das xxxxxx-Krankenhaus sämtliche Entnahmematerialien für Laborproben für das Präsenzlabor in eigener Verantwortung beschaffe und entsprechend die Kosten trage. Dies widerspreche der Regelung in § 3 Abs. 4 des finalen Vertrags, wonach die Klinik nur die Entnahmematerialien gemäß Anlage "xxxxxx Artikel xxxxxx" für Blutproben unentgeltlich zur Verfügung stelle.
Die Antragsgegnerin teilte den Bietern ihr Prüfungsergebnis mit Informationsschreiben nach § 134 GWB am 13.05.2020 mit. Daraufhin rügte die Beigeladene ihren Ausschluss und leitete nach erfolgter Nichtabhilfe ihrer Rüge ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer ein. Das Nachprüfungsverfahren nahm die Antragsgegnerin zum Anlass erneut in die Angebotsprüfung einzusteigen, mit dem Ergebnis, dass sie dem Nachprüfungsantrag der Beigeladenen abhalf, diese im Verfahren verblieb und das Angebot der Antragstellerin danach nicht mehr das wirtschaftlichste Angebot war.
Ein entsprechend korrigiertes Informationsschreiben gemäß § 134 GWB versandte die Antragsgegnerin an die Bieter am 02.06.2020.
Mit Rüge vom 04.06.2020 ging die Antragstellerin gegen ihre Ablehnung vor. Das Angebot der Beigeladenen hätte wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen zwingend vom Verfahren ausgeschlossen werden müssen. Weil die Änderung der Vergabeunterlagen insbesondere auf einer fehlerhaften Abrechnung der GOÄ GOP Nr. 437 beruhe, sei das Angebot der Beigeladenen darüber hinaus aufgrund einer schweren Verfehlung nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB auszuschließen. Weiter seien die Angebote nicht miteinander vergleichbar, da die Antragsgegnerin eine Kalkulationsgrundlage zur Verfügung gestellt habe, die bei den Bietern zu unterschiedlichen Vorstellungen und zu unterschiedlichen Kalkulationsgrundlagen geführt habe. Schließlich sei die Vorinformation vergaberechtswidrig und intransparent, da sie keine Eignungsanforderungen enthalte, die Fristen zu kurz bemessen seien sowie eine Verlinkung auf die Vergabeunterlagen fehle.
Mit Rügeerwiderung vom 08.06.2020 half die Antragsgegnerin der Rüge nicht ab. Das Angebot der Antragstellerin sei durch das Beifügen eines veralteten Vertragsentwurfs mit finaler Angebotsabgabe vom weiteren Verfahren auszuschließen. Weiter hätte die Antragstellerin schon gar nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert werden dürfen, da sie ihren Teilnahmeantrag unverschlüsselt über das Nachrichtenmodul der Vergabeplattform und damit nicht formgerecht eingereicht habe. Das Angebot der Antragstellerin habe weiter keine Zuschlagschance, unter anderem weil neben dem Angebot der Beigeladenen noch weitere zuschlagsfähige Angebote vorlägen. Ferner komme ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen wegen einer fehlerhaften Abrechnung nach GOÄ GOP Nr. 437 nicht in Betracht. Auch sei ein Ausschluss wegen einer schweren Verfehlung nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB nicht begründet. Sonstige Verfahrensfehler, insbesondere eine vergaberechtswidrige Vorinformation, lägen nicht vor.
Aufgrund der Nichtabhilfe der Rüge beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11.06.2020 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB.
Sie begründet ihren Antrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in dem o.g. Rügeschreiben.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig.
Die Antragstellerin sei antragsbefugt und insbesondere in ihren Rechten verletzt. Die Antragsgegnerin habe es unterlassen, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen, wodurch sich ihre Chancen auf den Zuschlag massiv verschlechtert hätten. Das Vorbringen der Antragstellerin sei auch nicht präkludiert. Die geltend gemachten Vergabeverstöße seien innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB gerügt worden. Die Antragstellerin habe die Vergabeverstöße erst nach Mitteilung der Nichtberücksichtigung und anwaltlicher Beratung erlangen können, es komme insoweit auf die positive Kenntnis der Antragstellerin an. § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GWB sei nicht einschlägig, da die geltend gemachten Verstöße nicht mit der Bekanntmachung erkennbar gewesen wären, denn es sei für einen durchschnittlichen Bieter schon nicht erkennbar gewesen, dass es sich überhaupt um eine Bekanntmachung im Sinne der Vorschrift handelte. Zudem sei die Vorinformation vergaberechtswidrig, da es unter anderem an der Bekanntmachung der Eignungskriterien fehle. Dieses Versäumnis stelle einen so schwerwiegenden und offenkundigen Mangel dar, der selbst wenn das Vorbringen der Antragstellerin präkludiert wäre, von Amts wegen aufzugreifen sei.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet.
Die Antragsgegnerin habe in vergaberechtswidriger Weise darauf verzichtet, nach der Vorinformation eine ordnungsgemäße Auftragsbekanntmachung zu veröffentlichen. Ein Verzicht auf die Auftragsbekanntmachung sei nur möglich, wenn die Vorinformation die in der VgV benannten erhöhten Anforderungen erfülle. Allerdings fehle es an den gemäß § 38 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 VgV zwingend erforderlichen Informationen nach Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986, insbesondere fehlten insgesamt Angaben zur Eignung sowie ein Link zu den Vergabeunterlagen und zudem sei die Teilnahmefrist zu kurz bemessen. Ausschlaggebend für die Beurteilung, ob ein Verstoß vorliege, sei nicht die Vergaberichtlinie 2014/24/EU, sondern die vom deutschen Verordnungsgeber bei der Richtlinienumsetzung vorgenommene Regelung in der VgV. Folge der fehlerhaften Vorinformation und der im Anschluss fehlenden Auftragsbekanntmachung im EU-Amtsblatt sei ein bei Zuschlag von Anfang unwirksamer Vertrag. Die nicht wirksam aufgestellten Eignungskriterien würden zudem zu einem Verstoß gegen § 122 Abs 4 S. 2 GWB führen, dessen Rechtsfolge die Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Angebotsabgabe sei.
Des Weiteren lägen keine Gründe vor, die einen Ausschluss der Interessentenbestätigung rechtfertigen. Die Vorinformation enthalte keine Angaben hinsichtlich der Übermittlung der Interessentenbestätigung. Diese sei entsprechend der Anforderungen in den Vergabeunterlagen elektronisch in Textform übermittelt worden. Weitere Anforderungen, wie zum Beispiel eine verschlüsselte Übermittlung bzw. die Festlegung eines Schutzniveaus, enthielten die Vergabeunterlagen nicht. Es sei lediglich eine Postanschrift und eine E-Mail-Adresse in Abschnitt I.3) der Vorinformation benannt worden. Entscheidend für die Form der Übermittlung seien daher allein die Angaben der Auftraggeberin zur Kommunikation in der Vorinformation. Angaben der xxxxxxVergabeplattform seien nicht relevant, zumal sich diese auf die Einreichung von Teilnahmeanträgen oder Angeboten beziehen würden. Schließlich sei - angenommen es liege ein Formverstoß vor - der Mangel unwesentlich und könne nicht zum Ausschluss führen. Die Interessentenbestätigung enthalte nur unwesentliche und wettbewerblich irrelevante Details, weshalb keine der Gefahr der Wettbewerbsverzerrung oder Manipulation bestünde. Auch ein Zeitvorteil oder sonstige vorteilhafte Spielräume gegenüber den anderen Bewerbern seien der Antragstellerin durch die Einreichung über das Nachrichtenmodul nicht entstanden.
Zudem rechtfertige die Einreichung des kommentierten Vertrags mit finaler Angebotsabgabe keinen Ausschluss des Angebots, da die Übersendung des kommentierten Vertrags auf Wunsch der Antragsgegnerin, die im Verhandlungsgespräch darum gebeten habe, erfolgt sei. Ein manipulativer Eingriff in die Vergabeunterlagen sei damit weder bezweckt oder bewirkt. Die Abgabe der finalen Vertragsversion habe die Antragsgegnerin im Übrigen nicht gefordert.
Ferner sei das Angebot der Beigeladenen zwingend wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV vom Vergabeverfahren auszuschließen. Die Änderung der Abrechnungsmodalitäten durch die Beigeladene sei nicht als formaler Mangel zu verstehen, sondern es handele sich um eine wesentliche den Wettbewerb beeinflussende Änderung der Vergabeunterlagen, die erheblichen Einfluss auf die Kalkulation des Angebots der Beigeladenen und somit auf die Wertungsreihenfolge der Angebote habe. Entsprechend höchstrichterlicher Rechtsprechung rechtfertige die Komplexgebühr der Nr. 437 für Laboratoriumsuntersuchungen im Rahmen einer Intensivbehandlung nach Nr. 435 auch für externe Ärzte, wie Laborärzte, keine Einzelabrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen, soweit es sich nicht um Leistungen nach den Abschnitten M II113 und M IV des Gebührenverzeichnisses handele. Nach der Kommentarliteratur seien auch Laboratoriumsuntersuchungen außerhalb der Abschnitte M III 13. und M IV. die im Rahmen einer Intensivbehandlung erforderlich sind und nicht im Krankenhaus selbst erbracht werden können, sondern als Auftragsleistung an externe Ärzte gegeben werden müssen, mit der Pauschale nach Nr. 437 GOÄ abgegolten. Eine Einzelabrechnung der Laborleistungen dem Patienten gegenüber sei nicht gerechtfertigt. Der externe Laborarzt müsse vielmehr seine Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach den Abschnitten M III 13 und M IV dem Krankenhaus gegenüber abrechnen. Werden Leistungen nach den Abschnitten M III 13 und M IV vom externen Laborarzt erbracht, könne er diese gegenüber dem Patienten berechnen. Sofern entsprechend des Vortrags der Antragsgegnerin insoweit tatsächlich eine Regelungslücke im Vertrag bestanden habe, hätte die Beigeladene diese nicht durch eine der Rechtsprechung des BGH zuwiderlaufende Formulierung schließen dürfen. Zumal § 8 des Vertrages nur deklaratorisch sei und keine Regelung enthalten habe, ob der interne Wahlarzt im Krankenhaus (bzw. nach den meisten Wahlleistungsvereinbarungen das Krankenhaus selbst) oder der externe Wahlarzt die GOÄ GOP 437 abrechnen dürfe.
Des Weiteren fehle es an der Vergleichbarkeit der Angebote. Die Leistung sei durch den Auftraggeber nicht hinreichend eindeutig und erschöpfend gemäß § 121 Abs. 1 GWB beschrieben worden. Der Auftraggeber sei insbesondere verpflichtet, die wesentlichen Kalkulationsgrundlagen so genau wie möglich zu ermitteln. Die Antragsgegnerin habe sich scheinbar vor Veröffentlichung der Ausschreibung keine abschließende Rechtsauffassung zur Abrechnung der GOÄ Nr. 437 gebildet, da sie diese immer wieder wechselte. Zunächst habe die Beigeladene gegen die Vorgaben der Vergabeunterlagen verstoßen und nach erneuter Prüfung der Angebote stelle die Antragsgegnerin fest, dass eine Regelungslücke vorliege. Zudem seien die Antragstellerin und die Beigeladene ausweislich der Angebote von unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten ausgegangen. Schließlich habe die Beigeladene bereits schon vor Abgabe ihres finalen Angebots ihr Verständnis der Abrechnungsregelung geäußert, so dass der Auftraggeber hätte reagieren und eine Konkretisierung der Regelung vornehmen müssen.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
die Antragsgegnerin bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zu verpflichten, Aufträge im Rahmen des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens vergaberechtskonform nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben,
- 2.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären,
- 3.
dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gemäß der §§ 182 Abs. 4 GWB, 80 VwVfG einschließlich der vorprozessualen Anwaltskosten aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,
- 2.
die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin der Antragstellerin aufzuerlegen,
- 3.
die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigen durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.
Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig.
Die Antragstellerin sei insbesondere schon nicht antragsbefugt. Selbst bei einer Zurückversetzung zur Aufforderung der Angebote habe das Angebot der Antragstellerin keine Zuschlagschancen, da sie wegen des nicht wertbaren Teilnahmeantrags nicht zur erneuten Angebotsabgabe aufgefordert werden dürfte. Auch hinsichtlich des Vorbringens der fehlerhaften Vorinformation fehle die Antragsbefugnis. Die Antragstellerin habe trotz fehlerhafter Vorinformation erfolgreich ihr Interesse bekundet. Das Verfahren sei sodann unter Einhaltung der einschlägigen Vorschriften ordnungsgemäß als EU-weites Verhandlungsverfahren durchgeführt worden. Der insoweit vermeintliche Publizitätsverstoß habe in keinster Weise die Zuschlagschancen der Antragstellerin verschlechtert, denn der Ausschluss der Antragstellerin beruhe nicht auf der vermeintlich fehlerhaften Bekanntmachung von Eignungskriterien.
Schließlich seien die Mängel der Vorinformation von der Antragstellerin spätestens mit Übersendung der Aufforderung zur Interessensbestätigung erkennbar und hätten spätestens mit Ablauf der Frist zur Interessensbestätigung gerügt werden müssen. Für die Erkennbarkeit sei auf den Maßstab eines durchschnittlich fachkundigen Bieters abzustellen. Der Verstoß sei nicht erst nach anwaltlicher Beratung zu erkennen gewesen.
Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet.
Die Antragsgegnerin habe in zulässiger Weise auf eine Auftragsbekanntmachung verzichtet. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin würden keine in der Vorinformation gemäß § 38 Abs. 4 Nr. 4 nach Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 geforderten Informationen fehlen. Das Standardformular sehe eine Wahlfreiheit vor. Eine höhere Informationspflicht regele die VgV nicht. Gemäß § 122 Abs. 4 S. 2 GWB seien die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Die Antragsgegnerin habe alle Eignungsanforderungen in der Aufforderung zur Interessensbestätigung bekannt gemacht. Es bleibe daher unklar, warum die Eignungskriterien fehlerhaft bzw. nicht wirksam aufgestellt worden seien. Außerdem lasse die Antragstellerin auch offen, welche erhebliche Informationsdefizite aufgrund der Vorinformation bestanden hätten, die durch die im Anschluss veröffentlichten Vergabeunterlagen nicht beseitigt werden konnten. Schließlich könne eine fehlerhafte Vorinformation auch nicht zur Unwirksamkeit der Zuschlagserteilung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB führen.
Im Weiteren sei die Interessensbestätigung der Antragstellerin unverschlüsselt über das Nachrichtenmodul eingereicht worden. Die angerufene Vergabekammer habe bereits entschieden, dass Teilnahmeanträge nicht unverschlüsselt über das Eingabefeld für die offene Bieterkommunikation eingereicht werden dürfen, da es an der notwendigen Verschlüsselung des Teilnahmeantrags gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2, 5 VgV fehle. § 10 Abs. 1 Nr. 2, 5 VgV beziehe sich gleichermaßen auch auf Interessenbestätigungen, so dass im vorliegenden Fall nichts anderes gelten könne. Alle anderen Bewerber haben die Interessentenbestätigungen im Übrigen verschlüsselt eingereicht. Am Ende sei auch unerheblich, dass in der Vorinformation für die Einreichung von Teilnahmeanträgen nur auf Name und Anschrift der Vergabestelle der Antragsgegnerin verwiesen wurde. Maßgeblich sei allein, was in Ziffer 13 der Aufforderung zur Interessensbestätigung vorgegeben wurde. Durch die Nutzung der Vergabeplattform habe sich die Antragsgegnerin zudem auf das erforderliche Schutzniveau festgelegt und damit eine Verschlüsselung vorgeschrieben.
Ferner habe die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin durch die Einreichung des alten Vertrags inklusive Kommentierungen aufgrund von Abweichungen von den Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zwingend von der Wertung ausschließen müssen. Gemäß § 17 Abs. 10 VgV dürfe über das finale Angebot nicht mehr verhandelt werden. Eine Bitte der Antragsgegnerin um Übersendung der kommentierten Vorversion des Vertrags mit dem finalen Angebot sei nie erfolgt. Der alte Vertrag sowie die Kommentierungen der Antragstellerin würden Abweichungen vom vorgegeben Vertrag enthalten. Die Antragstellerin habe mit der Abgabe zum Ausdruck gebracht, dass nur dieser Vertrag Grundlage ihres Angebots sein solle. Dabei sei unerheblich, dass die Einreichung des finalen Vertrags mit Angebotsabgabe nicht gefordert wurde.
Letztlich komme ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen wegen des Hinweises auf die Abrechnung nach GOÄ Nr. 437 nicht in Betracht. Die angesprochene höchstrichterliche Rechtsprechung stelle fest, dass Ziffer 437 GOÄ auch vom Laborarzt abgerechnet werden könne; es sei lediglich unzulässig, wenn mehrere tätig gewordenen Ärzte die Gebühr mehrfach oder einzelne von ihnen ihre Leistungen einzeln abrechnen dürfen. Krankenhaus und Labor müssten sich daher einigen, wer abrechnen dürfe. Auf diesen Umstand habe die Beigeladene ordnungsgemäß in Vorbereitung des zweiten Bietergesprächs hingewiesen. Die Antragsgegnerin sei darauf zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht eingegangen, da sie annahm, dass nur die Kliniken abrechnen dürften. Daher habe die Beigeladene den Hinweis auf ihr Liquidationsrecht nach Nr. 437 GOÄ für den Fall, dass Laborleistungen sowohl vom behandelnden Arzt als auch vom Labor erbracht werden, klarstellend in ihr Angebot aufgenommen. § 8 des Vertrags erwähne zwar nicht explizit diesen Fall, was nicht dazu führe, dass die Angebote nicht vergleichbar seien, da jedenfalls das Liquidationsrecht dem Anbieter zustehen solle. Dass die Nr. 437 nicht gesondert erwähnt wurde, sei unschädlich, da im Rahmen einer Intensivbehandlung gemäß GOA-GOP Nr. 435 eine gesonderte Abrechnung der Leistungen nach Abschnitt M mit Ausnahme der Leistungen nach M III 13 und M IV im Rahmen der Pauschale GOA GOP Nr. 437 ohnehin nicht zulässig sei. Zudem führe ein Abweichen von den Vergabeunterlagen ohnehin nicht zum Ausschluss des Angebots, wenn ein Bieter von den Vergabeunterlagen abweiche, weil diese auch nach Rückfrage unklar bleiben. Hinsichtlich der Entnahmematerialien sei ebenfalls kein Ausschlussgrund gegeben, da das Angebot der Beigeladenen lediglich die Regelung des Vertrags verkürzt wiedergebe, so dass schon keine Änderung der Vergabeunterlagen vorliegen könne.
Die Beigeladene beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen und die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet.
Das Angebot der Antragstellerin weiche durch die Einreichung des kommentierten Vertrags, der gemäß § 1 Abs. 1 als Anlage des Angebots auch Vertragsbestandteil werden würde, inhaltlich von den Vorgaben des finalen, nicht mehr verhandelbaren Vertrags der Antragsgegnerin ab, sei damit nicht zuschlagsfähig und gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen.
Ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen komme hingegen nicht in Betracht, da diese den finalen Vertrag mit Angebotsabgabe eingereicht und damit ausdrücklich zum Inhalt ihres Angebots gemacht habe. Durch den Zuschlag werde der Vertrag in unveränderter Form zwischen den Parteien geschlossen, weshalb ein Ausschluss wegen etwaiger Änderungen an den Vergabeunterlagen schon nicht möglich sei.
Im Übrigen ergebe sich eine vermeintliche Änderung der Vergabeunterlagen auch nicht aus der Abrechnung nach Nr. 437 GOÄ, zumal die Antragstellerin den Inhalt des Vertrages verkenne. Mit Zuschlagserteilung verfüge die Antragsgegnerin über kein eigenständiges Labor mehr. Deshalb regele § 3 Abs. 15 des Vertrags, dass der Anbieter ein uneingeschränktes Liquiditätsrecht gegenüber Wahlarztpatienten und Selbstzahlern ausübe und die Klinik bzw. die Ärzte der Klinik gegebenenfalls bestehende Liquidationsrechte für Laborleistungen, die im Präsenzlabor erbracht werden, an den Anbieter abtrete. Es handele sich um eine umfassende Abtretung sämtlicher Liquidationsrechte auf den Anbieter, weshalb § 8 den Anbieter in dem dort genannten Umfang ebenfalls zur Abrechnung gegenüber dem Patienten im eigenen Namen legitimiere. Bei Nr. 437 GOÄ handele es sich um eine Komplexgebühr, die u.a. verschiedene Laborleistungen der Abschnitte M I bis M IV zu einer einheitlichen Abrechnungsziffer zusammenfasse. Da die Antragsgegnerin mit Vertragsschluss über kein eigenes Labor mehr verfüge, könne ohnehin nur der Zuschlagsempfänger diese Gebühr abrechnen, weshalb die Ausführungen der Beigeladenen in ihrem Angebot lediglich klarstellenden Charakter haben. Schließlich verstoße die Regelung in § 8 Abs. 1 des Vertrages auch nicht gegen höchstrichterliche Rechtsprechung, da sie sich nur auf das Liquidationsrecht zwischen Krankenhaus und Laborbetreiber beziehe und nicht auf die Abrechnungsmöglichkeit des Laborbetreibers gegenüber dem Patienten.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 09.07.2020 und die Vergabeakten Bezug genommen.
II.
Der überwiegend zulässige Nachprüfungsantrag ist begründet. Die Antragsgegnerin hat die Leistungsbeschreibung nicht im Sinne des § 121 Abs. 1 GWB eindeutig und erschöpfend beschrieben. Wenn die Antragsgegnerin ihre Auffassung zum Inhalt des maßgeblichen Vertrags mehrfach ändert, ohne dies gegenüber den Bietern klarstellend zu kommunizieren, kann die Vergabekammer nicht feststellen, dass die Leistungsbeschreibung eindeutig und erschöpfend gewesen sei (vgl. nachfolgend 2.a). Die Antragsgegnerin hat darüber hinaus gegen den Transparenzgrundsatz aus § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie in einem ohnehin komplexen Verfahren mit einer Vorinformation als Bekanntmachung einen für dieses Verfahren unzutreffenden Vergabeleitfaden bereitstellte (vgl. nachfolgend 2b). Des Weiteren hätte sie alle Bieterinformationen den im Wettbewerb verbliebenen Interessenten mitteilen müssen, auch wenn es sich dabei um vergaberechtliches Basiswissen handelt. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die gestellte Frage bereits eindeutig und klar in den Vergabeunterlagen beantwortet ist (vgl. nachfolgend 2 c). Die Mängel im Vergabeverfahren sind insgesamt nicht so schwer, dass eine Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Vorinformation erforderlich ist. Die Vergabekammer darf ihre Entscheidung im Rahmen der Amtsermittlung grundsätzlich nicht auf ungerügte, die Rechte der Antragstellerin nicht beeinträchtigende Fehler stützen (vgl. nachfolgend 3).
1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig.
a. Die Antragsgegnerin ist öffentliche Auftraggeberin i. S. des § 99 Nr. 2 GWB. Sie ist eine gGmbH im Eigentum einer Gebietskörperschaft.
Nach § 99 Nr. 2 GWB sind auch andere juristische Personen u.a. privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, öffentliche Auftraggeber, wenn Stellen, die unter § 99 Nr. 1 GWB fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe bestimmen.
Die Antragsgegnerin ist als gGmbH zu dem besonderen Zweck gegründet worden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen. Das Allgemeininteresse ergibt sich aus § 1 KHG. Gemäß § 9 KHG fördern die Länder dort genannte Investitionskosten. Somit handelt es sich bei dem Betrieb eines zu errichtenden Krankenhauses auch in der Form eines privatrechtlichen Unternehmens nicht um eine auf Gewinnerzielung gerichtete gewerbliche Tätigkeit, sondern um eine im Wesentlichen mit öffentlichen Mitteln geförderte und ermöglichte Aufgabe zur Versorgung der Bevölkerung gemäß § 1 KHG.
Die Vergabekammer nimmt an, dass der Landkreis die Antragsgegnerin aufgrund seiner Gesellschafterstellung voll haftend und daher überwiegend finanziert. Daraus folgen Aufsichtsfunktionen gemäß § 99 Nr. 2 b, c GWB.
b. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Der 4. Teil des GWB gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind.
Es gilt der zum Zeitpunkt der die Bekanntmachung ersetzenden Vorinformation gültige Schwellenwert. Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB gilt gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU und der delegierten VO (EU) 2019/1828 der Kommission vom 30.10.2019 für alle im Jahr 2020 begonnenen Verfahren für Dienst- und Lieferaufträge ein Schwellenwert von 214.000 €.
Für den vorliegenden Dienstleistungsauftrag gilt daher dieser Schwellenwert, der nach den geschätzten Kosten sowie den konkret angebotenen Angebotspreisen in der vorgesehenen Laufzeit von 60 Monaten deutlich überschritten wird.
c. Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat ein Interesse am Auftrag und erhebt die unter I. dargestellten Beanstandungen. Auf der Ebene der Zulässigkeitsprüfung geht es nur darum, ob der Nachprüfungsantrag der Vergabekammer ermöglicht, einen konkreten Sachverhalt aus der Vergabeentscheidung auf einen möglichen Vergabeverstoß prüfen zu können. Es genügt daher für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können.
Die Antragsbefugnis entfällt nicht, weil die Antragstellerin ihre Interessensbestätigung, die dem Teilnahmeantrag entspricht, entgegen den Vorgaben der Vorinformation und der Aufforderung zur Interessensbestätigung unverschlüsselt, weil über das falsche Kontaktmodul eingereicht hat. Die Schaltflächen "Nachrichten" und "Teilnahmeantrag hochladen" waren ausreichend unterscheidbar, wenngleich der für dieses Verfahren nicht zutreffende Begriff verwendet wurde. In der von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidung der VK Niedersachsen (Beschluss vom 11.12.2018, VgK-50/2018) war der Antrag nicht unzulässig, sondern unbegründet. Die Befugnis, im Sinne einer zweiten Chance auf ein Angebot, den Ausschluss anderer Angebote geltend zu machen, entfällt nur für den Bieter, der einen unzulässigen Nachprüfungsantrag erhebt (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 27.01.2009, VgK-51/2008), nicht aber bei einem Antrag, der sich möglicherweise als unbegründet erweist. Das umfasst auch eine mögliche Abweisung aus formalen Gründen.
Verstöße gegen bieterschützende Verfahrensvorschriften sind für die Schadensdarlegung geeignet im Sinne des § 97 Abs. 6 GWB. Nach dieser Vorschrift haben Unternehmen einen Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.
Ob der Antragstellerin durch die Wertung tatsächlich ein Schaden zugefügt worden ist, bleibt grundsätzlich der Prüfung der Begründetheit vorbehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS).
d. Das Vorbringen der Antragstellerin ist auch nicht in Gänze präkludiert. Die Antragstellerin hat die Rügefrist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB eingehalten. Danach ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller einen geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichung des Nachprüfungsantrags erkannt und nicht gegenüber dem Auftraggeber innerhalb einer Frist von 10 Kalendertagen gerügt hat. Die Antragstellerin erhob ihre gegen die Wertung gerichtete Rüge vom 04.06.2020 binnen 10 Tagen nach Erhalt der Bieterinformation nach § 134 GWB, hielt somit die 10-Tages-Frist ein.
Allerdings beschränkt sich die Rüge nicht nur auf den Inhalt der Wertung, sondern richtet sich auch gegen den Inhalt der Leistungsbeschreibung. Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit er sich auf Verstöße gegen Vergabevorschriften stützt, die aufgrund der Bekanntmachung bzw. der Vergabeunterlagen erkennbar sind, aber nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt worden sind (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 27.02.2020 - 13 Verg 5/19). Die Antragsgegnerin habe es versäumt die Grundlagen der Preiskalkulation zu konkretisieren. Dadurch sei es der Beigeladenen möglich gewesen, die Abrechnungsmodalitäten zu verändern. Dies bezieht die Antragstellerin auf die Möglichkeit, Wahlleistungen bei Privatpatienten selbst abrechnen zu können. Außerdem sei die Verfahrensführung intransparent und vergaberechtswidrig gewesen. Diese Mängel hat sie nicht bis zur Angebotsabgabe gerügt.
Es kommt insoweit auf die objektive Erkennbarkeit an, nicht auf die tatsächliche Erkenntnis beim Antragsteller. Eine berufsspezifische Differenzierung oder eine Differenzierung nach dem individuellen Kenntnisstand des jeweiligen Bieters lehnt die Rechtsprechung ab (OLG Celle, Beschluss vom 12.04.2016 - 13 Verg 1/16; OLG Celle, Beschluss vom 07.02.2013, 13 Verg 8/13; differenzierend VK Niedersachsen, Beschluss vom 07.02.2013 VgK-51/2013). Das OLG Celle hat in der Entscheidung von 2016 darauf hingewiesen, dass in Rechtsprechung und Literatur umstritten sei, ob der Vergaberechtsverstoß für einen Durchschnittsanbieter (vgl. BayObLG, Beschluss vom 23.11.2000 - Verg 12/00; OLG Stuttgart, NZBau 2001, 462, 463) oder für den konkreten Antragsteller (OLG Düsseldorf, VergabeR 2007, 200, 203 f.; KG, BauR 2000, 1620, 1621 f.; OLG Frankfurt, ZfBR 2009, 86, 89; Wiese in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 160, Rn. 168) erkennbar sein müsse.
Die Antragstellerin beruft sich darauf, die Mängel seien für sie nicht erkennbar gewesen. Das trifft für die erst nach der Vorinformation erkennbaren Teile der angeblich intransparenten Verfahrensführung insbesondere die nicht allen Bietern zugänglich gemachte Antwort vom 06.05.2020 auf eine Bieterfrage zu. Dieser Vortrag ist daher nicht präkludiert.
Hinsichtlich der zulässigen Abrechnungsmodi handelt es sich um eine Weiterentwicklung einer 13 Jahre alten Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 10.05.2007, IM ZR 291/06, Rn. 26). Der BGH hat bei Privatversicherten, die im Krankenhaus Wahlleistungen gebucht haben, ausnahmsweise die Abrechnung durch den extern beauftragten Laborarzt in einer nach § 6a GOÄ geminderten Höhe zugelassen, soweit das originär zuständige Zentrallabor des Krankenhauses keinen liquidationsberechtigten Arzt hat und es sich um Leistungen nach den Abschnitten M III 13 und M IV handelt.
Die Antragsgegnerin trägt vor, aus der am xxxxxx.2020 übermittelten Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe seien die Vorgaben zur Preisgestaltung einschließlich der Befugnis zur eigenen Abrechnung objektiv erkennbar gewesen. Daher habe eine darauf bezogene Rüge bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist am xxxxxx.2020 erfolgen müssen. Die Vergabekammer geht ebenfalls davon aus, dass die Antragstellerin die unklaren Befugnisse zur Abrechnung nach Ziffer 437 GOÄ bis zur Angebotsabgabe hätte rügen können. Die Antragstellerin hat in ihrem Angebotsschreiben vom xxxxxx.2020 auf Blatt 24, 25 klarstellende Erläuterungen zur Abrechnungsbefugnis bei POCT-Leistungen (Liquidation durch das Krankenhaus) zum Konzessionsanteil der Leistungen (nur Leistungen, die für das Angebot an das Krankenhaus relevant sind) sowie zur Abrechnung der Leistungen nach den Bereichen M II und M III abgebeben. Die Antragstellerin ist ein bundesweit agierendes Unternehmen für Labormedizin mit eigenen Ärzten. Sie dürfte aufgrund ihrer Erfahrung die Optionen der Abrechnung ärztlicher Gebühren genau kennen. Somit hat sie das Problem der nicht eindeutigen Leistungsbeschreibung zumindest in Grundzügen vor Angebotsabgabe erkannt, hätte notfalls unmittelbar vor Angebotsabgabe noch eine Rüge erheben können. Daher ist ihr Antrag insoweit gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert.
Die Antragsgegnerin kann auf der Ebene der Zulässigkeit nicht mit dem Argument gehört werden, das finale Angebot der Antragstellerin sei auszuschließen, weil sie die vorherige Interessensbestätigung unverschlüsselt eingereicht habe. Auf der Ebene der Zulässigkeit ist nur zu prüfen, ob das Nachschieben dieses die neue Entscheidung prägenden Grundes hier zulässig ist. Nach der Rechtsprechung darf der Auftraggeber Gründe nachschieben, wenn dadurch die Rechtsstellung des Antragstellers im Vergabeverfahren, insbesondere seine Chance auf einen Zuschlag, wie hier, nicht ursächlich beeinträchtigt wird (OLG Celle, Beschluss vom 19.12.2016 -13 Verg 7/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2016 - Verg 47/15, NZBau 2016, 656; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.07.2015 - 15 Verg 3/15). Der Auftraggeber darf seine Entscheidung aber nicht mit nachgeschobenen Gründen ändern, weil er dann die gebotene Aufhebung umgeht. Er kann aber die Zahl der Gründe für seine Entscheidung nachträglich erweitern, eine sachgerechte objektive Abwägung vorausgesetzt (OLG München, Beschluss vom 09.03.2018, Verg 10/17). Hier ist die nachgeschobene Erwägung zum Ausschluss angesichts des zwischenzeitlich erwogenen Zuschlags an die Antragstellerin eine Änderung, daher eine nachträgliche Beeinträchtigung der Rechte der Antragstellerin, daher unzulässig.
Die Vergabekammer muss daher nicht entscheiden, ob die Auffassung des OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.03.2017 - 15 Verg 2/17) oder die des OLG Frankfurt (Beschluss vom 18.02.2020, 11 Verg 7/19) zu den formellen Anforderungen eines elektronischen Angebots als Vergabedokument vorzugswürdig ist, oder ob die von der VK Niedersachsen für einen Teilnahmeantrag entschiedene Auslegung inhaltlich überzeugt (vgl, VK Niedersachsen, Beschluss vom 11.12.2018, VgK-50/2018).
2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, erweist er sich als begründet.
a. Die Antragsgegnerin hat gegen § 121 Abs. 1 GWB verstoßen, weil sie die finale Leistungsbeschreibung in § 3 Abs. 15 und § 8 Abs. 1 des Vertrags zu den Abrechnungsmöglichkeiten bei Wahlleistungspatienten nicht so eindeutig und erschöpfend wie möglich und erforderlich abfasste. In der Leistungsbeschreibung ist der Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, so dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. Gleiches regelt § 31 Abs. 2 Nr. 1 VgV.
Ziffer 437 GOÄ lautet: Laboratoriumsuntersuchungen im Rahmen einer Intensivbehandlung nach Nr. 435, bis zu 24 Stunden Dauer. Neben der Leistung nach Nr. 437 sind Leistungen nach Abschnitt M mit Ausnahme von Leistungen nach den Abschnitten M III 13 (Blutgruppenmerkmale, HLA-System) und M IV (Untersuchungen zum Nachweis und zur Charakterisierung von Krankheitserregern) nicht berechnungsfähig.
Das bedeutet, dass nur die Leistungen M II113 (eine von 22 Ziffern in M III) und M IV mit 18 Abrechnungstatbeständen in 5 Ziffern gesondert abrechenbar sein sollen. Hierbei handele es sich um besonders kostenträchtige Untersuchungen. Alles andere ist in den Pauschalvergütungen von GOÄ 435 und GOÄ 437 enthalten.
Zu den Leistungen nach GOÄ 437 gehören auch die "Point-of-care-Testing"-Leistungen. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung handelt es sich dabei um Blutgasanalysen (BGA), die das Personal der Intensivstation durchführt. Sie sind nach den übereinstimmenden Feststellungen der Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht Leistungsgegenstand des ausgeschriebenen Vertrags und ausschließlich vom Krankenhaus abzurechnen. Die Vergabekammer folgt trotz Bedenken der Darstellung der Verfahrensbeteiligten, dass sich dies für fachkundige Bieter hinreichend deutlich aus dem Hinweis, die Gestellung von POCT/BGA-Geräten sei nicht Gegenstand des Vertrags aus den "Zielen und Vorgaben" der Leistungsbeschreibung und § 2 des Vertrags, ergebe.
Die relevante rechtliche Frage ist, wer nach dem aus der Empfängersicht objektiv erkennbaren Vertragsinhalt bei Wahlpatienten die GOÄ 437 abrechnen darf. Die Antragsgegnerin hat im Nachprüfungsverfahren mitgeteilt, es ergebe sich eine dreigliedrige Struktur:
- Wenn nur POCT-Leistungen enthalten sind, rechnet nur das Krankenhaus ab.
- Wenn sowohl POCT-Leistungen als auch Leistungen des externen Labors enthalten sind und das Krankenhaus abrechnet, darf das Labor die 437-Pauschale nicht noch einmal abrechnen. In welchen Fällen das Krankenhaus primär abrechnet, bleibt unklar.
- Wenn nur das Labor Leistungen erbringt, steht dem Labor die GOÄ 437 zu.
Die Beigeladene, die den Zuschlag erhalten soll, hat dagegen deutlich allgemeiner ausgeführt, ihr stünde die Gebühr 437 zu, da die Antragsgegnerin kein Labor mehr unterhalten werde. Aus § 3 Abs. 15 und § 8 Abs. 1 des Vertrags folge ein umfassendes Liquidationsrecht bei Wahlleistungspatienten.
Die Antragstellerin bestätigt, dass bei POCT-Leistungen dem Krankenhaus die GOÄ 437 zustehe.
Was nach Krankenhausvergütungsgesetz oder sonstigem Medizinrecht zulässig ist, hat die Vergabekammer nicht zu entscheiden. Relevant für die Entscheidung der Vergabekammer ist lediglich, dass die Vergabeunterlagen von den Bietern mit den wirtschaftlichsten Angeboten grundlegend unterschiedlich interpretiert wurden, und sich verschiedene Interpretationen aus dem Vertragstext entnehmen lassen. Die obige Darstellung der Antragsgegnerin erscheint im Kern vernünftig, lässt sich aber in ihren Einschränkungen so weder auf den Wortlaut des § 3 Abs. 15 des Vertrags, noch auf § 8 des Vertrags stützen und hat eine Unklarheit. Die Beigeladene hat ihre Auffassung frühzeitig offengelegt, so mit ihrem Hinweis auf Blatt 3 des Schreibens vom 15.04.2020 auf das Liquidationsrecht nach GOÄ-GOP 437. Es war daher schon vor Aufforderung zur Abgabe der finalen Angebote Klärungsbedarf erkennbar. Die Möglichkeit, dieses Thema in den Bietergesprächen nach der zweiten Angebotsabgabe anzusprechen, verstrich zumindest ohne gegenüber allen Bietern transparent - in Form einer Bieterinformation - kommuniziert zu werden, also im Ergebnis trotz einer Einigkeit mit der Beigeladenen ungenutzt.
Die Antragsgegnerin hat keine Klärung herbeigeführt. Wenn sie im Bietergespräch mit der Beigeladenen Einigkeit erzielt haben sollte, war ihr dies zu Beginn der Wertung der finalen Angebote nicht mehr präsent. Sie vertrat nach Eingang der finalen Angebote zuerst die Auffassung, die GOÄ-GOP 437 sei in § 8 des Vertrags nicht genannt, daher bei der Kalkulation nicht zu berücksichtigen und schloss das Angebot der Beigeladenen aus.
Danach änderte sie ihre Meinung zum Inhalt des von ihr verfassten Vertrags erneut, vertritt aber nun die Auffassung, die geänderte Interpretation sei eindeutig. Nicht überzeugend ist die Auffassung, Krankenhaus und Labor müssten sich nach Auftragsvergabe einigen, wer abrechnen dürfe. Es ist die zentrale Aufgabe des Auftraggebers, vor Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe den Leistungsumfang festzulegen.
Wenn die Antragsgegnerin die Bewertung ihrer Vergabeunterlagen mindestens nachträglich einmal, möglicherweise mehrfach ändert, kann die Vergabekammer nicht mehr feststellen, die Leistungsbeschreibung sei eindeutig und erschöpfend. Wenn so etwas passiert, ist die Zurückversetzung des Verfahrens mit erneuter Möglichkeit zur Abgabe vollständiger Angebote auf Basis überarbeiteter Vergabeunterlagen die erforderliche Reaktion (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 10.07.2019, VgK-22/2019). Die Inhalte der Angebote differieren aufgrund des abweichenden Verständnisses so sehr, dass die Angebote nicht mehr miteinander vergleichbar sind.
Nach § 3 Abs. 15 des Vertrags sollen alle im Labor erbrachten Leistungen bei Wahlleistungspatienten vom Anbieter liquidiert werden. Die Konstellation, dass sowohl Leistungen des Krankenhauses, die auch die Blutgasuntersuchungen umfassen, als auch Leistungen des externen Labors erbracht werden, wird nicht dargestellt. Nach § 8 Abs. 1 des Vertrags soll der Dienstleister die Laborleistungen M II (8 Abrechnungstatbestände), M IM (22 Abrechnungstatbestände) und M IV des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ im eigenen Namen gegenüber den Wahlleistungspatienten abrechnen. Ein Bezug zur GOÄ 437 fehlt. Die von der Antragsgegnerin nun vertretene obige Staffelung erscheint gut nachvollziehbar, hätte in den Vergabeunterlagen, idealerweise im Vertrag aber deutlich geregelt werden müssen. Neben der Regelung im Wortlaut des Vertrags gibt es bieterfreundliche Instrumente wie die Erläuterung des Abrechnungsverfahrens anhand von Fallbeispielen.
b. Die Antragsgegnerin hat das Verfahren intransparent im Sinne des § 97 Abs. 1 GWB geführt, als sie mit der versandten Aufforderung zur Interessensbestätigung eine auf ein anderes Verfahren bezogene Anleitung anbot. Die Antragstellerin hält den nur fragmentarisch erfolgten Versand der Informationen zum Verfahrensablauf für intransparent. Die Antragsgegnerin eröffnete im Interessensbekundungsverfahren einen Zugang zu einem Portal. Darin befand sich unter der Rubrik "Hilfe/FAQ" als erstes Stichwort der Punkt "Angebotsabgabe/Abgabe von Teilnahmeanträgen". Dort war im Unterpunkt "Teilnahmeantrag einreichen" auch ein Leitfaden zum Hochladen von Teilnahmeanträgen hinterlegt (Anlage AG 2). Dieser nannte also andere Begriffe bei ähnlichem Ablauf. Das ist eine überflüssige Erschwernis und daher intransparent. Die Bieterfrage aus der Interessensbekundungsphase belegt, dass die begriffliche Verwirrung (Angebotsabgabe Preisblatt sei identisch mit Interessensbestätigung) die Abgabe der Interessensbestätigung erschwert hat.
Der Transparenzgrundsatz aus § 97 Abs. 1 GWB erfordert es, dass der Auftraggeber die Vergabeunterlagen einfach hält. Er soll die Bieter nicht durch falsche Begriffe verwirren.
Die Antragsgegnerin hat die eigentlich einfache Aufgabe der Bekanntmachung der Vergabe in eine eher komplizierte Form gekleidet. Sie ist in der Summe der verwendeten Komplikationen geeignet, den Wettbewerb erheblich einzuschränken. Daneben tritt ein vergaberechtlicher Fehler, nämlich der verwendete Leitfaden.
Das Instrument der Vorinformation hat nicht per se die Funktion, eine Auftragsbekanntmachung zu ersetzen. Soweit sie die Bekanntmachung nur vorbereitet, kann der Auftraggeber damit die Angebotsfristen verkürzen. Die Vorinformation als Bekanntmachung verkürzt nicht die Angebotsfristen. Die Regelung zur Vorinformation als Surrogat der Auftragsbekanntmachung in § 38 Abs. 4 VgV übernimmt Inhalte des internationalen Government Procurement Agreement (GPA), das ursprünglich von 1979 stammt, in das europäische Vergaberecht (Rechten in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 38, Rn. 29). Die Regelung ist im internationalen Vergleich sicherlich ein Beitrag zum Wettbewerb und zur Transparenz, bleibt aber hinsichtlich ihrer Transparenz hinter den Optionen des GWB zurück.
Es gab daher bisher kaum Fälle, in denen Nachprüfungsinstanzen über Vergaben unter Verwendung der Vorinformation anstelle der Bekanntmachung entscheiden mussten. Die Darstellung von Rechten (Rechten in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 38, Rn. 29 ff.) umfasst 6 Seiten und enthält nur eine Entscheidung als Fundstelle. Schubert, Schwabe und Krohn (Schubert in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht Kompaktkommentar, § 38 VgV, Rn. 12-21; Schwabe in: Müller-Wrede, VgV/UVgO Kommentar, § 38, Rn. 51 - 73; Krohn in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, § 38 VgV, Rn. 45-61) haben jeweils keine Fundstelle mit Anwendung der Vorinformation statt Bekanntmachung benannt. Ungeachtet dessen finden sich aber in den TED-Bekanntmachungen des Jahres 2020 durchaus Vergaben mit einer Vorinformation statt einer Bekanntmachung. Möglicherweise handelt es sich also um eine Gestaltung der Vergabeverfahren, welche die vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen noch nicht erreicht hat.
Die Antragsgegnerin ersetzte die Auftragsbekanntmachung nach § 37, § 40 Abs. 1 VgV durch die Vorinformation nach § 38 Abs. 4 VgV. An die Stelle der Auftragsbekanntmachung und des Teilnahmeantrags nach § 17 VgV treten daher zunächst die Vorinformation und die Interessensbekundung des Teilnahmeinteressierten nach § 38 Abs. 4 Nr. 3 VgV. Der Teilnahmeinteressierte reagiert auf die Vorinformation mit einer Interessensbekundung und erhält eine Aufforderung des Auftraggebers zur Interessenbestätigung nach § 38 Abs. 5 VgV. Diese Aufforderung zur Interessensbestätigung muss der potentielle Anbieter wiederum mit der sogenannten Interessensbestätigung beantworten, welche im nunmehr zweiten Schreiben des Bieters inhaltlich dem Teilnahmeantrag nach Auftragsbekanntmachung entspricht.
Das ist ein ungewöhnlich zeremonieller aber zulässiger Ablauf. Zusätzlich verwirrte die Antragsgegnerin jedoch mit einem begrifflich nicht passenden Leitfaden. Hier haben vier ursprünglich interessierte Unternehmen den Schritt der Interessensbestätigung nicht mehr vollzogen. Die Vergabekammer kann nicht beurteilen, ob es eine Kausalität zum gewählten Verfahren gibt. Eine wettbewerbsmindernde und damit für den Auftraggeber potentiell kostenerhöhende Ausgestaltung des Vergabeverfahrens erscheint aber in einer Marktsituation, in der sich Auftraggeber um Anbieter bemühen müssen, konkret möglich.
Es wäre der Antragsgegnerin durchaus zumutbar gewesen, bei Verwendung eines ungewöhnlichen oder neuerdings im Vordringen befindlichen Verfahrens die vorhandenen Leitfäden daher auf die einschlägigen Begriffe umzuschreiben, oder die Wahl des Verfahrens zu überdenken. Hier hat sich das nicht unmittelbar zulasten der Antragstellerin ausgewirkt.
c. Die Antragsgegnerin hat gegen den Transparenzgrundsatz aus § 97 Abs. 1 GWB und den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 97 Abs. 2 GWB verstoßen. Danach werden öffentliche Aufträge im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln. Die Antragsgegnerin hat die Antworten auf etliche Bieterfragen zutreffend allen Bietern zur Verfügung gestellt.
Jedoch hat sie in der finalen Angebotsphase eine wichtige Frage nur der Beigeladenen gegenüber beantwortet. Die Beigeladene hat in der Erstellungsphase des finalen Angebots in einer Bieterfrage angekündigt, den finalen Vertrag wegen benannter Verständnis- und Regelungslücken kommentieren zu wollen und am 06.05.2020 eine den anderen Bietern nicht zugänglich gemachte Bieterantwort erhalten. Diese lautet u.a. "eine Berücksichtigung einer Kommentierung des finalen Vertragstextes inklusive einer etwaigen Gültigkeit für eine eventuelle Bezuschlagung ist aus vergaberechtliches Sicht leider nicht mehr möglich".
Die Beigeladene hat den Vertragsentwurf nicht mehr kommentiert. Die unterlassene Weiterleitung der Bieterantwort ist intransparent, obwohl es sich um vergaberechtliches Basiswissen handelt, auf das auch § 17 Abs. 10 VgV verweist (verhandelt...mit Ausnahme der finalen Angebote). Der Hinweis der Antragsgegnerin in Ziffer 4 des Anhangs zur finalen Angebotsaufforderung "Die Anbieter sind aufgefordert ihr Angebot auf Basis des beigefügten Vertrags [final (xxxxxx.2020)] zu erstellen" wurde von mehreren Bietern nicht als verbindliches Abweichungsverbot verstanden. Das Vorgehen ist daher intransparent und daher als Verstoß gegen § 97 Abs. 2 GWB vergaberechtswidrig (VK Bund, Beschluss vom 28.01.2017 - VK 2-129/16). Die VK Bund hat zwar auch darauf verwiesen, dass die Vergabeunterlagen insgesamt zu berücksichtigen sind, kein Bieter also verlangen darf, dass ihm der Inhalt der Vergabeunterlagen wiederholt wird. Sie hat in dem von ihr zu entscheidenden Fall allerdings die unterlassene Weiterleitung von Bieterinformationen ausreichen lassen, um das Verfahren partiell in das Stadium vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen. Hier haben zumindest zwei Bieter den Hinweis aus den Vergabeunterlagen, das Angebot sei "auf Basis" des Vertrags zu erstellen, nicht als Abweichungsverbot verstanden.
d. Die Antragsgegnerin hat nicht gegen § 122 Abs. 4 S. 2 GWB verstoßen. Nach § 122 Abs. 4 S. 2 GWB sind Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Dagegen gibt es für auftragsbezogene Ausschlusskriterien keine gesetzliche Vorgabe, sie in der nur für Eignungskriterien gebotenen Form in der Aufforderung zur Interessensbestätigung abschließend zu benennen. Bekanntmachung und Vorinformation sollen möglichst vielen potentiellen Anbietern einen kurzen und vollständigen Überblick über den zu vergebenden Auftrag verschaffen. Die potentiellen Anbieter sollen aufgrund der darin vorhandenen Angaben früh, schnell und sachgerecht entscheiden können, ob die Abforderung der Vergabeunterlagen und deren zeitaufwendiges Durcharbeiten lohnen, oder ob der Auftrag für sie wegen bestimmter Ausschlusskriterien uninteressant ist, Ein typisches Anwendungsbeispiel für solche Ausschlusskriterien sind unternehmensbezogene Eignungskriterien. § 122 Abs. 4 S. 2 GWB verpflichtet daher den Auftraggeber, sie vollständig und ausschließlich in der Bekanntmachung, der Vorinformation oder spätestens in der Aufforderung zur Interessensbestätigung darzustellen. Allerdings werden hier nur bieterbezogene Eignungskriterien genannt, nicht die weiteren auftragsbezogenen Ausschlusskriterien.
Die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 führt die europaweit zu verwendenden Standardformulare ein, darunter in Art. 1 gemäß Anhang I das Formular für die Vorinformation. Die Formulare sind einheitlich aufgebaut, damit sich Bieter leicht zurechtfinden. Jeder sachkundige Bieter weiß schon vor Öffnung des jeweiligen Dokumentes, sei es Auftragsbekanntmachung oder Vorinformation, dass er die Eignungskriterien unter Abschnitt III 1.1-3 findet.
Die Antragsgegnerin benannte in dem verwendeten Formular unter Abschnitt II11) keine Eignungskriterien. Das ist zulässig. Sie wollte später Eignungskriterien einführen. Damit verstieß sie gegen § 38 Abs. 4 Nr. 4 VgV, wonach bereits die Vorinformation alle nach Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 geforderten Informationen enthält, also enthalten muss. Allerdings widersprechen sich hier § 38 Abs. 4 Nr. 4 VgV und § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB, inhaltlich. Während § 38 VgV inhaltlich höhere Anforderungen setzt (Eignungskriterien nur in Bekanntmachung oder Vorinformation), erlaubt § 122 GWB die Benennung auch noch in der Aufforderung zur Interessensbestätigung. Im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des Vergaberechts 2016 hat der Gesetzgeber immer wieder hervorgehoben, dass er nur die europarechtlichen Regelungen im Verhältnis 1 zu 1 in das deutsche Recht übertrage. Eine darüber hinausgehende Regelung war zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt. Schwabe (Schwabe in: Müller-Wrede, VGV/UVgO Kommentar, § 38, Rn. 68 f.) geht daher wohl zu Recht von einem Umsetzungsfehler in der VgV aus (a.A. Krohn in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, § 38 VgV, Rn. 51), so dass die Benennung von Eignungskriterien in der Aufforderung zur Interessensbestätigung zulässig ist.
Die herunterzuladende "Aufforderung zur Interessensbestätigung" war eine PDF-Datei. Ein Abschnitt dieser Datei wurde als Anhang bezeichnet. Der Anhang enthielt unter Ziffer 11 ein Kapitel "Anforderungen, die von den Bietern erfüllt werden müssen". Abgefordert wurden somit bieterbezogene Informationen, also Eignungsanforderungen. Hinsichtlich der zwei Referenzprojekte verwies Ziffer 11 auf eine Anlage 1, hinsichtlich der geforderten Eigenerklärungen zum Nicht-Vorliegen von Ausschlussgründen auf eine Anlage 2. Beide Anlagen waren getrennte Dateien im Format "Word". Auch die Word-Dateien konnte man herunterladen. Die Staffelung der Aufforderung zur Interessensbestätigung mit Anhang und zwei Anlagen des Anhangs sieht die Vergabekammer nicht als wettbewerbseinschränkende Erschwernis, sondern eher als Hilfestellung an, weil der Bieter direkt in den Word-Dateien arbeiten kann.
In Ziffer 11 des Anhangs zur Aufforderung zur Interessensbestätigung verweist die Antragsgegnerin auf eine Stelle der Vergabeunterlagen "im Übrigen siehe Vergabeunterlagen/Leistungsverzeichnis (Ausschlusskriterien)". Tatsächlich lässt sich im Leistungsverzeichnis eine Excel-Tabelle finden, in der ein Tabellenblatt keine bieterbezogenen Eignungskriterien, sondern auftragsbezogene Ausschlusskriterien enthält. Somit hat die Antragsgegnerin in der Aufforderung zur Interessensbestätigung die von ihr geforderten Eignungskriterien klar und unmittelbar erkennbar benannt. Es ist der Vergabekammer daher nicht möglich die von der Antragstellerin zitierte Rechtsprechung zum Deep Link (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.02.2019 - Verg 11/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018 - Verg 24/18) auf den vorliegenden Fall zu übertragen, weil sich § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB nur auf Eignungskriterien bezieht.
Obwohl das Teilnahmeverfahren gemäß § 42 Abs. 2 VgV ausschließlich der Auswahl geeigneter Teilnehmer und einem auf dieser Ebene zu vollziehenden Ausschluss dient, hier also mit den Ausschlusskriterien eine der Bietereignung sehr ähnliche Vorauswahl getroffen werden soll, fehlt der Vergabekammer auch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung die Ermächtigungsgrundlage für eine auf diesen Grund gestützte Maßnahme nach § 168 GWB.
e. Die Antragsgegnerin hat die Angebote aufgrund des zu 2. a) beschriebenen Mangels in den Vergabeunterlagen ungleich gewertet, daher gegen § 121 Abs. 1 GWB, § 58 Abs. 2 VgV verstoßen. Nach § 58 Abs. 2 VgV erfolgt die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots auf der Grundlage des besten Preis-Leistungsverhältnisses. Der Antragsgegnerin war aus dem vorangegangenen Vertragsverhältnis bekannt, dass die Beigeladene alle Leistungen nach Nummer 437 der GOÄ GOP selbst abrechnet. Diese Vorgehens weise hat sie erkennbar bei der Erstellung der Vergabeunterlagen nicht berücksichtigt.
Die Antragsgegnerin wollte daher die Beigeladene zunächst ausschließen, als offenbar wurde, dass die Beigeladene auch ihr aktuelles Angebot unter Berücksichtigung dieser Kalkulationsmöglichkeit erstellt hatte. Sie hat danach erkannt, dass § 8 eine solche eigentlich nicht gewollte Abrechnung ermögliche.
In dieser Situation wäre es ihre Aufgabe gewesen, die Vergabeunterlagen nachzubessern, die Abgrenzung zu den POCT-Leistungen wie oben dargestellt zu definieren, damit die Leistungsbeschreibung gemäß § 121 Abs. 1 GWB eindeutig und erschöpfend ist. Sofern vergütungsrechtlich zulässig, hätte sie mit Bieterinformation allen Bietern die Möglichkeit geben können, für die 9 durch Rechtsprechung und die 29 freiwillig eröffneten Abrechnungstatbestände Abrechnungsmöglichkeit anzubieten, und das bereits vorgelegte Angebot zu optimieren. Eine Wertung mehrerer Angebote, obwohl die Angebote erkennbar von unterschiedlichen Inhalten der Vergabeunterlagen ausgingen, ist nicht zulässig.
f. Die Antragsgegnerin musste das Angebot der Antragstellerin gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausschließen, weil sie als Teil ihres finalen Angebots einen vom vorgegebenen In halt der finalen Vergabeunterlagen abweichenden Vertrag vorgelegt hat. Damit hat sie in Verkennung des Stadiums der Verhandlungen, wahrscheinlich aufgrund eines verwirrenden Hinweises der Antragsgegnerin, die Vergabeunterlagen abgeändert, die in diesem Stadium gleich sein müssen, um die eingehenden finalen Angebote miteinander vergleichen zu können.
Es mag sein, dass jemand die Antragstellerin in einem Bietergespräch aufgefordert hat, den kommentierten Vertragsentwurf vorzulegen. Eine Aufforderung zur Kommentierung des Vertragstextes war allenfalls als Anregung zur Gestaltung der finalen Vergabeunterlagen denkbar, also vor der Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe. Eine solche denkbare Aufforderung darf nicht so abgefasst werden, dass sie als Befugnis missverstanden werden kann, im finalen Angebot, also nach Ende aller Verhandlungsmöglichkeiten, als alle finalen Bieter einen Vertrag mit gleichem Wortlaut erhielten, noch ein von diesem Vertrag abweichendes Muster vorzulegen.
Ein die Vergabeunterlagen abänderndes Angebot führt regelmäßig zur Zurückweisung des Nachprüfungsantrags. Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn das eingeleitete Vergabeverfahren nicht durch Zuschlag beendet werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2006, X ZB 14/06; Beschluss vom 10.11.2009, Az.: X ZB 8/09), etwa, weil für jedes der eingegangenen Angebote ein gleichwertiger Ausschlussgrund vorliegt. Die Antragsgegnerin hat sich bisher nur darauf berufen, das Angebot der Beigeladenen zu beauftragen. Sie hat sich nicht darauf berufen, sie wolle oder könne den Zuschlag auf eines der weiteren verbleibenden Angebote erteilen.
g. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen, weil diese mit ihrem Angebot an zwei Stellen die Vergabeunterlagen geändert hat. Damit liegt auch hier ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV vor. Obwohl § 3 Abs. 4 des Vertrags fordert, dass die Klinik die sogenannten "xxxxxxx Artikel und xxxxxx" unentgeltlich zur Verfügung stellt und sämtliche weiteren für die Erfüllung des Vertrags notwendigen laborspezifischen Entnahmematerialien allerdings der Anbieter auf eigene Kosten zur Verfügung stellt, hat die Beigeladene unter Ziffer 2.3 ihres finalen Angebotes auf Blatt 9 dargestellt, das xxxxxx-Krankenhaus beschaffe alle notwendigen Entnahmematerialien für Laborproben für das Präsenzlabor in eigener Verantwortung und trage die Kosten dafür. Es genügt nicht, die Originalverträge dem Angebot beizufügen. Zusätzlich ist es erforderlich, im Angebot an anderer Stelle nicht vom Inhalt der Vergabeunterlagen abzuweichen. Das Begleitschreiben ist Teil des Angebots (VK Sachsen, Beschluss vom 29.01.2014, 1/SVK/041-13; OLG München, Beschluss vom 21.02.2008, Verg 1/08). Die Darstellung auf Blatt 15 des Vergabevermerks, "der Passus mit den Entnahmematerialien verweise auf den Vertrag" erklärt nicht den Unterschied zwischen einer abschließenden Liste und einer inhaltlich offenen pauschalen Übernahme "aller" Materialien.
Ebenso hat die Beigeladene im Begleitschreiben § 8 des Vertrags um einen Passus zur Ziffer 437 GOÄ, GOP erweitert. Das wäre in der Verhandlungsphase zulässig gewesen, in der Angebotsphase ist es untersagt. Insofern hat die Beigeladene mit dem Angebot die Vergabeunterlagen geändert, so dass ihr Angebot auszuschließen ist. Dies wurde der Antragsgegnerin bewusst (Bl. 13 Vergabevermerk), ist aber nach Erörterung der auf eigene Rechnung abzurechnenden Laborkosten nicht weiterverfolgt worden.
Wenn die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin wegen eines geänderten Vertragsentwurfes berechtigt ausschließt, muss dies gleichermaßen für eine Abweichung von den finalen Vertragsunterlagen im Angebot der Beigeladenen gelten.
h. Die Antragsgegnerin hat nicht gegen § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB verstoßen, indem sie das Angebot der Beigeladenen wertete. Nach dieser Vorschrift kann der öffentlicher Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme ausschließen, wenn das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, der Beigeladenen sei eine solche Verfehlung wegen ihrer bisherigen Abrechnungspraxis vorzuwerfen. Die Vergabekammer prüft das nicht näher, weil es sich hier nicht primär um eine Eingriffsbefugnis der Vergabekammer handelt, sondern um ein Recht des jeweiligen Auftraggebers. Diesem räumt die Vorschrift erkennbarer Weise ein Ermessen ein. Dieses Ermessen ist von dem Unternehmen, welches ausgeschlossen werden soll, durch die Nachprüfungsinstanzen in vollem Umfang überprüfbar (Conrad in: Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, § 124, Rn. 48). Ein Dritter, wie die Antragstellerin, kann sich auf diese Vorschrift jedoch nur dann berufen, wenn sich das Ermessen des Auftraggebers so weit reduziert, dass er keine andere rechtmäßige Entscheidung treffen kann, als den anderen Bieter auszuschließen. Es setzt also die aus dem Verwaltungsrecht bekannte Ermessensreduzierung auf Null voraus. Weder für die Schwere der Verfehlung, noch für die Ermessensreduzierung hat die Vergabekammer angesichts der Schwierigkeiten der Abrechnung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH genug Anhaltspunkte. Die Vergabekammer müsste überdies den Prüfungsgegenstand erweitern, da die Frage, ob die Beigeladene in der Vergangenheit rechtswidrig abgerechnet habe, nur aufgrund der vertraglichen Grundlage der Vergangenheit zu prüfen ist. Die Vergabekammer müsste also nicht nur die Unterlagen zur aktuell anstehenden Vergabe heranziehen, sondern auch die Unterlagen der letzten Vergabe, bzw. des mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrags. Dazu besteht keine Veranlassung.
i. Die Antragsgegnerin hat nicht gegen den Transparenzgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie in der Interessensbestätigung die Unterlagen zum Download anbot. Die Antragstellerin hält den nur fragmentarisch erfolgten Versand der Informationen zum Verfahrensablauf für intransparent.
Der in § 38 Abs. 5 VgV verwendete Begriff "fordert.... zur Bestätigung ihres Interesses an einer weiteren Teilnahme auf" legt ein aktives Verhalten des Auftraggebers nahe.
Hier hat die Antragsgegnerin eine Aufforderung per E-Mail übersandt. Die E-Mail enthielt einen Anhang, der die Registrierung auf dem Portal erläuterte. Sie informierte weiter, dass das Portal noch einen Link versenden werde. Danach folgte die Mail des Portals "Einladung". Dort mussten die Interessenten die Dateien herunterladen. Das erscheint nicht vergaberechtswidrig. Die Kommunikation soll elektronisch stattfinden (vgl. § 53 Abs. 1 VgV, § 10 VgV). Zwar legt § 52 Abs. 3 VgV durch die Verwendung der Formulierung in Satz 2 "diese Aufforderung umfasst zumindest folgende Angaben" nahe, dass der Auftraggeber verpflichtet ist, den Interessenten die wesentlichen Informationen aktiv zu liefern, anstatt sie auf einen Link zu verweisen. Allerdings legt § 10 Abs. 2 VgV mit dem allgemeinen Hinweis auf elektronische Mittel und die einheitliche Datenaustauschschnittstelle nahe, dass dem aktiven Versand ggf. großvolumiger Datenmengen der Zugriff auf eine klar definierte Download-Option (Deep Link) gleichsteht.
3. Gemäß § 168 GWB hat die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und die Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Diese Vorschrift vermittelt der Vergabekammer einen weiten Entscheidungsspielraum, der nur im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Schranken findet. Die Vergabekammer ist an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken, § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB. Die gewählte Maßnahme muss sich eignen, die Rechtsverletzung sicher zu beseitigen. Sie soll gleichzeitig das mildeste der geeigneten Mittel hierfür sein.
Hier hat die Vergabekammer sowohl präkludierte, als auch nicht präkludierte Verstöße gegen drittschützendes Vergaberecht festgestellt. Das Verfahren war überflüssig komplex, begrifflich verwirrend, auf späteren Stufen ergab sich eine nicht eindeutige Leistungsbeschreibung. Zusätzlich verstieß die Antragsgegnerin gegen den Transparenzgrundsatz, indem sie von den vielen zutreffend allen Bietern zugänglich gemachten Antworten auf Bieterfragen eine nicht allen, sondern nur einem Bieter zur Verfügung stellte. Diese Antwort beseitigt erkennbar eine bei mehreren Bietern, u.a. der Antragstellerin und der Beigeladenen, entstandene Unklarheit. Sie war daher erkennbar für die finale Angebotsabgabe wichtig.
Die notwendige Konsequenz ist die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens. Der erforderliche Ausschluss des Angebots der Antragstellerin und der Beigeladenen erfordern nur die Zurückversetzung in das Stadium nach Eingang der finalen Angebote und vor Beginn der Wertung (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 08.11.2013, VgK-34/2013). Die Antragsgegnerin hat bereits in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die weiteren Angebote wirtschaftlich unerfreulich seien, was die Vergabekammer als Ankündigung einer Aufhebung des Vergabeverfahrens gemäß § 63 VgV interpretiert.
Die unterlassene Bieterinformation erfordert weitergehend die Zurückversetzung in den Stand vor Abgabe der finalen Angebote. Gleiches gilt für die nicht eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung.
Die Antragsgegnerin hat gegen den Transparenzgrundsatz aus § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie in einem komplex aufgebauten Verfahren einen Leitfaden mit verwirrenden Begrifflichkeiten anbot. Dies geschah bereits in einem frühen Stadium der Interessensbestätigung, so dass hier die weitgehende Zurückversetzung in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung, hier der Vorinformation, zu prüfen ist.
Das Vergabenachprüfungsverfahren dient grundsätzlich nur dem individuellen Rechtsschutz der jeweiligen als Antragsteller auftretenden Bieter. Es ist kein objektives Beanstandungsverfahren (Kadenbach in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht Kompaktkommentar, § 163 GWB, Rn. 5). Der bereits als geeignet angesehene Bieter hat nur ein Interesse, dass er bei der zu wiederholenden Wertung wieder in den Kreis der berücksichtigungsfähigen Bieter aufgenommen wird. Er hat kein Interesse daran, dass weitere Bieter hinzutreten. Wird der Verstoß als so schwerwiegend angesehen, dass das Vergabeverfahren so nicht mehr fortgesetzt werden kann, so muss die Aufhebung ausnahmsweise auch die Bieter schützen, die sich von dem jeweiligen schweren Vergabemangel davon haben abschrecken lassen, eine Interessensbestätigung abzugeben. Es ist daher in diesem Fall immer eine Aufhebung der Vergabe oder die ihr gleichstehende Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in das Stadium vor Bekanntgabe erforderlich (Kadenbach in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht Kompaktkommentar, § 163 GWB, Rn. 5). Einen so schwerwiegenden Mangel sieht die Vergabekammer trotz erheblicher Hinweise darauf in dieser Situation noch nicht. Zwar hat die Vergabestelle im Laufe des Verfahrens insgesamt fünf Interessenten verloren, jedoch lässt sich eine eindeutige Kausalität mit dem komplizierten Verfahren aus Sicht der Vergabekammer nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit belegen. Daher verfügt die Vergabekammer trotz ernsthafter Erwägung keine Zurückversetzung in das Stadium vor Vorinformation.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.
Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Der zugrunde zu legende Auftragswert berechnet sich nach der Bruttosumme des Angebots der Antragstellerin für fünf Jahre. Die Verlängerungsoptionen hat die Vergabekammer, da zeitlich unbestimmt, nicht berücksichtigt. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.
Bei dieser Ausschreibungssumme ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst die Gebühren und die Auslagen der Vergabekammer. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragsgegnerin und die Beigeladene im Nachprüfungsverfahren unterlegen sind, haben sie die Kosten zu tragen. Wegen der persönlichen Gebührenbefreiung der Antragsgegnerin haften Antragsgegnerin und Beigeladene hinsichtlich der Gebühren, anders als bei den Anwaltskosten der Antragstellerin, nicht gesamtschuldnerisch, sondern anteilig mit jeweils xxxxx €.
Die Antragsgegnerin ist als kommunale Einrichtung von der Fflicht zur Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar wurde das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.
Gemäß Ziffer 4 des Tenors haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Hier gilt zunächst das oben zu Ziffer 3. ausgeführte.
Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war antragsgemäß auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Antragstellerin erforderlich.
Etwaige Aufwendungen der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 10/09, zitiert nach juris Tz. 46; OLG Celle Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4710 zit. nach ibr-online). Hier hat die Beigeladene Sachanträge gestellt und sich schriftsätzlich auf der Seite der Antragsgegnerin eingelassen. Sie ist daher ebenso wie die Antragsgegnerin zur Kostenerstattung gegenüber der Antragstellerin heranzuziehen.
Die Beigeladene wird daher aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens
xxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxx
IV. Rechtsbehelf
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