Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.11.1995, Az.: V 22/94
Keine Anwendung Durchschnittsbesteuerung auf Verpachtungsumsätze ; Steuerfreie Leistungen bei der Verpachtung der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen ; Anwendung des allgemeinen Steuersatzes bei der Verpachtung der Milchquote ; Voraussetzung für die Ausübung einer Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.11.1995
- Aktenzeichen
- V 22/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 18053
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:1102.V22.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 24 UStG
- § 4 Nr. 12 a UStG
- § 12 Abs. 1 UStG
Verfahrensgegenstand
Umsatzsteuer 1988 bis 1991
Amtlicher Leitsatz
Keine Anwendung des § 24 UStG auf Verpachtungsumsätze
In dem Rechtsstreit
hat der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 2. November 1995,
an der mitgewirkt haben:
Vizepräsidentin des Finanzgerichts ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ... Geschäftsführerin
ehrenamtliche Richterin ... Ärztin
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten.
Der Streitwert wird auf 7.708,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist Landwirt. Er war Eigentümer und Bewirtschafter eines 31,6716 ha großen land- und fortwirtschaftlichen Betriebes in S. Dieser Betrieb wurde als Milchviehhaltungsbetrieb mit gemischter Aufzucht und Sauenhaltungsbetrieb geführt.
Der Kläger gehörte mit seinem Betrieb zur Teilnehmergemeinschaft der Flurbereinigung B. Die Abwicklung und Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens lag in den Händen des Amtes für Agrarstruktur in M. Im Zuge des Grundstückserwerbs für die Autobahntrasse - BAB A 30 - in der Gemeinde S. und des Flurbereinigungsverfahrens veräußerte der Kläger am 30. September 1987 26,8682 ha landwirtschaftliche Nutzflächen zum 15. Oktober 1987 an die Bundesrepublik Deutschland als Teilnehmerin am Flurbereinigungsverfahren. Die auf den veräußerten Flächen liegende Milchquote wurde nicht mitveräußert, weil eine Übertragung auf zu erwerbende Ersatzflächen erfolgen sollte.
Mit notariellem Vertrag vom 23. November 1988 verkaufte der Kläger mit Wirkung zum 1. Dezember 1988 den Hofraum mit Gebäuden in S. Zur Abgeltung von Ersatzansprüchen nach § 13 Höfeordnung übertrug der Kläger ferner 4,0083 ha Forstfläche durch Verträge vom 21. Juli 1989 mit Wirkung vom gleichen Tage auf seine Geschwister. Danach verblieben von dem ursprünglichen landwirtschaftlichen Betrieb im Eigentum des Klägers zwei Flurstücke mit insgesamt 0,1372 ha Wald.
Parallel zu der Veräußerung des Betriebes in S. erwarb der Kläger mit Vertrag vom 28.09.1987 zum 01.11.1987 63,5343 ha landwirtschaftliche Nutzflächen eines in B. belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes einschließlich der darauf befindlichen Milchquote von 144.216 kg. Der Kläger übertrug die auf seinen in S. veräußerten Flächen liegende Milchquote auf die in B. erworbenen landwirtschaftlichen Nutzflächen und verpachtete die in B. angekauften Flächen einschließlich der nunmehr darauf befindlichen Milchquote von 156.966 kg (nach Abzug einer 20 %igen pachtbedingten Kürzung) auf die Dauer von 20 Jahren an einen Land- und Forstwirt. Von den in B. erworbenen Flächen waren von der Verpachtung ausgenommen 6,0510 ha Moorflächen, 0,3239 ha Wegeflächen, 2,8970 ha Forstflächen und der für Bauzwecke benötigten Flächenanteil des neuen Hofraumes von ca. 1,2308 ha.
Dem Kläger war der Erwerb des Hofraums mit den darauf befindlichen Gebäuden in B. nicht möglich. Er errichtete daher am Ortsrand von B. eine neue Hofstelle, die am 15. November 1988 fertiggestellt wurde. Zu ihr gehörte ein neues Wohnhaus, eine freitragende Mehrzweckhalle und das nötige Verbundsteinpflaster.
In der Zeit vom 1. April 1987 bis 30. September 1988 betrieb der Kläger in S. auf vom Amt für Agrarstruktur rückgepachteten Flächen in erheblich eingeschränktem Umfang eine Übergangsviehhaltung, um die von ihm selbst erzeugten und noch vorhandenen Futtermittel zu verwerten. Zum 1. November 1987 pachtete der Kläger von dem Verkäufer der von ihm in B. erworbenen Flächen eine Feldscheune, die gegenüber der von ihm geplanten neu zu errichtenden Hofstelle lag. In der Feldscheune betrieb der Kläger eine Ammenkuhhaltung. Die hierfür erforderlichen Arbeiten ließ er bis zum 15. November 1988 von dem Verkäufer der landwirtschaftlichen Flächen verrichten. Danach führte der Kläger die Arbeiten selbst aus. Am 7. April 1988 kauften der Kläger und seine Ehefrau 5,2766 ha landwirtschaftliche Nutzflächen in B., die der Kläger eigenbewirtschaftete. Die auf diesen Nutzflächen liegende Milchquote übertrug er ebenfalls auf den Pächter der von ihm verpachteten landwirtschaftlichen Nutzflächen; ab 1. Juli 1990 jedoch im Leasingverfahren.
Von der in S. betriebenen Übergangsviehhaltung hatte der Kläger nach und nach Geräte, Maschinen, die Rindermast und die Ammenkuhhaltung nach B. verlegt. Seit November 1988 betrieb der Kläger ausschließlich in B. Landwirtschaft.
Der Kläger hatte keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben. Nach einer Außenprüfung schätzte der Beklagte die Umsatzsteuer für 1988 und 1989. Landpacht ließ er nach § 4 Nr. 12 a Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerfrei. Die Pacht für die Milchquote versteuerte der Beklagte nach dem allgemeinen Steuersatz. Als Bemessungsgrundlage legte er in Anlegung an den Kaufpreis für die von dem Kläger in B. erworbene Milchquote 0,90 DM pro kg zugrunde. Die Umsätze nach § 24 UStG, für die eine Steuer nicht zu berechnen ist, schätzte der Beklagte auf 60.000 DM. Für die Jahre 1990 und 1991 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer für die Pacht der Milchquote entsprechend fest. Die dagegen eingelegten Einsprüche waren erfolglos.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage und macht geltend, er habe die land- und forstwirtschaftlichen Flächen in B. im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes verpachtet. Er beruft sich auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 22. Juni 1992 - S 7410 - 74 - StO 331 und das Ergebnis der Gruppenbesprechung der Umsatzsteuerreferenten des Bundes und der Länder aus der Niederschrift vom 4. Juli 1990 - IV a III - S 7220 IV/90, wonach es sich bei der Übertragung der Referenzmengen um eine selbständige sonstige Leistung handelt, die gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 UStG einem Steuersatz von 8 % unterliegt. Da er in B. zunächst nicht über Wirtschaftsgebäude verfügt habe, habe er Teilflächen eines von ihm geführten landwirtschaftlichen Betriebes vorübergehend an einen anderen Landwirt verpachtet. Diese Verpachtung sei keine vermögensverwaltungsähnliche Tätigkeit, sondern Ausfluß einer landwirtschaftlich ausgerichteten Teilverpachtung bzw. Nutzungsüberlassung. Da er nicht den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb verpachtet habe, unterliege die Verpachtung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen insgesamt der Durchschnittsbesteuerung. In diesem Sinne habe auch der Bundesfinanzhof durch Urteil vom 11. Mai 1995 - V R 4/92 - entschieden.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer 1988 bis 1991 auf jeweils 0 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend, der Kläger habe keine Betriebsverlegung vorgenommen. Er habe vielmehr seinen Betrieb in S. aufgegeben und in B. einen neuen Betrieb gegründet. Deshalb seien die verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen in B. und die verpachtete Milchquote nach ertragsteuerlichen Gesichtspunkten kein Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Die Pachteinnahmen unterlägen daher auch nicht der Durchschnittsbesteuerung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Steuerakten zu Steuernummer ... und die Finanzgerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Umsätze aus der Verpachtung der von dem Kläger in B. erworbenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen und der darauf liegenden Milchquote unterliegen nicht der Durchschnittsbesteuerung gemäß § 24 UStG. Mit der Verpachtung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen hat der Kläger steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 12 a UStG und mit der Verpachtung der Milchquote steuerpflichtige Leistungen erbracht, die dem allgemeinen Steuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG) unterliegen.
Unter die Durchschnittsbesteuerung fallen nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG nur die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze. Für das Umsatzsteuerrecht ist eigenständig zu bestimmen, inwieweit die in der Verpachtung bestehende Tätigkeit eines Unternehmers selbst eine Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes i.S.d. § 24 UStG ist (vgl. BFH, Urteil vom 21. Februar 1980 V R 113/73, BStBl II 1980, 613 [614]).
Voraussetzung für die Ausübung einer Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes i.S.d. § 24 UStG ist, daß er noch bewirtschaftet wird. § 24 UStG findet dagegen keine Anwendung, wenn der Betrieb lediglich verpachtet oder aufgegeben ist und sich nur noch im Stadium der Abwicklung befindet (vgl. BFH, Urteil vom 21. April 1993 XI R 50/90, BStBl II 1993, 696 [697]). Die Verpachtung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen in B. erfolgte nicht aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Klägers heraus, weil er zur Zeit der Verpachtung keine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit ausübte. Zur Zeit der Verpachtung am 1. November 1987 hatte der Kläger in S. keinen landwirtschaftlichen Betrieb mehr, da er die Flächen seines Hofes veräußert hatte. Bei der von ihm auf den rückgepachteten Flächen betriebenen Rindermast und Ammenkuhhaltung handelte es sich lediglich um die Abwicklung des von dem Kläger bereits aufgegebenen Betriebes. Insofern trägt der Kläger selbst vor, daß er diese Viehwirtschaft nur betrieben hat, um seine erheblichen Futtervorräte selbst verwerten zu können. In B. hatte der Kläger zur Zeit der Verpachtung keinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, da er die von ihm erworbenen Flächen ohne eigene Nutzung sofort an einen dritten Landwirt verpachtet hat.
Die von dem Kläger in B. erworbenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen sind auch nicht deshalb aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb heraus verpachtet worden, weil der Kläger ab 1. November 1987 eine Feldscheune in B. gepachtet hatte, in der eine Viehmast und eine Ammenkuhhaltung betrieben wurde. Denn die Anpachtung dieser Feldscheune erfolgte zeitgleich mit der Verpachtung der erworbenen Flächen, so daß keine Verpachtung aus einem bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb heraus erfolgte. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der in der Feldscheune betriebenen Viehhaltung um die Abwicklung des in S. aufgegebenen Betriebes oder um einen von dem Kläger neu gegründeten land- und forstwirtschaftlichen Betriebes handelt.
Darüber hinaus ist die Klage auch deshalb unbegründet, weil Voraussetzung für die Anwendung der Durchschnittsbesteuerung hinsichtlich der Verpachtungsumsätze ist, daß "nur einzelne landwirtschaftliche Grundstücke auf Zeit" überlassen werden (vgl. BFH, Urteil vom 11. Mai 1995 V R 4/92, BStBl II 1995, S. 610 ff.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil es sich bei der Verpachtung von ca. 63 ha nicht um "einzelne landwirtschaftliche Grundstücke" handelt, sondern bis auf die geringen Moor-, Wege-, Forst- und Hofraumflächen (insgesamt 10,5027 ha) um alle land- und forstwirtschaftlichen Flächen, über die der Kläger verfügte. Der Kläger hat diese Fläche auch nicht in dem Sinne "auf Zeit" überlassen, daß die Verpachtung noch der Durchschnittsbesteuerung unterfallen könnte. Denn die Grundstücksüberlassung auf Zeit liegt nur vor, wenn die Überlassung für relativ kurze Zeiträume erfolgt. Diese Voraussetzungen liegen bei einer Verpachtung auf 20 Jahre nicht vor.
Der Kläger kann sich auch nicht auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 22. Juni 1992 - S 7410 - 74 - StO 331 - und das Ergebnis der Gruppenbesprechung der Umsatzsteuerreferenten des Bundes und der Länder aus der Niederschrift vom 4. Juli 1990 - IV a - III - S 7220 IV/90 - berufen. Denn in diesen Regelungen wird vorausgesetzt, daß die Überlassung der Referenzmenge im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes erfolgt. Dies ist aber, wie ausgeführt, nicht der Fall. Daß die Milchreferenzmenge Gegenstand eines Leistungsaustausches sein kann, ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. Urteil vom 17. März 1994 V R 39/92, BStBl II 1994, 538 ff.) bestätigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 7.708,00 DM festgesetzt.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 25 Abs. 2, 13 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).