Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 11.08.2020, Az.: VgK-16/2020

Ausschreibung der Projektsteuerung zur Sanierung und Umbau einer Schule im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
11.08.2020
Aktenzeichen
VgK-16/2020
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 47589
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
...
wegen
Verhandlungsverfahren xxxxxx - Projektsteuerung zur Sanierung und Umbau des Gymnasiums xxxxxx
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, die hauptamtliche Beisitzerin ORR'in von dem Knesebeck und den ehrenamtlichen Beisitzer Rechtsanwalt Dr. Freise auf die mündliche Verhandlung vom 06.08.2020 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Er ist jedoch von der Entrichtung der Kosten persönlich befreit.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Begründung

I.

Der Antragsgegner hat mit Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2019 die Projektsteuerung zur Sanierung und Umbau des Gymnasiums xxxxxx europaweit im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben.

Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene absolvierten den Teilnahmewettbewerb erfolgreich. Der Antragsgegner forderte sie im Anschluss zur Abgabe eines indikativen Angebots sowie zum Eintritt in die Verhandlungen auf.

Gemäß Abschnitt II.2.5) der Auftragsbekanntmachung sowie der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurde die Qualität mit 67 % und der Preis mit 33 % zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots bewertet. Im Einzelnen lauteten die Zuschlagskriterien wie folgt:

"Zuschlagskriterien

Um Ihnen eine zielgerichtete Erstellung Ihres schriftlichen Angebotes und eine sachgerechte Vorbereitung der Präsentation zu ermöglichen, stellen wir Ihnen mit dieser Aufforderung zur Angebotsabgabe die Kriterien der Auftragserteilung und deren Bewertung (Zuschlagsmatrix) zur Verfügung.

AyftragskriteriomWichtung in ProzentBewertung: 1-5Wichtung Bewertung
01. Prejektspezifische Kapazitäten 1 Präsenz vor Ort7
02. Projektorganisation5
03. Einschätzung der spezifischen Problemstellungen und Projektanforderungen sowie Darstellung einer darauf abgestimmten Methodik anhand eines Beispiels20
04. Änderungsmanagement / Bewältigung von Leistungsstörungen7
OS. Zusammenarbeit mit dem AG7
06. Qualitätssicherung7
07. Kostensicherungs-/Kostenoptimierungsmaßnahmen7
08. Terminsicherung7
OS. Honorarangebot *33
Bewertungssumme gesamt100max. 500

*Die Wertung der Honorarsumme erfolgt linear interpoliert zwischen dem niedrigsten (5 Punkte) und dem höchsten (1 Punkt) Angebot inkl. der Nebenkosten. Die vergleichende Gegenüberstellung der Angebote erfolgt im Vorfeld der Verhandlungsgespräche.

Maximal können 500 Punkte erreicht werden.

Je Kriterium können von den Mitgliedern des Auswahlgremiums 1 bis 5 Punkte vergeben werden:

1 Punkt:mangelhaft (Thema / Aspekt kaum / nicht angesprochen)
2 Punkte:ausreichend (wenig in die Tiefe gehende, nur allgemein gehaltene Aussagen, ohne erkennbaren Projektbezug bzw. wesentliche Gesichtspunkte der Aufgabenstellung nur gering erkannt / Problemstellung nur gering bewältigt)
3 Punkte:befriedigend (zufrieden stellende / plausible Aussagen bzw. wesentliche Gesichtspunkte der Aufgabenstellung befriedigend erkannt / Problemstellungen befriedigend bewältigt)
4 Punkte:gut (wesentliche Gesichtspunkte der Aufgabenstellung gut erkannt / Problemstellungen gut bewältigt)
5 Punkte:sehr gut (überzeugende / projektspezifisch angemessene / innovative Aussagen bzw. wesentliche Gesichtspunkte der Aufgabenstellung, sehr gut erkannt und dargestellt / Problemstellungen sehr gut bewältigt und viele Aspekte berücksichtigt)

Der Bieter erhält pro Kriterium jene Punkte, die sich aus der Division der vergebenen aufsummierten Punkte pro Kriterium durch die Anzahl der stimmberechtigten Kommissionsmitglieder ergeben."

Hinsichtlich der Präsentation enthielt die Aufforderung unter anderem folgende Hinweise:

"Daher bitte ich Sie, zum o. g. Termin eine Präsentation mit folgendem Inhalt vorzubereiten:

[...]

- Freier Teil (Präsentation ca. 20 Minuten).

o Bitte überzeugen Sie die Auftraggeberin, unter Berücksichtigung der unten genannten Bewertungsstruktur mit den Zuschlagskriterien, davon, dass Sie der Bieter sind, der für die beschriebene Aufgabe der bestgeeignetste Bieter wäre. Allgemeine Kenntnisse zu Verfahrensweisen oder der Termin- und Kostenverfolgung können vorausgesetzt werden.

Darstellung von maßnahmebezogenen Lösungsansätzen sind wünschenswert. Wie könnte Ihrer Einschätzung nach die Projektstruktur für die drei Bauaufgaben planerisch und baulich (unter Berücksichtigung des laufenden Schulbetriebs) organisiert und umgesetzt werden?

[...]"

Neben der Antragstellerin und der Beigeladenen gaben zwei weitere Bieter jeweils fristgemäß ein indikatives Angebot ab.

Das indikative Angebot der Antragstellerin enthielt im Honorarformblatt eine, von dieser eingefügte, Spalte, der die für die besonderen Leistungen jeweils angesetzten Stunden für die Pauschale entnommen werden konnten. Das indikative Angebot der Beigeladenen enthielt mehrere Anmerkungen zum Vertrag, unter anderem zur Verwendung des Begriffs "Werkerfolg" sowie zur Vertragsstrafe. Des Weiteren war Inhalt der Präsentation der Beigeladenen, dass die vorliegende Kostenermittlung aus 2018 sei und die Kosten einer Überprüfung bedürfen.

Am 23.04.2020 fanden sodann Verhandlungsgespräche statt, in denen die Bieter ihr Unternehmen und ihre Angebote, insbesondere die Darstellung der geplanten Aufgabenerfüllung im Auftragsfall, präsentierten.

Die Inhalte der Angebote wurden während der Präsentation von drei stimmberechtigten Vertreterinnen des Antragsgegners anhand der zur Verfügung gestellten Zuschlagsmatrix bewertet. Im Anschluss an die Gespräche erfolgte eine Besprechung der Bewertungen sowie eine finale Bewertung der Angebote in qualitativer Hinsicht. Dabei waren die jeweils je Bieter und je Unterkriterium vergebenen Punkte der drei Vertreterinnen und damit die finale Punktevergabe je Bieter und je Unterkriterium identisch.

Im Anschluss daran wurden die Bieter am xxxxxx.2020 zur Abgabe eines finalen Angebots unter anderem wie folgt aufgefordert:

"[...] Wie bereits in Aussicht gestellt, möchte ich Sie bitten, Ihr Angebot unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Bietergesprächs anzupassen und zu aktualisieren. Hierzu beachten Sie bitte das Ihnen in der Anlage dieser Nachricht übermittelte Protokoll.

Die weiteren Informationen sind der in den Vergabeunterlagen enthaltenen Angebotsaufforderung zu entnehmen.[...]"

Den Bietern wurde ein überarbeiteter finaler Vertrag, das Honorarformblatt, Anlage 4.1 Leistung AHO sowie das jeweilige Verhandlungsprotokoll zur Verfügung gestellt. Das Honorarblatt unterschied sich vom Honorarformblatt für das Erstangebot insoweit, dass es in der Zeile "Bruttohonorar der Leistungen gesamt, pauschal" den Zusatz "+ Stundenlohn" nicht enthielt.

Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene reichten fristgemäß ein finales Angebot ein. Dabei wurden die Angebote jeweils nicht inhaltlich, sondern nur in preislicher Hinsicht durch Abgabe des Honorarformblatts überarbeitet.

Bestandteil des Angebots der Antragstellerin war ebenfalls das Verhandlungsprotokoll, welches von dieser in Bezug auf die vom Antragsgegner im Verhandlungsgespräch dokumentierten Antworten inhaltlich, insbesondere in Bezug auf die besonderen Leistungen, ergänzt wurde. Die Beigeladene reichte mit ihrem finalen Angebot erneut die bereits mit erster Angebotsabgabe eingereichten Anmerkungen zum Vertrag ein. Sowohl die Antragstellerin und die Beigeladene als auch noch ein weiterer Bieter gaben das bereits mit erster Angebotsabgabe eingereichte Honorarformblatt erneut ab. Dabei war das von der Antragstellerin eingereichte Honorarformblatt identisch.

Eine erneute fachliche Wertung der Angebote nach finaler Angebotsabgabe fand nicht statt. Auf Grundlage der finalen Angebote wurde sodann das wirtschaftlichste Angebot - das Angebot der Beigeladenen - ermittelt.

Der Antragsgegner teilte den Bietern ihr Prüfungsergebnis mit Informationsschreiben nach § 134 GWB am 22.06.2020 mit. Das Informationsschreiben an die unterlegenden Bieter enthielt jeweils eine der Zuschlagsmatrix entsprechende Übersicht, die die jeweilige bieterbezogene Punktvergabe für die Kriterien 1. bis 9. sowie die jeweils höchsten zu erreichenden Bewertungspunkte umfasste. Eine weitergehende schriftliche Begründung enthielten die Schreiben nicht.

Nach Erhalt des Informationsschreibens bat die Antragstellerin den Antragsgegner zunächst um Übersendung einer detaillierten Punktebewertung und im Anschluss um die vergleichbaren Bewertungen zu den weiteren Büros. Der Antragsgegner übersandte der Antragstellerin die von ihr in Bezug auf das Angebot der Antragstellerin ausgefüllte finale qualitative Bewertungsmatrix sowie eine anonymisierte Übersicht der Wertungsergebnisse aller Bieter je Wertungskriterium.

Daraufhin rügte die Antragstellerin ihre Ablehnung gegenüber dem Antragsgegner mit Schreiben vom 02.07.2020, 13:53 Uhr unter Fristsetzung bis zum 02.07.2020, 14:15 Uhr.

Da bis zum Fristablauf eine Rügeerwiderung ausblieb, beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 02.07.2020, 14:27 Uhr, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB.

Sie begründet ihren Antrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in dem o.g. Rügeschreiben.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig.

Die Antragstellerin sei antragsbefugt und insbesondere in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1 GWB und § 58 VgV verletzt. Sie habe ein wirtschaftliches Interesse, den Auftrag zu erhalten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass das Angebot der Antragstellerin beurteilungsfehlerhaft im Vergleich zum Angebot der Beigeladenen bepunktet wurde. Die geltend gemachten Vergabeverstöße seien innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB gerügt worden.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet.

Es fehle insgesamt an einer transparenten Wertung des Antragsgegners. Laut den Vergabeunterlagen könne je Kriterium von den Mitgliedern des Auswahlgremiums 1 bis 5 Punkte vergeben werden. Das Auswahlgremium habe ausweislich der Bewertungsbögen hingegen teilweise auch 3,5 oder 4,5 Punkte vergeben. Dies widerspreche zum einen den eigenen Vorgaben des Antragsgegners und sei für die Antragstellerin rechtsverletzend, da bei kaufmännischer Rundung von 3,5 oder 4,5 Punkten das Angebot der Antragstellerin rangvorne wäre.

Darüber hinaus seien die jeweiligen Begründungen in den Bewertungsbögen nicht nachvollziehbar und transparent. Wieso es im Einzelnen jeweils zu einer Abwertung der Punktevergabe gekommen sein solle, lasse sich den Eintragungen der Bewertungsmitglieder nicht immer entnehmen. Es werde angenommen, dass das Angebot der Antragstellerin beurteilungsfehlerhaft im Vergleich zum Angebot der Beigeladenen bepunktet worden sei.

Hinsichtlich des Kriteriums 1 habe die Antragstellerin einen dauerhaften Ansprechpartner genannt mit Redundanz sowie die örtliche Präsenz erwähnt. Eine Darstellung der vorgesehenen Projektmitglieder und der zeitlichen Verfügbarkeit erfolgte auf den Präsentationsfolien. Die nun vom Antragsgegner benannten Kriterien "Bindung in aktuellen Bauprojekten, mit Nennung der Projektphasen" seien nicht den Anforderungen an die Präsentation zum Verhandlungsgespräch zu entnehmen.

Im Rahmen des Kriteriums 3 habe die Antragstellerin anhand eines konkreten Beispiels zu jeder Fragestellung ein Parallelbeispiel (Fallbeispiel) angeführt, in dem die Lösungen speziell auf das Projekt aufgeteilt und in der Projektstruktur dargestellt wurden. Die Abfolge der Abschnitte sei umfänglich dargestellt worden, eine qualitative Unterscheidung der verschiedenen Angebote auf Grundlage der Argumentation von Mehr-Folien hingegen vergaberechtswidrig. Darüber hinaus habe die Antragstellerin zum Thema TGA anhand eines Beispiels den Umgang mit technischen Anlagen wie Bestandsaufnahme, Kategorisierung in Erhaltenswert und Abhängigkeit sowie die energetischen und betriebsrelevanten Bereiche erwähnt sowie die Themen Fördermittel, Interim, Unfallverhütung, spezifische Prämissen und Zwänge der Schule, Risikomanagement, Multiprojektmanagement aufgrund der Projektstruktur (2 Abschnitte) erklärt. Rückfragen seitens des Antragsgegners seien nicht erfolgt.

Und auch das Kriterium 4 sei ebenfalls in der Planungs- und Ausführungsphase anhand von Beispielen dargestellt worden. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners gehöre die Benennung von Risiken nicht zum Bestandteil des Kriteriums. Zumal die Antragstellerin Risiken sowohl auf den Präsentationsfolien als auch verbal benannt habe, die jedoch in den Bewertungsbögen keine Berücksichtigung gefunden hätten.

Bezüglich des Kriteriums 7 sei eine Priorisierung in Bezug zum Projekt nicht Gegenstand des Bewertungskriteriums. Die Antragstellerin habe 30 projektspezifische Problemstellungen und Anforderungen genannt und verbal ausgeführt.

Zudem sei der Rechenweg für die Antragstellerin nicht nachvollziehbar und damit intransparent. Wenn der günstigste Bieter mit 5 bzw. 5 x 33 = 165 Punkten bewertet wurde und der zweitgünstigste mit 76,23 bzw. 76,23/33 = 2,31 Punkten, betrage der Unterschied >50 % und damit >20 % und gelte als unauskömmlich. Die Wertung der Grundleistung isoliert sei nicht zulässig. Eine ordnungsgemäße Auskömmlichkeitsprüfung könne den Vergabeunterlagen nicht entnommen werden.

Weiter liege eine klare Dokumentationsverletzung vor, da es an einer gänzlichen Dokumentation des Verhandlungsgesprächs fehle. Das Protokoll des Antragsgegners gebe nicht den umfänglichen Gesprächsinhalt wieder. Im Protokoll seien nur Fragmente zu Fragen aufgenommen. Demnach sei offenbar nur das Verhandlungsgespräch bewertet worden, obwohl die Präsentation an sich nicht Gegenstand der Wertungsmatrix gewesen sei.

Das Angebot der Antragstellerin müsse auch nicht aufgrund von Änderungen an den Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden. Die Antragstellerin habe mit Abgabe des Erstangebots die Spalte L im Honorarformblatt eigens eingefügt, benannt und eine Stundenschätzung eingetragen, die der Nachvollziehbarkeit dienen sollte. Diesem Vorgehen habe der Antragsgegner zugestimmt und erläutert, dass das Angebot - sofern keine Änderung mit finaler Angebotsabgabe vorgenommen werde - wieder so eingereicht werden könne. Dies sei hier der Fall. Aus dem Protokoll ergebe sich zudem, dass die Antragstellerin stets ihre Zustimmung zum Projektvertrag erteilt habe. Eine Nachverhandlung nach Überschreiten der angegebenen Stundensätze sei seitens der Antragstellerin nicht beabsichtigt. Der Antragsgegner sei davon im Verfahren ebenfalls nicht ausgegangen.

Letztlich erfülle der Antragsgegner mit der reinen Wiedergabe der Wertungspunkte nicht die Vorgaben, die an ein Informationsschreiben nach § 134 GWB gestellt werden. Zudem sei dieses unzureichend, denn es beinhalte die Information, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen, Geschäftssitz xxxxxx, erteilen zu wollen, obwohl die Beigeladene dort über keine selbstständige Niederlassung verfüge.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Zuschlagserteilung auf das Angebot des Bieters xxxxxx bis zur Entscheidung durch die Vergabekammer zu untersagen,

  2. 2.

    den Antragsgegner zu verpflichten, die Angebotswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer vorzunehmen,

  3. 3.

    dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der für die notwendige Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen aufzuerlegen,

  4. 4.

    festzustellen, dass die Beiziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erforderlich war.

Der Antragsgegner beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Landkreises aufzuerlegen,

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für den Antragsgegner für notwendig zu erklären.

Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig. Dem Antragsgegner stand für eine Abhilfeprüfung des Vorgangs nur ein Zeitfenster von 22 Minuten zur Verfügung. Die Möglichkeit einer Abhilfeentscheidung sei dem Auftraggeber in dieser unangemessenen kurzen Frist nicht eingeräumt worden, weshalb der Antrag insoweit schon unzulässig sein dürfte. Im Übrigen fehle es an einer ordnungsgemäßen Geltendmachung des vermeintlich unzureichenden Inhalts des Vorinformationsschreibens im Rahmen der Rüge, weshalb der Vortrag insoweit präkludiert sei.

Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet.

Die Bewertung des Angebots der Antragstellerin durch den Antragsgegner sei zutreffend auf Grundlage der bekannt gemachten Zuschlagskriterien vorgenommen worden. Aus den Unterlagen ergebe sich gerade nicht, dass nur volle Punkte vergeben werden durften. Den Beweggründen könne entnommen werden, welche konkreten Anforderungen das Angebot der Antragstellerin nicht erfülle und aus welchem Grund es hinter dem jeweils am besten bewerteten Angebot zurückstehe. Entsprechend der Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 04.04.2017 -X ZB 3/17) stehe es einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe nicht entgegen, wenn der öffentliche Auftraggeber für die Erfüllung qualitativer Wertungskriterien Noten mit zugeordneten Punktwerten vergebe, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl abhängen solle.

Die von der Antragstellerin aufgeworfenen Fehler seien auch nach nochmaliger Überprüfung der Auswertung nicht zu finden. Im Einzelnen:

Hinsichtlich des Kriteriums 1 (Projektspezifische Kapazitäten/Präsenz vor Ort) seien die Aussagen zu den projektspezifischen Kapazitäten vor dem Hintergrund des Bauablaufes nicht vollumfänglich überzeugend gewesen und somit die Bewertung insgesamt nicht sehr gut. Eine sehr gute Bewertung hätten die Bieter erreichen können, wenn sie die Bindung in aktuellen Bauprojekten, mit Nennung der Projektphasen dargestellt und erläutert und damit die geplanten Kapazitäten für den Projektstart und den Projektverlauf transparent verdeutlicht hätten.

In Bezug auf Kriterium 3 (Einschätzung der spezifischen Problemstellungen und Projektanforderungen sowie die Darstellung einer darauf abgestimmten Methodik anhand eines Beispiels) seien insbesondere die besonderen Anforderungen des Projektes in der Summe der Aspekte nicht überzeugend und spezifisch auf das Projekt bezogen erkannt, dargestellt und erläutert worden, vielmehr habe die Antragstellerin die Methodik eher allgemein und wenig in die Tiefe des Projektes gehend ausgeführt. Beispielhaft sei hier der Umgang mit den möglichen Schwierigkeiten der technischen Gebäudeausrüstung oder die Abfolge der Bauphasen genannt, die der Antragsgegner als Schlüsselfunktionen für den reibungslosen Ablauf der Baumaßnahme sehe. Die Bewertung des besten Bieters sei hingegen aufgrund dessen verbaler Ausführungen und innovativen Ansätze zum Bauablauf in der Präsentation deutlich überzeugender gewesen.

Die Ausführungen der Antragstellerin zum Änderungsmanagement und der Bewältigung von Leistungsstörungen (Kriterium 4) im Rahmen ihres Angebots sowie im Nachprüfungsantrag seien bei der Bewertung berücksichtigt worden. Die Antragstellerin habe die wesentlichen allgemein gültigen Gesichtspunkte benannt, allerdings fehle die überzeugende, dem Projekt spezifisch angemessene Analyse und Darstellung und Nennung einer Vielzahl von Risiken. Daher seien inhaltliche Rückfragen seitens der Auswahlkommission auch nicht erforderlich gewesen. Die Präsentation des besten Bieters habe hingegen eine deutlichere Differenzierung der Risiken in den einzelnen Projektphasen sowie in der verbalen Ergänzung zur Präsentation eine wesentlich detailliertere Ausführung der Darstellung von möglichen Risiken des konkreten Projektes, insbesondere auch in der Betrachtung der Fachplanung der technischen Gebäudeausrüstung enthalten.

Der minimale Punktabzug im Kriterium 7 (Kostensicherungs-/Kostenoptimierungsmaßnahmen) liege an der fehlenden Darstellung der Priorisierung in Bezug zum Projekt. Die sehr gute Bewertung des besten Bieters beruhe insbesondere auf der verbal deutlich ausführlicheren, viele Aspekte ansprechenden und vollumfänglich überzeugenden Darstellung der Anwendung der Lösungsansätze/EDV-Tools in auf das konkrete Projekt angemessener Weise.

Hinsichtlich der Honorarbewertung handele es sich um einen Interpretationsfehler der Antragstellerin. In dem Informationsschreiben nach § 134 GWB werde die erreichte Bewertungspunktzahl mit der jeweils höchsten zu erreichenden Bewertungspunktzahl gegenübergestellt, nicht mit der Bewertungspunktzahl des insgesamt erfolgreichsten Angebotes. Das zweitgünstigste Angebot weiche um ca. 18 % vom günstigsten Angebot ab und liege somit unterhalb der häufig zur Verpflichtung einer Angemessenheitsprüfung gemäß § 60 VgV herangezogenen Aufgreifschwelle von 20 %. Ein offenbares Missverhältnis der Angebote zueinander sowie eine Aufklärungspflicht liegen daher nicht vor.

Des Weiteren unterliege das Angebot der Antragstellerin einem zwingenden Ausschlussgrund. Die Antragstellerin habe mit finaler Angebotsabgabe neben dem Honorarformblatt für die Endangebote erneut das Honorarformblatt für die Erstangebote eingereicht. Dieses unterscheide sich zum Honorarangebot für die Endangebote insoweit, dass es als rechte Spalte die Angabe kalkulierter Stunden für abgefragte besondere Leistungen beinhalte sowie den Zusatz "+ Stundenlohn" nicht enthalte. Die Einreichung des veralteten sowie ergänzten Formblatts begründe den zwingenden Ausschlussgrund der Änderung der Vergabeunterlagen gem. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV. Eine weitere Änderung der Vergabeunterlagen ergebe sich aus der Einreichung des kommentierten Verhandlungsprotokolls mit finaler Angebotsabgabe. Auf der zweiten Seite dieses Protokolls gebe die Antragstellerin an, für die abgefragten besonderen Leistungen jeweils ein Stundenkontingent zugrunde gelegt zu haben. Damit habe die Antragstellerin - anders als gefordert - keine bedingungslose pauschale Vergütung der besonderen Leistungen angeboten. Ungeachtet der vorhergehenden Ausführungen müsse das Angebot aufgrund von fehlenden Unterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV ausgeschlossen werden, da die Antragstellerin mit dem endverbindlichen Angebot ihr Honorarangebot aus dem Erstangebot, datiert auf den 20.03.2020, und somit kein finales Angebot eingereicht habe. Das bereits als Erstangebot abgegebene Honorarangebot sei als Willenserklärung "verbraucht". Eine Willenserklärung könne nicht zweimal abgegeben werden.

Schlussendlich erfülle das Absageschreiben die Anforderungen des § 134 GWB. Eine umfangreiche Angabe der Gründe für die Auswahlentscheidung, die für den Vergabevermerk erforderlich seien, sei im Vorabinformationsschreiben nicht erforderlich. Zudem verlange die Norm die Nennung der kompletten Anschrift nicht, da lediglich eine Identifizierung des obsiegenden Bieters ermöglicht werden solle; diese Anforderung sei erfüllt.

Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 06.08.2020 Bezug genommen.

II.

Für die Antragstellerin als durchschnittliche Anbieterin war nicht erkennbar, dass die lineare Preiswertung zwar die Wertung des niedrigsten Angebotes zutreffend wiedergab, als anderen Endpunkt der linearen Abstufung jedoch das preislich höchste Angebot festlegte, somit gegen eine Rechtsprechung des OLG Düsseldorf verstieß. Sie ist daher mit ihrem Vorbringen insoweit nicht präkludiert (vgl. nachfolgend zu 1). Der Antragsgegner hat gegen seine selbst erstellte Vorgabe, die Mitglieder seines Beurteilungsgremiums würden qualitative Kriterien in ganzen Punkten werten, verstoßen, indem er nachträglich die Wertung mit Bruchteilen vornahm (vgl. nachfolgend zu 2a). Ebenso liegt ein Verstoß gegen seine selbst erstellte Vorgabe vor, indem er nicht wie ursprünglich mitgeteilt, die individuellen Voten der Mitglieder seiner Beurteilungskommission übernahm und Mittelwerte errechnete, sondern in einer Diskussion eine einheitliche Meinung erstellen ließ (vgl. nachfolgend zu 2b). Soweit der Antragsgegner die Wertung der Präsentationen nicht differenziert nach dem Inhalt der Vorträge und dem Auftreten der Vortragenden vorgenommen hat, kann sich die Vergabekammer nicht an die Stelle der Beurteiler setzen. Da es sich bei der undifferenzierten Bewertung von Präsentation und Vortrag um eine nichtwiederholbare Prüfungssituation handelt, ist es nicht möglich, den Eindruck, den die Mitglieder der Beurteilungskommission gewinnen mussten, anhand der Ausdrucke der Präsentationen und des insoweit nicht aussagekräftigen Protokolls zu überprüfen (vgl. nachfolgend zu 2c). Einen zwingenden Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen muss die Vergabekammer auch dann berücksichtigen, wenn dieser unmittelbar vor mündlicher Verhandlung erstmals vorgetragen wird (vgl. nachfolgend zu 2g). Die Dokumentation des Antragsgegners ist misslungen, weil er trotz Verwendung eines Vergabemanagementsystems die dort geforderten Eingaben weitgehend nicht vorgenommen hat. Dadurch sind umfangreiche Dateien ohne Inhalt entstanden. Geht durch die Anwendung elektronischer Vergabedokumentation die Aktenwahrheit und die Aktenklarheit unter, so kann ein Vergabeverfahren wegen Dokumentationsmängeln aufzuheben sein (vgl. nachfolgend zu 2h). Hat der Antragsgegner aufgrund einer fehlerhaften Wertung und eines bestenfalls verwirrenden Schreibens zur Bieterinformation nach § 134 GWB den Nachprüfungsantrag verursacht, rechtfertigt dies eine abweichende Kostenentscheidung nach § 182 Abs. 3 GWB. Dies gilt selbst dann, wenn der Nachprüfungsantrag aufgrund eines zwingenden Ausschlussgrundes zurückzuweisen ist.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Der Antragsgegner ist als Gebietskörperschaft öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Der 4. Teil des GWB gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Die Antragsgegnerin vergibt hier einen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB. Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB gilt gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU und der delegierten VO (EU) 2019/1828 der Kommission für alle im Jahr 2019 begonnenen Verfahren für Dienst- und Lieferaufträge ein Schwellenwert von 221.000 €. Dieser Wert wird nach der internen Datei "xxxxxx-Honorar-schätzung", aber auch nach dem Inhalt von Blatt 7 der Datei "Vergabeakte Ausschreibung" überschritten.

Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat ausweislich des abgegebenen Angebots ein Interesse am Auftrag und beschreibt die Verletzung ihrer Rechte, weil die unter I. dargestellten Mängel der Wertung den Zuschlag auf ihr Angebot verhindert hätten. Auf der Ebene der Zulässigkeitsprüfung geht es nur darum, ob die Rüge dem öffentlichen Auftraggeber ermöglicht, einen konkreten Sachverhalt aus der Vergabeentscheidung auf einen möglichen Vergabeverstoß prüfen zu können. Es genügt daher für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können. Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit.

Die Antragstellerin hat den von ihr gesehenen Vergabeverstoß vor Erhebung des Nachprüfungsantrags gegenüber der Auftraggeberin gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gerügt. Danach ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller einen geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichung des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von 10 Kalendertagen gerügt hat. Die Rügepflicht ist vom Gesetzgeber als Ausdruck des Grundsatzes von Treu und Glauben konzipiert worden. Der Anbieter soll sein Wissen über Mängel der Vergabe, die er erkannt hat, nicht aus taktischen Erwägungen zurückhalten bis klar ist, ob er den Zuschlag erhalten wird oder nicht. Er soll vielmehr die von ihm erkannten Mängel frühzeitig dem Auftraggeber mitteilen, damit dieser die Mängel korrigieren kann.

Der Antragsgegner versandte die Bieterinformation am 22.06.2020 über den für den 03.07.2020 beabsichtigten Zuschlag an die Beigeladene. Die Rüge vom 02.07.2020, 13:53 Uhr, erhob die Antragstellerin binnen 10 Tagen nach Erhalt dieser Information. Die Antragstellerin räumte dem Antragsgegner nur gut 20 Minuten Zeit zur Abhilfe ein. Damit hat sie die oben dargestellte aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Befriedungsfunktion der Rüge faktisch leerlaufen lassen (vgl. FF-Beschluss VK Niedersachsen vom 02.07.2015, VgK-13/2015; VK Niedersachsen, Beschluss vom 27.09.2016, VgK-39/2016). Der künftige Vertragspartner erhält keine Gelegenheit zur Abhilfe, bevor ein streitiges Verfahren begonnen wird.

Allerdings gehört die Gewährung einer Gelegenheit zur Abhilfe nicht zu den notwendigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Nachprüfungsantrags. Für diesen ist es lediglich erforderlich, dass die im Nachprüfungsantrag geltend gemachten Einwände zuvor gerügt worden sind, unabhängig davon, ob der Antragsgegner die Gelegenheit zur Abhilfe erhielt. Die sehr kurze Zeit zu einer etwaigen Abhilfe war in Anbetracht des ab dem Folgetag beabsichtigten Zuschlags nicht grundlos, also nicht treuwidrig. Wünschenswert und gelegentlich praktiziert, aber nicht förmlich festgelegt, ist die Bitte um Zusicherung, den Zuschlag nicht vor einem späteren zu benennenden Termin zu erteilen, damit der Antragsgegner Zeit hat, die Rüge zu prüfen. Führt die spät erhobene Rüge zu einer Abhilfe bald nach Erhebung des Nachprüfungsantrags, kann die Vergabekammer die späte Rüge im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 182 Abs. 3 Satz 5 GWB angemessen gewichten (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 21.01.2020, VgK-41/2019, Bl. 14). Das ist hier aber nicht relevant. Die Antragstellerin kritisiert erstmals während des Nachprüfungsverfahrens die Preiswertung, welche auf den Inhalten der Vergabeunterlagen beruht. Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit er sich auf Verstöße gegen Vergabevorschriften stützt, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar waren, aber nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt worden sind (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 27.02.2020, 13 Verg 5/19).

Es kommt bei der Präklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3 GWB auf die objektive Erkennbarkeit für einen durchschnittlichen Anbieter an, nicht auf die tatsächliche Erkenntnis beim Antragsteller. Der Prüfungsmaßstab ist enger. Für die Prüfung umfangreicher Vergabeunterlagen sind die Anforderungen an den Bieter für die Erkennbarkeit nicht zu hoch anzusetzen (Dicks in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020 § 160 Rn. 49). Die Rechtsprechung bemüht sich um eine einheitliche Definition der Erkennbarkeit (OLG Celle, Beschluss vom 12.04.2016, 13 Verg 1/16; OLG Celle, Beschluss vom 07.11.2013, 13 Verg 8/13; differenzierend VK Niedersachsen, Beschluss vom 07.02.2014, VgK-51/2013). Das OLG Celle hat in der Entscheidung von 2016 darauf hingewiesen, dass in Rechtsprechung und Literatur umstritten sei, ob der Vergaberechtsverstoß für einen Durchschnittsanbieter (vgl. BayObLG, Beschluss vom 23.11.2000, Verg 12/00; OLG Stuttgart, NZBau 2001, 462, 463) oder für den konkreten Antragsteller (OLG Düsseldorf, VergabeR 2007, 200, 203 f.; KG, BauR 2000, 1620,1621 f.; OLG Frankfurt, ZfBR 2009, 86, 89; Wiese in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 160, Rn. 168) erkennbar sein müsse. Die Vergabekammer vertritt die Auffassung, dass der den Einwänden der Antragstellerin zugrundeliegende Mangel, nämlich die Bewertung des preislich höchsten Angebots mit nur einem Punkt nicht für einen durchschnittlichen Anbieter erkennbar war. Der durchschnittliche Anbieter wird sich die Gewichtung ansehen und erkennen, dass die Wertung der Preise linear erfolgen sollte, dem Endpunkt der Wertung aber keine Aufmerksamkeit schenken. Dass die Abstufung einen ähnlich großen Einfluss auf die Wertung hat, wie die Gewichtung, und dass die Abstufung nur innerhalb der eingegangenen Angebote einer Rechtsprechung des OLG Düsseldorf widerspricht, dürften nur Vergabeexperten wissen. Daher ist dieser Einwand nicht präkludiert.

2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.

Dem öffentlichen Auftraggeber steht grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar ist. Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist regelmäßig (nur) anzunehmen, wenn das vorgegebene Vergabeverfahren nicht eingehalten worden ist, nicht von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird oder sachwidrige Erwägungen einbezogen werden, oder wenn der im Rahmen der Beurteilungsermächtigung einzuhaltende Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewendet wird (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2020, 15 Verg 2 /2; OLG Celle, Beschluss vom 01.03.2004, 13 Verg 3/04 und Beschluss vom 08.09.2011, 13 Verg 4/11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.09.2002, Verg 37/02;VK Sachsen, 28.08.2013, 1/SVK/026-13).

Der Antragsgegner ging von einem richtigen Sachverhalt aus. Sachwidrige Erwägungen wurden nicht vorgetragen. Hinsichtlich des Beurteilungsmaßstabs kann sich die Vergabekammer nicht nachträglich an die Stelle der Beurteilenden begeben und eine abweichende Entscheidung treffen. Allerdings kann die Vergabekammer die getroffene Entscheidung daraufhin überprüfen, ob sie mit den zuvor selbst festgelegten Beurteilungsmaßstab übereinstimmt oder davon abweicht.

a. Der Antragsgegner hat gegen seine den Anbietern durch die Vergabeunterlagen mitgeteilte Vorgabe zur Wertung in ganzen Punkten verstoßen. Danach wollte er die Kommission in (ganzen) Punkten urteilen lassen, das Gesamturteil durch Addition der Punkte und Division durch die Zahl der Mitglieder des Bewertungsgremiums ermitteln. Eine Differenzierung nach Bruchteilen von Punkten ist nicht genannt, die dann wichtige Vorgabe der Zahl von Dezimalstellen fehlt. Eine Wertung durch Bruchteile von Punkten misst der subjektiven Bewertung eine Genauigkeit zu, die bei einer subjektiven Entscheidung nicht möglich ist. Die Neigung mancher Beurteiler zu Mittelwerten ist eher Ausdruck fehlender persönlicher Entscheidungsfreude.

Nach der den Bietern übermittelten und daher allein maßgeblichen Vorgabe können sich gebrochene Zahlen der Gesamtbewertung nur ergeben, wenn die Kommissionsmitglieder unterschiedlich bewerten und die Summe der Punkte durch die Zahl der stimmberechtigten Kommissionsmitglieder geteilt wird (vgl. PDF-Dokument "Vergabeunterlagen" Aufforderung zum Verhandlungsverfahren, Einladung zum Verhandlungsgespräch am 25.03.20, Blatt 5 unten).

Von diesem transparenten und nachvollziehbaren Verfahren ist der Antragsgegner abgewichen, indem er bzw. seine Mitglieder des Bewertungsgremiums beim Angebot der Antragstellerin und einem weiteren Angebot an mehreren Stellen halbe Punkte vergeben haben. Gebrochene Zahlen sind aber keine ganzen Zahlen (vgl. VK Brandenburg, Beschluss vom 03.06.2019, VK 4/19).

Der Antragsgegner hat daher gegen seine eigenen Beurteilungsvorgaben (ganze Noten mit Ausnahme der Interpolation beim Honorarangebot) verstoßen. Auf eine solche Bewertungsabsicht weist das Protokoll des Kommissionsmitglieds hin, die die ursprünglich eingefügte 4 durch eine 3,5 ersetzte. Dieser Fehler ist relevant, weil das Angebot der Antragstellerin mehr Punkte erhält als das Angebot der Beigeladenen, wenn die Antragstellerin im Zuschlagskriterium 03 mit einer Gewichtung von 20 % anstelle der vergebenen 3,5 Punkte von allen Mitgliedern der Bewertungskommission die volle Zahl von 4 Punkten erhalten hätte. Der Vorsprung stiege, wenn man gemäß der Rundungsregel aufrunden und im Kriterium 7 anstelle der vergebenen 4,5 Punkte volle 5 Punkte setzen würde.

b. Der Antragsgegner hat gegen seine auch den Bietern mitgeteilten Bewertungsvorgaben verstoßen, indem er die individuellen Voten der Mitglieder seiner Beurteilungskommission nicht sofort übernahm und umrechnete, sondern in einer Diskussion vereinheitlichte. Der Antragsgegner wollte seine Bewertung anhand der vorher festgelegten Kriterien vornehmen.

Der Antragsgegner hat die Wertung der qualitativen Kriterien begonnen, in dem er Wertungsteams zusammenstellte. Solche Wertungsteams sind im Sinne des objektiv besten Ergebnisses gut geeignet, persönliche Wahrnehmungen von der Qualität eines Angebotes im Rahmen einer Präsentation aufzunehmen. Ein Auftraggeber, der bereit ist, eine Entscheidung nicht hierarchisch vorzugeben, sondern gemeinsam im Team entwickeln zu lassen, kann mit Hilfe eines Mittelwertes aus den notwendigerweise subjektiven Entscheidung mehrerer Menschen eine objektivierte Summe eines Beurteilungsteams formen, in dem sich die subjektiven Elemente der Entscheidungen gegenseitig aufheben und die objektiven Inhalte wechselseitig verstärken.

Jedes Mitglied der Bewertungskommission erhielt daher einen eigenen Vordruck, der neben einer eng formatierten Punktetabelle auch einen Bereich enthielt, in dem links die abstrakten Wertungsvorgaben aufgeführt waren und die rechte Hälfte des Blattpapiers für persönliche Notizen freigehalten war. Das unbeeinflusste Ergebnis eines Wertungsteams ist, soweit das Gremium aus fachkundigen Nutzern und vergabekundigen Mitarbeitern zusammengesetzt ist, tendenziell näher am Optimum als eine einsam getroffene Entscheidung. Das setzt die hier beabsichtigte getrennte Bewertung voraus (vgl. Noch, Der gefällige Vortrag, Vergabe Navigator 2020, Seite 33).

Allerdings spricht das Ergebnis der Wertung dagegen, dass der Antragsgegner bei dieser Vorgehensweise geblieben ist. Alle drei Mitglieder des Bewertungsteams kamen bei allen Angeboten immer zu identischen Ergebnissen. Das ist bei acht qualitativen Zuschlagskriterien schon statistisch eher unwahrscheinlich.

Diese Übereinstimmung erstreckt sich auch auf die unzulässige Bewertung mit gebrochenen Zahlen (vgl. zu a.). Alle Mitglieder des Bewertungsteams verwenden an denselben Stellen bei denselben Bietern dieselben gebrochenen Zahlen. Eine Dame hat die ursprünglich höhere und ganze Zahl durchgestrichen. Dies spricht neben der Datei "Ergebnis Bewertung in Diskussion", in der die Ergebnisse am Anfang stehen und daraufhin die Gründe folgen, deutlich für die auf ein einheitliches Ergebnis zielende Besprechung der Präsentationen nach deren Vorstellung, aber vor der Niederschrift der Noten durch die Mitglieder des Bewertungsgremiums. Nicht die Einzelbewertungen führten zum Gesamtergebnis, sondern die Zusammenfassung des Diskussionsergebnisses war Grundlage für die anschließend niedergelegten Noten der Einzelbewertungen. Dafür, dass auch die voneinander abweichenden Notizen in den Einzelbewertungen bereits vereinheitlicht worden wären, sind dagegen keine Anzeichen erkennbar. Diesen Sachverhalt hat die Vertreterin des Antragsgegners auch in der mündlichen Verhandlung frei eingeräumt. Der Hinweis des Rechtsanwalts des Antragsgegners, dass dabei kein Zwang ausgeübt worden sei, sondern die Mitglieder der Beurteilungskommission freiwillig an der Erarbeitung des gemeinsamen Ergebnisses mitgewirkt hätten, ist hinsichtlich der tatsächlichen Abweichung vom vorgegebenen und den Bietern mitgeteilten Vergabeverfahren irrelevant. Im Übrigen gilt, dass schon die höfliche Frage eines Vorgesetzten als höchste Form des Befehls aufgefasst werden kann.

Der Antragsgegner hätte die Beurteilungsvorgaben auch anders aufbauen dürfen. Er ist nach einer jüngeren Entscheidung des OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.2019, Verg 6/19) nicht verpflichtet, abweichende Voten zuzulassen. Er darf die Befugnisse auch so ausgestalten, dass die Gremienmitglieder nur interne Wertungsvorschläge als Diskussionsgrundlage zur Vorbereitung der durch das Gremium selbst zu treffenden Wertungsentscheidung treffen. Baut man das so auf, so steht am Ende meist eine hierarchisch strukturierte Entscheidung des ranghöchsten Entscheidungsträgers in der Organisationseinheit. Diese muss nicht notwendigerweise mit den Eindrücken der Gremiumsmitglieder übereinstimmen. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist es nicht einmal notwendig, die abweichenden Meinungen der Gremienmitglieder in die Dokumentation aufzunehmen.

Die Vergabekammer teilt die Auffassung des OLG Düsseldorf, dass der Auftraggeber eine Entscheidung so strukturieren kann. Das bedarf dann aber einer Festlegung von Beginn an. Hier war erkennbar ein anderer Entscheidungsprozess geplant, von dem der Antragsgegner in der Wertungsphase abgewichen ist.

c. Die Antragstellerin wendet sich trotz erheblicher Schwächen der vorgenommenen Wertung und deren Dokumentation im Ergebnis vergeblich gegen ihre Bewertung in den qualitativen Zuschlagskriterien. Sie meint, sie habe in folgenden Kriterien nicht die angemessene Punktzahl erhalten: Kriterium 01, Projektspezifische Kapazitäten/Präsenz vor Ort (4 Punkte), Kriterium 03, Einschätzung der spezifischen Problemstellungen (3,5 Punkte) und Kriterium 04, Punktwertung bei Änderungsmanagement (4 Punkte). Zur Begründung verweist die Antragstellerin auf ihren Vortrag in der Präsentation, gestützt auf den Inhalt ihrer PowerPoint-Präsentation und stellt dar, es habe keine Rückfragen seitens des Antragsgegners gegeben. Dem nicht mit ihr abgestimmten Protokoll widerspricht sie.

Der Antragsgegner stellt demgegenüber Schwächen in der Präsentation dar. Die Vergabekammer kann nicht nachträglich feststellen, die Präsentation der Antragstellerin sei besser gewesen als bewertet. Der Antragsgegner hat nicht den Inhalt der Präsentation und den Vortrag der Präsentationen getrennt bewertet, sondern die Präsentation insgesamt. Gegenstand der Präsentation ist daher nicht die Summe der PowerPoint-Folien oder die nachträgliche Analyse derer Inhalte. Es hätte dem Antragsgegner freigestanden, sich zunächst die Inhalte der PowerPoint-Präsentationen geben zu lassen, diese ausschließlich inhaltlich zu bewerten und danach in einem zweiten Bewertungsschritt den Vortrag zu bewerten. Dieses qualitativ erfreuliche Verfahren wird gelegentlich angewandt, ist allerdings noch nicht Standard.

Bei einer solchen Trennung hätte sich die Bewertung des Vortrages darauf beschränkt, ob und wie die bei der Analyse der Inhalte der Präsentationen auftretenden Fragen unaufgefordert oder auf Nachfrage beantwortet werden, bzw. ob die Art des Vortrages und des Auftretens Rückschlüsse auf eine sachgerechte Aufgabenerledigung zulässt. Hier erfolgte wie häufig nur eine zusammengefasste Bewertung ohne Unterscheidung zwischen dem Inhalt der Präsentation und dem Vortrag einschließlich der Rückfragen. Hinzu kommt eine Dokumentationsschwäche, weil der Antragsgegner die Bewertung der Inhalte der Präsentationen nicht niedergelegt hat. Das Protokoll beginnt nach Abschluss der Präsentationen. Das Abheften der Folien ersetzt nicht deren Bewertung.

Durch die verknüpfte Wertung der Inhalte der Präsentation mit dem Vortrag wird der eigentliche Wertungsprozess zu einer nachträglich kaum erklärbaren "Black Box". Das gilt aber nicht nur im Vergaberecht, das ist ein Phänomen, das z.B. in der personalrechtlichen Auswahlentscheidung ebenso aufritt.

Eine Trennung zwischen Inhalt und Vortrag kann folglich auch die Vergabekammer nicht nachträglich vornehmen. Die Vergabekammer kann schon nicht beurteilen, ob jede Aussage der Folien mit der ihr jetzt nachträglich beigemessen Wichtigkeit hervorgehoben wurde, oder ob - wie häufig - im Rahmen des Zeitmanagements Zeilen oder Folien verkürzt dargestellt oder übergangen wurden. Erst recht steht es der Vergabekammer nicht zu, nun anstelle des Auftraggebers erstmals die Inhalte der Folien strukturiert zu bewerten, wie dies in der Antragserwiderung nahegelegt wurde.

Eine einheitlich bewertete Präsentation ist eine nicht wiederholbare Prüfungssituation, in der mindestens gleichwertig neben dem Inhalt der PowerPoint-Präsentation auch der persönliche unmittelbare Eindruck des oder im Fall der Beigeladenen der Vortragenden tritt.

Vergabekommissionen treffen Verwaltungsentscheidungen, die auf nicht wiederholbaren Umständen beruhen, wie etwa Prüfungsentscheidungen. Wie Prüfungsentscheidungen enthalten sie eine stark wertende, von Fachwissen geprägte Komponente. Die Vergabekammer kann daher im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens die Entscheidung einer Kommission der Vergabestelle nur daraufhin überprüfen, ob die eingangs beschriebenen rechtlichen Grenzen dieses Beurteilungsspielraums überschritten sind (vgl. OLG München, Beschluss vom 21.04.2006, Verg 8/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.10.2005, Vll-Verg 55/05).

Die Vergabekammer kann sich nicht nachträglich an die Stelle der Beurteilenden begeben und eine abweichende Entscheidung treffen. Allerdings kann die Vergabekammer die getroffene Entscheidung daraufhin überprüfen, ob sie mit dem zuvor selbst festgelegten Beurteilungsmaßstab übereinstimmt oder davon abweicht. Dies ist mit den Ausführungen zu a) und b) geschehen.

Weitere Fehlbewertungen sind nachträglich nicht erkennbar. Der Antragsgegner hat vorab abstrakt festgelegt, welche Leistung 1 Punkt bzw. 5 Punkte erhalten solle. Die abstrakte Festlegung von Beurteilungsbögen ist nach Abschluss der Diskussion zur Zulässigkeit von Schulnoten in der Bewertung (vgl. BGH, Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17) als zulässig anerkannt.

Der Antragsgegner hat die Bewertung erfreulich vorbereitet. Laut der Datei "Vorbereitung gespr" wurde eines der Mitglieder der Wertungskommission auf den einzuhaltenden Ablauf hingewiesen und ermahnt, die Fragen in gleicher Weise zu stellen. Bezüge auf die Präsentation seien zulässig, beharrliche Nachfragen oder helfende Nachfragen jedoch nicht.

Die Nachbereitung verlief erkennbar dreistufig, wie oben dargestellt. Es gibt sehr kurze handschriftliche Notizen der drei Mitglieder der Prüfungskommission, sowie die oben bereits als unzulässig angesehene, zusammenfassende, handschriftliche, sehr kurze Datei mit dem Titel "xxxxxx_vorbereitung_bewertungen". Auf deren Seiten ist das "Ergebnis in Bewertung in Diskussion" vermerkt. Auf der dritten Stufe gibt es eine Datei "xxxxxx_finale_Bewertung", welche ebenfalls handschriftlich als Reinschrift die Ergebnisse zusammenfasst. Daneben tritt als reine Dokumentation die Datei "xxxxxx_dokumentation_protokolle", die den Ablauf der Gespräche wiedergibt, ohne zu werten.

Aus den unterschiedlichen, wenngleich sehr kurzen individuellen Bewertungen wird deutlich, dass schon die Mitglieder der Bewertungskommission festgehalten haben, dass die Präsentation der Antragstellerin im Zuschlagskriterium 1 nicht uneingeschränkt positiv wahrgenommen wurde. Die negative Anmerkung erfolgte wegen der Kapazitäten, also wegen eines zu diesem Kriterium gehörenden Tatbestandes. Die Angebote von Antragstellerin und Beigeladener wurden bei Kriterium 1 in etwa gleich bewertet. Daher ist die Bewertung mit "gut" plausibel.

In den Kriterien 3 und 4 erhielt die Antragstellerin bereits im Text der drei Mitschriften weniger gute Bewertungen als die Beigeladene. Ob dieser Eindruck die Qualität der Präsentationen tatsächlich richtig wiedergibt, kann die Vergabekammer insbesondere bei Rückgriff auf die Datei "xxxxxx_dokumentation_protokolle" nicht entscheiden. Die in den abstrakten Wertungskriterien für sehr gute Bewertungen genannten Begriffe "projektspezifisch, wesentliche Gesichtspunkte sehr gut erkannt, viele Aspekte berücksichtigt" werden nur in der Datei "xxxxxx_vorbereitung_bewertungen" und dort auch nur teilweise und eher bei der Beigeladenen verwandt. Die Reinschrift ist weniger aussagekräftig als die eigentlichen Bewertungen, weil sie nicht bewertet, sondern Sachverhalt wiederholt.

Das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.05.2018, Verg 13/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 6/19) hat zur qualitativen Wertung nicht nur einen weiten Beurteilungsspielraum des Auftraggebers angenommen, sondern auch dessen überprüfbare inhaltliche Begründung vorausgesetzt. Das ist mit den Notizen der Kommissionsmitglieder, wenngleich extrem kurz und nur in losem Bezug zu den eigentlichen Wertungskriterien, geschehen.

d. Der Antragsgegner hat die Wertung der Honorare fehlerhaft, weil nicht rechtsprechungskonform vorgesehen und durchgeführt. Die Wertung von Honoraren mit Punkten ist grundsätzlich zulässig (BGH, Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17, Rn. 29). Der Antragsgegner hat die Honorare wie üblich linear gewertet. Die Zusammenführung der üblicherweise mit Punkten bewerteten qualitativen Zuschlagskriterien mit der Preiswertung erfordert zwar keine vorherige Wertung des Preises in Punkten. Dennoch ist diese Wertung vom Beurteilungsspielraum des Auftraggebers gedeckt.

Jedoch widerspricht die vorgesehene Ausführung der Rechtsprechung, weil das preislich höchste Angebot und nicht ein fiktives Angebot mit z.B. dem doppelten Preis des niedrigsten Angebots einen Punkt erhalten soll. Damit besteht immer die maximale Fallhöhe zwischen den eingegangenen Angeboten, auch wenn die Preisunterschiede der Angebote nur gering sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.01.2014, VII - Verg 26/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.04.2015, VII - Verg 35/14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.04.2019, Verg 49/18). Diese Form der Wertung hat sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene Wertungspunkte gekostet. Da die Beigeladene das preislich höchste Angebot abgegeben hat, wirkt sich die Wertung im Verhältnis von Antragstellerin und Beigeladener eher zulasten der Beigeladenen, nicht zu Lasten der Antragstellerin aus.

Unbegründet ist der Einwand der Antragstellerin, es seien nur Grundleistungen gewertet worden. Die Angebote der Verfahrensbeteiligten enthielten sowohl Grundleistungen als auch besondere Leistungen nach AHO.

e. Der Antragsgegner hat nicht gegen § 60 Abs. 1 Abs. 3 VgV verstoßen. Danach verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebotes im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen. Lässt sich der Preis nicht zufriedenstellend aufklären, darf der Auftraggeber den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen. Die Regelung ist drittschützend (BGH, Beschluss vom 31.01.2017, X ZB 10/16, Rn. 23). Als Aufgreifschwelle für die Frage, ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, hat die Rechtsprechung bei Dienstleistungs- und Lieferaufträgen eine Unterschreitung des zweitniedrigsten Angebotes um 20 % vorbehaltlich einer Prüfung des Einzelfalles vorgesehen. Hier wird weder diese Schwelle erreicht, noch beabsichtigt der Antragsgegner, den Zuschlag auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot zu erteilen. Die berechtigte Befürchtung der Antragstellerin resultiert aus der unklar formulierten Bieterinformation, die das eigene Angebot nicht in Bezug auf das zu bezuschlagende Angebot setzt, sondern zu einzelnen von verschiedenen Anbietern besonders günstig erfüllten Kriterien. Da hier das preisgünstigste Angebot aus qualitativen Gründen nicht den Zuschlag erhalten soll, kann eine Prüfung auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot unterbleiben.

Am Rande weist die Vergabekammer darauf hin, dass der Auftraggeber gemäß der Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschluss vom 31.01.2017, X ZB 10/16) nicht die Auskömmlichkeit zu prüfen hat. Auskömmlichkeit umschreibt aus Anbietersicht, ob der angebotene Preis die betriebswirtschaftlichen Eigenkosten einschließlich Gewinn und Wagnis überschreitet. Es handelt sich um einen althergebrachten Begriff. Eine Prüfung der Auskömmlichkeit schützt den mit geringen Kosten anbietenden Unternehmer davor, durch den Auftrag in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Das ist jedoch nicht Ziel des Vergaberechts.

§ 60 VgV stellt primär auf das Interesse des Auftraggebers ab. Das eingeschränkte Ermessen in § 60 Abs. 3 VgV dient ausschließlich dem Interesse des Auftraggebers, für den ein ungewöhnlich niedriges Angebot nicht ausschließlich vorteilhaft ist. Der Zuschlag auf ein sehr günstiges Angebot könnte seine Interessen gefährden, weil er ein gesteigertes Risiko einer nicht einwandfreien Ausführung von Bauleistungen für den Auftraggeber birgt. Dazu gehören u.a. die fehlerhafte Lieferung bzw. Erbringung der nachgefragten Dienstleistung oder der Ausfall bei der Gewährleistung. All das kann im Ergebnis zu einer unwirtschaftlichen Beschaffung führen. Geschützt wird in erster Linie das haushaltsrechtlich begründete Interesse des Auftraggebers und der Öffentlichkeit an der jeweils wirtschaftlichsten Beschaffung (BGH aaO, Rn. 21, 29, 31). Sieht der Auftraggeber die obigen Gefahren im Einzelfall als gering an, so ist er berechtigt, auf ein Unterkostenangebot den Zuschlag zu erteilen.

f. Das Bieterinformationsschreiben entsprach formal den Anforderungen des § 134 GWB.

Die Darstellung der Gründe für die Nichtberücksichtigung ist ausreichend. Die gewählten Bezugspunkte in Form eines Vergleichs mit dem "Best-of" aller Bieter anstatt des Konkurrenten, der den Zuschlag erhalten soll, ist ungewöhnlich, hat hier erkennbar die Antragstellerin verwirrt, daher den Nachprüfungsantrag erst ausgelöst. Sie wäre bei klarerer Darstellung aber zulässig. Im Übrigen hat sich der Einwand mit der ausführlicheren Darstellung im Nachprüfungsverfahren erledigt und beeinflusst daher nur noch die Kostenentscheidung.

g. Der Antragsgegner hat jedoch berechtigt im Nachprüfungsverfahren vorgetragen, dass er das Angebot der Antragstellerin gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausschließe. Nach dieser Vorschrift werden Angebote von der Wertung ausgeschlossen, die nicht den Erfordernissen des § 53 VgV genügen, insbesondere Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind. Es handelt sich hierbei um eine gebundene Entscheidung, sodass dem Antragsgegner kein Ermessen zusteht. Würde der Antragsgegner sich nicht auf diesen nachgeschobenen Grund berufen, so könnte die Beigeladene über eine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin erzwingen.

Der Antragsgegner forderte für die besonderen Leistungen eine Kostenpauschale, also eine Leistungsbereitschaft für die angebotene Vergütung unabhängig davon, wie viele Stunden tatsächlich erforderlich sind, um die geforderte Leistung zu erbringen. Die Antragstellerin hat die Abgabe des finalen Angebotes vorgenommen, indem sie die Datei des Honorarformblatts des indikativen Angebots einreichte. Sie hat sich zuvor bei dem Berater des Antragsgegners darüber versichert, dass diese Vorgehensweise zulässig sei. Möglicherweise war ihm in dieser Situation nicht präsent, dass das indikative Angebot der Antragstellerin bereits eine Abweichung enthielt, nämlich eine zusätzliche Spalte, in der die für die besonderen Leistungen vorgesehen Stundenzahlen aufgeschrieben waren. Die Abgabe des finalen Angebotes mit dieser nicht gewollten Stundenzahl als abweichender Angabe von den insoweit recht eindeutigen Vorgaben des Antragsgegners für Anforderung an die finalen Angebote ist bereits rechtlich problematisch. Die Antragstellerin hat jedoch zusätzlich zu der Datei mit dieser ausdrücklich nicht gewünschten Angabe über das Tool der Angebotsabgabe, nicht über das Kommunikationstool der Nachrichtenübermittlung ihr Protokoll der Präsentation beigefügt und in diesem Protokoll elektronisch den Kommentar gesetzt, sie habe hierfür (für die besonderen Leistungen) ein Stundenkontingent zugrunde gelegt. In dieser Zusammenstellung aus nicht gewollten Angebotsinhalten verbunden mit einer für den Empfänger der Willenserklärung nur als Vorbehalteines Nachtrags verständlichen Anmerkung zum Protokoll kann die Vergabekammer diese Angebotsabgabe nicht anders werten als eine Abweichung von den Vergabeunterlagen. Hinzu kommt, dass das Angebot der Antragstellerin gerade bei den besonderen Leistungen im Verhältnis zur Beigeladenen außergewöhnlich scharf kalkuliert war, sodass die Möglichkeit eines Nachtragsvorbehalts vom Antragsgegner (von Beginn an) zu prüfen gewesen wäre.

Dabei wurde in der mündlichen Verhandlung deutlich, dass die Antragstellerin eine solche Änderung nicht beabsichtigte. Die Anmerkung diente der Rechtfertigung vor der betriebsinternen Kostenrechnung. Der Vergabekammer ist auch aus anderen Nachprüfungsverfahren bekannt, dass die schon zu analogen Vergabezeiten problematische Trennung von allgemeiner Kommunikation, die keinen unmittelbaren Bezug zum Angebot hat einerseits und Begleitschreiben zum finalen Angebot, welche als Angebotsbestandteil zu werten sind, vielen auch vergabeerfahrenen Bietern schwerfällt. Das hat sich durch die elektronische Vergabe verstärkt, weil viele Bieter nicht die unterschiedliche Bedeutung der Tools "Kommunikation" und "Angebotsabgabe" zuordnen können. Insofern hat sich die Antragstellerin berechtigt auf die Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 18.06.2019, XZR 86/17 Rn. 11) berufen, der hervorhebt, dass die Regelungen des Vergaberechtes 2016 den Ausschluss von Angeboten ausschließlich aus formalen Gründen verhindern sollten. Gleichwohl kann die Vergabekammer hier nicht anders entscheiden, als den nachträglich in das Nachprüfungsverfahren eingeführten Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zu bestätigen.

h. Die Dokumentation des Antragsgegners verstößt gegen § 8 Abs. 2 Nr. 5 VgV. Danach enthält der Vergabevermerk in Textform mindestens u.a. die Gründe für die Auswahl seines Angebotes. Das bedeutet bei der Gewichtung qualitativer Zuschlagskriterien, dass für jedes Kriterium und jeden Bieter kurz textlich darzustellen ist, warum das Angebot des jeweiligen Bieters in dem Zuschlagskriterium nur X Punkte erhalten hat. Laut BGH (BGH, Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17, 39, Rn. 53) muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind. Wird die Auswahlentscheidung zur Vergabenachprüfung gestellt, untersuchen die Nachprüfungsinstanzen auf die Rüge hin gerade auch die Benotung des Angebots des Antragstellers als solche und in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten. Auch wenn dem öffentlichen Auftraggeber bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zustehen muss, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen in diesem Rahmen insbesondere auch darauf hin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.

Auch die VK Südbayern (VK Südbayern, Beschluss vom 27.01.2017, Z 3-3-3194-1-48-11/16) fordert eine nachvollziehbare Dokumentation der Gründe. Der Antragsgegner hätte daher für die Präsentation und die daraus folgende Wertung der qualitativen Zuschlagskriterien ableiten müssen, warum das Angebot der Antragstellerin in den qualitativen Kriterien 1 - 8 gemessen an den abstrakten Anforderungsprofilen die dort vergebenen Punkte erhalten hat. Dazu gibt es als zusammengefasste Meinung des Antragsgegners nur die als Protokoll taugliche, als Ergebnis aber zu kurze handschriftliche Darstellung in der Datei "xxxxxx_finale_Bewertung".

Auch die hilfsweise herangezogenen Wertungsunterlagen der Mitglieder des Bewertungsgremiums führen in diesem Sinne nicht weiter. Die Mitglieder des Bewertungsgremiums sind in der Darstellung so frei, wie sie es in der Bewertung sein sollen. Sie sind weder verpflichtet, die Präsentationen vollständig wiederzugeben, noch ausgewogene Stellungnahmen zu fertigen (vgl. VK Niedersachsen Beschluss vom 07.01.2014, VgK-40/2013,). Ihre Aufgabe ist es, ihre persönlichen Eindrücke, die zwangsläufig subjektiv sein müssen, im Bemühen um Objektivität in die Bewertung einzubringen. Der Rückgriff erfolgt nur ergänzend wegen der z.T. sehr kurzen bzw. im Protokoll allgemeinen Darstellung des Antragsgegners.

Ein Verstoß gegen die o.g. grundlegenden Entscheidungskriterien ist nicht erkennbar, wenn die Vergabeakte aufzeigt, dass die subjektiven Eindrücke, die während der Präsentation entstanden sind, festgehalten und dokumentiert wurden. Dabei gelten hinsichtlich der Bewertungen der einzelnen Kommissionsmitglieder die obigen deutlich erleichterten Voraussetzungen.

Der Antragsgegner vermeidet in seinen Bewertungen zu Recht Quervergleiche (schlechter als die Beigeladene, weil ...). Dies würde den Eindruck erwecken, die Höchstnote könne nur einmal vergeben werden. Qualitative Wertung erfolgt im geschlossenen System, weshalb es durchaus möglich ist, die Höchstnote mehrfach zu vergeben. Daher sollte die Begründung den Inhalt des Angebotes bzw. der Präsentation gemessen an den vorher abstrakt formulierten Anforderungen des Auftraggebers für die Bewertung konkret formulieren (besonders gut, weil dies hervorgehoben und auch im Übrigen keine Schwächen erkennbar).

Der Vergabevermerk des Auftraggebers über die Präsentation der Anbieter im Verhandlungsverfahren hat nicht die Aufgabe, jedes Detail der Präsentation darzustellen, sondern die tragenden Erwägungen zusammenzufassen. Eine detaillierte Wiedergabe ist schon objektiv nicht möglich, wenn den Anbietern wie hier 40 Minuten für die Präsentation und 20 Minuten für Diskussion zugewiesen werden. Die Präsentation der Antragstellerin enthielt 42 Folien, die der Beigeladenen 45 Folien. Auch ohne Erläuterung kann jede Folie nur eine Minute präsentiert werden. Wenn die Anbieter mehr Informationen liefern, als die Beurteilungskommission selbst bei großer und kontinuierlicher Aufmerksamkeit objektiv aufnehmen kann, ist der Antragsgegner nicht verpflichtet, alle Details in sein Protokoll aufzunehmen (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 07.01.2014, VgK-40/2013,). Hier hat der Antragsgegner in seinem Protokoll auf die Wiedergabe der Präsentationen komplett verzichtet, nur die Fragen festgehalten. Das ist zu wenig. Ein Zusammenhang zwischen den Fragen, den Antworten und der anschließenden Bewertung wird nicht hergestellt. Das ist schwach. Das Abheften von Präsentationen ersetzt nicht die Auseinandersetzung mit deren Inhalten, also deren Wertung.

Der Dokumentationsfehler ist auch nicht durch die nachgeschobene Begründung im Nachprüfungsverfahren heilbar. Das OLG Celle (OLG Celle, Beschluss vom 31.03.2020, 13 Verg 13/19) hat die Rechtsprechung hierzu wie folgt zusammengefasst. Nach BGH (BGH, Beschluss vom 08.02.2011, X ZB 4/10) führe zwar nicht jeder Dokumentationsmangel dazu, dass eine Wiederholung der betreffenden Verfahrensabschnitte anzuordnen sei, weil anderenfalls der Ablauf des Vergabeverfahrens unangemessen beeinträchtigt werden könne. Es sei möglich, Dokumentationsmängel nachträglich zu heilen, etwa wenn der Auftraggeber die Dokumentation nachholt und dabei Gründe darlege, mit denen er die sachliche Richtigkeit einer angefochtenen Vergabeentscheidung nachträglich verteidige und die nach Aufhebung in einem wiederholten Verfahren ohne Weiteres der Entscheidung zugrunde gelegt werden können.

Dies sei allerdings dann anders zu beurteilen, wenn die nachgeschobene Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könne, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten. Dies gelte insbesondere, wenn der Auftraggeber gerade in Bereichen, in denen ihm ein (wie vorliegend) Beurteilungsspielraum (dazu: Conrad in: Gabriel/Krohn/Neun, Hdb. des Vergaberechts, 2. Aufl., § 36, Rn. 50) zustehe, im Nachprüfungsverfahren erstmals in die vertiefte sachliche Prüfung der zur Rechtfertigung angeführten Problematik eingestiegen sei und damit erst die eigentlich notwendige Dokumentation vorgenommen habe.

Da es hier um Beurteilungsspielräume mit den oben dargestellten unmittelbaren Folgen für die Wertungsreihenfolge geht, hält die Vergabekammer nur die Nachholung der Dokumentation nicht für zulässig.

Der Ansatz aus der Antragserwiderung ist auch nur teilweise geeignet, die Dokumentation nachzuholen. Der Antragsgegner beginnt zwar in der Antragserwiderung erstmals mit einer vertieften inhaltlichen Auseinandersetzung. Hinsichtlich des Kriteriums 01 entspricht sie auch den Anforderungen, die an die Dokumentation zu stellen sind, weil er die Bewertung anhand der Kriterien vornimmt. Bei den Kriterien 03 und 04 fehlt dagegen der Bezug zum unmittelbaren persönlichen Eindruck in der Präsentation. Stattdessen zählt der Antragsgegner Folienseiten und vergleicht das Angebot der Antragstellerin mit den jeweiligen am besten bewerteten Angeboten im Sinne des oben zu Recht vermiedenen Quervergleichs.

Die Vergabekammer hat weitere erhebliche Bedenken, ob die Dokumentation den Anforderungen des § 8 Abs. 2 VgV genügt. Danach fertigt der öffentliche Auftraggeber über jedes Vergabeverfahren einen Vermerk in Textform nach § 126 b des BGB an. Dieser Vergabevermerk umfasst mindestens 12 im einzelnen genannte Abschnitte.

Die vorgelegte Vergabeakte war ungewöhnlich umfangreich. Ihre Struktur erschloss sich mehreren Sachbearbeitern der Vergabekammer erst nach längerer Einarbeitung. Der Antragsgegner hat zwei Vergabevermerke angefertigt: einen handschriftlichen mit 7 Seiten (xxxxxx_Vergabevermerk PDF), und einen unter Verwendung eines elektronischen Managementsystems mit 112 Seiten (Vergabeakte_Verhandlungsrunde_final PDF). Titel und Inhalt nicht nur dieser Datei weichen beträchtlich voneinander ab. Zwei weitere: Vergabevermerke "Vergabeakte_Ausschreibung" und "Vergabeakte_Teilnahmewettbewerb" waren nicht streitrelevant. Auch das erschwert die Transparenz der Vergabeakte.

Der große Vergabevermerk des Antragsgegners enthält etliche leere Seiten, angekreuzte Felder auch zu Vorschriften wie VOL/A, die erkennbar nicht relevant sind und noch nicht relevant sein konnten, weil allenfalls noch im Bereich der unterschwelligen Vergabe anwendbar. Allerdings hat der Antragsgegner die vom Vergabemanagement vorgegebenen Felder für die Darstellung von Ermessenserwägungen oder die Begründung getroffene Entscheidungen wie in den Abschnitten 1-12 des § 8 Abs. 2 VgV vorgesehen alle leer gelassen. Leider enthält auch der handgeschriebene Vermerk nur Ausführungsbestätigungen wichtiger, aber dort nur formal erfasster Verfahrensschritte. Die Erstellung eines Vergabevermerks darf und kann der Antragsgegner nicht vollständig auf ein Vergabemanagementsystem delegieren. Der Antragsgegner ist erkennbar davon ausgegangen, dass eine Vielzahl von Kreuzen die Darstellung eigener Ermessenserwägungen und die Begründung eigenständig getroffener Entscheidungen erübrige. Die Vergabekammer Saarland (VK Saarland, Beschluss vom 09.09.2019 - 2 VK 01/19) hatte einen ähnlichen Fall zu entscheiden. Dort hatte der Auftraggeber eine umfangreiche Vergabeakte mit acht Bänden weitgehend ohne Relevanz angelegt. Die Vergabekammer des Saarlandes hat deutlich darauf hingewiesen, die Abwicklung des Vergabeverfahrens über entsprechende elektronische Plattformen entbinde den Auftraggeber nicht von einer Aktenführung. Im Ergebnis kam es darauf nicht an. Die Vergabekammer Niedersachsen registriert mit Einführung der elektronischen Vergabemanagementsysteme ein sprunghaft angestiegenes elektronisches Datenvolumen bei sinkender Struktur der Unterlagen in elektronischen Vergabeakten. Geht die von der VK Saarland zu Recht hervorgehobene Aktenklarheit und Aktenwahrheit unter, so wird sie Vergabeverfahren wegen Dokumentationsmängeln aufheben.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens gemäß § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der Verfahrenswert bestimmt sich nach der Bruttosumme des Angebots der Antragstellerin mit xxxxxx €. Dieser Betrag entspricht dem mutmaßlichen Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

Bei einer Vergabesumme von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Allerdings können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Der Begriff der Kosten umfasst sowohl die Gebühren, als auch die Auslagen der Vergabekammer. Hier war zunächst zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist. Daneben tritt jedoch der Umstand, dass das Nachprüfungsverfahren erst erforderlich wurde, weil der Antragsgegner mit der verwirrenden Bieterinformation bei der Antragstellerin den Eindruck hervorgerufen hatte, sie sei durch ein unangemessenes Dumpingangebot unterboten worden. Tatsächlich lag ihr Angebot auch preislich an dritter Stelle. Hinzu kommt, dass sich im laufenden Nachprüfungsverfahren zunächst erwies, dass der Nachprüfungsantrag Erfolg haben werde. Erst wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung brachte der Antragsgegner völlig neue Argumente ein, aufgrund derer eine Abweisung des Nachprüfungsantrags nicht mehr vermeidbar war. Die Stichhaltigkeit dieser Argumente konnte erst in der mündlichen Verhandlung mit den Verfahrensbeteiligten erörtert werden. Der Beschluss wurde nur notwendig, weil sich Antragstellerin und Antragsgegner nach der mündlichen Verhandlung nicht auf ein einvernehmliches Ergebnis einigen konnten. Die Vergabekammer sieht es angesichts der erheblichen Schwächen in der Wertung als Verschulden des Antragsgegners an, dass er die Antragstellerin nicht durch eine gründliche sorgfältige Wertung von Beginn an davon überzeugen konnte, dass ihr Angebot wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen zwingend und ohne eigenes Ermessen auszuschließen war. Die bereits vor Erhebung des Nachprüfungsantrags anwaltlich vertretene Antragstellerin hätte sich durch solche Argumente vermutlich davon abhalten lassen, einen Nachprüfungsantrag zu erheben. Daher hat hier der Antragsgegner maßgeblich dazu beigetragen, dass die Kosten des Nachprüfungsverfahrens angefallen sind. Es entspricht daher der Billigkeit, diese Kosten dem Antragsgegner aufzuerlegen. Da § 182 Abs. 3 Satz 5 GWB sich auf Fälle der Erledigung bezieht, die Erledigung allerdings nicht innerhalb der knappen angekündigten Entscheidungsfrist der Vergabekammer bekundet worden ist, trifft die Vergabekammer ihre Entscheidung aufgrund des § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB.

Der Antragsgegner ist von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar ist das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben worden, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB zu erstatten. Eine dem § 182 Abs. 3 GWB vergleichbare Billigkeitsregelung gibt es hier nicht, so dass die Vergabekammer ausschließlich aufgrund des Unterliegens entscheiden muss.

Die Hinzuziehung des Rechtsanwalts war für den Antragsgegner nicht erforderlich. Der Antragsgegner war im Termin mit der Leiterin des Rechtsamtes vertreten. Er verfügt über eine zentrale Vergabestelle, ist daher grundsätzlich in der Lage, vergaberechtliche Sachverhalte selbst zu bearbeiten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes ist ihm unbenommen, war hier auch förderlich, führt allerdings nicht dazu, dass die Hinzuziehung zu einem Kostenerstattungsanspruch führt.

Die anwaltliche Vertretung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Auftragsbezogene Rechtsfragen aus dem Bereich der VgV oder EU-VOB/A wird regelmäßig das mit der Vergabe betraute Personal sachkundig beantworten können. Daher wird die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes regelmäßig nicht notwendig sein, wenn der öffentliche Auftraggeber in einer ex ante zu Beginn eines Nachprüfungsverfahrens (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.07.2013 - 11 Verg 7/13) zu erstellenden Prognose zu dem Ergebnis gelangt, dass auftragsbezogene Fragen Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sein werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2011, Verg 60/10; OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011, 13 Verg 17/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010, 15 Verg 4/10; OLG München, Beschluss vom 11.06.2008, Verg 6/08, und vom 28.02.2011, Verg 23/10; OLG Dresden, Beschluss vom 14.11.2012-Verg 8/11).

Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterliegenden Partei auferlegt. Die Beigeladene hat hier keinen Sachantrag gestellt, das Verfahren nicht schriftsätzlich gefördert. Es gab daher keinen Grund, die Beigeladene in die Kostenentscheidung einzubeziehen.

Gaus
von dem Knesebeck
Dr. Freise